Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir GRÜNEN fordern seit Jahren die Einführung einer Bürgerversicherung. Wir wollen eine solidarische Finanzierung mit dem Ziel, alle gut versorgen zu können. Das verbindet uns mit der Antragstellerin.
Gemäß den Ergebnissen der genannten Studie der Bertelsmann Stiftung würde der Staat bei Beamten als Arbeitgeber erhebliche Kosten sparen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass statt wie bisher 15 % dann 90 % der Beamten gesetzlich versichert würden. Die öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern könnten um bis zu 60 Milliarden Euro bis 2030 entlastet werden.
Der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag der LINKEN entnehme ich allerdings, dass die Bereitschaft dazu in Sachsen nicht gegeben ist. Man zweifelt an einer Kosteneinsparung für Sachsen und hält entgegen, dass der Sächsische Generationenfonds die Beamtenpensionen und die staatlichen Beihilfen zur Krankenversicherung ausreichend absichern würde.
Ich finde es schade, dass der Antrag der LINKEN ausschließlich den Bund fokussiert. Regelungsmöglichkeiten der Landesebene werden dabei außer Acht gelassen, obwohl es bei den Beamten durchaus Optionen gibt. In Hamburg, Schleswig-Holstein, Thüringen und Bremen wird darüber derzeit diskutiert.
Würde der Freistaat den Arbeitgeberanteil bei der Krankenversicherung übernehmen, dann wäre es auch für Beamte attraktiv, gesetzlich versichert zu sein.
Bisher ist es aber so, dass Beamte anders als Angestellte den vollen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung tragen müssen. Eine finanzielle Entlastung beim Beitrag erhalten Beamte nur, wenn sie privat versichert sind. Das sind die sogenannten Beihilfekosten – Sie kennen das –, die das Land für seine Beamten übernimmt. Diese Regelung könnten wir in Sachsen ändern, wenn der politische Wille vorhanden ist. Dafür bräuchten wir den Bund nicht.
Ich würde aber noch ein paar kritische Hinweise an die Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN richten. Bitte schießen Sie nicht über das Ziel hinaus. Eine Reform des Krankenversicherungssystems ist wirklich komplex und deshalb nicht von einem auf den anderen Tag umzusetzen.
Sie wollen die gesetzliche Versicherung für alle bereits privat versicherten Beamten oder Selbstständigen zur Pflicht machen. Das ist zugegebenermaßen riskant, denn es wäre ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in das Eigentum der Versicherten, konkret in den bestehenden Versicherungsvertrag. Das geht nicht. Was geht, ist ein freiwilliger Wechsel bisher privat Versicherter in die gesetzliche Versicherung. Ihre Forderung kann nach meinem Dafürhalten demnach nur für neu Versicherte gelten.
Ich möchte auf weitere Unterschiede aufmerksam machen, die zwischen dem Bürgerversicherungskonzept der LINKEN und dem von uns GRÜNEN vorhanden sind. Die einfache Formel „Die Gesetzliche ist gut, die Private ist schlecht“ teilen wir so nicht. Sie wollen eine Kasse für alle. Der Titel Ihres Antrages bringt es auf den Punkt. Wir wollen keine Einheitskasse. Wir sagen es ganz klar: Niemand soll vom Staat in eine bestimmte Versicherung gezwungen werden.
Erstens wollen wir eine zukunftsfeste Finanzierung der Krankenversicherung sicherstellen. Wir können ja alle feststellen, dass die Einkommensunterschiede zwischen GKV und PKV immer größer werden. Eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, hat eine verlässliche Beitragsbasis. Das ermöglicht Beitragsentlastungen für gesetzlich Versicherte und damit auch für den Arbeitgeber.
Zweitens wollen wir eine gute Versorgung für alle Versicherten sicherstellen, um die derzeitigen Fehlanreize zu beseitigen. Ärzte profitieren von privat Versicherten mehr als von gesetzlich Versicherten. Das ist kein Geheimnis. Die Zweiklassenmedizin ist nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem. Wir haben das im vorherigen Tagesordnungspunkt schon diskutiert. Sie verschärft eben auch die regionalen Unterschiede in der Gesundheitsversorgung. Regionen mit weniger privat Versicherten stehen in der
Drittens wollen wir die Wahl- und Wechselrechte der Versicherten stärken. Davon können derzeit nur ein bis zwei Millionen von den 80 Millionen Versicherten in Deutschland Gebrauch machen. Ein sinnvoller Wettbewerb um die beste Versorgung ist so unmöglich. Das wollen wir ändern. Nach unserer Vorstellung soll die Bürgerversicherung sowohl durch Private als auch durch Gesetzliche angeboten werden können. Die Bürgerinnen und Bürger können dann frei entscheiden, zu welcher Kasse sie gehen.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir teilen die Intention des Antrages, alle in die Finanzierung der Krankenversicherung einzubeziehen, und können daher dem Antrag zustimmen. Aber bei der Frage der konkreten Umsetzung, die heute hier nicht zur Abstimmung steht, haben wir durchaus andere Vorstellungen als Sie von der Linksfraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Antrag der LINKEN werden wir aus mehreren Gründen ablehnen. Der Antrag befasst sich, zumindest soweit Selbstständige und Freiberufler betroffen sind, mit einem Bundesthema.
Für Änderungen des Sozialgesetzbuches, eines Bundesgesetzes, ist der Sächsische Landtag mit Sicherheit nicht zuständig. Diesen Antrag müsste die Fraktion der LINKEN im Bundestag stellen. Das wäre Ihnen möglich. Es herrscht auch kein Zeitdruck.
Die Änderung eines Krankenkassensystems für ein ganzes Land ist kein Spaziergang. Herr Zschocke hat das gesagt. Es ist ein komplexes Thema und vielschichtig. Es ist aus mehreren Schwerpunktthemen zusammengesetzt. Das kann man nicht einfach mit so einem Antrag anstoßen.
Wir sehen hier derzeit keinen dringenden Handlungsbedarf, das duale System der Krankenkassen umzustellen.
Die Bertelsmann-Studie „Krankenversicherungspflicht für Beamte und Selbstständige – Teilbericht Beamte“ vom Anfang des Jahres ist die Grundlage Ihres Antrages.
Sie prophezeien mit der Krankenkasse für alle das Ende der Zweiklassenmedizin. Das ist ein spannender Ansatz. Sie wünschen sich eine bessere Gesundheitsversorgung für alle. Das wünschen wir uns auch. Wir bezweifeln allerdings, dass dies das richtige Mittel ist. Wenn es eine günstige Krankenversicherung für alle gibt, dann kann sicherlich die medizinische Notfallversorgung gewährleistet werden. Aber alle zusätzlichen Leistungen müssten
Die LINKEN lassen sich von den in der Studie vorgerechneten bundesweiten Einsparungen in Millionen- und Milliardenhöhe ein wenig blenden. Die Studie geht davon aus, dass die Krankenkassenbeiträge für alle sinken werden. Insbesondere Versicherte mit geringem oder mittlerem Einkommen sowie Familien sollen deutlich entlastet werden.
Aber ich habe dagegen Bedenken: Die Staatsregierung hat bereits im Februar in ihrer Stellungnahme auf das Gegenteil hingewiesen. Langfristig wird die geforderte Krankenversicherungspflicht für Beamte, Selbstständige und Freiberufler zu höheren Ausgaben führen, explizit für Sachsen. Dort würde Ihr Modell keine Verbesserung bringen, da wir eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Pensionären und vergleichsweise niedrige Beihilfeausgaben pro Kopf haben. Damit würde die Fraktion DIE LINKE die sächsischen Bürgerinnen und Bürger mit zusätzlichen Kosten belasten.
Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass eine Umstellung des Krankenkassenversicherungssystems nicht möglich ist, ohne vorher die aktuellen Probleme der Krankenkassen zu lösen. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen. Die Strukturen der derzeitigen Versicherungen sind zunächst einmal zu überprüfen. Durch das sogenannte Umlageverfahren werden langfristig Finanzierungsprobleme bei der Krankenversicherung entstehen; denn immer mehr junge Berufstätige müssen nicht nur die eigene Gesundheitsvorsorge finanzieren, sondern zusätzlich die Gesundheitskosten für immer mehr ältere Menschen aufbringen. Das bedeutet dauerhaft höhere Krankenversicherungsbeiträge und weniger Leistungen.
Auch gibt es derzeit kaum effektive Kontrollmöglichkeiten der Bürger für ihre Kassen. Das muss sich ändern. Ein Ende der privaten Vollversicherung ist von heute auf morgen rein rechtlich nicht durchzusetzen; darauf wurde bereits hingewiesen. Die Bestandskunden besitzen größtenteils Verträge, die bis zu ihrem Lebensende laufen. Hierfür müssen gegebenenfalls langfristige Übergangslösungen geschaffen werden. Dazu sagt Ihr Antrag überhaupt nichts. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
(Beifall der Abg. Gunter Wild, fraktionslos, und Karin Wilke, AfD – Susanne Schaper, DIE LINKE: Das macht nichts!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte meine Kollegin Neuhaus-Wartenberg hier sprechen. Sie hatte gehofft, dass wir heute schneller vorankommen, und hat mir die Rede gegeben, da sie auf einer Trauerfeier für einen guten Freund von uns ist.
Unser Krankenversicherungssystem hat ein großes Problem: Es gibt längst eine Mehrklassengesellschaft. Dies betrifft ganz unterschiedliche Bereiche. Wie Sie wissen, streben wir als LINKE eine klassenlose Gesellschaft an, und das eben auch in der Krankenversicherung.
Wir haben momentan mindestens ein Vier-KlassenVersicherungssystem, auch in Sachsen. Das sind drei zu viel. Warum spreche ich von unterschiedlichen Klassen? Weil die Unterschiede nicht nur die Frage betreffen, wann wer wo einen Termin bekommt oder wie lange ein Patient im Wartezimmer sitzen muss, sondern auch ganz existenzielle Fragen. Das wären zum Beispiel unsere Beamtinnen und Beamten. Sie erhalten in der Regel auf gesetzlicher Grundlage Beihilfe und schließen ergänzend private Krankenversicherungsverträge ab – und sind derzeit sicherlich damit die am besten Versicherten.
Wir haben zum anderen die gesetzlich Pflichtversicherten, die zweite Klasse. Sie hören immer öfter in Arztpraxen: „Das bezahlt die Kasse nicht, wir können es aber machen, wenn sie es selbst bezahlen oder etwas zuzahlen.“ Hier bestimmt also der individuelle Geldbeutel über die Gesundheit.
Außerdem haben wir die Selbstständigen und freiberuflich Tätigen, unsere dritte Klasse. Zu ihnen werde ich gleich noch ausführlicher sprechen. – Zunächst aber noch ein Satz zur vierten Gesundheitsklasse: jene, die überhaupt nicht oder nicht mehr versichert sind. Es ist nach wie vor ein Skandal, dass es Menschen gibt, die ohne umfassende Absicherung für den Krankheitsfall leben müssen.
Eine große Gruppe der Selbstständigen – damit komme ich wieder zur dritten Klasse – in Sachsen sitzt krankenversicherungsmäßig in der Falle. Gerade jene, die nach 1989 den Schritt in die Selbstständigkeit wagten, mussten, obwohl sie bereits älter waren, aufgrund der damals niedrigen Beiträge in die private Krankenversicherung gehen.
Sie müssen jedoch jetzt erleben, dass es – neben den niedrigen Altersrenten – auch Probleme mit den Krankenversicherungen gibt. Zum einen steigen die Beiträge der privaten Krankenversicherung – durch Tarif- oder Anbieterwechsel, was gar nicht mehr so einfach möglich sein wird –, und zum anderen bleibt der Rückweg in die gesetzliche Krankenversicherung versperrt. Diesen
Menschen bleibt nur, den Umfang der Versichertenleistung immer weiter zu reduzieren und die Selbstbeteiligung zu erhöhen – und das zu einem Zeitpunkt im Leben, in dem sie mehr auf Versicherungsleistungen angewiesen sind als vorher –, oder es droht im allerschlimmsten Fall
sogar der Verlust des Versicherungsschutzes, wenn nämlich die Krankenversicherungsbeiträge länger nicht mehr gezahlt werden können und die Versicherung am Ende kündigt.
Es gibt aber auch die Selbstständigen, die freiwillig in der gesetzlichen Versicherung versichert sind. Sie genießen zwar den Schutz der Krankenversicherung, sind aber oft Problemfälle für die Krankenkassen. So beklagen die Verbände bei diesen Kunden Beitragsrückstände in Milliardenhöhe, und die Selbstständigen kämpfen monatlich mit der Krankenkassenbürokratie, die gezwungen ist, Regeln der Beitragsbemessung anzuwenden, die für die westdeutsche Arbeitswelt der Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts vorgesehen waren, aber eben nicht für die moderne Arbeitswelt der Solo-Selbstständigen mit ihren stark schwankenden Einnahmen geschaffen wurden.
Damit sich diese Fehlentwicklung nicht weiter fortsetzt und die kommende Generation selbstständig Tätiger nicht zur nächsten Lebensrisiko-Gruppe wird, möchten wir eine Krankenversicherung für alle. Wir wissen, dass es bei dieser Neuordnung der Krankenversicherung nicht bei der Schaffung einer einzigen Institution bleiben kann, sondern wir brauchen eine vernünftige Neuordnung auf Bundesebene – das haben wir heute bereits gehört –, auch bei der Beitragsbemessung und beim Beitragseinzug. Im Bereich der Selbstständigen bedeutet dies, dass wir berücksichtigen müssen, dass es besondere Arbeitsbedingungen in der Arbeitswelt gibt, gerade bei Solo-Selbstständigen, die heute vielleicht viel und morgen weniger verdienen. Das ist bei ihnen Alltag, und dafür braucht es passgenaue Kriterien der Beitragsbemessung.
Was wäre denn, wenn alle in eine Kasse zahlen würden? Wo wäre das Problem? Die Beamtinnen und Beamten wären zum Beispiel einfach nur Teil der Solidargemeinschaft und verlören eigentlich überhaupt nichts, außer ihren diesbezüglichen Sonderstatus, der ohnehin nicht erklärbar und laut Verfassung auch nicht nötig ist.
Herr Wehner, was in Sachsen – zumindest aus der Sicht der Staatsregierung – nicht funktionieren soll, machen andere Bundesländer jedoch vor, zum Beispiel Hamburg: Dort soll es ab dem 1. August 2018 eine Regelung geben, nach der Beamtinnen und Beamten, so sie es wünschen, statt der individuellen Beihilfe der halbe Beitrag zu einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung gezahlt wird. Dazu sagt die Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks – ich zitiere –: „Es ist weder zeitgemäß, sozial gerecht noch verfassungsrechtlich geboten, dass die Krankheitskosten von Beamtinnen und Beamten ausschließlich über Beihilfe oder die private Versicherung abgedeckt werden. Wir schaffen mit diesem Angebot echte Wahlfreiheit im öffentlichen Dienst und den Zugang von Beamtinnen und Beamten in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung.“ – Recht hat die Senatorin! Dies wäre ein erster Schritt, der zeigt, dass es geht.