Protocol of the Session on January 29, 2015

(Beifall bei den LINKEN und der AfD)

Soeben hatte die Fraktion DIE LINKE das Wort. Wir kommen zum nächsten Redner. Er spricht für die SPD-Fraktion. Kollege Pallas, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Frage ist zwar pauschal gestellt, aber ich bin trotzdem dankbar, dass wir uns in diesem Haus über den Stellenwert der Polizei in unserer Gesellschaft insgesamt unterhalten. In der ersten Runde hat man stärker auf die politischen Entscheidungen fokussiert. Darauf möchte ich in der zweiten Runde eingehen. Ich möchte zunächst den Stellenwert und den Rückhalt in der Bevölkerung ein Stück weit stärker beleuchten.

Es wurde angesprochen, dass der Polizeiberuf schon seit Langem zur Spitzengruppe bei der Beliebtheit und beim Vertrauen der Bevölkerung gehört. Das ist aus meiner Sicht absolut berechtigt. Dennoch gesellt sich zu dem Bild als Freund und Helfer nicht selten eine ablehnende Haltung, wenn es um konkrete Maßnahmen geht. Das ist auch normal.

Was mir Sorgen macht, ist die zunehmend ablehnende Haltung an den Rändern unserer Gesellschaft gegenüber unserem Staat und der ihn verkörpernden Polizei. Sie alle haben die Nachrichten der letzten Wochen und der letzten Nacht in Erinnerung von Angriffen auf Polizeidienstellen, von Angriffen auf Polizeibeamte sowohl durch Radikale aus dem linken Spektrum, aber auch – wenn ich an die Legida-Demonstration in Leipzig denke – aus dem radikalen rechten Spektrum.

Das Erschreckende an diesen Ereignissen ist, dass es vielen offenbar nicht mehr nur darum geht, den Staat und die Polizei als Institution zu schädigen, nein, es geht offenbar immer häufiger darum, den Menschen in Uniform, ganz konkret die einzelne Person, zu schädigen, um daraus die eigene Ideologie zu befriedigen.

Wir sollten uns alle darum sorgen, als Politiker, als Gesellschaft insgesamt. Wir müssen uns als Politiker fragen, was wir konkret tun können, um dem entgegenzusteuern.

Es ist klar, dass wir natürlich eine gute und nachvollziehbare Politik machen müssen, die die Ursachen von sozialen Spannungen und von Kriminalität ein Stück weit eindämmen kann. Es gehört aber auch dazu, dass wir ehrlich analysieren, welche Gründe für die Radikalisierung vorliegen und ob nicht an der einen oder anderen Stelle auch das Handeln des einen oder anderen Politikers mit zu einer solchen Verschärfung beiträgt. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu, meine Damen und Herren.

Damit bin ich schon beim Stellenwert der Polizei in der Politik. Aus eigenem Erleben muss ich sagen, dass die Polizei immer und immer wieder die nicht gelösten oder

sich verschärfenden sozialen Probleme unserer Gesellschaft lösen muss. Das geht bei regelmäßigen Einsätzen an sozialen Brennpunkten los, das geht weiter bei Auseinandersetzungen mit gewalttätigen Jugendgruppierungen und hört nicht etwa beim Umgang mit den Folgen eines steigenden Betäubungsmittel- oder Alkoholkonsums auf.

Häufig sind die Kolleginnen und Kollegen in der Kritik, aber letztendlich bekämpfen auch sie nur die Symptome, deren Ursachen an anderer Stelle bekämpft werden müssten.

(Beifall bei der SPD)

Ein kurzes Beispiel, um dies zu verdeutlichen: Vor einigen Jahren wurde die Jugendpauschale des Freistaates gekürzt. Das hatte ganz konkret zur Folge, dass Jugendhilfeangebote in den Kommunen effektiv gekürzt werden mussten. Ich habe es in Dresden am eigenen Leibe gespürt; damals arbeitete ich noch in einem Dresdner Polizeirevier. Es führte dazu, dass viele Jugendliche, die eine ganz engmaschige sozialpädagogische Betreuung nötig gehabt hätten, nicht mehr so intensiv betreut werden konnten und letztendlich als einziger offizieller Ansprechpartner die Polizei bei konflikthaften Einsätzen zur Verfügung stand. In einer solchen Situation kann man kein Problem lösen; das muss allen klar sein.

(Beifall bei der SPD)

Die Polizei spürt ganz genau die Auswirkungen wachsender Armut, von Langzeitarbeitslosigkeit und sozialer Entmischung in den Städten. Dieser Effekt wird durch den Stellenabbau verstärkt, der zu selten – im Grunde überhaupt nicht – von einer realen und ganz konkreten Aufgabenkritik hätte begleitet werden müssen. Dass es fachlich erheblichen Diskussionsbedarf gibt, zeigt, dass im Laufe der letzten Jahre immer mehr Teile der Polizeiarbeit zu Schonbereichen erklärt wurden und im Endeffekt der Stellenabbau nur noch durch den Streifendienst oder die Verkehrspolizei erbracht werden soll.

Die Folge: weniger Kontakt zur Bevölkerung, weniger Prävention, weniger subjektives Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung, aber mehr Arbeit für die Polizei bei gleichzeitig geringeren Erfolgen.

Ihre Redezeit geht zu Ende.

Zu oft musste ich persönlich Überlastungserscheinungen bei Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen. In der Vergangenheit wurde zu viel über Stellen, aber nicht über die Aufgaben gesprochen.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Mehr dazu in der zweiten Runde. – Vielen Dank für Ihren Hinweis, Herr Präsident.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei den LINKEN sowie des Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU)

Wir erwarten auf jeden Fall eine zweite Rednerrunde. – Es spricht jetzt nach Herrn Kollegen Pallas als Nächster für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Lippmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann sicherlich dieser Tage den Stellenwert, den die Polizei in der Bevölkerung genießt, nicht hoch genug schätzen. Wir hatten gestern eine Regierungserklärung, in der das sehr deutlich geworden ist. Wohl selten sieht die Bevölkerung so viel Polizei auf der Straße wie in den letzten Wochen in Dresden, aber auch in anderen Städten von Sachsen.

Klar ist aber auch: Die Polizei in Sachsen ist zunehmend durch diese Ereignisse an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit angekommen, wie wir gestern gehört haben. Aber auch ohne das Demonstrationsaufkommen und ohne die Terrorgefahr in Sachsen wäre die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit am Rande ihrer Belastungsfähigkeit.

Hintergrund ist der Stellenabbau in der Polizei, der darauf basiert, dass CDU, FDP und SPD in den letzten zehn Jahren die Polizei als Teil einer staatlichen Kernverwaltung gesehen haben, in der man nach Möglichkeit die Ideologie eines schlanken Staates gut umsetzen kann.

Kein anderes Ressort ist in den letzten Jahren einem so großen Stellenabbau unterworfen worden wie die Polizei, und all das merken wir, wenn es um den Stellenwert der Polizei geht, sehr deutlich.

Das zeigt, welchen Stellenwert die Polizei für Teile der Politik in Sachsen hat. In Zahlen bedeutet das: 2006 ist beschlossen worden, dass bis 2020 über 3 500 Stellen abgebaut werden sollen. 1 700 dieser Stellen sind schon abgebaut worden. Nun haben wir dem Koalitionsvertrag entnehmen können, dass der Stellenabbau gestoppt werden soll. Dem Blick in den Haushalt entnimmt man dann, dass sich das offensichtlich nur auf den zusätzlichen Teil des Stellenabbaus bezieht, den Schwarz-Gelb noch zur Erhöhung des Stellenabbaukorridors beschlossen hat, und dass der Stellenabbau, den Schwarz-Rot 2006 beschlossen hat, offensichtlich so weitergeht.

So wird der Stellenabbau nicht gestoppt, sondern so läuft er weiter. Wir werden bis 2020 definitiv das Problem haben, dass ein Großteil von Polizeistellen abgebaut wird, und in der Bevölkerung wird das immer merklicher.

(Frank Heidan, CDU: Sie wollen doch den Verfassungsschutz abschaffen!)

Wir sprechen hier gerade von der Polizei. Die Stellen, die wir im Verfassungsschutz sparen wollten, wollten wir ja genau der Polizei geben, Herr Heidan.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Für uns ist klar: Wir brauchen ausreichend Polizistinnen und Polizisten, wir brauchen ausreichend Ermittler auf der Straße und der Stellenabbau muss gestoppt werden – auch, um den hohen Stellenwert, den die Polizei in

Sachsen bei der Bevölkerung genießt, tatsächlich zu halten.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Mit Blick auf die Terrorgefahr, mit Blick auf die Gefährdung durch terroristische Anschläge investieren andere Bundesländer mittlerweile wieder sehr intensiv in ihre Polizei. In Nordrhein-Westfalen überlegt man jetzt, eine deutliche Anzahl zusätzlicher Polizeistellen zu schaffen. Das wäre ein Weg, den wir in Sachsen definitiv bräuchten – auch und gerade mit Blick auf terroristische Bedrohung. Aus der CDU hört man dagegen in diesem Zusammenhang immer mehr die Forderung nach Vorratsdatenspeicherung anstatt nach der Aufstockung von Ermittlern. Lassen Sie es mich aus GRÜNEN-Sicht deutlich sagen: Wir brauchen keine teureren Überwachungsspielzeuge, sondern eine gut ausgestattete Polizei, die im Land präsent ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich, wenn es um den Stellenwert der Polizei in unserer Gesellschaft geht, auch noch einmal auf das Verhältnis von Staat und Bürger eingehen. Wir brauchen nicht nur eine gut ausgestattete Polizei in diesem Land, sondern auch eine möglichst transparent agierende Polizei. Die Polizei ist die Inkarnation des staatlichen Gewaltmonopols und es ist Aufgabe und Sinn in einer liberalen Demokratie wie der unsrigen, dass die Polizei mit einem hohen Maß an Transparenz agiert und mit einem hohen Maß an Kontrolle belegt wird.

Deshalb fordern wir als GRÜNE seit Langem:

Erstens, wir brauchen eine Identifikationsmöglichkeit von Polizisten in geschlossenen Einheiten, um das Vertrauen der Bevölkerung dahin gehend herzustellen, dass man, wenn es Probleme mit der Polizei gibt, nicht daran scheitert, dass man den Polizisten nicht identifizieren kann. Lassen Sie es mich gleich sagen, bevor der Vorwurf kommt, wir wollten Polizisten namentlich an den Pranger stellen: Es geht um eine Nummer und nicht um den Namen.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Lassen Sie mich an dieser Stelle mit Blick auf die Ereignisse, die wir in Leipzig in den letzten Wochen hatten, genauso deutlich sagen: Gewalt – egal von wem und aus welchen Gründen – ist für uns nicht hinnehmbar, und deshalb braucht es ein deutliches Signal, dass das nicht geht.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Das sagt Herr Kasek auch?)

Das sagt Herr Kasek auch, ja.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Zweitens, wir brauchen eine unabhängige Stelle zur Aufklärung von polizeilicher Arbeit, von rechtswidrigem Handeln der Polizei – auch das wäre ein klares Signal an die Bevölkerung – und eine vertrauensstiftende Maßnah

me, die auch langfristig den hohen Stellenwert der Polizei erhalten würde, die so manches, Herr Pallas, was es an Problemen gibt, sicherlich lösen könnte und die den positiven Nebeneffekt hätte, dass so manche politische Bewertung der polizeilichen Ermittlungsarbeit einer gewissen Objektivität unterzogen würde.

Kurzum: Wir brauchen mehr Transparenz und eine gut ausgestattete Polizei; dann wird sich der hohe Stellenwert, den die Polizei in Sachsen hat, hier auch halten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt in die zweite Runde. Die AfD eröffnet wieder; Herr Wendt, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme den offenen Brief der Deutschen Polizeigewerkschaft Sachsen, der auch auf Ihren Tischen Platz gefunden hat, zum Anlass und appelliere an die Fürsorgepflicht dieses Hohen Hauses, sich dieses Briefes anzunehmen.

Wenn Bedienstete auf der Grundlage unserer Gesetze für deren Durchsetzung beauftragt sind, so ist es auch Aufgabe und Pflicht des Gesetzgebers, für die Sicherheit der Bediensteten zu sorgen.