Protocol of the Session on December 14, 2017

Erste Aktuelle Debatte: Was denken die Sachsen? –

Die Ergebnisse des Sachsen-Monitors

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Zweite Aktuelle Debatte: So viel Sicherheit in der Weihnachtszeit –

Wie sicher sind Sachsens Straßen und Plätze?

Antrag der Fraktion AfD

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 17 Minu

ten, GRÜNE 12 Minuten, fraktionslose Mitglieder des Landtags je 1,5 Minuten; Staatsregierung zweimal

10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

Erste Aktuelle Debatte

Was denken die Sachsen? – Die Ergebnisse des Sachsen-Monitors

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Die weitere Rednerreihung: DIE LINKE, AfD, GRÜNE, Staatsregierung. Das Wort ergreift jetzt für die einbringende CDU-Fraktion Herr Kollege Sebastian Fischer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die heute zu debattierende Befragung wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Öffentlich und medial stand dieses Thema im Zentrum der Berichterstattung. Deshalb möchte ich auch hier die meistdiskutierten Themen zuerst anfassen.

Die Befragungen über die Probleme in Sachsen sind, denke ich, für uns in der Politik am wichtigsten. 20 % der Sachsen halten Asyl und Überfremdung für ein zentrales Problem, 14 % die Arbeitslosigkeit und, meine Damen und Herren, 12 % machen sich Sorgen um den Anstieg von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Sie sehen also, das Thema ist erkannt. Die Wortmeldungen, die bisweilen durch die Lande geisterten – die Sachsen seien per se ausländerfeindlich und rechtsextremistisch –, sind nachweislich falsch. Das Problem ist erkannt, und es wird angegangen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Kommen wir zu den Zahlen. Nur knapp die Hälfte der Sachsen äußert Interesse für Politik, aber 68 % geben an, im Freundeskreis über Politik zu sprechen. Das zeigt uns deutlich: Das Interesse für Politik und politische Entscheidungen ist vorhanden, aber es gelingt der Öffentlichkeit nicht, es abzuholen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Vielleicht ist auch das Image der Politik nicht ganz richtig: Die Parteien sind extrem unbeliebt; sie rangieren auf der Liste der Beliebtheit relativ weit hinten. Dazu passt auch die Aussage, Politiker seien nur an Wahlstimmen interessiert, nicht an den Ansichten der Wähler, was immerhin 77 % der Befragten angeben. 65 % der Befragten sind der Meinung, sie würden nicht in einer echten Demokratie leben; und danach gefragt, was sie denn tun würden, um sich für die Demokratie zu engagieren, geben 62 % an: „Wir haben eh nichts zu sagen; wir machen das nicht!“

Wir stehen hier vor einer allgemeinen Frustration, vor einem Desinteresse gegenüber der Demokratie. Dies ist sehr bedenklich. Für bedenklich halte ich auch die folgende Zahl: 58 % der Sachsen sind der Meinung, Deutschland sei gefährlich überfremdet. Meine Damen und Herren, wenn ich in meine Heimatregion schaue –

Gemeinde Priestewitz, 3 800 Einwohner –: Wir haben eine Ausländerin, eine Ungarin, die sehr gut integriert ist. Das hat doch nicht immer etwas mit der Realität zu tun!

(Einzelbeifall bei der SPD)

Mich als überzeugten Christen stimmt auch eine andere Aussage sehr nachdenklich: Die meisten Muslime akzeptierten unsere Werte nicht – diese Ansicht teilen immerhin 69 % der Befragten. Die Juden zögen Vorteile aus ihrer Opferrolle zur NS-Zeit – das geben immerhin 25 % an,

(Zuruf von der SPD: Sehr wenig!)

und das ist eine sehr erschreckende Zahl.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich sage ganz deutlich: Diese Aussagen sind für uns inakzeptabel.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für alle Vertreter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hier im Haus muss das aber auch ein Weckruf sein; denn die Verdammung der Befragten in Bausch und Bogen ist immer die falsche Reaktion. Wir haben sie in der Vergangenheit oft gehört. Die Religionsfreiheit, die Reisefreiheit, die Absage an den Antisemitismus – das sind die Grundlagen unserer Demokratie, und darüber darf und wird es mit uns keine Diskussion geben.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Aber diese Grundlagen bleiben nicht automatisch. Sie müssen immer wieder neu gefestigt werden, und dazu brauchen wir Dialog, Dialog, Dialog und immer wieder neu den Dialog, auch mit denen, die anders denken, die andere Meinungen haben und manchmal die Form vermissen lassen. Mit Anstand sollte man mit allen, auch mit Andersdenkenden, ins Gespräch kommen und sie nicht pauschal verdammen.

Die Liste der Glaubwürdigkeit sieht die Parlamente im Landtag und im Bundestag relativ weit hinten. Das heißt, je weiter eine Institution von einem weg ist, desto weltfremder wird sie wahrgenommen. Es ist unsere Aufgabe, mit den Menschen in die Diskussion zu kommen und unsere Zeit dort zu investieren, auch am Wochenende, am Feiertag, abends und vor allem auch im Internet. Wer als Abgeordneter meint, online nicht verfügbar sein zu müssen, hat die Zeichen der Zeit nicht ganz erkannt; denn ich habe auch eine positive Rückmeldung bekommen: 83 % der Sachsen glauben, die Demokratie ist eine gute

Regierungsform. 51 % sind nur unzufrieden damit, wie sie funktioniert.

Wir brauchen also Sachlichkeit statt Ideologie, Mut zu Bescheidenheit und Kraft zum Widerspruch. Ich denke, dann können wir unsere Demokratie sehr gut gestalten. Gott schütze unsere sächsische Heimat und unser freies Vaterland!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die einbringende Fraktion war das Sebastian Fischer. Nun spricht für die einbringende SPD-Fraktion unser Kollege Homann. Bitte, Sie haben das Wort, Herr Homann. Nicht so zögerlich!

Vielen Dank für die Ermahnung, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Botschaft des Sachsen-Monitors 2016 war: Die Sachsen sind unzufrieden mit ihrer Demokratie, und wir haben auch heute wieder gemerkt: Ja, es gibt in Sachsen ein Problem mit Ressentiments, mit Rassismus und Rechtsextremismus, und ohne hier ein pauschales Urteil über Sachsen zu fällen, ist es wichtig, dass dieses auch durch den SachsenMonitor beim Namen genannt wird.

Aber der Sachsen-Monitor 2017 zeigt für mich noch etwas anderes: Die Sachsen haben ein ganz feines Gespür für Gerechtigkeit. 83 % haben die Sorge, dass sich die Gegensätze zwischen Arm und Reich zuspitzen. 71 % der Sachsen haben die Sorge, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren geht, und nur 20 % sagen, dass es der Demokratie gelungen sei, soziale Ungleichheit abzubauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider haben die Sachsen nicht nur Sorgen, sondern sie attestieren uns geradezu ein Gerechtigkeitsproblem. Das ist die Botschaft des Sachsen-Monitors 2017: Sachsen hat ein Gerechtigkeitsproblem. Ich möchte das an zwei Themen konkret festmachen:

Erstens. Die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sagen, sie bekämen keinen gerechten Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand. Das ist keine Überraschung: Viele Ostdeutsche arbeiten länger – mit geringeren Löhnen als im Westen. Sie sehen ihre Leistung nicht gewürdigt, obwohl alle immer sagen, dass es wirtschaftlich doch so hervorragend laufe in diesem Land. Dies betrifft nicht nur den Mittelstand, sondern vor allem auch Menschen, die sich selbst als Arbeiterinnen und Arbeiter bezeichnen. Nur 22 % der Arbeiterinnen und Arbeiter in Sachsen sagen, sie bekämen einen gerechten oder mehr als gerechten Anteil. Nur 22 %!

Während die Sachsen mit Hochschulabschluss und Abitur dies ganz anders sehen – sie sehen, dass sie ihren Anteil bekommen –, ist das bei den Menschen, die die eigentlich so wichtigen und mindestens genauso ehrenhaften Berufe und Tätigkeiten in dieser Gesellschaft ausüben, nicht so. Das muss uns wirklich zu denken geben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Das darf uns aber nicht wundern. Wir hätten es schon bei der Mindestlohndebatte sehen müssen: In keinem anderen Bundesland haben so viele Arbeiterinnen und Arbeiter vom Mindestlohn profitiert; und das ist kein Kompliment, sondern das Ergebnis der Niedriglohnpolitik unserer Vorgängerinnen und Vorgänger. Außerdem hat kein anderes Bundesland eine so niedrige Tarifbindung. Natürlich heißt das, dass sich Arbeiterinnen und Arbeiter nicht beteiligt fühlen, wenn es eben keine Möglichkeit für sie gibt, sich an den Aushandlungsprozessen ihrer Arbeitsbedingungen zu beteiligen. Dessen müssen wir uns bewusst sein.

Das zweite Thema, das mich mindestens genauso beschäftigt, ist die Chancengleichheit. Es sind eben nicht nur die sogenannten Abgehängten, die sich selbst zur Unterschicht zählen, sondern es kritisiert eine ganze Unter- und Mittelschicht, dass sie keine bzw. weniger Zukunftschancen in diesem Land hätten. In der unteren Mittelschicht sagen 37 % – und damit noch einmal 10 % weniger als 2016 –, dass die Chancen, in Deutschland sozial aufzusteigen, sehr gut oder gut seien. 62 % der Arbeiterinnen und Arbeiter sagen, die Chancen, in Deutschland sozial aufzusteigen, seien eher schlecht oder sehr schlecht – 62 %!

Das sind die Signale, die wir hören müssen. Dabei bringt es auch nichts, sich hinter Studien zu verstecken, dass Schulbildung in Sachsen so gerecht sei. Fakt ist: Das untere Drittel unserer Gesellschaft fühlt sich abgehängt, und das muss ein Warnsignal für uns im Sächsischen Landtag sein. Das heißt, wir brauchen eine Gerechtigkeitsdebatte; dazu werden wir sicher noch in der zweiten Runde kommen.

Ich möchte aber an dieser Stelle noch einen positiven Abschluss wagen: Trotz des wachsenden Gefühls von Ungerechtigkeit schauen die Sachsen positiv in die Zukunft, und sie vertrauen auch den politischen Institutionen wieder mehr. Allein 9 % der Menschen in Sachsen haben mehr Vertrauen in die Praxis unserer Demokratie. Das ist kein Widerspruch. Mehr Vertrauen in Demokratie und ein wachsendes Ungerechtigkeitsgefühl sind kein Widerspruch, weil sie merken, dass in diesem Land die Frage der Gerechtigkeit wieder zum Thema gemacht wird. Dann fühlen sie sich in ihren Bedürfnissen ernstgenommen. Das muss unser Auftrag sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Henning Homann sprach für die einbringende SPD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Köditz.