Ich denke, wir sollten heute ein gemeinsames Signal aussenden, nachdem dies alle anderen ostdeutschen Landtage bisher ebenfalls getan haben, ein Signal an den Bund, was einerseits die Entfristung und andererseits eine Besserstellung der Opfer betrifft; denn – ich denke, das ist wichtig – wir sollten auch die Lebensleistung der bisher ungenügend unterstützten Verfolgtengruppen anerkennen. Dies sollten wir auch tun, um ihnen ein würdiges Altern zu ermöglichen. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn Sie alle diesen Antrag unterstützen, damit ein geschlossenes Signal aus dem Sächsischen Landtag hinausgeht. Das würde ich mir für diese Debatte sehr wünschen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und GRÜNEN. Der wesentliche Punkt dieses Antrages, die Entfristung der Rehabilitierung von politisch Verfolgten in der DDR, geht auf eine Bundesratsinitiative des Freistaates Thüringen zurück. Dieser Initiative sind alle ostdeutschen Bundesländer beigetreten, um die genannte Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze in den Geschäftsgang zu bringen. Am 15. Dezember 2017 erfolgte eine erste Beratung mit der anschließenden Verweisung an die zuständigen Ausschüsse.
Im Grunde geht es um die Aufhebung der Antragsfristen in den Gesetzen der Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung in der DDR. Der Antrag aus Thüringen mit der Drucksachennummer 74317 trägt die Unterschrift des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.
Grund für die damalige Befristung der strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsgesetze war ein Kompromiss zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern, der sowohl die Planungssicherheit der Länder als auch die Ansprüche der Betroffenen berücksichtigen sollte. Die Befristung ist damals auf den 31. Dezember 2019 bzw. 2020 festgelegt worden. Man hat zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich damit gerechnet, dass aus heutiger Perspektive wohl keine weiteren Anträge mehr gestellt würden, und man wollte auch eine Frist für eine Verjährung bzw. für einen Rechtsfrieden festlegen.
Doch tatsächlich sind in Thüringen damals allein 167 Anträge gestellt worden, die in diesen Bereich fallen. In Sachsen waren es um die 330 und bundesweit etwa 3 500. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass auch in den kommenden Jahren weitere Anträge gestellt werden, und auch wir finden, dass diese Möglichkeit weiter bestehen sollte. Auch die drei von Frau Kollegin Kliese genannten Fälle gehören dazu. Das sind die Punkte, denen wir zustimmen können.
Aber: Im Thüringer Landtag – dies wurde auch schon von Frau Meier gesagt – ist ein Antrag verhandelt worden, der auch auf das Schicksal von Heimkindern eingeht. Das ist eine Sache, die natürlich ebenfalls unsere Zustimmung findet. Allerdings findet sich in dem Antrag, der von DIE LINKE, SPD, GRÜNE und CDU gemeinsam im Thüringer Landtag eingereicht wurde, die Formulierung, dass man weiterhin sich verfolgungsbedingt in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befindlichen
Was Sie daraus gemacht haben, ist: „Politisch Verfolgte befinden sich weiterhin verfolgungsbedingt in einer schwierigen Lage.“ Sie verallgemeinern also diesen Sachverhalt, und das ist zumindest an dieser Stelle schon
relativ fragwürdig. Das ist ein erster Hinweis von uns darauf, dass es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, vor einer solchen Beschlussfassung im Plenum des Landtags eine Befassung im Fachausschuss vorzunehmen und dort vielleicht eine umfassende Anhörung durchzuführen, in der man sich intensiv mit diesem Thema hätte beschäftigen können.
Ein zweiter Punkt, den wir erheblich problematisch finden und mit dem wir ein größeres Problem haben: Und zwar geht es hierbei – das wurde ausschließlich von Herrn Modschiedler benannt – um die Aufhebung der Fristen im Stasi-Unterlagen-Gesetz.
Dabei haben wir ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken. Wir sprechen über sage und schreibe die dritte Fristverlängerung für die Auskunftsfristen in den §§ 20, 21, jeweils Abs. 1 Punkt 6 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes.
So wurde zunächst im Jahr 1991 eine Frist von 15 Jahren festgelegt, die im Jahr 2006 zum ersten Mal bis zum Jahr 2011 verlängert wurde, und Ende 2011 hat man dann die dritte Fristverlängerung auf das Jahr 2019 festgelegt, immerhin 30 Jahre nach dem Ende der DDR. Nun wollen Sie noch einmal an diese Fristen ohne jede nähere Begründung und sachlich rechtliche Diskussion.
Damit befinden wir uns im Kernbereich – das sollte in diesem Saal niemandem komplett egal sein – von Grundrechten. Deshalb erachten wir es als höchst bedenklich, dass Sie das Thema in dieser Weise heute behandeln wollen, quasi im Vorbeigehen, dass alle Rechtswirkungen ausgeblendet werden und auf unbestimmte Zeit alles freigehalten werden kann.
Ich gestatte keine Zwischenfragen, vor allem deswegen nicht, weil ich schon gesagt habe, dass eine Diskussion im Ausschuss vielleicht Sinn gemacht hätte.
Dass Sie jetzt anfangen, das durchzuziehen und mit Zwischenfragen die Diskussion anheizen wollen, ist ja schön, aber ich finde, dass das nicht richtig ist.
Wir befinden uns, wie ich es schon sagte, im Kernbereich von Grundrechten. Deshalb erachten wir das wirklich für bedenklich.
Unabhängig davon, dass Ihr Vorschlag der Entfristung in § 20 Abs. 1 Punkt 6 und in § 21 Abs. 1 Punkt 6 kaum noch einen praktischen Wert hat, stellen wir als LINKE fest, dass jeder Mensch Grundrechte hat. Jeder Mensch hat Grundrechte, auch diejenigen, die als IM oder hauptamtlich bei der Stasi tätig waren.
Ein Grundsatz besteht nun einmal darin, dass jeder Mensch auch das Recht hat, ihm jahrzehntelang zurückliegendes Fehlverhalten nicht ewig vorzuhalten bzw. es ihm zum Nachteil gereichen zu lassen. Vor allem müssen wir davon ausgehen, dass es Menschen gibt – das sollten auch Sie akzeptieren –, die sich vielleicht persönlich damit auseinandergesetzt haben, sich davon distanziert und vielleicht auch in ihrem persönlichen Umfeld im Gespräch mit anderen Menschen gebüßt haben. Vielleicht sollten wir das denjenigen nicht absprechen.
(Beifall bei den LINKEN – Svend-Gunnar Kirmes, CDU: Vielleicht hätte Herr Bartl Ihnen in Recht Nachhilfe geben sollen!)
Weil es ein so schwergewichtiges Thema ist, kann man das meiner Ansicht nach nicht im Vorbeigehen im Landtag abhandeln.
Ein letzter Punkt, den ich eingangs nur am Rande angesprochen habe: In Thüringen hat der Landtag ebenfalls die Bundesratsinitiative und die Hilfen für die ehemaligen DDR-Heimkinder beschlossen, in dem Fall, wie gesagt, gemeinsam mit LINKEN, SPD, GRÜNEN und CDU.
Jetzt hat sich die dortige Landesregierung auf den Weg gemacht – nach drei Jahren im Amt –, um sich um diese Dinge der Rehabilitierung zu kümmern. Sie hatten jetzt zehn Jahre Zeit, etwas Praktisches zu tun, und kommen jetzt nach der Initialzündung aus Thüringen auf diesen Antrag. Das ist in Ordnung. Was wir allerdings schwierig finden, ist Folgendes: Sie haben noch vor wenigen Wochen, nach den Bundestagswahlen, erklärt – besonders diejenigen von der CDU –, dass es ein Umdenkprozess gibt und dass Sie es verstanden haben. Sie haben neue personelle Weichen gestellt; aber bisher bleibt die Beteuerung, dass Sie es verstanden haben, eine Deklaration. Hier hätten Sie die Chance gehabt, auch im Sinne der Betroffenen, gute und sinnvolle Lösungen gemeinsam mit der LINKEN zu suchen.
Wir haben erklärt, dass wir wesentliche Teile Ihres Antrages und der Bundesratsinitiative mittragen können. Jetzt liegt ein Antrag vor, bei dem wir erhebliche inhaltliche und rechtliche Bedenken haben und diesen Antrag insofern auch nicht mittragen können. Sie haben die Chance verpasst, ein wichtiges Thema ernsthaft und tiefgründig zu debattieren und
einen übergreifenden Beschluss hinzubekommen. Das tut uns vor allem auch für diejenigen leid, auf deren Rücken Sie hier Scheuklappen-Politik machen.
Ich möchte mich auf den vorangegangenen Beitrag beziehen. Darin war die Rede davon, dass die Entfristung der Stasiüberprüfung verlängert werden soll. Das ist mitnichten Bestandteil des Antrages, über den wir heute hier im Landtag gesprochen haben. Darüber wird morgen im Bundesrat debattiert. Das ist überhaupt nicht unser Thema heute.
Wenn Sie darum bitten, dass Sie als LINKE mit uns gemeinsam, als ernst genommener Gesprächspartner diskutieren wollen, dann wäre es hilfreich, wenn Sie sich den Antragstext entsprechend zu Gemüte führen würden. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass ich es bedauerlich finde, dass sich hier an Petitessen hochgezogen wird und beispielsweise in unserem Text steht, dass die Opfer heute noch einen schwierigen Status oder mit Problemen zu kämpfen haben.
Im Thüringer Antrag ist das anders formuliert. Zunächst sind dabei Gespräche mit Opferverbänden sehr hilfreich. Das sind nämlich genau die Leute, die nicht kurz nach der Wende mit einer fetten Rente aus dem Staatsapparat abgefunden worden sind, sondern es sind diejenigen, die heute aufgrund ihrer Haftschäden arbeitsunfähig sind.
Also meine Rede bezog sich auf die Drucksache 6/12077. Da finden Sie unter Punkt II genau diese Punkte. Ich glaube, es ist relativ klar. Ich kann es auch noch einmal vorlesen: „... sich gegenüber dem Bund und im Bundesrat für eine Aufhebung der Fristen in der SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen und im Stasi-Unterlagen-Gesetz und ferner dafür einzusetzen, dass...“
(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU – Gegenrufe der Abg. Klaus Bartl und Rico Gebhardt, DIE LINKE – Widerspruch bei der CDU)
Herr Beger, kommen Sie ruhig nach vorn. – Meine Damen und Herren, wir haben noch einen Redner. Herr Beger, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute im Wesentlichen mit der Frage zu befassen, ob die Frist für Anträge