Protocol of the Session on November 15, 2017

Haben Sie verstanden, dass ich ausgeführt habe, dass sich das Innenministerium auf das Petitionsrecht bezieht, wenn es um die Rechtsgrundlage für diese Beschwerdestelle geht, die jetzt existiert?

Herr Stange, ich habe verstanden, dass Sie einen historischen Abriss über das Petitionsrecht gegeben haben. Ich habe gleichzeitig zur Kenntnis genommen, dass Sie den Sinn und die Struktur des Petitionsrechts im demokratischen Staat in die Zukunft nicht mit adaptiert haben. Insoweit ist Ihr historischer Abriss dafür nicht vollständig und ausreichend.

Das Petitionsrecht hat in unserer Gesellschaft heute eine ganz andere Bedeutung.

Im Übrigen gibt es mir die Gelegenheit, gleichzeitig noch darauf abzustellen, dass es Ihrer Bemühungen offensichtlich nicht bedurfte, weil schon im Koalitionsvertrag deutlich formuliert wurde,

(Enrico Stange, DIE LINKE: Das ist keine Beratungsgrundlage!)

dass es den Bedarf für eine solche Beschwerdestelle gibt, und weil wir daraufhin auch entsprechend gehandelt haben. Sie geben mir jetzt aber sicherlich Gelegenheit, noch auf weitere Perspektiven an dieser Stelle einzugehen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE möchte diese eine Ombudsstelle der sächsischen Polizei als unabhängige Anstalt des öffentlichen Rechts etablieren, die mit weitreichenden Kontroll- und Aufsichtsbefugnissen ausgestattet werden soll, im Grunde durchaus ausgestattet mit einer externen Ermittlungskompetenz.

Dazu wäre grundsätzlich zu sagen, dass die Beschäftigten der sächsischen Polizei auch in schwierigen Zeiten eine hervorragende Arbeit leisten und völlig zu Recht unser Vertrauen und das der Bevölkerung genießen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Transparenz polizeilichen Handelns durch Überprüfung polizeilichen Handelns aufgrund von Beschwerden und ein offensives Fehlermanagement können das Vertrauen der Bevölkerung in diese zentrale staatliche Institution wahren und weiter steigern. Diesem Ansinnen sind wir mit der Errichtung der Zentralen Beschwerdestelle der sächsischen Polizei im Grundsatz schon nachgekommen.

Polizeiliches Handeln möglichst transparent, überprüfbar und nachvollziehbar zu machen, ist ein wichtiges demo

kratisches Gut, um Verständnis und Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erzeugen.

Gleichwohl ist es wichtig, dass die Beamtinnen und Beamten einen Ansprechpartner haben, der sich mit ihren Beschwerden, die sich nicht auf anderem Wege polizeiintern lösen lassen, unabhängig auseinandersetzt.

Kurz und gut: Bereits jetzt haben die Betroffenen die Möglichkeit, Beschwerden über die Durchführung oder Unterlassung polizeilicher Maßnahmen sowie über die Art und Weise der Durchführung und der Verhaltensweise von Beamten und vollziehenden Personen vorzubringen. Dies ist jetzt schon über die Zentrale Beschwerdestelle der sächsischen Polizei möglich.

Ebenso können Beamte von den Beschwerdemöglichkeiten Gebrauch machen. Ihnen stehen im Innenverhältnis zudem noch die Frauenbeauftragte, die Schwerbehindertenvertretung, die Personalvertretung, die Polizeiseelsorge sowie der Polizeipsychologische Dienst zur Verfügung.

Nicht zu vergessen: Auch die jeweiligen Vorgesetzten sind im Rahmen von Mitarbeiterführung und Fürsorgepflicht verpflichtet, bei Beschwerden und Hinweisen tätig zu werden.

Wie aus dem aktuellen Bericht der zentralen Beschwerdestelle ersichtlich ist, wird die Möglichkeit von Beamtinnen und Beamten bisher nur in sehr geringem Umfang wahrgenommen,

(Enrico Stange, DIE LINKE: Kann ich gut verstehen!)

während die Bürger von dieser Möglichkeit durchaus regeren Gebrauch machen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Warum wohl!)

Weshalb die Zentrale Beschwerdestelle im Innenverhältnis der Polizei nur zaghaft genutzt wird, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nur schwer abschätzen. In Betracht kommt jedoch, dass die bisher nicht gewährleistete Unabhängigkeit der Beschwerdestelle durch die Anbindung an das Sächsische Staatsministerium des Innern und die damit verbundene Vertraulichkeit der Behandlung des Anliegens sowie die Einhaltung des Dienstweges bei der Beschwerdeeingabe wesentliche Gründe sind.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Über all diese bemerkenswerten Punkte wird im Übrigen im Rahmen der Novellierung des Sächsischen Polizeigesetzes bereits diskutiert. Hier wird es Veränderungen geben. Dies wird im Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE richtigerweise angesprochen und wurde auch in der Anhörung am 30. März dieses Jahres mehrfach betont.

Dennoch halten wir den Gesetzentwurf mit Blick auf den Befugnisumfang der einzurichtenden Ombudsstelle für viel zu weitgehend.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist er!)

Die Intention einer Ombudsstelle ist es, möglichst unabhängig aufgrund eines konkreten Sachstands oder Be

schwerdehinweises tätig zu werden, Konflikte auszuräumen, Missstände zu benennen und Vorschläge für deren Beseitigung zu machen sowie Streit zu schlichten. Der vorliegende Gesetzentwurf geht in der Gesamtschau jedoch weit über diese angeführten Erfordernisse einer unabhängigen Beschwerdestelle hinaus.

(Albrecht Pallas, SPD: Richtig!)

Laut Gesetzentwurf ist die Schaffung einer Art Behörde mit tief greifenden Kontrollen und Aufsichtsbefugnissen vorgesehen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Mit dem Gesetzentwurf soll eine Instanz geschaffen werden, die in ihrer Regelungsbreite und auch -tiefe eine überbordende Bürokratisierung großer Tätigkeitsbereiche der sächsischen Polizei mit sich bringen würde und die gleichzeitig eine Art Sonderermittlungsfunktion wahrnähme, da der Ombudsstelle laut Gesetzentwurf weitreichende Exekutivrechte eingeräumt werden sollen – auch ohne das Vorliegen eines konkreten Prüf- oder Beschwerdesachverhalts.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Dies geht eindeutig zu weit und konterkariert nicht nur die Arbeit unserer Strafermittlungsbehörden, sondern wird sich auch negativ auf das Handeln unserer Polizeibeamten auswirken. Denn jede Form der Vorwärtsprüfung stellt polizeiliches Handeln bereits unter einen Anfangsverdacht

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

und suggeriert, dass in polizeilichen Entscheidungen bereits Rechtsverstöße beinhaltet sein müssen. Dies bringt keinerlei Vertrauensgewinn mit sich und wird von der Gewerkschaft der Polizei und auch von uns zu Recht als Zeichen großen Misstrauens gewertet. Dies ist im Übrigen auch in der Anhörung deutlich geworden.

Ich freue mich, Herr Gebhardt, dass Sie Zeit für Zwischenrufe haben,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Gar nicht!)

während Sie sich lieber auf die Rede konzentrieren sollten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Na ja!)

Dies würde im Übrigen das Ansehen einer Beschwerdestelle konterkarieren und ihren eigentlichen Zweck ins Gegenteil verkehren. Insofern sehen wir in dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf keine Verbesserung für die Arbeit der Polizei und auch keine zusätzliche vertrauensbildende Maßnahme bezüglich deren Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger.

Auch die in Artikel 7 des Gesetzentwurfs diskutierte umfassende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und die damit getroffenen Regelungen sehen wir äußerst kritisch.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Da hilft es jetzt auch wenig, sich auf die entsprechenden Regelungen Preußens zu beziehen,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: … oder Los Angeles!)

das seine Geschichte im Übrigen beendet hat. Auch befinden wir uns in Sachsen.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Ja, aber die Preußen waren da schon weiter!)

Sie gehen – wie Peter Guld vom Bund Deutscher Kriminalbeamter in Sachsen darlegte – an der Lebenswirklichkeit der Beamten im Einsatz vorbei und verkomplizieren unnötig deren Diensthandlungen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Was ist daran kompliziert, wenn sie ein Namensschild haben?)

Wir lehnen die vorgeschlagene Neufassung von § 8 des Polizeigesetzes mit einer namentlichen Kennzeichnung ab. Gleichwohl, auch das ist nicht neu, beschäftigen auch wir uns in der Koalition mit der Frage, wie wir an dieser Stelle zu einer vernünftigen Regelung kommen. Eine namentliche Kennzeichnung mit Vornamens- und Nachnamensbenennung ist aus unserer Sicht aber der falsche Weg, um dem Ansinnen Rechnung zu tragen.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Gleichwohl halten wir zur Wahrung der Unabhängigkeit und der parlamentarischen Kontrolle der polizeilichen Arbeit die Schaffung einer zentralen Ombudsstelle im Sächsischen Landtag mit einem Beauftragten für Polizeiangelegenheiten für wenig sinnvoll. Dieses Themas werden wir uns im Rahmen der Novellierung des Polizeigesetzes annehmen. Ihres Gesetzentwurfs bedarf es nicht.