Protocol of the Session on March 15, 2018

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Da bin ich aber gespannt.

Wenn wir es nicht im öffentlichen Dienst merken, dass wir im Wettbewerb um die besten Köpfe für unsere Verwaltung stehen, werden wir das demnächst bitter bereuen. Wir können uns schlicht keine sachgrundlosen Befristungen im öffentlichen Dienst mehr leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz ehrlich, wenn Sie nicht wollen, dass den nächsten Gang nach Canossa in Anbetracht eines drohenden Personalnotstandes der Finanzminister oder der Innenminister hier in diesem Hohen Hause antreten müssen, sollten Sie die Sonntagsreden über einen attraktiven öffentlichen Dienst ernst nehmen und diesem Antrag zustimmen, um das Problem zu lösen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Und die CDUFraktion, bitte; Herr von Breitenbuch.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Fachkräfte für den öffentlichen Dienst gewinnen – Vorbildwirkung ernst nehmen – keine Stellenausschreibungen mehr mit sachgrundloser Befristung“ – Prioritätenantrag der GRÜNEN. Herr Lippmann hat vom Gift der modernen Arbeitswelt gesprochen. Ich komme auf die sachliche Ebene zurück und beginne mit dem Sachverhalt. Worum geht es?

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz ist eine kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Auch der Freistaat als öffentlicher Arbeitgeber macht in gewissem Umfang von dieser Regelung Gebrauch. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 ist ein Arbeitsverhältnis mit sachgrundloser Befristung nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Im Antrag soll die Staatsregierung aufgefordert werden, keine Arbeitsverhältnisse mehr sachgrundlos zu befristen. Ebenso soll sie sich auf Bundesebene für eine entsprechende Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes einsetzen. Wie ist dieser Antrag nun aus Sicht der CDUFraktion zu bewerten?

Zum Stichtag 8. März waren durch den Freistaat 60 Stellen ausgeschrieben. Davon waren 18 nach § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz befristet. Weniger als ein Drittel der neu ausgeschriebenen Stellen sind also davon betroffen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist ziemlich viel!)

Der Freistaat Sachsen nutzt lediglich die bundesrechtlichen Regelungen für Arbeitgeber. Das ist per se nicht zu beanstanden.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Aber er muss es nicht!)

Im Freistaat Sachsen sind nach Auskunft des Staatsministeriums der Finanzen sachgrundlose Befristungen ein wichtiger Baustein im Arbeitsvolumen. Insbesondere im nachgeordneten Bereich, zum Beispiel im SIB, ist dieses Instrument für eine flexible Handhabung der unterschiedlichen Anforderungen im Geschäftsalltag unabdingbar. Ohne dieses Instrument wird sogar die Arbeitsfähigkeit infrage gestellt.

Unabhängig davon lohnt es, das Umfeld dieser Regelung zu beleuchten. Im Jahr 2015 erschien eine Studie „Befristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst“ vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das ist die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Darin heißt es zum Beispiel – ich zitiere: „Sachgrundlose Befristungen scheinen somit insgesamt mit geringeren Befristungsanteilen und zugleich höherer Übernahmechance einherzugehen.“ Das nächste Zitat: „Der Einsatz befristeter Beschäftigung kann gerade im Vergleich zwischen privaten und öffentlichen Betrieben nicht losgelöst von dem breiteren personalpolitischen Kontext betrachtet werden.“

Und das dritte Zitat: „Zudem gilt es, zu berücksichtigen, dass die Befristungspraxis nicht losgelöst von der Kündigungspraxis betrachtet werden kann. Personalabgänge werden im öffentlichen Sektor über befristete Arbeitsverträge und reguläre Renteneintritte, in der Privatwirtschaft hingegen häufiger mithilfe von Kündigung realisiert. Im öffentlichen Sektor spielen Arbeitgeberkündigungen mit 5,5 %“ – ich bitte, das zu beachten – „aller Personalabgänge 2014 kaum eine Rolle. In der Privatwirtschaft sind das 27,7 %.“

Zum Ausdruck gebracht wird damit, dass sachgrundlose Befristungen nicht aus der Willkür öffentlicher Arbeitgeber resultieren, sondern Ergebnis der Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers an einer sicheren Beschäftigung und dem Interesse des Arbeitgebers an einer gewissen Flexibilität sind. Oft münden sie, wie die Studie zeigt, in reguläre Beschäftigungsverhältnisse danach. Insofern verbietet sich eine pauschale Kritik an sachgrundlosen Befristungen. Insofern kann auch der geforderten pauschalen Ablehnung sachgrundloser Befristungen nicht zugestimmt werden.

Im Übrigen, meine Damen und Herren Kollegen, sind wir alle als Mitglieder des Landtags in gewisser Art und Weise ebenfalls sachgrundlos befristet,

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Der Sachgrund nennt sich Demokratie!)

nämlich für die Dauer der Legislaturperiode.

(Zurufe von den GRÜNEN und den LINKEN)

Uns vorzuwerfen, dass wir nicht wüssten, wie man sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis fühlen kann, ist damit, glaube ich, unrichtig.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, Kollege! – Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Auch wir können mit Befristungen gut leben, und ich bin als Landwirt auch davon abhängig, ob ich jedes Jahr eine gute Ernte mache usw. Also: Eine gewisse Unsicherheit des Lebens gibt es einfach. Ich möchte das hier ganz nüchtern so ansprechen.

Außerdem möchte ich ansprechen, dass im öffentlichen Dienst der Lohn vorweggezahlt wird und nicht hinterher. Auch das ist gerade bei Beamten wichtig.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Gleichwohl ist klar, dass die Staatsregierung von sachgrundlosen Befristungen nicht leichtfertig Gebrauch machen darf, und wir gehen davon aus, dass sich die Staatsregierung an die gesetzlichen Regeln – und das habe ich gerade ausgeführt – hält. In der gemeinsamen Absichtserklärung von CDU und SPD vom 11.12.2017 wurde sich darauf verständigt, sachgrundlose Befristungen im öffentlichen Dienst nur noch in begründeten Fällen zu nutzen. Herr Lippmann hat darauf hingewiesen.

Der Koalitionsvertrag im Bund zwischen CDU/CSU und SPD sieht vor, dass bei Arbeitgebern mit mehr als 75 Beschäftigten sachgrundlose Befristungen nur noch maximal 2,5 % der Belegschaft treffen dürfen. Außerdem soll die maximale Dauer der sachgrundlosen Befristung von 24 auf 18 Monate herabgesetzt werden. Wie die konkreten Regelungen aussehen werden, wird zu gegebener Zeit zu beobachten sein.

Meine Damen und Herren! Wie erwähnt, können wir der pauschalen Ablehnung sachgrundloser Befristungen nicht zustimmen. Der Grund der strikten Regelung des Wiederbeschäftigungsverbotes ist ein Schutz des Arbeitnehmers. Es soll verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer statt eines Dauerarbeitsverhältnisses nur noch diverse aufeinanderfolgende Befristungen angeboten werden. Aber dann ist es aus meiner Sicht eigentlich sinnvoller, über die Abschaffung des Wiederbeschäftigungsverbotes zu

sprechen als über die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Das wäre ehrlicher und auch sachlich geboten.

Daher lehnen wir Ihren Antrag ab. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Fraktion DIE LINKE, Herr Brünler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Befristete Arbeitsplätze gehören auch in Sachsen für viele Menschen zum Alltag. Nach Recherchen des MDR waren davon im letzten Jahr rund 40 % aller Neueinstellungen betroffen. Dafür kann

es im Einzelfall gute Gründe geben, die auch wir erkennen und nicht unterbinden wollen. Bei Krankheit, Mutterschaftsurlaub oder plötzlichem Ausfall einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters muss der Arbeitgeber die Personallücke überbrücken können. Auch spezifische Aufgaben, die an befristete Projekte gebunden sind, rechtfertigen ein befristetes Arbeitsverhältnis.

Solche Gründe liegen jedoch in vielen Fällen nicht vor. Sachgrundlose Befristungen sind ein Missstand, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Das derzeitige Teilzeit- und Befristungsgesetz geht weit über sachlich berechtigte Gründe hinaus. Es bietet Arbeitgebern viel zu weitgehende Möglichkeiten, Dauerarbeitsplätze regelrecht legal durch Zeitverträge zu ersetzen. Dabei haben Befristungen, gerade wenn sie zum Dauerzustand werden, für die Betroffenen gravierende Auswirkungen.

Befristete Beschäftigte schleppen sich nachweislich öfter krank zur Arbeit, nehmen seltener Urlaub, überfordern sich häufig in der Hoffnung, so eine Weiterbeschäftigung zu erreichen. Befristungen schaffen Unsicherheit und erschweren eine verlässliche Lebensplanung. Sie vermindern in den Augen von Banken und Vermietern die Bonität der Betroffenen und setzen sie so zusätzlich unter Druck.

Für einige Unternehmen sind Befristungen auch eine Machtstrategie. Sie erschweren die Bildung von Betriebsräten und die betriebliche Mitbestimmung. Wer um den nächsten Vertrag bangt, wird sich seltener zu Wort melden und den Betriebsrat kaum offen unterstützen. Befristungen sind nichts anderes als ein legaler Weg, das Arbeitsrecht zu schleifen. Unternehmen brauchen keinen Kündigungsgrund und sparen sich lange Prozesse und Kosten.

Darum sagen wir als LINKE ganz klar: Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen gehört grundsätzlich untersagt.

(Beifall bei den LINKEN)

Der Wunsch einiger Arbeitgeber nach unbegrenzter Flexibilität ist mit dem Schutzbedürfnis der Beschäftigten nicht vereinbar. So weit, so gut oder so schlecht, möchte man sagen.

Besonders traurig ist die Lage, wenn man sich die Rolle des öffentlichen Dienstes in diesem Zusammenhang anschaut. Ich verweise nochmals auf die von mir bereits eingangs erwähnte Recherche des MDR hierzu. Danach liegt beispielsweise der Anteil der befristeten Verträge im Maschinenbau hierzulande bei rund 5 %. In der öffentlichen Verwaltung sind dagegen rund die Hälfte aller Neueinstellungen davon betroffen. Das Bedrückende ist, dass es offenkundig gar nicht so sehr die schwarzen Schafe in der Wirtschaft sind, die Befristungen missbrauchen; es ist vor allem der öffentliche Dienst.

Insgesamt haben wir hier über alle Ebenen hinweg weit über 10 % der Beschäftigten, die nur einen Vertrag auf Zeit haben. Da macht auch der Freistaat keine Ausnahme. Zumindest ein kleiner Teil der Zahlen hierzu liegt uns im vorliegenden Antrag der GRÜNEN vor.

Hinzu kommt noch ein zweiter Aspekt. Das sage ich besonders denjenigen am rechten Rand des Plenums, die in der gestrigen Debatte zu Massenentlassungen eindrucksvoll bewiesen haben, dass sie mit Arbeitnehmerrechten nicht so viel anfangen können.

(Zuruf der AfD: Was machen wir?)

Vor knapp zwei Jahren hat die Kommission zur umfassenden Evaluation der Aufgaben-, Personal- und Sachausstattungen ihren Bericht vorgelegt. Danach wird bis spätestens 2030 die Hälfte der derzeitig beim Freistaat beschäftigten Menschen allein altersbedingt den Dienst beenden. Hier ist es besonders das hoch qualifizierte Fachpersonal. Das sind gerade die Beschäftigten, die nicht ohne Weiteres durch Umsetzung innerhalb der Verwaltung – quasi als Quereinsteiger – ersetzt werden können. Diese Lücke, meine Damen und Herren, muss ausgeglichen werden, und zwar schon jetzt und nicht erst 2030.

Die aktuelle Situation bei Polizei und Schulen ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis von langjährigem Nichtstun und gezielter Realitätsverweigerung, besonders seitens der sächsischen Union. Das durchzieht den gesamten öffentlichen Dienst des Freistaates. Der Kultusminister sagte gestern – wenn ich mich richtig erinnere – selbstkritisch in seiner Regierungserklärung, die Personalsituation an Sachsens Schulen sei nicht mehr fünf vor zwölf, sondern es sei bereits nach zwölf.

Bewahren Sie uns davor, diese Erkenntnis in wenigen Jahren auch für den Rest des öffentlichen Dienstes aussprechen zu müssen. Sorgen Sie dafür, dass wir aus der Vergangenheit lernen. Ein erster kleiner Schritt hierzu wäre, die sachgrundlosen Befristungen beim Freistaat abzuschaffen. Diese schaden allen Beteiligten, sowohl dem Freistaat als auch den betroffenen Beschäftigten. Wir müssen diese Auswüchse stoppen und wir können es auch ohne Probleme hier und heute tun. Wir als LINKE wollen das, und wir werden darum dem Antrag in der vorliegenden Form zustimmen.

Vielen Dank.