Die Forderungen der Sozialverbände und der Opposition sind dabei nicht neu. Sachsen braucht eine landesweite Wohnungsnotfallberichterstattung. Der Prüfauftrag steht zwar im Koalitionsvertrag, Frau Neukirch, aber ich gehe davon aus, dass er still und heimlich beerdigt wird, da es
Sachsen braucht ein Konzept zur Wohnungsnotfallhilfe, vor allem, um präventive Maßnahmen zu vereinbaren, um den Wohnungsverlust zu verhindern, meine Damen und Herren.
Sachsen braucht ein Landesprogramm sozialer Wohnungsbau, das Kommunen beim Bau von bezahlbarem Wohnraum unterstützt. Die neue Förderrichtlinie selbst setzt in Leipzig und Dresden kaum Anreize dafür. Das muss sich unbedingt ändern. Sachsen braucht auch generationsübergreifende Quartierentwicklung. Wir haben dazu einen Antrag mit sozialen Angeboten und sozialem Wohnraum eingereicht, der leider abgelehnt wurde.
Auch die Jobcenter müssen sensibilisiert werden, keine Sanktionen zu verhängen, die am Ende zum Verlust der eigenen vier Wände führen, meine Damen und Herren. Vor allem brauchen wir in Sachsen gut ausgebildete, motivierte Fachkräfte auf der Straße, in der aufsuchenden Sozialarbeit, in den Einrichtungen, aber auch in der kommunalen Sozialplanung. Um Menschen in Not helfen zu können, darf man selbst nicht in prekäre Beschäftigungsverhältnisse geraten, deswegen brauchen wir gute Arbeitsbedingungen und vor allem eine stabile Finanzierung der Projekte und Einrichtungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wohnungslose gehören zu den Schwächsten der Gesellschaft. Genau am Umgang mit ihnen zeigt sich doch, wie ernst wir den Schutz der Menschenwürde wirklich nehmen, wie solidarisch unsere Gesellschaft überhaupt noch ist und was wir bereit sind zu unternehmen, um niemanden aus dem öffentlichen Leben auszuschließen.
So klar ist die Sache aber oftmals nicht. Die repräsentative Mitte-Studie zeigt, dass in Deutschland fast jeder Fünfte meint, Wohnungslose seien arbeitsscheu, und fast ein Drittel will, dass bettelnde Obdachlose aus Fußgängerzonen entfernt werden. Auf längere Sicht zählen genau solche Ansichten zu den sehr hartnäckigen menschenfeindlichen Einstellungen in unserer Gesellschaft. Diese Einstellungen stützen sich darauf, dass manche Menschen vom Recht des Stärkeren ausgehen und dass in unserer Gesellschaft oftmals wirklich nur der etwas zählt, der etwas hat, und demzufolge ein Obdachloser, der nichts hat, wertlos ist.
Es ist ein Glück, dass es Projekte und Initiativen gibt, die Wohnungslosen konkrete Hilfe anbieten. Ein Unglück ist es aber, dass teils subtile, teils offene Diskriminierung im Alltag dadurch nicht verschwindet und es nicht nur dabei
Seit 1990 sind in Deutschland 40 Obdachlose rechtsmotiviert ermordet worden, 16 Obdachlose wurden zum Teil schwer verletzt. Ich möchte zwei Fälle erwähnen, und diese lagen vor 2015.
Der erste Fall spielt in der Leipziger Innenstadt. Dort schlief der 59-jährige Karl-Heinz Teichmann in der Nacht zum 23. August 2008 auf einer Parkbank. Ohne Anlass wurde er durch einen Anhänger der rechten Szene attackiert und erlitt schwere Kopfverletzungen. Teichmann erlag den Verletzungen wenige Tage später. Der 18-jährige Täter wurde wegen Mordes verurteilt. Ein mögliches politisches Tatmotiv spielte im Prozess keine Rolle. Dabei hatte der Verteidiger sogar einen diesbezüglichen Hintergrund eingeräumt. Bis heute wurde Karl-Heinz Teichmann nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt.
Der zweite Fall spielt in Oschatz. Dort schlief der 50-jährige André K. in der Nacht zum 27. Mai 2011 im Wartehäuschen. Ohne Anlass wurde er durch fünf junge Männer, die zum Teil der rechten Szene angehören, attackiert und gequält. André K. erlag den Verletzungen wenige Tage später. Die Täter wurden wegen Totschlags verurteilt. Bis heute wurde André K. nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Die Stadt Leipzig informierte übrigens die Familie des Verstorbenen nicht. Er wurde in einem namenlosen Sozialgrab beerdigt.
Das sind furchtbare Taten. Die Täter vergriffen sich an den Schwächsten unserer Gesellschaft. Die Täter glaubten an das Recht der Stärkeren.
Erlauben Sie mir auch eine aktuelle Bemerkung diesbezüglich: Wenn heute in Sachsen plötzlich Rechtsradikale ihr Herz für Wohnungslose entdecken, sofern sie „einheimisch“ sind, dann hat dieser Glaube sich überhaupt nicht gewandelt,
sondern hier wird jetzt eine Gruppe, die schwach ist, gegen eine andere Gruppe, die schwach ist, ausgespielt.
Möchte die CDUFraktion noch sprechen? – Ich frage in die Runde, wer noch Redebedarf zur Aktuellen Debatte hat. – Herr Zschocke, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Köditz, ich bin in sehr vielen Punkten mit Ihnen einig. Ich bin Ihnen besonders dankbar, dass Sie zum Schluss noch einmal deutlich gemacht haben, wozu Gewalt gegen Wohnungslose am Ende führen kann, und dass Sie die Verlogenheit
Mir ist es trotzdem wichtig, deutlich zu machen, dass der Titel schnell dazu verleiten kann, dass es eine allzu pauschale Debatte wird. Ich finde es deshalb nicht hilfreich, selbstbestimmte Individuen zu sehr als hilflose Opfer zu stigmatisieren. Ziel aller sozialen Hilfe muss es doch sein, Menschen zu stärken, ihre Potenziale zu entwickeln, damit sie ihr Leben und ihre Krisen wieder selbst bewältigen.
Eine Anklage allein der Regierenden hilft den Betroffenen nicht. Hilfe muss Hilfe zur Selbsthilfe sein. Wohnungslose dürfen übrigens auch nicht entmündigt und ihrer Freiheit beraubt werden. Es gibt eben Menschen, die sich auch wohlgemeinten Hilfsangeboten entziehen. Ob und welche Hilfe sie annehmen, entscheiden sie selbst.
Unsere Aufgabe ist es, die Angebote so auszugestalten, dass sie dem Bedarf entsprechen und viele diese Unterstützung auch in Anspruch nehmen. Deshalb muss die Koalition – das sage ich noch einmal sehr deutlich – das Sozialministerium in die Pflicht nehmen, die Lebenslagen von Menschen zu analysieren, die in Sachsen wohnungslos sind, von Wohnungslosigkeit bedroht sind oder –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist kaum vorstellbar, dass in einem reichen Land wie Deutschland oder wie in unserem Freistaat Sachsen Menschen auf der Straße leben, ohne Wohnung, in Kälte und in Not. Aber es ist die Realität.
Hinter jedem dieser Menschen, der von Wohnungslosigkeit bedroht ist oder der in Wohnungslosigkeit lebt, ist eine menschliche Tragödie zu sehen.
Aber, und ich möchte auch den Blick in diese Richtung lenken: Wir sind im Freistaat Sachsen in einem staatlichen System aufgestellt, das zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfseinrichtungen unterschiedlichster Art bereithält: Beratungsstellen verschiedener Träger, in denen Probleme von Sucht, Schulden oder psychische Probleme aufgegriffen werden, und Hilfeeinrichtungen, die Hilfesuchenden Unterstützung, Beratung und Beglei
Wir haben eine gute Struktur vor Ort. Die Ursachen – ich denke, das ist bei den Vorrednern unterschiedlichster Fraktionen deutlich geworden – sind sehr vielschichtig. Da ist es vielleicht der Obdachlose, der die Hilfe nicht annimmt, da ist es vielleicht der Strafentlassene, der vom Vermieter keine Wohnung bekommt. Ja, die Lebenslagen sind sehr vielschichtig und verschieden.
An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank aussprechen. Unsere Kommunen vor Ort mit den Wohlfahrtsverbänden oder mit den zahlreichen Trägern engagieren sich hierbei in einer sehr umfassenden und guten Art und Weise. Sie stellen sich dieser Herausforderung. Es ist die Aufgabe unserer Kommunen. Ich kenne zahlreiche Einrichtungen, von Tafeln angefangen über Wärmestuben bis zum Tagestreff oder Übernachtungsmöglichkeiten.
Ich weiß auch, dass sich viele Kommunen nicht nur mit dem Thema „Ich gebe ein Dach über den Kopf“ zufriedenstellen, sondern dass die Kommunen ihre Aufgabe darin sehen, mehr mit Trägern gemeinsam genau diesen Menschen an die Hand zu nehmen und nicht nur abends oder nachts das Bett zur Verfügung zu stellen, sondern zu sagen: Wir wollen dir helfen, wir nehmen dich an die Hand, und wir wollen dich in das Leben zurückführen. Das ist ein schwerer und langwieriger Weg. Ich bin dankbar und möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich den Kommunen und Einrichtungen Danke sagen, die diese Leistungen in einer zutiefst menschlichen Art und Weise erbringen.
Sehr geehrte Frau Ministerin! Was genau sagt Ihnen dieser Bericht der Diakonie? Sie nannten in Ihren Ausführungen, was es alles schon gibt. Ist das Ihrer Meinung nach auskömmlich, oder was genau bringt diese Debatte mit sich, wozu Sie als Ministerin sagen: Das nehme ich mit in mein Haus oder das werden wir jetzt tun?
Frau Schaper, ich war ja mit meinen Ausführungen noch nicht am Ende, sonst wäre ich darauf sicher noch zu sprechen gekommen. Aber wenn Sie mir die Frage jetzt schon stellen: Ja, wir können uns nicht zurücklehnen, und wir können auch nicht sagen, dass alles schon wunderbar und bestens ist. Es geht darum, dass wir verlässliche Finanzen zur Verfügung stellen, dass die Träger vor Ort ihrer Aufgabe nachgehen können, so wie sie das gern wollen oder müssen. Wir sollten uns – auch wenn es hierbei nur um Zahlen geht – schon Zahlen und die Ursachen ansehen. Wo liegen die Ursachen in der Tat?
Nun hat das Bundesministerium für Soziales eine Initiative gestartet, die die Einführung einer bundesweiten Wohnungslosen- und Wohnungsnotfallstatistik beauftragt.
Die Länder haben sich dazu bekannt, das zu unterstützen. Wenn wir von Zahlen reden, beispielsweise von 2 000/3 000 – ich glaube, jede Zahl, die unterm Strich steht, ist letztlich eine Zahl zu viel –, ist es unsere gemeinsame Aufgabe, alle Anstrengungen zu unternehmen, dass kein Mensch im Freistaat Sachsen obdachlos sein muss.