Protocol of the Session on May 30, 2018

Jetzt wird es interessant; denn spätestens seit März sind Sie in Kenntnis des Regierungsentwurfes der Sächsischen Staatsregierung, die diesem Anspruch einer ganzheitlichen Betrachtung der Neuordnung des Polizeirechts im Freistaat Sachsen nachkommt. Es geht um einen Regierungsentwurf, der sich derzeit in der Verbändeanhörung befindet, mit vielfältigen Punkten und Positionen, über den wir alle in diesem Hohen Hause – das ist angekündigt – nach der Sommerpause mit der Zuleitung dieses sehr umfassenden Gesetzentwurfes über die Frage des polizeilichen Gefahrenabwehrrechtes im Freistaat Sachsen diskutieren können. Es geht um die Fragen der Polizeibehörden, des Polizeivollzugsdienstes, der Eingriffstiefe und der Eingriffsintensität. Wir werden einzelne Maßnahmen diskutieren können. Wir werden auch unterschiedliche Perspektiven diskutieren können, wie zum Beispiel über Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung, von Body-Cams bis hin zur Frage von Kennzeichnungspflichten.

Das alles sind Fragen, für die dieses Hohe Haus dann Zeit und Gelegenheit hat, komplex und in der Materie zusammenfassend unter Beachtung der einzelnen Schwerpunkte das Polizeirecht zu diskutieren.

In Kenntnis dieser Tatsache haben Sie sich nicht beirren lassen, um die Gelegenheit zu haben, das vorzutragen, Herr Wippel, was Sie gerade vorgetragen haben. Von mir noch einmal inständig die Bitte: Versuchen Sie die sächsische Geschichte und sächsische Kurfürsten nicht dafür zu instrumentalisieren. Aber Sie versuchen, es wieder auf diese Kernbotschaft herunterzubrechen, und greifen sich folglich zwei Punkte heraus.

Noch einmal: Nach der Sommerpause wird dieses Hohe Haus umfassend das Sächsische Polizeigesetz in all seinen Facetten diskutieren. Zwei Teilsegmente – ich will deutlich sagen: dazu bedurfte es Ihres Zutuns nicht –, über die wir in diesem Zusammenhang diskutieren werden: Das sind zum einen die Fußfusseln – das können Sie heute schon nachlesen – und zum anderen die Aufenthaltsregelungen. Es ist einfach die Komplexität dieses Themas.

Sie versuchen aus unserer Sicht, derzeit nur zu instrumentalisieren. Sie versuchen, sich in den Mittelpunkt einer Diskussion zu bringen und Ängste zu schüren. Was mich an dieser Stelle ärgert, ist die Zeit, die Sie uns allen damit stehlen. Denn es ist ganz klar, dass dieser Gesetzentwurf, der viel zu kurz springt, um wirklich einen Anspruch zu haben, eine Novelle des Sächsischen Polizeirechts darzustellen, keine Zustimmung in diesem Haus findet. Insoweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss aus Sicht meiner Fraktion ganz deutlich gesagt werden: Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab und werden uns nach der Sommerpause auf die Diskussion über den Referentenentwurf der Staatsregierung und die dann tatsächlich anstehende verantwortungsvolle ganzheitliche Diskussion des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts im Freistaat Sachsen konzentrieren.

Seien Sie sich sicher: Wir als CDU werden in der Koalition unsere Verantwortung bei diesem Thema wahrnehmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller – Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Herr Wurlitzer, Sie wünschen bitte?

Eine Kurzintervention.

Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Hartmann! Sie haben möglicherweise recht, dass die AfD den Kurfürsten nicht für sich beanspruchen sollte, aber das sollten Sie als CDU definitiv auch nicht tun; denn das, was Sie in den letzten Jahren hier getrieben haben, dürfte den Kurfürsten auch nicht sonderlich mit Stolz erfüllen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Aber wenn Sie davon sprechen: Die Sache mit der Fußfessel haben CDU und SPD auf Bundesebene mit dem BKA-Gesetz eingebracht. Damit hat die AfD gar nichts zu

tun. Frau Petry und ich, damals Fraktionsvorstand, haben dieses Gesetz mit eingebracht, und wir halten es immer noch für richtig.

Jetzt sind wir einmal ganz ehrlich: Ich frage mich, warum Sie in den letzten Monaten nicht tätig geworden sind? Mit Sicherheit haben Sie jetzt einen Referentenentwurf vorgelegt, aber auch diesbezüglich wissen wir, dass vom Referentenentwurf bis zum tatsächlich verabschiedeten Gesetz Monate oder Jahre ins Land gehen können. Ich denke, es gibt eine ganze Menge Dinge, die man tun kann, und dieses Gesetz, so wie es jetzt ist, ist möglicherweise nicht ausgereift. Es schadet definitiv nicht und es versetzt unsere Polizisten bzw. unsere Justiz in die Verlegenheit, tatsächlich handeln zu können – was sie momentan nicht können.

Wenn Sie als Nächstes im Rahmen der DatenschutzGrundverordnung argumentieren, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Glauben Sie, dass sich irgendeiner der Gefährder für die Datenschutz-Grundverordnung interessiert? Ich glaube es nicht. Verbesserungen an einem Gesetz, Verbesserungen an dieser Änderung kann man immer noch einbringen. Aber sich jahrelang oder monatelang hinzustellen und nichts zu tun und dann auf diejenigen einzuschlagen, die etwas getan haben, ist unredlich, und das haben Sie nicht nötig.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und vereinzelt bei der AfD – Christian Hartmann, CDU, steht am Mikrofon.)

Herr Hartmann, Sie wollen erwidern? – Bitte sehr.

Herzlichen Dank. – Erstens erheben wir keinen Anspruch darauf, den Kurfürsten zu missbrauchen, insbesondere, da wir einem demokratischen Gemeinwesen und nicht dem absolutistischen Anspruch folgen.

Zweitens haben Sie, Herr Wurlitzer, einen Freud’schen Versprecher dringehabt, nämlich die Polizei und die Justiz in die Verlegenheit zu bringen, es umzusetzen. Der Begriff Verlegenheit ist an dieser Stelle richtig; denn es ist nicht damit getan, etwas in ein Gesetz zu schreiben und dann zu sagen, jetzt geht es schon los, sondern Sie müssen die Eingriffsbefugnisse und die Normative in den Kontext setzen und die Ressourcen und die Umsetzbarkeit entsprechend berücksichtigen. Insoweit ist es in der Tat im BKA-Gesetz enthalten und bei uns in der Diskussion. Wir werden die Fußfessel in der Folge implementieren. Das können Sie im Referentenentwurf nachlesen. Es bedarf einer ganzen Reihe weiterer Maßnahmen, die erforderlich sind – neben einem im Gesetz geschriebenen Text –, um es mit Leben zu erfüllen.

Als letzter Hinweis sei gestattet: Wir sind mit Blick auf die in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung derzeit dabei, die Trennung im Polizeirecht zu vollziehen und die entsprechende Verweisung auf die Richtlinie, wie

es vorgesehen ist, einzufügen. Insoweit geht es um einen völlig anderen Tatbestand in der Frage der datenschutzrechtlichen Eingriffsbefugnisse, um genau das zu erreichen, was Sie gerade mit Freud’scher Erregung in Ihren Reihen mit Lächeln begleitet haben. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass wir auf Augenhöhe im Gefahrenabwehrrecht nicht an die Grenzen datenschutzrechtlicher Diskussionen kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Meine Damen und Herren! Es geht weiter in der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Stange. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf bedient die gern verbreitete Angst vor terroristischen Gefährdungen in der Öffentlichkeit. Was dabei verkannt wird, ist die Tatsache, dass neben eine abstrakte Gefährdung durch islamistischen oder anderen Terrorismus auch konkretisierbare Annahmen treten müssen, um sich tatsächlichen Gefährdungen stellen zu können.

Der Staatssekretär im Staatsministerium des Innern, Prof. Schneider, hat bei der gestrigen Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes dazu sinngemäß Folgendes gesagt: Die Gefahr bleibt hoch, aber es gibt derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für Straftaten. Gemeint sind bevorstehende Straftaten.

Was ist denn das? Auch die AfD konnte im Gesetzentwurf neben der höchst abstrakten Gefährdungsannahme, die Europa als Ziel des islamistischen Terrorismus ausmacht, keine konkreten Anhaltspunkte für das Erfordernis eines solchen gesetzlichen Handelns in Sachsen benennen.

Zudem gilt die Zahl der – auf welcher definitorischen Grundlage auch immer ausgemachten – Gefährder in Sachsen mit niedriger zweistelliger Zahl als durchaus gering. Es bleibt dabei: Es ist eine Gefährderannahme. Es handelt sich um Prognosen. Es handelt sich um die Annahme und nicht um die Verurteilung eines Gefährders, sondern um die eventuelle, in der Zukunft sich realisierende Gefahr einer Straftat. Das ist – –

(Sebastian Wippel, AfD: Das Gefahrenabwehr!)

Moment, aber wenn Sie es so weit vorverlagern, dann können Sie nach Ihrer Definition auch viel weiter gehen, und ich denke, dass genau dieser Geist in diesem Gesetzentwurf steckt. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass weder Aufenthaltsverbote noch Anordnungen von Fußfesseln Anschläge zu verhindern vermögen.

Auch ich darf mit Beispielen dienen: In Frankreich hatte ein mit Fußfessel ausgestatteter Täter einen katholischen Geistlichen getötet. Offenbar fehlt – das darf auch für Sachsen gelten – für eine effektive Kontrolle und Über

wachung – Herr Hartmann, Sie haben die Ressourcen angesprochen – bei Anwendung dieses Instrumentes das nötige Personal. Bundesweit ist ebenso bekannt geworden, dass ein sogenannter Gefährder eine Fußfessel trug, trotz dieser Fußfessel am 11. Oktober 2017 in Hamburg ein Flugzeug besteigen durfte und auf diesem Weg Deutschland verlassen hat – übrigens nicht, weil er abgeschoben wurde, sondern aus eigenem freiem Willen. Er reiste nach Athen. Das Signal wurde in Athen geortet und im Ergebnis abgeschaltet, weil das Überwachen per Fußfessel im Ausland nicht gestattet ist.

Man möge sich vorstellen, welchen Sinn jetzt die Fußfessel hat. Wir haben festgestellt, dass er in Athen ist. Gut. Aufenthaltsanordnungen, Kontaktverbote und Fußfesseln sind und bleiben ein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte, der Maßnahmen der Polizei weit in das Vorfeld einer prognostisch konkretisierten Straftat oder entsprechender vorbereiteter Handlungen verlagert, zumal noch immer aus guten Gründen die Unschuldsvermutung gelten sollte und gilt und Personen aufgrund von Annahmen hiermit überwacht werden sollen.

Meine Damen und Herren! Dass die AfD den Gesetzentwurf aus dem BKA-Gesetz abgeschrieben hat, hat der Sachverständige Tüshaus in seiner Stellungnahme treffend ausgeführt. Dass Sie offenbar nicht einmal wussten, was Sie so richtig taten und was Sie wollten, hat ebenfalls der Referatsleiter des Referates 36 des Staatsministeriums des Innern in seiner Stellungnahme ausgeleuchtet. An Ihrer Grundhaltung ändert auch der vorliegende Änderungsantrag nichts, in dem Sie die juristischen Hinweise eins zu eins übernehmen.

Aus den genannten grundsätzlichen Erwägungen heraus werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf und Ihren Änderungsantrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun die SPD-Fraktion; Herr Abg. Pallas, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD schlägt mit dem Gesetzentwurf vor, das Sächsische Polizeigesetz zu ändern. Es sollen darin, wie soeben erwähnt, neue Befugnisse zur Abwehr terroristischer Gefahren eingeführt werden: die elektronische Fußfessel, Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbot.

Bei der Gesamtbewertung ist festzustellen, dass nicht nur inhaltliche Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf sprechen, sondern dass sich der Gesetzentwurf auch in zeitlicher Hinsicht ziemlich überlebt hat. C‘est la vie, Herr Kollege Wippel.

Es ist natürlich das gute Recht jeder Fraktion, Gesetzentwürfe zu jedem beliebigen Zeitpunkt einzubringen. Aber jetzt, da sich der Gesetzentwurf der Staatsregierung für eine umfassende Polizeirechtsnovelle bereits in der Anhörung befindet und veröffentlicht ist, ist dieser Tages

ordnungspunkt schlicht überflüssig, nicht mehr und nicht weniger.

Dennoch möchte ich auf einige Punkte eingehen. Sie beziehen sich in Ihrem Gesetzentwurf ausschließlich auf die zur Terrorismusbekämpfung von der Innenministerkonferenz einstimmig empfohlenen neuen Eingriffs- und Überwachungsmaßnahmen.

Das sind aber eben nur einzelne Aspekte der Aufgaben im Polizeirecht. Sie lassen ein Gesamtbild polizeilicher Befugnisse für und in Sachsen vermissen, und wie diese modernisiert werden sollten, bleibt dabei leider auch auf der Strecke. Ausnahmslos alle anderen Fragen oder Probleme im Polizeirecht, bei denen teilweise offenkundiger Modernisierungsbedarf besteht, sparen Sie aus.

Das macht Ihr Manöver ja so durchschaubar. Sie wollen mal wieder mit möglichst geringem Aufwand das Thema Terrorismus – am liebsten natürlich islamistisch motivierter Terrorismus – aufmachen und weiter Angst in der Bevölkerung schüren. Das wird umso deutlicher, Herr Wippel, als dass Sie sich noch nicht einmal die Mühe gemacht haben, alle relevanten Kritikpunkte der Sachverständigen aus deren Stellungnahmen umzusetzen. Ich erwähne als Beispiel ausdrücklich die als reine Sanktion ausgestaltete neue Gewahrsamsregelung. Das ist schlicht und einfach rechtlich unzulässig.

Es gab auch keine Bemühungen Ihrerseits, den Änderungsantrag nach der Diskussion im Innenausschuss noch einmal anzupassen. Sie bringen heute genau denselben Änderungsantrag ein. Sie haben sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, eine schriftliche Begründung der einzelnen Maßnahmen nachzuliefern, was für die Erläuterungen gegenüber der Öffentlichkeit eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Im Ergebnis bleibt Ihr Gesetzentwurf nur eine parlamentarische Luftnummer. Sie verkennen dabei aber, dass auch Ihre Wähler eine ernsthafte Befassung mit den zu lösenden Aufgaben von Ihnen erwarten, und ich kann nur hoffen, dass möglichst viele Ihren PR-Gag erkennen.