Nein! – Nach Ihrer Lesart ist es das Flüchtlingskind, an dem sich nun ganz neu alles festmacht. Es wird als Störfaktor gesehen. Wie armselig ist das?!
Im Kern wollen Sie doch eigentlich nur eines: Sie stehen – und das beweisen Sie immer wieder aufs Neue – für eine homogene völkische Gemeinschaft, in der Integration, das Ankommen von Schülerinnen und Schülern in unserer Gesellschaft – Patrick Schreiber hat das sehr gut beschrieben –, der Untergang des Abendlandes wäre. Diese Haltung lehnen wir, die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ganz entschieden ab.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei Kultusminister Piwarz dafür bedanken, dass er unmittelbar nach Bekanntwerden Ihres Antrags ganz deutliche Worte gefunden und von dem verfassungsmäßig garantierten Grundrecht jedes Kindes auf Bildung, gleich welcher Herkunft, gleich welcher Aufenthaltsstatus, hier auch gesprochen hat. Das weiß ich sehr zu schätzen.
Aber es lohnt sich auch ein Blick in die Geschichte, auch in die Geschichte Sachsens. Dass das deutsche Schulsystem in der Lage ist, Kinder mit Migrationsgeschichte zu integrieren, zeigt ein Blick auf die Situation der Spätaussiedler. Sie werden sich erinnern: Anfang der 1990erJahre, zwischen 1992 und 1995, kamen über 825 000 Menschen nach Deutschland und auch nach Sachsen, darunter sehr viele Kinder. Das Bildungssystem hat sie aufgenommen und zu Abschlüssen geführt. Die Integration von Schülerinnen und Schülern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist kein Luxus, den wir uns leisten sollten, wenn wir es können. Es ist unsere Pflicht, und es ist eine Investition in unsere Zukunft.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die bisherigen Redebeiträge waren wieder einmal ein exzellentes Beispiel für ideologiegetränkte Debatten. Ein bisschen weniger Schaum vor dem Mund, dafür aber mehr Sach
Daher möchte ich meinen Redebeitrag mit einigen Zahlen und Fakten beginnen. Das System Schule hat riesige Probleme, vor allem personeller Art. Das wissen wir. Neu hinzu kommen aber räumliche Kapazitätsprobleme. In immer mehr Schulen, vor allem im städtischen Bereich, reichen die Unterrichtsräume nicht mehr aus. Der mittlerweile sicherlich allseits bekannte Oberbürgermeister von Freiberg hat als Erster sehr deutlich darauf hingewiesen, und das ist definitiv kein Einzelfall.
Zu einigen Zahlen kamen schon Ausführungen. Im Oktober hätte es 887 Vollzeitäquivalenten an zusätzlichem Lehrpersonal bedurft, um den Grund- und Ergänzungsbereich vollständig abdecken zu können. Demgegenüber sind über 200 Lehrer an die Verwaltung abgeordnet oder versetzt. Zu den Lehrkräften, die in den Vorbereitungsklassen gebunden sind, haben wir die Zahlen heute schon gehört. Insgesamt sind das rund 700 volle Stellen, die dem Regelschulbetrieb nicht zur Verfügung stehen, dort aber dringend gebraucht würden.
Jetzt zu schauen, wie diese Potenziale am effektivsten eingesetzt werden können, sollte kein Tabu sein, sondern Bestandteil guter politischer Arbeit.
Wir haben derzeit zwei Säulen im System Schule. Das ist einerseits der Regelschulbetrieb und andererseits der Unterricht in den Vorbereitungsklassen. Dass der Regelschulbetrieb dabei prioritär betrachtet werden sollte, liegt darin begründet, dass dies erstens unsere ursächliche Aufgabe ist, und weil dies zweitens allen Kindern zugute kommt – nicht nur deutschen, wie gern mal unterstellt wird. Denn jedes Kind aus einer Vorbereitungsklasse kommt früher oder später in den Regelunterricht. Diesen Kindern nützt es überhaupt nichts, wenn in der Regelklasse Lehrer überfordert sind oder laufend Unterricht ausfällt.
Der Ansatz, wenn es in dem einen Bereich nicht richtig klappt, darf es im anderen auch nicht funktionieren, entspricht dem leistungszerstörerischen Wunsch nach Gleichmacherei und ist daher abzulehnen.
Auch wenn der von mir eben skizzierte Ansatz möglicherweise als Grundidee des vorliegenden AfD-Antrages unterstellt werden kann, ist dieser dennoch abzulehnen. Er krankt an verschiedenen Stellen. Eine Unterscheidung nach Schülern mit oder ohne Bleibeperspektive ist Realitätsverweigerung.
Jeder, der in Deutschland ankommt, hat eine Bleibeperspektive. Darüber hinaus gilt in unserem Land die Schulpflicht, und die gilt für alle. Relevant sind dabei unsere Lernziele und Lernpläne und nicht die eines anderen Staates.
Darüber hinaus ist der Antrag ein Bürokratiemonster. Solche Vorschläge in Zeiten zu unterbreiten, in denen wir
nicht ausreichend Lehrer haben, die vor unseren Klassen stehen, sind schlicht verantwortungslos. Wer um Himmels willen soll bei ausländischen Kindern aus über 100 Ländern deren Abschlussniveau eruieren und dafür Lehrpläne erstellen?
Wer soll Prüfungsinhalte und Dokumente erstellen, die Prüfungen abnehmen, und woher sollen all jene Lehrkräfte kommen, die in den vielen Herkunftssprachen unterrichten?
In Sachsen haben wir aus mehreren Ländern – zum Beispiel Armenien, Indonesien oder Bangladesh – nur ganz wenige Kinder. Sollen diese Kinder Einzelunterricht erhalten? Das ist Unsinn.
Frau Kersten, können Sie sich vorstellen oder ist Ihnen klar, in wie vielen Sprachen man lediglich unterrichten müsste, wenn wir von Heimatsprachen sprechen, dass man zum Beispiel im gesamten arabischen Raum mit Hocharabisch zurecht kommt? Wir haben hier genug Lehrer, die das beherrschen, zum Beispiel DaZ-Lehrer, die Deutsch als Fremdsprache haben und aus solchen Ländern kommen. Können Sie sich vorstellen oder ist Ihnen klar, dass die eventuell schon da sind, dass man im gesamten afrikanischen Raum mit Englisch, Französisch und Deutsch zurecht kommen kann, dass das Vorteile für solche Kinder sein könnten und dass wir ein Kultusministerium haben, das sehr wohl in der Lage ist herauszufinden, welche Prüfungsfragen für welche Klassenstufen erstellt werden können? Das ist überhaupt kein Problem. Das ist kein Monster.
In dem Antrag ging es nicht explizit um afrikanische Länder, sondern es geht grundsätzlich um alle Herkunftsländer. In Sachsen werden, wenn ich mich recht erinnere, Kinder aus über 140 Ländern unterrichtet.
Das sind nicht 140 Herkunftssprachen, das ist richtig, aber da kommen mit Sicherheit mehr als 10 dazu. Ich finde schon, dass es sehr anstrengend ist, Leute zu finden, die in
diesen Sprachen unterrichten. Und: Im Antrag steht auch, dass die Kinder auf dem Bildungs- oder dem Abschlussniveau des Herkunftslandes unterrichtet werden sollen, und dann sind wir wieder bei den über 100 Ländern.
Ein letzter Satz von mir: Wir müssen sehr wohl über externen Sachverstand diskutieren. Auch die Diskussion über alternative, externe Unterrichtsräume wird uns nicht erspart bleiben. Der vorliegende Antrag ist dafür leider nicht geeignet.
Das war Frau Kersten. – Wir sind am Ende der ersten Rederunde angekommen. Soll eine zweite Rederunde eröffnet werden? – Das kann ich nicht feststellen. Damit erhält die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Christian Piwarz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst erst einmal an Frau Wilke wenden, und zwar weniger, weil Ihnen gerade sogar Ihre einstige Fraktionskollegin die Leviten gelesen hat, sondern, Frau Wilke, weil wir gemeinsam mit dem Schulausschuss in Südafrika gewesen sind. Bei dieser Gelegenheit habe ich Sie als eine sehr intelligente, sehr offene, sehr reflektierte, sehr weltgewandte Frau wahrgenommen – zu meiner Überraschung, das gebe ich ehrlich zu. Ich bin froh, dass ich diese Erfahrung gemacht habe.
Herr Barth, bei Ihnen habe ich mittlerweile eine andere Meinung und bin darin auch bestätigt worden.
Aber, Frau Wilke, ich bin wirklich schwer enttäuscht, um nicht zu sagen entsetzt, dass Sie tatsächlich diesen Antrag als Ihren Antrag hier im Hohen Haus verteidigen.
Ich sage Ihnen das auch aus der anderen Erfahrung, die ich in Südafrika gemacht habe, nämlich aus der Geschichte Südafrikas: Das, was Sie hier fordern, hat es schon einmal gegeben. Susanne Schaper hat auf die Zeit des Nationalsozialismus hingewiesen. Ich gehe nicht ganz so weit in der Geschichte zurück, ich gehe in die Geschichte Südafrikas zurück, als sich jemand angemaßt hat, Menschen nach ihrer Hautfarbe zu unterscheiden: Die Weißen sind die Guten, die Schwarzen sind die Schlechten. Das Ganze nannte sich Apartheid.
Wenn Sie auf unserer Reise zugehört haben, dann haben Sie mitbekommen, wie das System Apartheid gerade im Bildungsbereich funktioniert hat, dass dort schwarze Kinder bewusst dumm gehalten werden sollten, indem man sie in diese Township Schools gesteckt hat. Dann