Protocol of the Session on May 30, 2018

Das ist kein Antrag, das ist ein Gesetz.

(Lachen bei den LINKEN)

Weil ich das so einschätze, weil wir das so einschätzen, weil es auch die Gesetzesschreiberinnen und Gesetzesschreiber von Mecklenburg-Vorpommern so eingeschätzt haben.

(Gunter Wild, fraktionslos: Also abgeschrieben!)

Die konkreten Einschätzungen der Anlagen machen nicht wir als Gesetzgeber, sondern die Ombudspersonen bzw. Bürgergutachterinnen und Bürgergutachter.

(Gunter Wild, fraktionslos: Also Procon und andere sind vollkommen an Ihnen vorbeigegangen!)

Das ist nicht an mir vorbeigegangen. Auch andere Firmen sind in vielen Fällen in Schwierigkeiten gekommen. Aber das hat mit dem konkreten Gesetz hier nichts zu tun.

Ich mache weiter, Herr Präsident.

Zu Herrn Vieweg – da war ich stehengeblieben. Sie haben auch gesagt, dass es keine positiven Signale von der Sachverständigenanhörung gegeben hätte. Ich zitiere einmal Ihren Sachverständigen – ich nehme an, dass es Ihrer war –, den Geschäftsführer von der eins energie Chemnitz. Als es um die Frage ging, ob das Gesetz wirkungsvoll und gut sei, hat er geantwortet, dass er seit 2012 in Sachsen keinen Zubau an Windenergieanlagen mehr hat. Das hatten wir gerade schon bei Herrn Maslaton gehört. Er sagte weiterhin: „Was wir alle gemeinsam gelernt haben, ist, dass in Deutschland, in der Republik insgesamt eine breite Mehrheit für die Energiewende besteht. Allerdings stellen wir fest, wenn die Energiewende vor der eigenen Haustür stattfindet, kommt überwiegend Gegenwind auf unsere Projekte zu, und wir müssen mit Widerstand aus der Bevölkerung rechnen. Wir müssen die Inakzeptanz hinnehmen und akzeptieren und damit

umzugehen versuchen.“ Und er sagt weiterhin: „Unter diesen Randbedingungen halten wir die Idee aus dem Artikel 1, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen, für einen sehr guten Ansatz.“ – Das war sein Zitat.

(Staatsminister Martin Dulig: Dann nehmen Sie doch mal das Zitat ernst!)

Er bezieht sich explizit auf Artikel 1. Der Artikel 1 in diesem Gesetz ist die finanzielle Beteiligung.

Es geht weiter: Sie haben verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, Herr Vieweg. Dazu haben wir auch Zitate von Sachverständigen, die ich Ihnen gern anbringen möchte. Es ging um die Verfassungsmäßigkeit.

Frau Prof. Dr. Schlacke – sie ist Umweltplanungsrechtlerin der Uni Münster – hat bezüglich des formalen Verfassungskomitees geschrieben: „Hier kann man meines Erachtens relativ rasch sämtliche Zweifel beseitigen. Wir haben ein Bündel an Kompetenztiteln, die dem Land zur Verfügung stehen. Meines Erachtens kann der Landesgesetzgeber dieses sächsische Beteiligungsgesetz zum einen auf die dem EEG zugrunde liegende Sachkompetenz Energiewirtschaft stützen; denn diese bringt zum Ausdruck – und deutlicher kann man es nicht machen –, dass der Bundesgesetzgeber dies über Bürgergesellschaften, Energiegesellschaften nicht abschließend geregelt hat, sondern gerade eine Öffnungsklausel für die Länder geschaffen hat, um darüber hinauszugehen. Das heißt, wir haben hier keinen Verstoß gegen Artikel 31 Grundgesetz, weil der Bund diese Materie abschließend geregelt hat, sondern die Länder können hier darüber hinausgehend davon abweichen.“

Es gibt noch das Zitat von Frau Knothe und die Nachfrage von Herrn Heidan damals, der das anscheinend nicht verstanden hat,

(Frank Heidan, CDU: Vorsicht!)

als sie explizit gesagt hat, dass den Kommunen, den Gemeinden und den Bürgerinnen und Bürgern Rechte gegeben und nicht Rechte genommen werden.

Zum Thema Berufsfreiheit – weil Sie das auch mehr oder weniger angesprochen haben – sagte Frau Prof. Dr. Schlacke, dass es schwerwiegender sein könnte, zum Thema Verfassungskonformität der Berufsfreiheit zu gehen. Dort sagte sie aber weiterhin, dass es bedeute, es brauche hinreichende Gründe des Gemeinwohls, um dieses Sächsische Windenergiebeteiligungsgesetz zu begründen und bezüglich der Eingriffe in die Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Sie sagte weiter, das werde mit dem Klimaschutz gemacht, der über dem Begriff Umweltschutz auch in unserer Verfassung steht, nämlich in Artikel 20 a des Grundgesetzes. Wir haben eine Staatszielbestimmung, die besagt, dass die Lebensgrundlagen der Menschen geschützt werden müssen. Dazu zählt der Klimaschutz. Auch dahingehend kann man verfassungsrechtlich nicht von Bedenken sprechen.

Drittens. Herr Vieweg, Sie haben auch das Zwei-ProzentZiel angegriffen. Warum wir jetzt von 0,3 % – eigentlich

sind es nur 0,1 % – Landesfläche ausgehen, auf der in Sachsen Windenergie gebaut wird, dass das eine Versechsfachung der Zahlen wäre. Dort hat auch Ihr Sachverständiger Roland Wahner von eins energie gesagt, er wolle damit beginnen, dass er seit drei Jahren Geschäftsführer der eins energie ist: „Als ich hierher gekommen bin, hatten wir einen Aufsichtsratsbeschluss, der dahin gehend war, dass die eins energie über 100 Millionen Euro für erneuerbare Energieprojekte investieren soll. Ich habe in den drei Jahren nichts in erneuerbare Energien investiert, weil wir in Sachsen keine Flächen haben, auf die wir Windenergieanlagen bauen können. Wir begrüßen jede Initiative, die das Ziel hat, Flächen auszuweisen, die grundsätzlich mit Windenergieanlagen bebaubar sind. Ob die Leitplanke 2 % oder 1,5 % ist, ist letztlich nicht maßgebend. Am Ende ist das Ziel entscheidend. Das, was wir jetzt haben, nämlich 0,1 %, ist eigentlich unerträglich. Wenn wir alle gemeinsam die Energiewende wollen, muss hier etwas passieren.“ Ihr Sachverständiger hat das gesagt.

Zu Herrn Hippold: Sie sagten, dass Sie bei einer Begegnung mit den Fraktionsvorsitzenden Menschen bemerkt haben, die eigentlich keine finanzielle Beteiligung möchten, weil sie so frustriert sind, da sie generell so schlecht beteiligt wurden. Darin gebe ich Ihnen recht. Das ist auch ein Problem. Das wollen wir mit der Planungszelle und der Ombudsperson im Grundsatz ändern. Das ist der erste Schritt, den wir tun, und danach, wenn es eine bessere Beteiligung gibt, den Menschen die Möglichkeit eröffnen, sich auch finanziell zu beteiligen.

Zu Ihrem Antrag, den Sie vor einigen Monaten eingereicht haben und in dem Sie das Siegel ähnlich wie Thüringen fordern: Da bin ich voll bei Ihnen und stimme dem auch zu. Das ist auch eine Möglichkeit, Beteiligung zu verbessern. Dass wir das heute hier nicht gemeinsam gemacht haben, hängt mit dem Juristischen Dienst zusammen, der uns davon abgeraten hat und die Auffassung vertritt, dass ein Gesetz und ein Antrag nicht gemeinsam beschlossen werden können. Außerdem schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass bis zum 30. Juni, also bis nächsten Monat, schon das Siegel geschaffen werden soll. Das finde ich sehr kurzfristig. Ich finde, da hätten Sie im Ausschuss jederzeit den Antrag ziehen können.

Alles in allem zu Ende gesagt: Ich würde mich freuen, wenn Sie hier mit uns gemeinsam dafür stimmen. Wir stimmen auch artikelweise ab, um die Windenergie wieder voranzubringen und den Menschen etwas davon zu geben.

(Beifall bei den LINKEN – Gunter Wild, fraktionslos, steht am Saalmikrofon.)

Herr Abg. Wild, Sie wünschen?

(Gunter Wild, fraktionslos: Eine Kurzintervention!)

Na, dann bitte.

Sehr geehrter Herr Böhme, Sie haben jetzt eben wieder darauf hingewiesen: Sie fordern, bis zum 21.12.19 sollen mindestens 2 % der Landesfläche als Vorrang ausgewiesen werden. Mit anderen Worten: Öffnung, Neugestaltung aller Regionalpläne und Beschluss dieser innerhalb von anderthalb Jahren inklusive Bürgerbeteiligung und allem Drum und Dran. Schon allein der Teil der Regionalplanung, der den Vogtlandkreis betrifft, schon dieser kleine Teil zeigt uns, wie extrem unrealistisch Ihre Zeitvorstellung ist. Hier wird bereits seit 2012 um einen neuen Plan gestritten. Die Menschen wollen nicht immer mehr neue Windräder. Wenn der Protest im Vogtland vermeintlich besonders stark erscheint, so ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass bei der neuen Regionalplanfortschreibung und der Wiederöffnung der jetzigen Regionalplanungen auch sachsenweit der Widerstand noch viel mehr ansteigt. Das Fass machen Sie damit auf.

Danke schön.

Herr Böhme, Sie möchten erwidern? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dulig, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen Ausführungen möchte ich in Abwandlung eines Ausspruches von Bertrand Russell voranstellen: Man sollte eigentlich in der Politik niemals den gleichen Fehler zweimal machen, denn die Auswahl ist so groß.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos: Aha! Hört, hört!)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird zum großen Teil das Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommerns übernommen. Die Motivation, die dahintersteckt, nämlich Bürgerinnen und Bürger und Gemeinden am Standort von Windenergieanlagen über eine finanzielle Beteiligung an den Erträgen teilhaben zu lassen, unterstütze ich durchaus im Grundsatz. Bislang ist das nämlich in den seltensten Fällen so. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage zu vernachlässigen, und die Anwohner müssen mit den Anlagen vor der Tür leben, ohne etwas davon zu haben.

Wer das Thema verfolgt, weiß, dass wir mittlerweile ein echtes Akzeptanzproblem haben, das aber nicht nur auf unseren Freistaat beschränkt ist. Eine finanzielle Beteiligung kann – ich betone ausdrücklich: kann – dazu beitragen, Akzeptanz für den Ausbau der Windenergie – und damit für die Energiewende zur Verhinderung des Klimawandels – zu fördern. Das Gesetz in MecklenburgVorpommern ist nun fast auf den Tag genau zwei Jahre in Kraft, und bislang gab es unserer Kenntnis nach noch keinen einzigen abgeschlossenen Anwendungsfall. Ein Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes in Mecklen

burg-Vorpommern ist erst nach drei Jahren vorgesehen, also im Jahr 2019. Außerdem – das wurde bereits gesagt – wird das Gesetz aktuell beklagt.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Die Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss im November vergangenen Jahres hat bei aller Würdigung der zugrunde liegenden Idee unisono ergeben – mich beeindruckt wirklich, wie Sie die Ergebnisse der Anhörung so komplett ignorieren –: Dieses Gesetz ist kein probates Mittel, eine bessere Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden zu erwirken.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Ich sage Ihnen: Niemand hat den Gesetzentwurf gelobt. Niemand hat sich dahintergesetzt. Selbst wenn sich Leute hingestellt und Ansätze gelobt haben – ja, ich lobe auch den Einsatz von Bürgerbeteiligung, nur: Dieses Gesetz ist das völlig falsche Instrument. Das ist das Ergebnis der Expertenanhörung.

Bedenken Sie bitte außerdem, dass mit diesem Gesetz den Betreibern der Windenergieanlagen Mehrkosten entstehen. Wer heute eine Förderung für Windstrom haben will, muss in einem Ausschreibungsverfahren ein Gebot abgeben. Die niedrigsten Gebote bekommen eine Förderung. Wenn sächsische Projekte also ganz spezifische Mehrkosten im Vergleich zu anderen Bietern haben, liegt es auf der Hand, dass sie dadurch einen Wettbewerbsnachteil haben und somit seltener zum Zug kommen. Damit bin ich ganz bei Herrn Dr. Lippold, der bereits sagte, dass man im schlimmsten Fall mit dem Gesetz sogar die Windenergie in Sachsen komplett zum Erlahmen bringt.

Ich sehe im „Vorbild aus dem Norden“ – und damit im vorliegenden Gesetzentwurf – daher schlichtweg noch kein Erfolgsmodell. Wir sollten dieses Experiment nicht ohne Erfahrungswerte übernehmen, denn:

Erstens können wir uns auf keine positiven Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern berufen – Sie auch nicht.

Zweitens wissen wir nicht, ob ein solches Gesetz tatsächlich zur Akzeptanzsteigerung beiträgt.

Drittens wissen wir noch nicht einmal, ob es einer gerichtlichen Überprüfung standhält, und

viertens schaffen wir im Gegenzug noch Wettbewerbsnachteile für sächsische Standorte.

Deshalb werbe ich dafür, das Gesetz in dieser Form nicht zu beschließen. Das heißt jedoch nicht, dass wir damit das Thema fallenlassen. Wer den Berliner Koalitionsvertrag liest, stellt fest, dass auch hier eine stärkere Beteiligung der Standortkommunen vorgesehen ist. Meines Erachtens kann nur eine bundeseinheitliche Lösung zum Erfolg führen. Die Bundesregierung hat also einen klaren Auftrag, und wir werden uns dabei einbringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Stärkung der Windenergienutzung im Freistaat Sachsen. Abgestimmt wird auf der Grundlage des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE.

Der Änderungsantrag, Drucksache 6/13578, von der Fraktion DIE LINKE ist bereits eingebracht. Möchte hierzu noch jemand das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Somit lasse ich zunächst über den Änderungsantrag abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, zeige dies bitte an. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Drucksache nicht beschlossen.