Protocol of the Session on November 15, 2017

Gleichwohl halten wir zur Wahrung der Unabhängigkeit und der parlamentarischen Kontrolle der polizeilichen Arbeit die Schaffung einer zentralen Ombudsstelle im Sächsischen Landtag mit einem Beauftragten für Polizeiangelegenheiten für wenig sinnvoll. Dieses Themas werden wir uns im Rahmen der Novellierung des Polizeigesetzes annehmen. Ihres Gesetzentwurfs bedarf es nicht.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir lehnen ihn daher an dieser Stelle ab und werden Sie zu gegebener Zeit mit unseren eigenen Vorschlägen konfrontieren.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD sowie des Staatsministers Markus Ulbig – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Oh!)

Eine Kurzintervention, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Zwei oder drei Punkte. Ich will zunächst feststellen: Erstens geht der Gesetzentwurf davon aus, dass es zu Verstößen kommen kann, nicht kommen muss.

Zweitens: Wir als Teil des Hohen Hauses werden nicht abwarten, bis Sie, die CDU oder die Koalition, irgendwann einmal etwas gebären – nach dem Kreißen um den Berg –,

(Christian Piwarz, CDU: Das sagt der Richtige!)

sondern werden selbst aktiv sein und sind mit diesem Gesetzentwurf aktiv geworden.

Das Dritte habe ich vergessen.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN)

Herr Hartmann, bitte.

Sie kreißen um den Berg und haben eine Maus geboren – insoweit auch recht. Wir beschneiden nicht Ihr Recht, Gesetzentwürfe einzubringen; er stand heute auf der Tagesordnung. Nur müssen Sie ertragen, dass wir deutlich machen, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach!)

weil wir ihn an dieser Stelle nicht für zielführend halten. Das kann Sie verärgern, Sie müssen das im demokratischen Konsens aber schon so zur Kenntnis nehmen, dass wir an dieser Stelle zwei Intentionen in uns tragen, nämlich – erstens – eine Möglichkeit der Beschwerde für sächsische Polizeibeamte im internen Verhältnis und – zweitens – die Möglichkeit der Beschwerde für den Bürger.

Diese Beschwerdestelle soll dann auch das sein, was sie sein soll. Sie soll die Aufgaben, die ich vorhin beschrieben habe, erfüllen. Wir haben aus unserer Sicht keinen Bedarf – das kann ja eine Adaption Ihrer historischen Bezüge sein –, eine Kontrollinstanz und eine externe Ermittlungsbehörde zu schaffen. Das lesen wir aus Ihrem Gesetzentwurf heraus. Das geht am Ziel vorbei und widerspricht unseren demokratischen Vorstellungen eines gemeinsamen Zusammenlebens.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach! – Unruhe bei den LINKEN)

Es gibt immer noch eine Zuständigkeit der Judikative, die bei Gesetzesverstößen entsprechend handelt. Diesen Grundsatz heben wir an dieser Stelle nicht auf.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Deswegen ist Ihr Gesetzentwurf abzulehnen, auch wenn wir dem Duktus, nämlich der Zielsetzung eines vernünftigen Beschwerdemanagements und eines gleichzeitigen Miteinanders von Polizei und Bürgerschaft, offen gegenüberstehen – und das in unserer Verantwortung und mit unseren Vorschlägen auch in dieses Hohe Haus einbringen. Dann werden Sie zur Kenntnis nehmen, ob diese Vorschläge eine Mehrheit finden oder nicht. Ich gehe davon aus, dass das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Markus Ulbig – Enrico Stange, DIE LINKE: Deutsche Hochschule der Polizei! – Gegenruf des Abg. Christian Piwarz, CDU: Sei doch mal still! Du hast doch lange genug geredet!)

Für die SPDFraktion Herr Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! „Tacheles zur sächsischen Polizei“, so hieß eine Veranstaltung am vergangenen Sonntagabend im Deutschen HygieneMuseum Dresden, wo aktuelle Fragen rund um Ressourcen für die Polizeiarbeit, Aufgaben, aber auch die Qualität polizeilicher Arbeit diskutiert wurden. Es ging auch um die Notwendigkeit einer hohen Transparenz bei polizeilicher Tätigkeit. Immerhin besuchten bis zu 500 Menschen diese Veranstaltung zur besten Familienzeit am Sonntagabend, darunter auch viele Polizisten.

Das große Interesse zeigt, wie wichtig es ist, an genau diesen Themen zu arbeiten. Es geht darum, neben guten Arbeitsbedingungen für Polizistinnen und Polizisten auch dafür zu sorgen, dass die Qualität polizeilicher Arbeit immer besser wird. Das ist uns als SPD sehr wichtig. Gerade deshalb haben wir dafür gesorgt, dass wir das Projekt der zentralen, unabhängigen Beschwerdestelle in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt haben. Deshalb haben wir mit dafür gesorgt, dass diese Beschwerdestelle gegründet wird und dass sie ihre Arbeit aufnimmt.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Sie arbeitet seit Anfang 2016, seit 22 Monaten. Es gab einen ersten Bericht zu ihrer Tätigkeit. Ich finde die bisherigen Ergebnisse nicht schlecht, aber unterm Strich kann eine Erfolgskontrolle oder eine richtige Evaluierung jetzt noch nicht sinnvoll erfolgen, dazu ist es einfach viel zu früh.

Die Fraktion DIE LINKE hat nun ihren Gesetzentwurf über die Ombudsstelle vorgelegt. Ich sage einmal, das Ziel haben wir noch gemeinsam: Die Polizeiarbeit gerade im Spannungsverhältnis zwischen der Polizei und den Bürgerinnen und Bürgern zu verbessern, zusammen mit einem funktionierenden Beschwerdemanagement für Bürger und für Polizisten, mit einer besseren Fehlerkultur bezüglich Einzelversagen, aber eben auch bezüglich struktureller Probleme, und mit einer höheren Transparenz bezüglich polizeilicher Maßnahmen und Einsätze.

Aber damit, liebe Kollegen von den LINKEN, hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Natürlich steckt das Projekt oder das Instrument der Beschwerdestelle noch in den Kinderschuhen. Wir wollen und wir werden dieses Instrument, die zentrale, unabhängige Beschwerdestelle, weiterentwickeln. Wir werden sie besser machen – natürlich. Jetzt ein völlig neues System zu installieren wäre Wahnsinn, Herr Stange. Wir würden bei null anfangen. Schon deshalb wird die SPD Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh!)

Es gibt auch viele inhaltliche Gründe. Dabei beziehe ich mich im Wesentlichen auf die Anhörung im Innenausschuss des Sächsischen Landtags, und zwar auf Äußerungen des auch von Ihnen zitierten Prof. Kersten und auch der Polizeivertreter, deren Sie sich in Ihrer Rede bedient haben.

Zunächst geht der Ansatz des Gesetzentwurfs weit über Beschwerdemanagement hinaus. Sie unterlaufen sogar bestehende Instrumente wie das Petitionsrecht, wie die Kontrollrechte des Parlaments, aber eben auch Möglichkeiten der Justiz. Sie wollen tief greifende Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse schaffen – in einer Dimension, die zu immer mehr Bürokratisierung, Behinderung und Mehrfachbelastung von Polizeiarbeit führen würde.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Nein!)

Häufig wären auch operative Sachverhalte betroffen, Herr Kollege Stange. Das könnte und würde auch zu Verschleppungen oder Behinderung dringender polizeilicher Entscheidungen beitragen.

(Beifall des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Ja. – Damit läuft Ihr Gesetzentwurf dem eigentliche Ziel zuwider. Diese Ombudsstelle würde die Polizeiarbeit nicht besser machen, im Gegenteil. Sie könnte sogar ein zusätzliches Sicherheitsrisiko schaffen. Ich kann den Eindruck einiger Sachverständiger gut verstehen, dass grundsätzliches Misstrauen in die Polizei das eigentliche Motiv dieses Vorschlags sei.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Dabei beziehe ich mich ausdrücklich auf den Vertreter der Gewerkschaft der Polizei, den Sie vorhin vereinnahmt haben, lieber Herr Kollege. Dem trete ich entschieden entgegen, und ich sage deutlich: Ihr Vorschlag wäre ein fatales Signal an die Polizei, aber eben auch an die Bürgerinnen und Bürger. Sie zeigen damit eines: dass Sie es nicht verstanden haben. Wenn man eine Organisation wie die Polizei wirklich verändern, wirklich verbessern will, dann geht das nur zusammen mit der Organisation, zusammen mit den Polizisten.

(Zurufe von den LINKEN)

Da setzt auch die Beschwerdestelle an. Sie nimmt Hinweise auf, sie prüft, sie reagiert im konkreten Fall, sie wertet aus, sie kommuniziert mit der Polizei, sie berichtet öffentlich und die Polizei kann reflektieren und sich verändern. Auch Politik kann darauf reagieren. Mit Ihrem Vorschlag würden Sie eine Abwehrhaltung bei jedem Polizisten erzeugen, und ich kann das verstehen, Herr Kollege Stange.

Als SPD wollen wir natürlich das Ziel, die Polizei in ihrer Arbeit besser zu machen, mit einer funktionierenden Beschwerdestelle erreichen. Dazu wollen wir die Beschwerdestelle verbessern. Auch dafür lieferte die Anhörung einige wertvolle Hinweise. Zunächst geht es darum, die Beschwerdestelle auf eine feste gesetzliche Grundlage zu stellen, um ihr mehr Gewicht zu geben – da haben Sie

recht. Es geht darum, die Hinweise auf mehr Unabhängigkeit durch eine andere organisatorische Anbindung und auch die Hinweise auf die personelle Zusammensetzung zu beachten. Als Drittes finde ich es extrem wichtig, den Polizeibeamten weiter zu erleichtern, sich an die Beschwerdestelle zu wenden. Es geht darum, den Dienstweg für diese Zwecke auszusetzen. Wir haben das doch längst in unsere Überlegungen aufgenommen, Herr Kollege,

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

wie wir die Beschwerdestelle verbessern können. Wir haben gerade die Ausführungen des Kollegen Hartmann gehört. Wir wollen, um in Ihrem historischen Bild zu bleiben, keine große Inquisition.

(Lachen des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wir wollen kein überbürokratisiertes Monstrum, wie DIE LINKE es will. Als SPD werden wir konsequent an unserem Ziel festhalten. Wir wollen die Polizei besser ausstatten und werden die Polizeiarbeit besser machen. Dafür wollen wir die Verbesserungen bei der Beschwerdestelle in der Koalition umsetzen, und das tun wir auch.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Eine Kurzintervention? – Herr Lippmann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ja, eine Kurzintervention auf den Redebeitrag des Kollegen Pallas. Ich bin erschüttert über die Haltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum Thema Polizeikontrolle. Herr Kollege Pallas, zwei Dinge: Zum einen, wenn jedwede Kontrolle Misstrauen in die Handelnden darstellt, dann „freue“ ich mich demnächst auf den Antrag der Koalition, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten abzuschaffen.