In den Jahren 2014 und 2015 beschäftigte sich damit auf Bundesebene eine Arbeitsgruppe mit vielen beteiligten Interessentengruppen. Ende 2015 lag dann ein Arbeitsentwurf zum BTHG vor.
Nach vielen Änderungen noch im Bundesratsverfahren – Sie erinnern sich vielleicht noch; es waren mehr als 100 Änderungen, die damals eingereicht worden sind –, wurde das BTHG im Dezember 2016 verabschiedet.
Damit wurde ein Maßnahmenpaket aufgesetzt, das entsprechend den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessern und gleichzeitig die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe ein Stück bremsen soll.
Diese Aufgabe kommt einem Spagat gleich. Dieser Herausforderung stellt sich der Gesetzgeber aber, weil eines ganz klar ist: Die Situation von Menschen mit Behinderungen wird verbessert.
Der Bund veranschlagt dafür allein im Jahr 2020 nach aktuellen Schätzungen Kosten in Höhe von rund 765 Millionen Euro.
Das Bundesteilhabegesetz ist damit die größte sozialpolitische Reform der letzten Jahre. Zugleich erweitert das Bundesteilhabegesetz enorm den Rahmen für mehr Selbstbestimmung, den auch wir in Sachsen dann nach allen Möglichkeiten nutzen werden.
Das Bundesteilhabegesetz führt die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe heraus. Im Mittelpunkt steht die Teilhabe. Was Menschen mit Behinderungen an Unterstützungsleistungen erhalten, hängt dann nur noch davon ab, was sie brauchen und was sie möchten. Ja, das ist ein Paradigmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderungen, weg von der Fürsorge, hin zur Teilhabe.
Doch muss auch eines klar sein: Es wird eine Übergangsphase geben müssen. Wesentliche Veränderungen werden nicht von heute auf morgen überall ankommen. Das zeigen schon allein die Entwicklungen seit Beschluss des Gesetzes.
Ich sage es immer gern: Das Bundesteilhabegesetz ist ein Stück weit ein lernendes Gesetz. Unsere Umsetzung wird Teil dieses Lernprozesses sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes erfolgt in mehreren Schritten.
Teil 1: Das SGB IX betrifft das allgemeine Rehabilitations- und Teilhaberecht und tritt im Jahr 2018 in Kraft. Es geht vor allem darum, Maßnahmen frühzeitig schon vor der Rehabilitation zu ermöglichen, vor allem im Rechtskreis des SGB II und der Rentenversicherung. Das heißt, es sollen präventive Maßnahmen greifen, damit Menschen mit gesundheitlichen Problemen weiter in ihrem Arbeitsumfeld tätig bleiben können und nicht auf Grundsicherung oder eine Rente wegen Erwerbsminderung angewiesen sind.
Mit dem sogenannten Teilhabeplanverfahren wird nur noch ein Antrag für alle Leistungen der Rehabilitation und bei Behinderung nötig. Das soll vor allem den Antragstellern helfen. Dafür sind auch Kooperationspflichten verbindlich gestaltet.
Für einen Rollstuhl zur Integration ins Arbeitsleben und die Assistenz im Büro braucht es dann eben nur noch einen Antrag, obwohl für das eine die BA und für das andere der KSV zuständig ist.
Ebenfalls im Jahr 2018 treten die Änderungen des Schwerbehindertenrechts, Teil 3, in Kraft. Hierbei werden die Vertretungsrechte für Schwerbehindertenvertretungen und Werkstatträte gestärkt, zum Beispiel über die Senkung der Grenze für Freistellungen. In den Werkstätten für behinderte Menschen soll es künftig auch eine Frauenbeauftragte geben.
Wesentlich für uns ist Teil 2. Lassen Sie mich kurz allgemein etwas zu diesen Änderungen sagen. Ab dem Jahr 2020 wird, wie bereits erwähnt, die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII herausgelöst und reformiert. Dazu gehören folgende Schwerpunkte:
Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden in einem Leistungskatalog konkretisiert und gebündelt. Elternassistenz und Assistenz in der Weiterbildung und im Studium werden erstmalig geregelt. Neue Jobchancen im Betrieb des ersten Arbeitsmarktes für Werkstattbeschäftigte werden durch ein sogenanntes Budget für Arbeit geschaffen. Beziehern von Eingliederungshilfe wird es möglich sein, mehr vom eigenen Einkommen zu behalten und zu sparen. Ehegatten und Lebenspartner werden künftig weder mit ihrem Einkommen noch mit ihrem Vermögen herangezogen. Die Eingliederungshilfe wird mit Blick auf den individuellen Bedarf erbracht und echte Wahlfreiheit bei der Unterkunft ermöglicht.
Diesem Zeitplan unterliegt zwingend auch unser Landesgesetz. Mit anderen Worten: Ab dem nächsten Jahr wird es für die Leistungsempfänger im Bereich der Eingliederungshilfe zunächst wenig konkrete Auswirkungen geben. Wichtig werden die Regelungen erst einmal für die Verhandlungen der Rahmenverträge zwischen den Leistungsträgern, dem KSV und den Landkreisen und kreisfreien Städten, und den Verbänden der Leistungserbringer, der Liga und der privaten Anbieter.
Erst ab dem Jahr 2020 entfalten die meisten festgelegten Aufgabenübertragungen dann konkrete Wirkungen. Bis dahin entstehen natürlich keine Lücken in der Leistungsgewährung. Es gibt Übergangsregelungen, durch die die Träger der Sozialhilfe weiterhin als Rehabilitationsträger bis zum 31. Dezember 2019 zuständig bleiben.
Was jedoch schon 2018 in Kraft tritt, sind das Budget für Arbeit, der Gesamtplan und die Bedarfsermittlung.
Meine Damen und Herren! Den Zeitraum von der Verkündung des Bundesteilhabegesetzes bis heute haben wir sehr intensiv genutzt, zum einen um die künftigen Leistungsträger, die Kommunen, mitzunehmen, die vor einer großen Herausforderung in der Umsetzung stehen; denn die Sozialämter vor Ort und der KSV gestalten das Verfahren vor Ort aus.
Zum anderen haben wir den Meinungsbildungsprozess verfolgt. Wir haben genau hingehört, um auch die Reaktionen und Fragen außerhalb der Verwaltung einzubinden. Wir haben von Anfang an Menschen mit Behinderungen und deren Interessenvertreter frühzeitig in das Verfahren eingebunden.
Wir haben dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Prozess der landesrechtlichen Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in regelmäßigen Sitzungen konsultativ begleitet. Diese Arbeitsgruppe soll nicht nur aktuell bei Umsetzungsfragen tätig sein, sondern auch später weiterhin institutionell Bestand haben, um die Strukturen der Eingliederungshilfe zu fördern und weiterzuentwickeln. Künftig soll sie das Sozialministerium und die Eingliederungshilfe hinsichtlich der Entwicklung und Anwendung geeigneter Instrumente beraten und bei der Überprüfung der Erbringung und Wirksamkeit von Leistungen ebenfalls mit zur Seite stehen.
Um die grundlegende Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft zu unterstützen, richtet das Sozialministerium eine unabhängige Geschäftsstelle beim Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen ein – bei Herrn Pöhler, Sie kennen ihn sicher.
Um darüber hinaus sicherzustellen, dass auch die jeweiligen Leistungsempfänger in der Eingliederungshilfe nachhaltig Gehör finden, soll gemäß Referentenentwurf zudem eine Clearingstelle eingerichtet werden. Diese Clearingstelle hat die Aufgabe, zwischen den Leistungsberechtigten und dem zuständigen Träger bei Streitigkeiten im Einzelfall zu vermitteln und auf eine gütliche Einigung über Leistungen und Verfahren hinzuwirken.
Um diese und weitere Maßnahmen auch in landesgesetzliche Regelungen umzusetzen, hat die Staatsregierung einen Entwurf zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch und zur Zuständigkeit des KSV mit folgenden wesentlichen Kernpunkten erarbeitet: Die vollzogene Trennung zwischen existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen der Eingliederungshilfe ist auf Landesebene ebenfalls nachvollzogen. Träger der Eingliederungshilfe sollen nach dem Gesetzentwurf die Landkreise und kreisfreien Städte sowie der künftige KSV sein. Der KSV wird für die Leistungen des Wohnens zuständig sein – in Wohnheimen, in der Tagesbetreuung, bei ambulanter Betreuung.
Ich gehe davon aus, dass wir über den Gesetzentwurf, der im Kabinett verabschiedet wurde und jetzt zur Anhörung freigegeben ist, anschließend eine weitere Diskussion führen werden, wenn die Ergebnisse aller angehörten Partner vorliegen. 2018 werden wir den Gesetzentwurf dann in den Landtag einbringen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Wir gehen jetzt in die erste Fragerunde zum Berichtsthema. Die CDU beginnt.
mich besonders interessiert: Wie werden wir in Sachsen das Bundesteilhabegesetz jetzt ganz konkret in einzelnen Schritten umsetzen? Wird zum Beispiel der KSV die praktische Seite betreuen?
Mit dem Bundesteilhabegesetz haben wir die Rahmenbedingungen. Was der Bund vorgegeben hat, wird jetzt konkret auf Landesebene heruntergebrochen.
Ich habe in meinen Ausführungen bereits darauf hingewiesen, dass der KSV, die kreisfreien Städte und die Landkreise letztlich für die Aufgabenwahrnehmung verantwortlich sein sollen. Wir haben in unserem Gesetzentwurf jetzt noch einmal speziell geregelt, was konkret für uns von Interesse ist.
Wir haben eine Art Expertengruppe ins Leben gerufen. Diese Expertengruppe soll ein Arbeitsgremium abbilden, das uns bei weiteren Aufgaben, die jetzt anfallen, bis 2020 begleitet. Wir wollen diese Arbeitsgruppe auch weiterhin fest installieren, damit sie eine, sage ich einmal, institutionelle Arbeitsgruppe wird. Sie hat einen festen Ansprechpartner, der letztlich der Beauftragte der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sein wird.
Das sind jetzt die nächsten konkreten Schritte, die sich für uns ableiten und die in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf fest verankert sind.
Der Gesetzentwurf ist aber noch nicht im Geschäftsgang des Landtags. Das Gesetz soll jedoch am 1. Januar 2018 in Kraft treten. Wo genau liegen denn die Hemmnisse bzw. die Versäumnisse, wenn die Staatsregierung nicht in der Lage war, den Gesetzentwurf rechtzeitig genug vorzulegen, um vor dem tatsächlichen Inkrafttreten zum 1. Januar eine umfangreiche Behandlung in den Ausschüssen und im Plenum zu gewährleisten?
Frau Schaper, ich denke, anhand meiner Ausführungen wurde erst einmal sehr deutlich, um welches Gesetz es sich hierbei handelt. Ich habe nicht ohne Grund ausgeführt, dass es eines der größten sozialpolitischen Gesetzesvorhaben ist, die der Bundesgesetzgeber auf den Weg gebracht hat. Der lange Entwicklungsprozess und die vor dem Bundesratsverfahren noch eingebrachten mehr als 100 Änderungen zeigen, welch großer Komplex dahintersteht.
Ich würde jetzt ganz strikt bestreiten, dass wir die Zeit nicht intensiv genutzt hätten. Ganz im Gegenteil, wir
haben das von Anfang an begleitet – das kann ich mit Stolz sagen. Wir sind, gerade im Vergleich zu anderen Bundesländern betrachtet, auf einem sehr guten Weg. Wir haben es geschafft, uns rechtzeitig hinzusetzen, und haben ein Bedarfsermittlungsinstrument wissenschaftlich erarbeiten lassen, das den Trägern dann als Instrument an die Seite gegeben wird.
Ich glaube, hier geht es ganz wesentlich darum, dass man sich mit den Partnern abstimmt. Ich glaube, die Diskussionen im Vorfeld waren sehr eindeutig. Es ist wichtig, sich mit den Menschen mit Behinderungen auseinanderzusetzen, zuzuhören und zu wissen, was ihre Probleme und Nöte sind und was geändert werden soll.
Ich habe auch gesagt: Es ist ein „lernendes Gesetz“. Wir werden es parallel evaluieren; der Bund wird evaluieren. Wir sprechen von Kosten in Höhe von über 765 Millionen Euro. Auf der anderen Seite steht im Vordergrund – und dafür stehe ich –, dass es Leistungen für Menschen mit Behinderungen sind, bei denen sie mitbestimmen können: „Das brauche ich.“ Sie wollen nicht als Bittsteller kommen, sondern brauchen bestimmte Leistungen, um in dieser Gesellschaft anzukommen – wie jeder andere auch.
Das ist der Hintergrund dieses Gesetzes. Ich glaube, wir sind jetzt gemeinsam gefordert, den vorgegebenen Bundesrahmen auf Landesregelungen herunterzubrechen – im Interesse unserer Menschen mit Behinderungen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Danke, Frau Ministerin Klepsch, für Ihren Vortrag. Sie haben das neue Bedarfsermittlungsinstrument schon angesprochen. Das Metzler-Verfahren wird ja durch ein neues Instrument abgelöst. Alle Menschen im Freistaat haben ab 1. Januar 2018 einen Rechtsanspruch darauf, ihre Bedarfe neu ermitteln zu lassen.
Nun dauert es mit dem Gesetz ein bisschen länger, sodass wir das Ausführungsgesetz am 1. Januar 2018 noch nicht vorliegen haben werden. Was passiert mit den Menschen, die im Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem Inkrafttreten ihren Rechtsanspruch auf eine neue Bedarfsermittlung mit einem neuen Instrument geltend machen wollen? Was passiert mit den Ansprüchen?
Zunächst einmal gilt dieser Rechtsanspruch ab 1. Januar 2018, das ist bundesgesetzlich geregelt. Wir wollen auf Landesebene den Trägern etwas an die Hand geben, damit sie dieses Bedarfsermittlungsinstrument einheitlich ausgestaltet umsetzen können.
Vom Grunde her haben die Antragsteller ab 1. Januar 2018 das Recht, nach Bundesrecht behandelt zu werden. Das heißt, sie können ihren Antrag stellen. Die Kriterien, die vorliegen müssen, werden genau geprüft werden.