Wir müssen uns vielleicht einmal überlegen, wo auf der Welt die Hotspots der Bevölkerungsentwicklung sind. Wer bekommt wo wie viele Kinder, und sind diese Menschen in der Lage, ihren Kindern in ihrer heimatlichen Region genügend Angebote für eigene Arbeit und für eine eigene Lebensleistung zu machen?
Wir kommen zu dem Ergebnis, dort müssen wir ansetzen. Wir können 50 Meter hohe Mauern um Europa herum bauen. Das verhindert aber nicht, wie die Bevölkerungsentwicklung in Afrika stattfindet.
(Beifall bei der AfD – Staatsminister Christian Piwarz: Dann fahren Sie erst einmal hin, Herr Barth! Das hilft! Ich meine, informieren, bevor Sie hier was erzählen!)
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmungsrunde. Zunächst rufe ich den Änderungsantrag des Abg. Uwe Wurlitzer auf – Drucksache 6/12260. Herr Wurlitzer, Sie bringen diesen Antrag jetzt bitte ein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Im Antrag der AfD-Fraktion verwendete Begrifflichkeiten sind korrekturbedürftig. Gegenstand der Dublin-Verordnung ist nicht die Regelung zur Durchführung des Asylverfahrens, sondern die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes.
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der sogenannten Qualifikationsrichtlinie – Richtlinie 2011/95/EU – wurden die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus unter den Oberbegriff „internationaler Schutz“ in das Asylverfahrensgesetz aufgenommen. Der ursprüngliche Antrag der AfD-Fraktion ist daher abzuändern. Die Begriffe sind eindeutig definiert und finden ihre eindeutige Anwendung in der DublinVerordnung.
Aus diesem Grund ist der vorliegende Antrag der AfDFraktion auch dahingehend abzuändern, soweit der Antrag den Begriff des „Bewerbers“ benennt. Dieser Begriff des „Bewerbers“ ist durch den Begriff des „Antragstellers“ zu ersetzen.
Der Antrag der AfD-Fraktion greift in der Sache zu kurz. Zutreffend wird in dem Antrag der AfD-Fraktion wiedergegeben, dass nach dem Vorschlag des EU-Parlaments Artikel 13 der Dublin-Verordnung aus dem Jahr 2013 komplett entfallen soll.
Artikel 13 der Dublin-Verordnung enthält jedoch lediglich eine Regelung der Zuständigkeit. Diese betrifft die Einreise in einen Mitgliedsstaat durch illegalen Grenzübertritt des Antragstellers.
Ebenso bedeutend sind die Vorschriften der DublinVerordnung in den Artikeln 14 und 15. Artikel 14 der Dublin-Verordnung regelt die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaates bei visafreier Einreise eines Antragstellers in einen Mitgliedsstaat. Danach ist nach immer noch geltendem Recht der Mitgliedsstaat für die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes zuständig, in den der Antragsteller eingereist ist.
In Artikel 15 der Dublin-Verordnung ist der Fall erfasst, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im internationalen Transitbereich eines Flughafens eines Mitgliedsstaates einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Logischerweise ist genau dieser Mitgliedsstaat für die Prüfung des Antrags zuständig.
Die beabsichtigten Änderungen der Dublin-Verordnung stehen in einem derart engen Zusammenhang, dass es lediglich sinnvoll ist, die beabsichtigten Änderungen insgesamt zu problematisieren.
Schaut man sich die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments genauer an, stellt man fest, dass die Artikel 14 und 15 der Dublin-Verordnung genauso ersatzlos gestrichen werden sollen, wie es für Artikel 13 beabsichtigt ist. Der Antrag der AfD-Fraktion geht hierauf leider nicht ein.
Die Forderung auf Beibehaltung der Regelung in Artikel 13 der Dublin-Verordnung kann lediglich dann einen Sinn ergeben, wenn die korrespondierenden Vorschriften aus den Artikeln 14 und 15 der Dublin-Verordnung ebenfalls aufrechterhalten werden.
Grundlage für die genannten Regelungen der DublinVerordnung ist das Prinzip der Zuständigkeit des Mitgliedsstaates der ersten Einreise. Dieses grundlegende Prinzip gilt für die Artikel 13, 14 und 15 gleichermaßen. Es geht also vorliegend nicht um die beabsichtigte Streichung einer einzelnen Regelung, sondern tatsächlich um die ausdrückliche Abkehr von einem bisher anerkannten und konsequent umgesetzten Rechtsprinzip insgesamt. Ich bitte Sie daher, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im dargelegten Änderungsantrag können wir feststellen, dass es viele Teile gibt, die wesensgleich sind mit dem ursprünglichen Antrag. Es gibt eine Klarstellung bei einigen Formulierungen.
Unsere Antwort ist ganz deutlich: Wir brauchen eine Reform – das haben wir dargelegt. Wir bestärken die Staatsregierung, aber auch die deutsche Bundesregierung darin, die nationalen Interessen in den Diskurs zur Verbesserung der Dublin-Verordnung einzubringen. Wir bestärken sie ausdrücklich darin. Dazu braucht es diesen Änderungsantrag nicht. Wir würden Ihnen empfehlen, ihn abzulehnen.
Wer der Drucksache 6/12260 seine Zustimmung geben möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Ich lasse nun über die Drucksache 6/12124 abstimmen. Wer möchte zustimmen? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ohne Enthaltungen, bei zahlreichen Stimmen dafür ist der Drucksache – –
Entschuldigung, es gab eine Enthaltung und Stimmen dafür, aber die Mehrheit ist dagegen. Somit ist die Drucksache nicht beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Von daher spricht nur die Einreicherin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abg. Lippmann. Herr Lippmann, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, einer besonderen Erlaubnis bedarf es dazu nicht.“ Wie Sie, Hohes Haus, vielleicht der Wortwahl
entnehmen können, handelt es sich weder um das Grundgesetz noch um die sächsische Landesverfassung, aus der ich gerade zitiert habe. Es handelt sich um § 161 der Paulskirchen-Verfassung von 1849, eine der großen Ideen eines demokratischen Staates in Deutschland.
Dies zeigt: Was wir heute als Selbstverständlichkeit annehmen, war in der Geschichte eine große Errungenschaft. Für die Versammlungsfreiheit wurde viel Blut vergossen, Entbehrungen hingenommen und die Freiheit vieler verloren, und nicht umsonst fürchten Diktaturen sie bis heute. Den Ländern wurde mit der Föderalismusreform die Gralshüterschaft über eine der zentralen und sensibelsten Grundrechte der Bundesrepublik übertragen; denn die Möglichkeit, sich frei zu versammeln, ist ein wesentliches Element demokratischer Ordnung und ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie. So schreibt es uns das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch.
Wir sind als Freistaat gehalten, im Sinne der größtmöglichen Verwirklichung des Grundrechts sorgsam mit diesem Schatz umzugehen. Es widerspricht unserer Auffassung dieser Aufgabe, dass wir uns im Freistaat weitgehend der aktuellen Rechtsprechung im Versammlungsrecht entziehen, verfassungswidrige Bestimmungen fortführen und keine Rücksicht auf aktuelle Entwicklungen nehmen.
Deswegen legen wir Ihnen heute den Vorschlag für ein modernes und liberales Versammlungsrecht im Freistaat Sachsen vor. Wir nennen es bewusst Versammlungsfreiheitsgesetz, denn wir wollen mit diesem Gesetz mehr Freiheit ermöglichen, bessere Kooperation der Behörden einfordern und weniger Verbote umsetzen.
So wollen wir evident verfassungswidrige Regelungen aus dem aktuellen Gesetz tilgen. Die Möglichkeit, eine Versammlung aufgrund der bloßen Nichtanzeige auflösen zu können, ist seit der Brockdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes passé. Dies stammt, wie sicher nicht nur Juristen wissen, nicht von gestern, sondern aus den Achtzigerjahren. Wenn unser Versammlungsgesetz seit über 30 Jahren verfassungswidrige Bestimmungen enthält, ist es Zeit, endlich mal – selbst in Sachsen – im Hier und Jetzt anzukommen.
Wir streichen das Verbot, die Versammlung an bestimmten Tagen an Orten mit historischem Bezug zu verbieten. Das ist unserer Auffassung nach mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schlicht unvereinbar.
Wir wollen die Behörden zu mehr Kooperation verpflichten; denn im Versammlungsrecht soll die Erkenntnis, dass Kooperation Eskalation vorbeugt, keine Binsenweisheit bleiben, sondern muss zum obersten Gebot werden. Deswegen muss es zukünftig die Pflicht dazu geben, dass die Versammlungsbehörden stets Kooperationsgespräche anbieten. Ob die Veranstalter diese annehmen, ist dann ihre Sache. Ebenso haben die Behörden alles zu unterlas
sen, was abschreckend auf Versammlungsteilnehmer wirkt. Dann wäre in Sachsen endlich Schluss damit, dass bei friedlichen Kleinstdemonstrationen martialisch das SEK aufgefahren wird.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die vielen Versammlungen der letzten Jahre haben teils große Enthemmungen gezeigt. Angriffe richteten sich dabei auch gegen Journalistinnen und Journalisten. Deswegen halten wir es nicht nur für sinnvoll, sondern auch geboten, dem Schutz der freien Medienberichterstattung im Versammlungsrecht einen größeren Stellenwert einzuräumen. Dann könnten die Behörden sich nicht mehr dahinter verstecken, dass Medienvertreter Teilnehmer wie alle anderen sind und man nichts Spezifisches unternehmen will.
Wir wollen im Versammlungsrecht auch die Bürgerrechte stärken. Der Inflation der Videoüberwachung bei Versammlungen muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Es braucht eine Pflicht, dass Videoaufnahmen der Polizei jederzeit – und ich betone: jederzeit – klar erkennbar sein müssen. Nervende Diskussionen mit Polizeibediensteten, ob diese denn nun aufzeichnen oder die Kamera nur im Standby ist, sind dem hohen Grundrecht der Versammlungsfreiheit unwürdig und gehören beendet.
Ebenso muss es zur Pflicht werden, dass die Aufzeichnungen mit digitalen Signaturen versehen werden, um nachträgliche Manipulationen zu verhindern.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Versammlungsfreiheitsgesetz wollen wir im Freistaat neue Wege beschreiten. Dazu gehört es auch, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Versammlungsrecht auf Privatflächen mit überwiegend öffentlicher Nutzung, zum Beispiel Vorplätzen von Einkaufszentren, umzusetzen. Dies setzen wir nicht nur auf jenen Flächen um, die unmittelbar oder mittelbar in staatlicher Hand sind, sondern auf allen entsprechenden Privatflächen. Hier würde es Sachsen gut zu Gesicht stehen, mal Vorreiter zu sein, statt immer nur jahrzehntelanger Nachzügler.