Das hat sie den Wahlkreis Görlitz gekostet und den soeben gewählten Ministerpräsidenten sein Direktmandat im Bundestag.
Wenn Ihre Aktionäre wirklich nur Zahlen mit Währungseinheiten verstehen, meine Damen und Herren im Siemens-Vorstand, so analysieren Sie die drohenden finanziellen Risiken aus politischer Instabilität, aus unberechenbaren Veränderungen des politischen Handlungsrahmens für das Unternehmen – so etwas kann man mittlerweile etwa über Brexit-Szenarien abschätzen –, und dann schauen Sie sich an, wann die nach einer Wahl drohen könnten: Je unverantwortlicher man selbst als großer Arbeitgeber handelt, desto früher. Und dann machen Sie eine Abzinsungsrechnung, und schon können Sie in Geld bemessen, wie viel Sie sich heute nicht ausschütten, sondern zurücklegen müssen, um an den künftig befürchteten Verlusten nicht zugrunde zu gehen.
Das sollte jedes große Unternehmen heute machen. Wenn man dies tut und die Folgen des eigenen Handelns auch für die Gesellschaft als Ganzes und für die Stabilität des eigenen Umfeldes wirklich einpreist, dann, so bin ich überzeugt, kommen an vielen Stellen ganz andere Entscheidungen heraus. Dann erscheint eine Standortentscheidung, die mikroökonomisch im Konzern zunächst die kostengünstigste zu sein scheint, möglicherweise als unbezahlbar teuer. Diese Sprache verstehen dann auch Aktionäre.
Ich fordere die Staatsregierung auf: Sprechen Sie mit dem Siemens-Management mit großer politischer Klarheit auch über solche Risiken!
Das Siemens-Management fordere ich auf: Überdenken Sie Ihre Entscheidung auch im Lichte dieser Erkenntnis!
(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU und der SPD – Beifall des Staatsministers Martin Dulig)
Kollege Dr. Lippold sprach für seine Fraktion GRÜNE. Jetzt hat die fraktionslose Abg. Frau Dr. Petry um das Wort gebeten. Bitte, das Pult gehört Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! SiemensStandorte sichern – einige Ihrer Politikervertreter wie der neue Parteivorsitzende haben bereits ausgesprochen, was tatsächlich ist. Wir können als Politiker allein durch Reden nicht dafür sorgen, dass Siemens seine Entscheidung rückgängig macht. So muss die Frage gestellt werden: Was können wir tun, um zukünftig dafür zu sorgen, dass Regionen wie die Oberlausitz oder andere nicht von solchen Unternehmen wie Siemens allein abhängig sind.
Damit kommen wir zu der Frage, wie die Wirtschaftspolitik in diesem Freistaat allgemein gestaltet werden sollte. Die Frage der Strategie entscheidet darüber, und wir stellen fest: Großunternehmen allein zu befördern und den Mittelstand immer wieder zu benachteiligen funktioniert am Ende nicht; denn es sind die großen Unternehmen, die dann, wenn sie gehen – wenn meist die Subventionen nicht mehr ausreichend fließen –, eben auch die größten Löcher reißen.
So kann es kurz und knapp auf den Nenner hinauslaufen: Selbstverständlich tragen Wirtschaft und Politik Verantwortung für den Standort, aber die Voraussetzungen für Investitionen müssen nun einmal von der Politik geschaffen werden. Das heißt gute Bildung, gute, übersichtliche, transparente Abgaben- und Steuersysteme sowie infrastrukturelle Voraussetzungen, bei denen wir Sachsen wissen, dass wir nachzubessern haben – ob es Breitband ist, Verkehrswegeplanung, Bahnanbindung oder Ähnliches. Das muss die Aufgabenstellung für die Zukunft sein. Es klingt banal, weil es immer das Gleiche ist, aber nur genau hier können wir anknüpfen, um dafür zu sorgen, dass wir eine Vielfalt an Wirtschaftsstandorten auch in der Oberlausitz und anderswo bekommen. Anders wird sich das Problem nicht lösen lassen.
Mit Frau Dr. Petry sind wir am Ende der ersten Runde angekommen. Es geht gleich weiter mit einer zweiten Runde. Die einbringende CDU-Fraktion beginnt diese. Das Wort ergreift unser Kollege Jan Hippold.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen mussten wir uns, über Siemens hinaus, immer wieder mit Entscheidungen von Konzernen zum Stellenabbau in Sachsen und in den anderen neuen Bundesländern auseinandersetzen.
Wenn man sich dabei die Gründe anschaut, dann müssen wir feststellen, dass bei Veränderungen in Techniksparten die Konzerne immer wieder – zumindest gefühlt – nach vier unterschiedlichen Prinzipien verfahren: Zum einen ist da die Verlustminimierung – man könnte auch sagen: die Gewinnsteigerung – durch Schließung oder Verlagerung zu nennen. Darüber hinaus ist ein Trend zu sehen – und den finden wir schon sehr bedenklich –, dass die Bewegung der Konzerne weg aus den neuen Bundesländern, hin zu den alten Bundesländern erfolgt. Des Weiteren wird – das hat Kollege Baum schon angesprochen, und ich finde es besonders bitter – keine Differenzierung nach strukturstarken und strukturschwachen Regionen vorgenommen. Das vierte Prinzip, das immer wieder angewendet wird, ist die Bewertung einer Standortschließung aufgrund der Höhe der Abfindung.
Besonders bemerkenswert finde ich, dass Großkonzerne, zum Beispiel Siemens und General Electric, die mit guten und vor allem auch hohen Aufträgen versehenen Sparten gewinnbringender Geschäftsfelder in der Prozess- und Antriebsindustrie aufgeben. Die daraus resultierenden Folgen werden klar deutlich: In Kraftwerks- und Antriebssparten sollen bei Siemens weltweit 6 900 Stellen abgebaut werden – davon in Deutschland rund 50 % – und bei General Electric darüber hinaus weitere 1 000 Stellen.
Besonders bitter ist – das ist ja auch der Inhalt unserer heutigen Debatte –, dass in Sachsen – in Görlitz und Leipzig zusammen – 920 Arbeitsplätze betroffen sind.
Dagegen haben Beschäftigte in anderen Werken, zum Beispiel in Mülheim an der Ruhr, durch einen milliardenschweren Rekordauftrag aus Ägypten erst einmal Ruhe vor Standortdiskussionen. Der Ägypten-Auftrag umfasst drei schlüsselfertige Gas- und Dampfkraftwerke und in diesem Auftrag sind 12 Dampfturbinen und 20 Generatoren gebunden. Interessant finde ich persönlich hierbei, dass Kollegen aus Duisburg, Essen, Görlitz und Erfurt nach Mülheim gekommen sind, um bei der Auftragserledigung zu helfen.
Hier drängt sich nun die Frage auf, warum nicht zugunsten strukturschwächerer Regionen umstrukturiert wird bzw. Aufträge in Konzernen anders verteilt werden. Wir fordern insbesondere unter Verweis auf die eben genannten Sachverhalte Siemens auf, die Standorte nicht aufzugeben, sondern zumindest eine Umstrukturierung einzuleiten, die eine Wettbewerbsfähigkeit der Standorte Görlitz und Leipzig sicherstellt, damit die Region die wertvollen Industriearbeitsplätze und das sehr gute – –
Ganz kleinen Moment, ich möchte den Satz gern zu Ende bringen: – und das sehr gut ausgebildete Fachkräftepotenzial in der Region erhält.
Danke, Herr Präsident! Herr Hippold, Sie hatten darauf hingewiesen, dass nicht nur Siemens, sondern auch General Elektric – also große Konzerne mit einer Kraftwerkssparte – sehr viele Stellen abbauen, sehr viele davon in Europa und auch sehr viele in Deutschland. Was glauben Sie, woran es liegt, dass diese Konzerne gerade in Deutschland und in Europa den Stellenabbau betreiben?
Das hat vielschichtige Gründe. Zum einen sind es natürlich wirtschaftliche Gründe, die dazu führen, dass der Stellenabbau in Europa und in Deutschland und damit auch in Sachsen und den anderen neuen Bundesländern durchgeführt wird. Einen einzelnen Grund zu benennen – ich habe auch ausgeführt, was die vier Prinzipien sind, auf deren Basis entschieden wird – ist unglaublich schwierig; das ist sehr unterschiedlich je nach Konzern.
Ich denke, im Vordergrund der Entscheidung steht – auch Sie haben es angesprochen – der wirtschaftliche Aspekt. Wenn Konzerne allerdings – das habe ich soeben angesprochen – unter wirtschaftsethischen Aspekten Entscheidungen treffen, dann müssen die Mitarbeiter einbezogen werden. Das Kapital, das ein Unternehmen hat, sind die Mitarbeiter. Ohne diese Mitarbeiter kann ein Unternehmen nicht bestehen. Ob der Gewinn hoch oder besonders hoch ist, spielt an dieser Stelle überhaupt keine Rolle.
Ich frage noch einmal sehr speziell nach. Natürlich hat das Unternehmen auch eine Verantwortung für seine Mitarbeiter. Aber wenn ein Unternehmen eine Sparte abwickelt, die defizitär ist, dann sollte das doch nachvollziehbar sein. Glauben Sie nicht, dass in Europa diese Sparten defizitär sind? Glauben Sie nicht, dass sie deshalb defizitär sind, weil wir hier eine Energiewende haben und weil wir hier einen Klimaplan haben, der mittlerweile ganz Europa betrifft?
Sicherlich kann man über die Inhalte und die Auswirkungen der Energiewende in Deutschland sehr intensiv diskutieren. Darüber sind wir auch regelmäßig unterschiedlicher Auffassung. Ich glaube aber, zu Anfang meiner Rede relativ klar gesagt zu haben, dass genau die Sparte, über die wir heute debattieren, nicht defizitär ist – weshalb die Entscheidung zulasten von Görlitz und Leipzig nicht deshalb gefallen ist, weil dort
etwa defizitäre Sparten des Konzerns angesiedelt sind –, sondern dass die Entscheidung auf der Basis anderer Gründe getroffen worden ist.
Um Ihre Frage zu beantworten: Ich glaube, hier treffen Konzerne Entscheidungen zulasten ihrer Mitarbeiter; diese Darstellung ist vollkommen richtig. Genau dort müssen wir hinschauen. Solche Entscheidungen von großen Konzernen müssen wir hinterfragen, um zu erreichen, dass der wirtschaftsethische Aspekt im Blick bleibt.
Eine ganz einfache und kurze Frage, Herr Kollege: Ist Ihnen – im Gegensatz zu dem Herrn Kollegen von der AfD – bekannt, dass das Görlitzer Siemens-Werk eine Umsatzrendite von 10 % erwirtschaftet?
Das ist mir bekannt, und zwar deswegen, weil der Hinweis auf die Rendite von 10 % heute in der Debatte schon gefallen ist.
(Jörg Urban, AfD: Das ist allen bekannt! Das wissen wir alle! – Zuruf von den LINKEN: Warum stellen Sie dann eine solche Zwischenfrage? Warum behaupten Sie dann das Gegenteil?)
Unser neu gewählter Ministerpräsident hat heute schon angekündigt, dass wir intensive Aufklärung zu den Gründen dieser Entscheidung von Siemens herbeiführen wollen. Genau aus diesem Grund habe ich als Ausschussvorsitzender in der letzten Woche – ich habe das Einverständnis der Ausschussmitglieder vorausgesetzt – Kontakt zum Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Siemens aufgenommen. Ich habe Frau Steinborn angesprochen und sie gefragt, ob die Möglichkeit bestünde, zu einer unserer nächsten Ausschusssitzungen zu kommen und dort zur Aufklärung über die Gründe beizutragen.
Ob Frau Steinborn selbst erscheinen kann, konnte sie noch nicht bestätigen. Der Gesamtbetriebsrat hat zugesagt, dass am 16. Januar die Möglichkeit besteht. Ich
werde heute, spätestens morgen auf die Obleute zugehen und die Einladung abstimmen. Schon an dieser Stelle habe ich die Bitte, dass wir uns auf diesen Termin intensiv vorbereiten und Fragen formulieren, um mit der Person, welche an unserer Ausschusssitzung am 16. Januar teilnimmt, in die Diskussion zu kommen.