Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Gewünscht ist Einzelabstimmung zu den Bestandteilen des Gesetzentwurfes. Wer möchte der Überschrift seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist die Überschrift nicht beschlossen.
Wer möchte dem Artikel 1, Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und Gemeinden an Wind
energievorhaben im Freistaat Sachsen, Sächsisches Windenergieanlagen-Beteiligungsgesetz, seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür und keinen Enthaltungen ist dem Artikel 1 nicht entsprochen worden.
Wer möchte dem Artikel 2, Änderung des Landesplanungsgesetzes, seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist dem Artikel 2 nicht entsprochen worden.
Wer möchte dem Artikel 3, Inkrafttreten, seine Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier gibt es Stimmenthaltungen und Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit.
Da kein Bestandteil des Gesetzentwurfes die erforderliche Mehrheit erhalten hat, erübrigt sich eine Schlussabstimmung. Wird sie dennoch gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Die allgemeine Aussprache findet wie folgt statt: zunächst die AfD-Fraktion, danach die CDU, DIE LINKE, die SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abg. Wippel. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wenn ich an Fußfesseln denke, dann denke ich, da wir uns ja in Sachsen befinden, unweigerlich an August den Starken; aber nicht an seine „wackeren“ Nachfolger, die heute über das Land herrschen.
Da ich gerade beim Kurfürsten bin, denke ich, er hätte den Strolchen des Landes wahrscheinlich analoge Stahlfesseln am liebsten persönlich angepasst oder sie gleich außer Landes gejagt.
Da Stahlkugeln an den Füßen aber nicht mehr angesagt sind, beantragen wir mit unserem Gesetzentwurf die Einführung der elektronischen Fußfessel. Wir wissen, dass man einen entschlossenen Täter damit nicht aufhält. Wir sind fest entschlossen, ausländische Gefährder abzuschieben und sie bis dahin sofort in Gewahrsam oder in Abschiebehaft zu nehmen. Wir wissen aber auch, dass wir manche Gefährder, zum Beispiel Deutsche, nicht abschieben können.
Um einen Gefährder zu überwachen, brauchte es circa 14 Polizisten, um dies rund um die Uhr zu tun. Diese haben wir aber nicht. Das kann man zwar im Einzelfall mal machen, und das könnte man auch fordern, aber in Gänze brächte es unsere Polizei wohl alsbald an die Grenze des Machbaren. Menschen, die noch keine Straftat begangen haben, dauerhaft einzusperren ist auch äußerst bedenklich. Schlimm ist es, dass wir uns heute überhaupt über so etwas wie die elektronische Fußfessel Gedanken machen müssen, dass wir so etwas als Krücke brauchen.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht vergessen, wem wir diese Lage und diese Notwendigkeit in Deutschland zu verdanken haben.
Nun aber zum eigentlichen Gesetz. Vorangegangen ist der Bund mit dem BKA-Gesetz vor ziemlich genau einem Jahr, nämlich am 1. Juni 2017. Dort hat man die Aufenthaltsvorgabe, das Kontaktverbot und die elektronische Auftragsüberwachung eingeführt, also die elektronische Fußfessel. Aber das BKA ist eben nur zuständig, wenn das Land um die Zuständigkeit ersucht
oder wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt oder wenn die Zuständigkeit der Landespolizeibehörde schlicht nicht gegeben ist.
Also ist es offenkundig, dass für alle anderen Fälle die Zuständigkeit der Landespolizeibehörde gegeben sein muss und eine landesgesetzliche Regelung geschaffen werden müsste. Dieser Aufgabe hat sich die AfD-Fraktion auch umgehend gestellt und bereits zwölf Tage später, nämlich am 12. Juni 2017, den vorliegenden Gesetzentwurf eingereicht.
Wir haben aber nicht nur das BKA-Gesetz heruntergebrochen und abgeschrieben, sondern wir haben die Idee des BKA-Gesetzes aus der Praxis zu Ende gedacht und verbessert. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf die Einfügung von Kontaktverboten und Aufenthaltsvorgaben und die elektronische Überwachung, und zwar gemeinsam, zur Verhütung terroristischer Straftaten nach § 129 a StGB in das Sächsische Polizeirecht vor.
Eine elektronische Aufenthaltsüberwachung ist für einen Gefährder nur dann sinnvoll, wenn ich weiß, in welchem Bereich er weitgehend unschädlich ist. Sobald er diesen Bereich verlässt, muss er aktiv gestellt werden, denn dann liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass er zur Tat schreitet.
Aus diesem Grund haben wir die gemeinsame Anordnung von Aufenthaltsvorgabe und deren Überwachung als Regelfall beschrieben. Wer davon abweichen will, soll das begründen, aber nicht andersherum.
Auf diesem Weg hat sich auch der Freistaat Bayern unseren Ansatz weitgehend zu eigen gemacht und ein halbes Jahr nach uns einen Gesetzentwurf in seinen Landtag eingebracht und ihn sogar bereits verabschiedet. Weitere gute Gesellschaft erhält unsere Initiative, indem die Sächsische Staatsregierung in ihrem Referentenentwurf zur Neustrukturierung des sächsischen Polizeirechts im Grunde dasselbe tut. Statt „Aufenthaltsvorgabe“ heißt es dort „Aufenthaltsanordnung“. Aber im Grunde ist es dasselbe.
Vergleicht man die vorgesehene Bestimmung des Referentenentwurfs mit unserem Gesetzentwurf, ergibt sich weitgehende Übereinstimmung. Unsere Neuerung, die Aufenthaltsvorgabe mit der gemeinsamen Anordnung der Fußfessel, wurde weitgehend übernommen.
Also, meine Damen und Herren, Sie sehen, wir sind uns im Grunde in der Sache einig. Es gibt kein Problem, und Sie können dem auch zustimmen. Ihre Fraktionen auf Bundesebene haben das schon gemacht. Deswegen müssen wir hier nicht mehr viele Worte verlieren. Also: Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Wippel, Sie müssen aufpassen: Die Fallhöhe Ihrer Hybris erreicht mittlerweile einen Zustand, der schwerlich aufzufangen sein wird. Ich glaube, Sie sollten abwarten, wie das Ergebnis der Wahlen 2019 im Freistaat Sachsen sein wird, bevor Sie sich jetzt in einer Selbstgefälligkeit sonnen, für die Sie gar keinen Anspruch mitbringen. Ich glaube auch, dass der Freistaat Bayern nun wahrlich frei davon ist, in den Verdacht zu geraten, dass es der AfD bedurfte, irgendwelche Festlegungen zu treffen.
(Carsten Hütter, AfD: Das würde ich nicht so sehen wollen! Ich würde das mal andersherum beleuchten!)
Ich finde es auch sehr schwierig, welche Ansprüche Sie mittlerweile hier zur Geltung bringen. Im Übrigen: Wenn Sie sich schon darauf beziehen, dann noch so viel: Friedrich August I. von Sachsen – genannt der Starke –, seit 1697 August II., König von Polen und Litauen, ist derjenige gewesen, der auch, was die sächsische Justiz betrifft, einige Neuerungen, wie die Beschränkung der Folter, herbeigeführt hat. Und ob es sich der Kurfürst von Sachsen heute gefallen lassen würde, dass Sie ihn zum Kronzeugen Ihrer Ausführungen machen, möge ich doch eher bezweifeln. Ich glaube, die Vielfältigkeit des kurfürstlich sächsisch-polnischen Hofes hat nichts mit der tristen Wahrnehmung zu tun, der Sie hier so gern in Ihrer Rhetorik folgen.
Ob dieser jetzt so wesentlich ist, sollte sich der geneigte Betrachter anschauen. Sie haben im Jahr 2017 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Polizeige
setzes eingebracht. Dabei haben Sie nicht versucht, sich der Kernfrage zu nähern, welche Eingriffsbefugnisse für die sächsische Polizei im Bereich des Gefahrenabwehrrechtes grundsätzlich erforderlich sind. Sie haben sich bei einer Diskussion über islamistische Gefährder und Asylgefährdung das Thema Polizei ausgesucht. Insoweit muss ich sagen: Chapeau, wie es Ihnen gelingt, auch dieses Thema mit der Asyldiskussion zu verbinden. Jetzt ist es die Diskussion über Fußfesseln und Aufenthaltsbeschränkungen in Bezug auf Gefährdungssituationen.
Das Problem ist nur, dass wir aus der Aktualität heraus – auch des vergangenen Jahres – eine ganz andere Diskussion miteinander geführt haben und führen mussten. Es geht nämlich um die Frage, wie denn das Gefahrenabwehrrecht im Freistaat Sachsen grundsätzlich zu organisieren und zu gestalten sein wird, und zwar nicht nur bei der Frage der Eingriffbefugnisse der sächsischen Polizei, sondern auch bei der Frage der Zuständigkeiten der Eingriffsbefugnisse im Bereich der Polizeibehörden. Das Ganze ist auch gepaart mit der Diskussion über die Fragen der datenschutzrechtlichen Veränderungen, nämlich nach der Richtlinie und der Grundverordnung und der logischen Konsequenz, wie sich das, was mittlerweile durch die Digitalisierung im Netz stärker stattfindet, auch im Gefahrenabwehrrecht nachzeichnet.
Dabei geht es um viel mehr als um die zwei von Ihnen herausgegriffenen Punkte. Dabei geht es um eine grundsätzliche Sortierung des Gefahrenabwehrrechts und der Sicherheitsarchitektur. Es geht auch um die damit erforderliche Abwägung des Grundsatzes Freiheit versus Sicherheit, nämlich der entsprechenden Transparenz, einschließlich der Frage, wie ich entsprechende Eingriffsbefugnisse von ihrer Nachprüfbarkeit her gestalte. Das ist ein sehr komplexer Zusammenhang.