Protocol of the Session on April 25, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meiner ursprünglich geplanten Rede beginne, möchte ich mich erst einmal für den vorherigen Redebeitrag bedanken. Er war sehr ausführlich. Ich habe Ihnen in weiten Teilen sehr gern und in allen Teilen sehr interessiert zugehört.

Ich wollte Ihnen nur sagen zu dem Passus der Rückforderungen oder des Unrechtsbereinigungsgesetzes: Es ist seit

dem 2. Februar 2018 über den Bundesrat entfristet worden. Es gibt dieses Verfallsdatum für die Aufarbeitung nicht mehr.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Der Bund hat noch nicht umgesetzt!)

Ja, es ist im Bundesrat entfristet worden. Es ist ja auch hier von den Kolleginnen und Kollegen von der CDU gemeinsam mit uns und den GRÜNEN eingebracht worden. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass es zumindest von den Leuten, die hier im Hause sitzen, das klare Bekenntnis dazu gibt. Das haben wir hier auch abgeliefert.

Des Weiteren war ich ein bisschen verwirrt über den Abschluss, als Sie einen sehr weiten Bogen spannten von den Menschen, die damals die friedliche Revolution mit herbeigeführt haben, zu ihren heutigen politischen Aktivitäten. Es ist natürlich so, dass damals Menschen dabei waren, die heute einen politischen Weg genommen haben – solche Menschen gibt es in Ihrer Partei auch –, den man als Irrweg bezeichnen kann, Menschen, die Wanderer zwischen politischen Welten sind. Das wird es immer geben.

Ich glaube aber, dass das Verdienst derer – viele haben lange Zeit auch hier im Haus gesessen oder waren im Freistaat, von den GRÜNEN, von der CDU, auch Sozialdemokraten, lange Zeit in wichtigen Positionen zuständig – dadurch nicht kleiner wird.

Ich glaube, dass wir trotzdem nicht müde werden dürfen – auch wenn es heute solche Verirrungen gibt –, dieses Engagement weiter zu würdigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Im Dezember 1989 besitzt die SED 6,1 Milliarden DM an Barvermögen. Hinzu kommen noch 3,3 Milliarden DM in Fonds – sie waren nicht immer so unbeliebt. Hinzu kommen umfangreicher Immobilien- und Grundstücksbesitz sowie Verlage und Betriebe. Damit war die SED zum damaligen Zeitpunkt eine der reichsten Parteien Europas.

Doch woher stammte das Vermögen einer reichen Partei, die ihren Bürgerinnen und Bürgern vielleicht kein bankrottes Land – das ist wissenschaftlich hoch umstritten –, aber zumindest ein Land, das massiv über seine Verhältnisse gelebt hat, hinterließ?

Die SED hat sich an den Menschen bereichert, die nicht in ihr System passen. Sie hat Vermögen eingezogen von politisch Inhaftierten und Betriebe ohne Rechtsgrundlage enteignet – das haben Sie auch angesprochen. Sie hat sogar ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger verkauft – ein einmaliger Vorgang, den ich aus keinem anderen Land kenne.

Zwischen 10 000 DM und 90 000 DM zahlte die Bundesrepublik für den Freikauf eines Häftlings. Je nach beruflicher Qualifikation wurde er eingestuft. Der Arbeiter- und Bauernstaat verkaufte seine Ärzte für mehr Geld als seine Arbeiter.

33 000 Menschen wurden bis zur friedlichen Revolution freigekauft. Die Summe können Sie sich dann selbst ausrechnen.

Die SED hat sich an Menschen bereichert, die als politische Gefangene in den Betrieben Doppelschichten für westliche Konzerne wie Quelle oder Ikea verrichten mussten.

Was liegt heute näher als diese Mittel, die heute aus dem SED-Vermögen zurückfließen, für jene zu verwenden, die unter diesem Regime leiden mussten.

Auch unserer Fraktion hat sich von Beginn an dafür ausgesprochen, diese Mittel entsprechend zu verwenden. Dazu gab es bereits im Januar Gespräche mit dem Finanzminister. Auch Petra Köpping hat sich mehrfach öffentlich geäußert, welche Vorstellungen sie von einer Mittelverwendung hat. Insofern kann ich das Ansinnen in Ihrem Antrag teilen.

Was mir etwas Kopfzerbrechen bereitet hat – dabei ging es mir ähnlich wie dem Kollegen Michel –, war die Liste mit denen, die davon besonders profitieren sollen. Sie haben den Begriff „beispielsweise“ vorangesetzt, um klarzumachen, es handelt sich um eine exemplarische Auswahl. Sie haben aber trotzdem Orte genannt. Sie haben konkrete Vorschläge gemacht.

Wir müssen dazu sagen, dass diese Institutionen, um die es hier geht – ich weiß es sehr gut, weil es auch ein Verein ist, den Volkmar Zschocke, ich und andere gemeinsam gegründet haben –, ein Konzept abliefern oder auf der Liste des Stiftungsgesetzes stehen müssen. Mindestens eines von beiden muss gegeben sein.

Es sind nun Institutionen aufgelistet, die entweder auf der Liste stehen oder ein Konzept eingereicht haben oder gar nichts von beiden. Mir ist einfach die Auswahl nicht ganz klar, warum sie getroffen wurde. Vielleicht wird Frau Dr. Maicher genau auf diese Auswahlkriterien, die Ihrer Nennung zugrundeliegen, noch eingehen. Es würde mich sehr interessieren.

Zu weiteren systematischen Problemen wird mein Kollege Mario Pecher noch sprechen.

Ich möchte meine Zeit nutzen, um anzusprechen, welche Zielgruppen ich gern in den Fokus der Debatte rücken möchte, wenn wir nicht über investive Maßnahmen sprechen, wie es bisher vorgesehen ist, sondern zum Beispiel über Entschädigungsfonds. Sie bleiben sehr im Vagen, für wen solche Entschädigungsfonds gedacht sein könnten. Ich sehe als zentrale Gruppe die sogenannten verlorenen Kinder und ihre Eltern.

Bis heute gibt es eine erschreckend hohe Anzahl von Familien, die einander verzweifelt suchen, weil sie zu DDR-Zeiten getrennt wurden, etwa weil die Eltern politische Häftlinge waren und ihre Kinder in linientreue Familien kamen. Die Kinder wuchsen oft in dem Glauben auf, ihre Eltern würden sich nicht mehr für sie interessieren oder seien verstorben.

Dies ist eine Gruppe von Menschen, um die wir uns dringend kümmern müssen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Abg. Dr. Claudia Maicher, GRÜNE, und der Staatsministerin Petra Köpping)

Was die Gedenkstätten angeht, bin ich zuversichtlich, sofern von allen Konzepte dafür vorliegen. Am Ende wird alles erst spruchreif sein können, wenn wir gemeinsam die Haushaltsverhandlungen bestreiten.

(Beifall bei der SPD)

Für die AfDFraktion Herr Beger, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund eines Klageverfahrens erhalten die ostdeutschen Bundesländer aus dem Vermögen der ehemaligen Parteien der DDR insgesamt 185 Millionen Euro. Auf Sachsen entfallen davon etwa 58 Millionen Euro. Der Antrag der Fraktion der GRÜNEN zielt darauf ab, diesen Betrag für investive oder investitionsfördernde Maßnahmen einzusetzen. Primär sollen bestehende Gedenkstätten ausgebaut und saniert oder neue aufgebaut werden.

Grundsätzlich ist der Antrag der Fraktion der GRÜNEN zu begrüßen. Auch 28 Jahre nach der deutschen Einheit ist den Opfern der SED-Diktatur nicht vollständige Gerechtigkeit widerfahren.

Die Staatsregierung hat sich bislang nicht zur Verwendung der Mittel erklärt. Es ist deshalb zu befürchten, dass die Mittel dem allgemeinen Haushalt zufließen. In der Vergangenheit verwendete man die Mittel für den Haltestellenausbau im Personennahverkehr. Das ist zwar nützlich, gegenüber den Opfern der SED-Diktatur aber völlig unsensibel.

Der Schwerpunkt des vorliegenden Antrages liegt in der Aufarbeitung und der Aufklärung von Unrecht in der DDR. Dabei setzt man auf die Errichtung und den Unterhalt von Erinnerungs- und Gedenkorten.

Die AfD-Fraktion sieht den Schwerpunkt in der Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer. Der Untergang der DDR liegt nicht allzu weit zurück. Viele Menschen, denen damals Unrecht widerfahren ist, sehen sich weiterhin mit den Folgen unrechtmäßigen staatlichen Handelns der DDR konfrontiert. Die seitens des Rechtsstaates gewährten Entschädigungen setzen Bedürftigkeit voraus. Die Opfer von damals werden damit zu Bittstellern degradiert. Viele Opfergruppen erhalten bis heute keine Unterstützung, so etwa Zwangsadoptierte. Finanzielle Mittel, gleich ob Sonderzahlungen oder aus dem laufenden Haushalt, müssen daher denen zugute kommen, die weiterhin Schäden an Leib und Seele zu beklagen haben.

Eine Erinnerungskultur, wie sie der Antrag der GRÜNEN verfolgt, sollte in angemessener Form die Zeitzeugen einbeziehen. Im Konzept für die Gedenkstätte Hoheneck fehlt es hieran. Es entsteht der Eindruck, dass auf Design

und Multimedia mehr Wert gelegt wurde. Es existiert eine Vielzahl von Opferverbänden, die ihre Ergebnisse oder Erlebnisse direkt weitergeben können ohne multimediale Aufbereitung. Aus dem Antrag ist nicht ersichtlich, in welcher Weise diese Verbände einbezogen werden. Mit weiteren Ausschüttungen aus Sondervermögen ist in der Zukunft eher nicht zu rechnen. Eine anhängige Klage wurde bereits abgewiesen.

In Zeiten von Steuerrekordeinnahmen ist es den Opfern von damals nicht vermittelbar, dass man nur auf Sondervermögen zugreift. Es bedarf daher nicht der Änderung der Verwaltungsvereinbarung, um Sondervermögen

anders einzusetzen. Es bedarf des Einsatzes laufender Mittel aus dem Haushalt. Finanzielle Mittel zur Wiedergutmachung, Entschädigung und Erinnerung müssen dauerhaft und in angemessener Höhe zur Verfügung stehen.

Die AfD-Fraktion enthält sich daher zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Bevor wir in die zweite Rederunde gehen, Herr Wild bitte noch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Dem Antrag und auch der Begründung des Antrags ist klar zu entnehmen, dass es den GRÜNEN hier um Aufarbeitung, Aufklärung und im Ergebnis auch um Wiedergutmachung von DDR-Unrecht geht. So weit, so gut. Aber gleich, aus welcher Zeit, auch aus welcher politischen Richtung heraus staatliche Willkürherrschaft Wunden geschlagen hat, dürfen die Opfer nicht in Vergessenheit geraten; das ist völlig klar.

Schaut man sich aber die Problematik der Wiedergutmachung von historischem Unrecht an, wird man feststellen, dass dies ein sehr junges geschichtswissenschaftliches Forschungsfeld ist. Allerdings muss man auch feststellen, dass die hieraus fließenden politischen Aktivitäten populäre und im Zweifelsfall auch populistische Charakterzüge in sich tragen. Wiedergutmachung im klassischen Sinn bedeutet im Idealfall die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands oder die materielle Schadenskompensation durch Ersatzleistungen an die, die betroffen waren. Dies ist bei der historischen Unrechtsfindung nicht ohne Weiteres möglich; es geht offensichtlich nicht.

Das besonders Verwerfliche an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zeiten der SED-Diktatur liegt mit Sicherheit aber auch darin, dass gerade in der DDR zeitgleich einerseits der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wurde und andererseits im Interesse des eigenen Machterhalts Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden.

Historisches Unrecht wird bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer besonders sichtbar. Allerdings dürfte historisches Unrecht keinesfalls darauf begrenzt sein. Es könnte uns auch in der heutigen Zeit durch Entscheidungen, faktisches oder postfaktisches Handeln

politischer Entscheidungsträger immer wieder begegnen; es wäre immer wieder möglich.

Aus dem Bruch des Rechts, gleich aus welcher Zeit oder aus welchem Anlass, kann immer historisches Unrecht entstehen. Das in seiner Bedeutung absolut dominierende Gedenken an diesen Vorgang sollte damit gerade nicht auf den Bau von Gedenkstätten zentriert sein, sondern sollte an erster Stelle jene politischen Akteure mit Macht und Einfluss gedanklich begleiten.

Ja, nun wohin mit dem vielen Geld? Die fraktionslosen Abgeordneten, die gleichzeitig auch Mitglied der blauen Partei sind, sind sich geschlossen darüber einig, dass der hier in Aussicht gestellte finanzielle Segen sinnvoller eingesetzt werden kann, als dies das Gedankenschema der GRÜNEN zulässt. Viel wichtiger wäre es, die Wiedergutmachung den konkreten Personen spürbar zukommen zu lassen, die während der SED-Diktatur konkrete Nachteile erfahren haben. Dies betrifft vor allem auch die bisher Vergessenen: die Eltern, insbesondere Frauen, deren Kinder unmittelbar nach der Geburt oder zu einem späteren Zeitpunkt gegen ihren Willen zur Zwangsadoption freigegeben wurden, oder Ehepartner, die während der DDR-Zeit geschieden wurden, ohne dass ein ausreichender finanzieller Ausgleich erfolgte, diejenigen, die durch die DDR-Justiz Urteile in Kauf nehmen mussten und dadurch konkrete Nachteile erfahren haben, diejenigen, die in ihrer nicht DDR-konformen weltanschaulichen Überzeugung oder wegen ihres Glaubens keine weiterführende Schule besuchen durften oder ein Studium nicht absolvieren konnten, oder diejenigen, die im Zusammenhang mit ihrer Ausreise aus der DDR enteignet wurden, und die Angehörigen der Opfer an der Berliner Mauer oder an den Außengrenzen der DDR, die auf der Flucht erschossen wurden.

Dies sind nur einige Beispiele, die hier benannt werden. Es gibt also viele Möglichkeiten der konkreten Wiedergutmachung im Einzelfall, und diese Möglichkeiten sollten wir nutzen.

Danke schön.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)