Wir müssen uns anschauen – das sind immer Aussagen von Frau Kurth zu Beginn des neuen Schuljahres –, wie viele zusätzliche Schüler wir im System haben. Ich will es Ihnen noch einmal sagen, weil ich glaube, es ist wichtig, dass wir das noch einmal hören: Im Schuljahr 2015/2016 waren es 6 700 zusätzliche Schüler. Im Schuljahr 2016/2017 waren es 10 000 zusätzliche Schüler. In diesem Schuljahr, 2017/2018, sind es nach Aussagen von Frau Kurth – damalige Kultusministerin – 5 000 zusätzliche Schüler. Das heißt, wir haben innerhalb von drei Jahren einen Zuwachs von 21 700 Schülerinnen und Schülern, worüber wir uns alle freuen, keine Frage, aber wir müssen damit natürlich auch für die Ganztagsangebote die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Ich glaube, spätestens für den nächsten Haushalt müssen wir darüber sehr intensiv reden.
Nach Frau Falken, die für die Fraktion DIE LINKE sprach, folgt jetzt für die AfD-Fraktion Herr Wendt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Ganztagsbetreuung eine wichtige Sache ist, dürfte jedem klar sein, aber die These, dass mehr Ganztagsbetreuung per se bessere Bildung bedeutet, ist umstritten. Wenn man sich die Ganztagsbetreuungsangebote in Bayern anschaut, so liegen wir dort
bei 16 %, und trotzdem schneidet Bayern sehr gut ab, ist oftmals neben Sachsen auf den vorderen Plätzen zu finden. Das zu Ihrer These, die nicht grundsätzlich greift.
Festzuhalten bleibt aber: Für eine Ganztagsbetreuung spricht ganz klar, dass die Kinder – ich nenne es einmal so – aufgeräumt sind, während die Eltern einer Arbeit nachgehen,
dass die Kinder nicht stundenlang vor dem Fernseher hocken, dass sich die Kinder nicht auf dem Hauptbahnhof herumtreiben oder dass sie nicht mit Personen in Kontakt geraten, die sie eventuell auf die schiefe Bahn bringen könnten.
Für eine Ganztagsbetreuung spricht natürlich auch, dass bei unseren Kindern beispielsweise die soziale Kompetenz, aber auch die Teamfähigkeit gestärkt werden kann, wenn gemeinsame Projekte bestritten werden. Dies setzt aber voraus, dass Ganztagsbetreuung nicht nur Hausaufgabenbetreuung bedeutet, sondern die Kinder sinnvoll und fördernd beschäftigt werden.
Klar dürfte auch sein, dass Ganztagsbetreuung zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf führt. Dies ist insbesondere für Alleinerziehende von immenser Bedeutung.
Ihre Ganztagsbetreuung, werte CDU und SPD, zeigt natürlich auch Schwächen auf. Sie haben es erstens versäumt dafür zu sorgen, dass genügend Personal eingestellt wird, um eine qualifizierte Ganztagsbetreuung sicherstellen zu können.
Es ist doch keinem damit geholfen, wenn Sie das Ganztagsangebot auf fast 100 % hochschrauben, aber der Betreuungsschlüssel jenseits von Gut und Böse ist. Verstärkt wird dieser Effekt, der unsere Lehrer und Erzieher jetzt schon massiv belastet, durch die kritikbehaftete Inklusionspolitik der Staatsregierung, aber auch durch die zunehmende Anzahl von Migrantenkindern in den Klassen.
Zweitens fehlt es, wie in der Anhörung zutage getreten ist, natürlich auch an den entsprechenden Räumlichkeiten für die Ganztagsbetreuung, was in vielen Fällen eine Ganztagsbetreuung erst gar nicht möglich macht.
Es kann doch nicht sein, dass Kinder, die beispielsweise an einem Puzzleprojekt arbeiten, das eventuell 1 000 Teile hat, nach 500 Teilen aufhören müssen, weil der Tisch abgeräumt und in der Folge der Tisch für den Matheunterricht am nächsten Tag hergerichtet werden muss.
Drittens – das ist noch nicht angesprochen worden – haben wir einen eklatanten Sanierungsstau an sächsischen Schulen. Es bedarf finanzieller Mittel, um diesen Sanierungsstau zu beheben.
Festzuhalten bleibt – und damit komme ich zum Schluss –: Ein flächendeckendes Ganztagsangebot ist wichtig, aber wenn man andere Bereiche vernachlässigt, nur halb so viel wert. Deshalb gibt es keinen Grund zu feiern. Sie sollten eher die Ärmel hochkrempeln und endlich für mehr Lehrer und Erzieher sorgen, die auch adäquat bezahlt werden, und Sie sollten Schulen modern und zweckmäßig ausstatten und den Sanierungsrückstand abbauen.
Das war Herr Kollege Wendt von der AfD-Fraktion. Jetzt folgt Frau Kollegin Zais. Sie spricht für ihre Fraktion GRÜNE.
Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist keine gute bildungspolitische Zeit für die Koalition aus CDU und SPD hier in Sachsen. Sie befinden sich mit Ihrer Bildungspolitik in der größten Krise seit 27 Jahren. Das muss klar gesagt werden.
Akuter Lehrermangel infolge desaströser Personalpolitik, nicht mehr zu kaschierender Unterrichtsausfall, Schulen in Not – wir haben eine ganz schwierige Situation in Sachsen. Ihre eigene Umfrage hat bestätigt, dass 86 % der Sachsen finden, dass Sie bisher keine ausreichend gute Schul- und Bildungspolitik betrieben haben. Das ist der höchste Unzufriedenheitswert über alle Politikfelder. Was liegt da näher – nun komme ich zum Titel der Aktuellen Debatte –, als Erfolgsmeldungen zu verbreiten mit dem Ziel, vom eigenen Versagen auf wesentlichen Feldern abzulenken?
Ja, Sachsen nimmt im deutschlandweiten Vergleich eine Spitzenposition ein, was die quantitative Seite der GTAAngebote anbelangt. Klar: Bei reichlich 97 % ist da kaum noch Luft nach oben. Sachsen entspricht damit – auch das ist klar – dem Elternwillen, denn gemäß der Umfrage wünschen sich 90 % der sächsischen Eltern gute Ganztagsangebote, die eine gute Betreuung und Flexibilität vereinen.
In Sachsen dominiert – auch das sagt die Studie – aufgrund der seit 2013 pauschalisierten GTA-Förderung das additive Modell, das heißt, knapp zwei Drittel der Ganztagsschülerinnen und -schüler nutzen Ganztagsangebote nach Unterrichtsschluss.
Für ein reichliches Drittel wird Ganztagsschule in gebundener Form angeboten, das heißt, sie ist verpflichtender
Teil des Schulalltags. In diesem Kontext möchten wir Sie auch auf das Fazit der Begleitforschung der Technischen Universität Dresden zu den positiven Effekten dieser GTA-Form hinweisen, gerade im Hinblick auf künftige qualitative und Entwicklungsentscheidungen.
Gleich in welcher Form GTA stattfinden, sie beinhalten auch nach den Kriterien der Kultusministerkonferenz immer beide Aufgaben: ganztägige Betreuung und ganztägige Beschulung. Hier, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liegt für uns der Hase im Pfeffer, denn beim Blick auf die qualitative Seite wird klar, dass auch in Sachsen nicht überall GTA drin ist, wo GTA draufsteht.
Deutlich weniger GTA-Angebote werden von Lehrerinnen und Lehrern durchgeführt; Kollegin Falken hat darauf bereits verwiesen. Freizeitangebote wachsen, während es bei den Förderangeboten zunehmend schwieriger wird, geeignetes Personal zu finden. Die Einbeziehung externer Kooperationspartner – dafür haben wir im Schulgesetz zusätzliche Möglichkeiten geschaffen – wird zunehmend schwieriger. Es geht um Eignung und um Kompetenz. Wenn man die qualitative Seite sieht, dann ist manches, betrachtet man den sächsischen Markt, derzeit nicht immer möglich. Wie das letztlich mit dem Anspruch auf individuelle Förderung jedes Kindes – das ist sozusagen der Grundansatz von GTA – zu vereinbaren ist, steht auf einem anderen Blatt.
Was bei Gesprächen vor Ort immer, immer wieder zur Sprache kommt – ich war am letzten Wochenende auf der Bildungsmesse in Chemnitz –, hat aktuelle Brisanz: die teils wirklich nicht zufriedenstellende Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Hort. Besonders die größeren Horteinrichtungen – in Chemnitz haben wir Horteinrichtungen, die rund 250 Kinder betreuen – haben durch die Trennung von Ganztagsangeboten und AGs in unterschiedlichen Häusern erhebliche Probleme bei der Tagesstrukturierung. Auch das muss man bei künftigen Entscheidungen über den Zugang zu finanziellen Ressourcen für die Ganztagsarbeit wirklich in den Blick nehmen.
Wir fordern Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, auf, stärker zu kontrollieren, wie das gewünschte kooperative Miteinander in der Praxis tatsächlich aussieht. Ex-Kultusministerin Kurth hatte angekündigt, dass nach der quantitativen Seite jetzt stärker auf die qualitative Seite geschaut werde. Interne Evaluierungen sind avisiert. Wir sind gespannt darauf, wie Sie den Schulen diese neue Aufgabe sozusagen schmackhaft machen wollen angesichts der wirklich gravierenden Probleme, die wir im System haben. Aber damit, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, bin ich wieder am Anfang meines Beitrags.
Am Ende dieser ersten Rederunde folgt auf Frau Kollegin Zais, die für die Fraktion GRÜNE sprach, die fraktionslose Abgeordnete Frau Kersten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Sachsen steht bei den Ganztagsangeboten gut da; wir haben es gehört. Fast alle öffentlichen Schulen bieten Ganztagsangebote an, und ein Großteil der Schüler nimmt diese Angebote auch wahr.
In Bayern sieht es anders aus, auch das haben wir gerade gehört. Dort nehmen lediglich 16 % der Schüler Ganztagsangebote wahr. In Hamburg sind es dann schon wieder über 90 %. Aber sind die Bildungserfolge der Hamburger Schüler damit deutlich besser als die der bayerischen Schüler? Nein – das wissen wir. Bei Bildungstests schließen die Bayern eben deutlich besser ab; bei den Hamburgern sieht es recht düster aus. Das heißt, Bildungschancen erhöhen sich nicht nur deshalb, weil es Ganztagsangebote gibt.
Natürlich wünschen sich Eltern Ganztagsangebote, vor allem, damit ihre Kinder betreut sind. Das heißt: Angebote müssen Angebote bleiben. Sie müssen freiwillig sein. Auch müssen die Angebote flexibler werden und sich an den Bedarfen der Familien ausrichten.
Ganz wichtig ist es mir, in dieser Debatte auch zu sagen: Eltern wollen selbst Zeit mit ihren Kindern verbringen. Auch empfinden mittlerweile die Hälfte aller Kinder die Zeit, die sie in der Schule verbringen, als zu lang. Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands meint: Wenn sich Eltern kümmern, wird Schule damit nie konkurrieren können. Es läuft also immer auf eine gute Familienpolitik hinaus. Intakte Familien mit ausreichend Zeit füreinander –
Vielen Dank. – Damit haben wir die erste Runde hinter uns gebracht. Wir eröffnen eine weitere Runde in dieser Aktuellen Debatte. Für die einbringende CDU-Fraktion ergreift jetzt Frau Kollegin Firmenich das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegen! Ganztagsangebote in Sachsen gibt es seit 2005. Wenn wir heute darauf zurückblicken, dann können wir, denke ich, wirklich sehr zufrieden und sehr stolz darauf sein, denn das ist eine Erfolgsgeschichte.
Das Thema Lehrermangel haben im Übrigen auch alle anderen Länder, unter anderem Nordrhein-Westfalen und