Protocol of the Session on March 15, 2018

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die GRÜNEN greifen mit ihrem Antrag ein sehr wichtiges aktuelles Thema auf. Es wurde schon angesprochen, dass es auch Gegenstand des Koalitionsvertrages in Berlin, aber auch in Sachsen von großer Wichtigkeit ist. Bevor ich auf den eigentlichen Antrag der GRÜNEN eingehe, möchte ich das Thema in die Herausforderungen einordnen, die wir im Freistaat Sachsen im öffentlichen Dienst aktuell zu lösen haben.

Denn die Begrenzung sachgrundloser Befristung ist nur ein Element, um die Arbeit im öffentlichen Dienst für

junge Menschen attraktiver zu machen. Wir haben hier einiges zu tun. Das hat nicht zuletzt – Herr Brünler hat es erwähnt – der Abschlussbericht der Personalkommission öffentlicher Dienst gezeigt. Der öffentliche Dienst in Sachsen und den sächsischen Kommunen steht durch den demografischen Wandel vor großen Veränderungen. Er verliert in den nächsten 15 Jahren die Hälfte des Personals in den Ruhestand. Dazu kommt, dass durch die Einsparpolitik bis zum Jahr 2014 der öffentliche Dienst ohne fachliche Untersetzung die staatlichen Aufgaben nicht mehr zufriedenstellend erfüllen konnte und teilweise noch kann. Beide Probleme müssen wir lösen. Wir brauchen ausreichend qualifiziertes Personal in jedem Teil der öffentlichen Verwaltung, meine Damen und Herren. Dabei müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es gut, dass die Staatsregierung kürzlich die Ausbildungsoffensive beschlossen hat. Eine Empfehlung der Personalkommission Öffentlicher Dienst. Kurz gesagt geht es darum, in den nächsten Jahren so viel Personal auszubilden, um sowohl alle Aufgaben erfüllen zu können als auch die Verluste durch den Ruhestand auszugleichen. Es ist gut, dass wir das jetzt schnell angehen und vor allem langfristig anlegen. Die Ausbildungsoffensive ist ein erster wichtiger Schritt, reicht aber bei Weitem nicht aus. Wir müssen endlich genau sagen, welche Aufgaben die Verwaltung erfüllen soll und wie viel Personal wir dafür benötigen. Das ist die Aufgabe der Stabsstelle Organisation und Personal, die wir im Rahmen des jetzigen Haushalts in der Staatskanzlei geschaffen haben.

Wir müssen alles dafür tun, damit der Staat in Sachsen wieder handlungsfähig wird, und zwar in allen Bereichen. Der Staat muss an jeder Stelle wieder Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger werden. Die Bevölkerung erwartet zu Recht, dass die Verwaltung im Land und in den Kommunen funktioniert.

Selbstverständlich müssen wir die Chancen der Digitalisierung auch in der Verwaltung ergreifen. Hier haben wir noch einiges zu tun. Aber, man kann – denke ich – prognostizieren, dass durch Digitalisierung die eine oder andere Aufgabe auch wegfallen wird.

Da bin ich bei einem weiteren wichtigen Punkt für die SPD. Wenn der Staat wieder Dienstleister sein soll, dann dürfen Personalstellen zukünftig nur noch gestrichen werden, wenn die Aufgaben auch tatsächlich wegfallen. Darüber werden wir uns im Laufe dieses Jahres noch austauschen, meine Damen und Herren. Warum spreche ich das jetzt an? In den letzten dreieinhalb Jahren haben wir uns intensiv um zwei große Bereiche der öffentlichen Verwaltung gekümmert. Wir bilden mehr Polizisten aus und haben erst gestern über ein Bildungspaket für 1,7 Milliarden Euro in fünf Jahren diskutiert.

Diese beiden Bereiche machen aber nur 60 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst aus. Was ist mit den anderen 40 %, den Menschen in der allgemeinen Verwaltung, den Beschäftigten in den vielen wichtigen Fachver

waltungen der Ministerien und nachgeordneten Stellen? Auch sie leisten viel für die Menschen in unserem Land. Auch sie sind betroffen vom Einsparwahn vergangener Zeiten. Sie haben die gleiche Wertschätzung und das gleiche Maß an Problemlösung verdient wie Lehrer und Polizisten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Sie erwarten zu Recht, dass wir das Damoklesschwert der künftig wegfallenden Stellen über ihrem Kopf entfernen statt es mit jedem Haushalt ein paar Jahre mehr in die Zukunft zu verschieben. Statt dessen benötigen wir ein neues Personalentwicklungskonzept für Sachsen, welches alle Ressorts in den Blick nimmt. Das ist die zentrale Herausforderung dieser Staatsregierung. Ich bin sicher: Wir werden sie gemeinsam lösen.

Meine Damen und Herren, es klang gerade schon an: Wir müssen in den nächsten 15 Jahren viele junge Menschen für die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung begeistern. Dabei werden wir große Konkurrenz erleben zwischen Verwaltungsbereichen untereinander, zwischen Verwaltung und freier Wirtschaft und den Hochschulen. Um ausreichend gutes Personal zu gewinnen, muss der öffentliche Dienst attraktiver werden. Der Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD in Berlin hat einen Weg dafür aufgezeigt: die Bekämpfung des Missbrauchs sachgrundloser Befristung.

Damit komme ich zum Antrag der GRÜNEN. An der Stelle haben Sie mit Ihrer Überschrift sehr recht. Der öffentliche Dienst muss Vorbild auf dem Arbeitsmarkt sein. Das ist sozialdemokratische Grundüberzeugung, und ich denke, dass die Koalition insgesamt das auch so sehen wird. Immerhin steht in der Absichtserklärung der Satz, der heute schon zweimal fiel: „Sachgrundlose Befristungen im öffentlichen Dienst des Freistaates werden nur noch in begründeten Fällen genutzt.“ Das mag semantisch paradox sein, aber es hat einen sehr wichtigen wahren Kern.

Ich möchte die Einschränkung erläutern. Er gibt Bereiche im öffentlichen Dienst, in denen eine Abschaffung sachgrundloser Befristung nicht sofort möglich ist. Als Beispiel möchte ich den Wissenschaftsbereich anführen. Wir sind uns sicher einig, dass die Fülle an sachgrundlos befristeten Beschäftigungsverhältnissen in Wissenschaft und Forschung ein großes Problem ist.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Das haben das SMWK und die Hochschulen bereits erkannt. Im Jahr 2016 vereinbarten die Staatsregierung und die sächsischen Hochschulen im Rahmenkodex Sachsen, mit welchen Mitteln sachgrundlose Befristungen reduziert werden können. SMWK und die Hochschulen setzen auf freiwillige Maßnahmen. Das zeigt bereits Wirkung. Die sachgrundlosen Befristungen gehen zurück.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Richtig!)

Es gibt aber auch Bereiche, vor allem in Projekten, bei denen sachgrundlose Befristungen zu einer Besserstellung von Beschäftigten führen kann. Dadurch kann im Einzelfall eine längere Beschäftigung ermöglicht werden. Ein Verzicht darauf kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Stelle gar nicht geschaffen oder besetzt wird. Das können wir auch nicht wirklich wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der absolute Verzicht auf sachgrundlose Befristung ohne Formulierung einer Ausnahme könnte also aktuell für die Beschäftigten auch Nachteile haben. Solche Beispiele finden wir in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes in Sachsen auch. Ihr Beschlusspunkt 1 – die klare Forderung – ist wegen der eben erwähnten Nachteile deshalb für uns nicht zustimmungsfähig. Außerdem ist die Koalition längst dabei, den Satz aus der Absichtserklärung mit konkreten Schritten zu untersetzen. Ich gehe davon aus, dass wir in Kürze auch darüber hier diskutieren können.

Ihr zweiter Beschlusspunkt ist aus meiner Sicht wegen der Regierungsbildung in Berlin und den Regelungen im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD nicht mehr notwendig. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU)

Für die AfDFraktion spricht Herr Wippel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die GRÜNEN möchten über sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen sprechen. Sie möchten es verbieten. Das ist ein wichtiges Thema. Darüber muss man auch sprechen.

Jetzt stellen wir uns einmal Folgendes vor: Ein junger Mensch, ungefähr 25 Jahre alt, will in den Beruf einsteigen, hat sich beeilt und zügig studiert. Dann bekommt er ein Arbeitsangebot für zwei Jahre und danach ist erst einmal Schluss: sachgrundlos befristet. Wie soll man unter einer solchen Voraussetzung irgendetwas planen? Familienplanung wird schwierig, weil man nicht weiß, wie es danach weitergeht und wo der nächste Arbeitsort ist. Vielleicht muss man auch irgendwo ganz anders hinfahren. Gedanken über den Hausbau braucht man sich schlicht und ergreifend nicht zu machen, weil keine Bank der Welt dafür einen Kredit geben wird. Da ist man für diese Bank schlicht und ergreifend uninteressant. Insofern ist das Anliegen der GRÜNEN auch aus unserer Sicht nachvollziehbar und sollte auch im großen Rahmen diskutiert werden, und zwar auf Bundesebene.

Ich mache einen kurzen Ausflug in die Geschichte. Warum gibt es eigentlich diese sachgrundlose Befristung? Sie ist 1984 eingeführt worden, als es in Westdeutschland 2,3 Millionen Arbeitslose gab. Diese hohe Arbeitslosenzahl musste abgebaut werden, das heißt, die Hemmschwelle für Arbeitgeber, Leute einzustellen, sollte

sinken. Deswegen kam man damals auf die Idee, 18 Monate sachgrundlose Befristungen zuzulassen.

Jetzt haben wir eine andere Situation. Im Jahre 2005 zum Beispiel gab es noch 4,9 Millionen Arbeitslose. Aktuell hat sich die Zahl etwa halbiert. Also stellt sich die Frage, ob dieses Gesetz überhaupt noch zeitgemäß ist. Brauchen wir das? Wir haben doch kaum noch Arbeitslose und suchen Arbeitskräfte.

Was macht man nun eigentlich in der heutigen Zeit? Wird das ursprüngliche Ansinnen gegen ein anderes Ansinnen ausgetauscht, indem der Arbeitgeber auf diese Art und Weise versucht, den Kündigungsschutz auszuhebeln. Normal hat man eine Probezeit von einem halben Jahr. So kann man sie quasi auf kaltem Wege auf zwei Jahre verlängern. Aus Arbeitgebersicht ist das absolut nachzuvollziehen.

Was spricht dafür und was spricht eigentlich dagegen, dass wir diesem Antrag folgen sollten oder auch nicht? Ich denke, dass die permante Umgehung des flächendeckenden Kündigungsschutzes problematisch wäre. Das liegt aber tatsächlich nicht vor. Im Freistaat Sachsen sind gerade einmal 3,5 % der Stellen letzten Endes sachgrundlos befristet. So viel zu Ihrer Jagd nach der hohen Zahl, sowohl bei den GRÜNEN als auch bei den LINKEN. Sie haben auf 40 % der Einstellungen verwiesen. Das ist richtig. Wir müssen auch einmal betrachten, dass eine Stelle, wenn sie auf 40 Jahre

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

besetzt werden soll und sie alle zwei Jahre ausgeschrieben wird, 20-mal auszuschreiben ist, während eine normale Stelle nur einmal in derselben Zeit auszuschreiben ist. Insofern ist das natürlich völlig klar, dass das kommt.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Die Unsicherheit beim Arbeitnehmer ist auch so ein Punkt, weswegen sie abgeschafft werden sollte. Das sollte man ganz klar sagen; denn es führt dazu, dass er mehr Überstunden macht, sich stärker hineinhängt, weil er am Ende gern in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden möchte. Die Arbeitgeber versuchen auf diese Weise den Kündigungsschutz auszuhebeln. Das spricht dafür, dass man ihrem Antrag folgen sollte.

Jetzt breche ich es einmal ganz praktisch auf die sächsische Ebene herunter. So sagt das Innenministerium, man könne auf diese Art und Weise erst einmal Leute erproben. Dazu ein ganz klares Kontra. Dazu sind sachgrundlose Befristungen nicht da.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Aber wir sehen auch eine Chance für Berufseinsteiger, erst mal hineinzukommen, frisch von der Schule weg zwei Jahre einen Arbeitsvertrag zu bekommen, zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Das wertet ihren Lebenslauf auf; das wertet auch ihre Vita auf; das macht es ihnen leichter, später woanders vielleicht Arbeit zu finden oder

auch eine Festanstellung im öffentlichen Dienst zu bekommen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dann haben wir im öffentlichen Dienst tatsächlich eben noch die Eigenarten der Stellenbewirtschaftung. Diese Eigenarten bedeuten, dass man hier Viertelstellen usw. zusammenlegt, um überhaupt eine Stelle ausschreiben und besetzen zu können. Da eine Frau nie ihr ganzes Leben lang schwanger ist, können wir eben diese Zeiten am Ende – –

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

doch, diese frei gewordenen Stellen eben dann auch nur für eine gewisse Zeit wieder besetzen. Deswegen müssen sie auch befristet werden.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Denn es wird mit Stellen gespielt und gewürfelt. Das ist aber nicht ganz einfach zu verstehen. Es ist für einen normal denkenden Menschen kaum nachvollziehbar. Aber die Verwaltung bekommt das hin und arbeitet auch so.

In der Gesamtschau müssen wir festhalten: Es gibt Punkte, die sprechen durchaus dafür, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen. Das sollte dann aber eine bundeseinheitliche Regelung sein. Dass die sächsische Verwaltung allein vorangeht, ist aus unserer Sicht nicht notwendig, weil man hier verantwortungsvoll damit umgeht. Mit 3,5 % der Stellen ist eine Schieflage aus unserer Sicht nicht zu erkennen. Deswegen werden wir uns bei diesem Antrag enthalten.

(Beifall bei der AfD)

Wir beginnen wieder von vorn. Wird das Wort von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewünscht?