Protocol of the Session on September 28, 2017

Die Justiz arbeitet auch nicht kostendeckend. Kein Gericht finanziert sich aus Geldstrafen und keine Justizvollzugsanstalt aus dem Verkauf von Nussknackern.

Es gibt natürlich noch die zweite Stellschraube. Das sind die Vergütungssätze. Das haben wir heute schon gehört. Bund und Länder können sich hier nicht länger auf Kosten der Institute einen schlanken Fuß machen. Die Anpassungen der Verfügungssätze sind unumgänglich. Wenn Leistungen durch unendlich reduzierte personelle und technische Ressourcen immer noch nicht kostendeckend erbracht werden können, dann müssen die Vergütungssätze angepasst werden. Die jetzigen Sätze reichen nicht mehr aus, um die zu erfüllenden Aufgaben zu bezahlen. Es ist dringend notwendig, dass hier etwas passiert.

Auf der Justizministerkonferenz im Frühjahr ist verabredet worden, dass es eine Marktanalyse geben soll. Meines Erachtens greift das ein bisschen zu kurz. Es ist alles ganz schön, aber ich glaube, dass wir dringend vorankommen müssen. Dazu erwarte ich eine Bundesratsinitiative aus Sachsen. Herr Gemkow, gehen Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen zu. Wie hoch die Bedarfe in den Instituten für die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben sind, ist hinlänglich bekannt.

Es gibt noch einen dritten Bereich. Die rechtsmedizinischen Institute erfüllen Aufträge von Polizei, Justiz und auch für die Jugendämter. Zum Teil erfolgt das gänzlich unvergütet, wie auch die Sachverständigen in der Anhörung ausgeführt haben. Sorgen Sie dafür, dass die Leistungen, die hier erbracht werden, durch die Leistungsnehmer erstattet werden, also auch durch das Justizministerium, das Sozialministerium und das Innenministerium. Aktuell werden die Institute und das SMWK hier im Regen stehen gelassen. Das kann nicht sein. Zahlen müssen Sie am Ende sowieso, sei es durch ein neues Finanzierungsmodell, durch die Anhebung der Vergütungssätze oder – was am wahrscheinlichsten ist – durch beides.

Wir werden zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Frau Meier sprach für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir könnten eine weitere Runde eröffnen, Kollege Bartl. – Keine Zeit mehr. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Frau Fiedler ergreift das Wort für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gern noch einmal das Wort ergreifen, weil es mir wichtig ist, bei diesem Thema deutlich zu machen, dass es hier nur eine gemeinsame Lösung zwischen dem Justiz- und dem Wissenschaftsbereich geben kann. Das ist kein Punkt, an dem sich die beiden Bereiche in irgendeiner Art und Weise auseinanderdividieren lassen, auch nicht durch Ihre Diskussion, die teilweise dramatische Züge angenommen hat.

Es ist uns schon klar, dass wir bei dem Thema Rechtsmedizin im Wesentlichen von hoheitlichen Aufgaben sprechen, bei denen die Menschen zu Recht erwarten, dass diese vollumfänglich erfüllt werden. Das passiert auch. Auf der anderen Seite wissen wir aber, dass es Handlungsbedarf gibt. Das haben meine Kollegen BaumannHasske und Modschiedler und die anderen Kollegen, die sich schon über einen längeren Zeitraum mit dem Thema Rechtsmedizin beschäftigen, was die anderen Kollegen der Koalition ebenfalls tun, bereits ausgeführt. Wahrscheinlich müssen wir perspektivisch mehr finanzielle Mittel einstellen.

Diese Aussage ist aber etwas anderes, als hier eine plakative finanzielle Forderung aufzumachen, damit die in diesem Bereich entstandene fundierte Diskussion einfach für beendet zu erklären und nicht bereit zu sein, an den grundsätzlichen Lösungen, derer dieses Thema bedarf, mitzuarbeiten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Frau Fiedler!)

Sie wissen – das haben die Kollegen bereits erläutert –, dass uns das Thema Rechtsmedizin schon längere Zeit beschäftigt und dass die Staatsregierung ein hohes Interesse daran hat, dass die Abläufe funktionieren. Deshalb wurde – das sollte an der Stelle auch gesagt werden – bereits nachgesteuert.

Sie haben selbst bereits mehrere Anfragen zu dem Thema gestellt und gesehen, dass sich das Defizit in Chemnitz und Leipzig in den letzten Jahren deutlich verringert hat.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Hierfür gilt ein besonderer Dank der Universitätsmedizin in Leipzig, die diesen Prozess intensiv begleitet hat.

Wir wissen aber auch, dass die Ressourcenoptimierungen inzwischen fast erschöpft sind. Ebenfalls ist bei uns angekommen – das zeigt die Komplexität des Themas –, dass das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz bei der ganzen Thematik ebenfalls eine Rolle spielt. Als Reaktion darauf gibt es die schon angekündigte Bundesratsinitiative. Wir werden den Justizminister dabei sehr unterstützen.

Ich habe mir die Anhörungsprotokolle vom November letzten Jahres in Vorbereitung der Rede noch einmal sehr genau angeschaut. Für mich ergeben sich daraus drei Punkte:

Zum einen ist es so, dass es finanziellen Handlungsbedarf gibt. Zweitens ist die Staatsregierung aktiv, zum einen in Richtung Bundesrat, zum anderen in Richtung Analyse der Situation und Aufschlüsselung der Zahlen, um eine fundierte Grundlage für Nachsteuerungen zu haben, die notwendig sein könnten. Ich weiß, dass die Staatsregierung dieses Thema sehr ernst nimmt. Frau Staatsministerin Stange hat sich beispielsweise vor Ort ein Bild gemacht. Sie ist engagiert dabei. Außerdem gibt es Gespräche zwischen der Justiz und dem federführenden Wissenschaftsministerium, um an fundierten Lösungen zu arbeiten.

Ich will aber auch sagen – das ist mein dritter Punkt –, dass die Funktion der Rechtsmedizin gesichert ist. Ich möchte nicht, dass das Ergebnis dieser Debatte ist, dass hier eine Handlungsunfähigkeit besteht, oder wie auch immer das nach außen getragen wird bzw. dass es so stehen bleibt. Sie wird auch in Zukunft gesichert sein. Dafür stehen wir in der Verantwortung, und darauf werden wir achten.

(Katja Meier, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Aber notwendige finanzielle Schritte – und das ist ja Ihr wesentlicher Punkt – sind erst zu gehen, wenn die Analyse abgeschlossen ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das Wissenschaftsministerium hat dies im Blick

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

und wird nach sorgfältiger Auswertung und Prüfung dies in der Haushaltsanmeldung entsprechend berücksichtigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen nochmals sprechen, Herr Bartl? – Bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank Herr Präsident! Frau Kollegin Fiedler, Herr Kollege Modschiedler, Herr Kollege Baumann-Hasske, Sie haben alle gelesen, alle erklärt, alle gehört, dass nach dem Sonntag hier ringsherum alle Parteien – mit Ausnahme dieser hier – erklärten: Wir haben verstanden. Sie haben gar nichts verstanden.

Sie wollen genau das mit dem Antrag machen, was Sie seit Jahren in der Mehrheit – und dank Ihrer Mehrheit der Arithmetik nach – immer wieder tun. Sie nehmen es mal mit, Sie prüfen und wir werden schon irgendwann etwas tun.

(Zuruf von der CDU)

Diesem Landtag ist nicht zum ersten Mal, aber spätestens 2013, durch das SMWK als Ressortverantwortlichem versprochen worden: Wir bringen jetzt Lösungen, dass die Rechtsmedizin ihre hoheitlichen Aufgaben – eine existenzielle Arbeit für die Rechtspflege und den Opferschutz – verlässlich erfüllen kann. 2013! Jetzt schreiben wir 2017, und wir haben nur Rechtsmediziner verloren.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Gestandene Rechtsmediziner, die im Ausland mit der Lupe gesucht werden und die dort das Drei- und Vierfache verdienen. Die Direktoren sagen uns: Wir haben die Not, dass das Personal noch weiter abwandert, wenn Sie noch drei oder vier Jahre nachdenken oder 2020 in trauter Übereinkunft vielleicht sagen: Das können wir doch über das JVEG machen, wir warten auf den Bund.

Zweiter Punkt: Es ist doch völlig unstrittig, Frau Kollegin Meier – da bin ich voll auf Ihrer Seite –, dass das eine Übergangslösung ist.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja!)

Das ist ganz klar. Es ist doch hirnrissig, dass der Bund noch nicht längst gehandelt hat, wenn er weiß, dass das, was er an Vergütungssätzen eingestellt hat, dem Bedarfsstand von 1993 entspricht, aber nicht mehr den jetzt entstehenden Kosten, und dass er dann nichts macht. Das ist schlimm genug für den Bundestag, für die jeweiligen Bundesregierungen.

Aber Fakt ist: Jetzt geht es darum, dass wir die Verantwortung haben, dass hier die Aufklärung von Verbrechen, von Morden, die Feststellung unnatürlicher Todesursachen und die Lebendbegutachtung funktionieren kann, zum Beispiel beim Missbrauch von Kindern oder sexuellem Missbrauch von Frauen. In einer Lebendbegutachtung von Gewaltopfern muss die Untersuchung durch den Fachmediziner, den Rechtsmediziner in den ersten drei bis vier Stunden erfolgen, damit die Tatspuren sachgerecht festgestellt sind – wie ich es für die Strafrechtsverfolgung benötige –; denn sonst ist die Nummer durch und der Verteidiger freut sich.

Wenn ein solches Delikt in Plauen passiert und ein Arzt in Leipzig sitzt, er einen Bereitschaftsplan für Leipzig und für Chemnitz hat und gerade einmal 8 bis 10 Stunden beim Gericht in einem konkreten Strafprozess eingeteilt ist, dann ist kein Rechtsmediziner rechtzeitig im Vogtland oder im Erzgebirge, wie auch immer. Dann ist bei der ganzen Sache mehr oder weniger programmiert, dass das Verfahren ausgeht wie das Hornberger Schießen.

Wenn wir das sehenden Auges noch einen Monat weiter hinnehmen, ist das verantwortungslos. Deshalb kann ich überhaupt nicht begreifen, wie man sich hier hinstellen und sagen kann: Das bereden wir mal nächstes oder übernächstes Jahr, wenn das Ding kommt. Das ist keine verantwortungsvolle Tätigkeit des Parlaments – jedenfalls bei dem Teil, der so vorgehen will.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das ist doch kein originär sächsisches Problem. Frau Kollegin Meier hat es gerade gesagt: Schleswig-Holstein hat es vor wenigen Monaten nachvollzogen. Die Rheinland-Pfälzer hatten es schon vor längerer Zeit. Die Sachsen-Anhaltiner haben es gemacht. Die Hamburger haben 1 Million Euro eingestellt. Sie stehen alle vor demselben Problem. Wir unterscheiden uns nur darin, dass sie verantwortlich handeln,

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

während hier der Weg des Aussitzens gegangen werden soll. Mir braucht niemand zu erklären – Kollege Barth, um Himmels willen! –, ob das Bundesrecht oder Landesrecht von den Zuständigkeiten her ist. Da bin ich schon viel länger im Geschäft. Das weiß ich selbst.

Das Problem ist doch, dass wir auf der einen Seite versuchen müssen – was der Herr Justizminister zweifellos verdienstvoll macht –, die JVEG-Sätze anzuheben. Das macht er und das hat er im Ausschuss vor der Frühjahrskonferenz gesagt. Er möchte gern, dass dort eine Lösung gefunden wird. Aber es ist eben keine Lösung gefunden worden.

Weil dem so ist, bitten wir Sie einfach: Das ist doch bei unserer Haushaltslage nicht der Hit. Es ist doch nicht der Hit, jetzt einmal zu sagen: Für die Zeit, bis wir eine andere Lösung entweder über die Anpassung JVEG oder über eine ordnungsgemäße Planeinstellung in den entsprechenden Haushalt im Zuge der Haushaltsdebatte 2019/2020 haben, gehen wir diesen Weg. Bis dorthin gehen wir den Weg, den wir in allen anderen Bereichen auch immer gehen. Als der Druck aus der Bevölkerung bezüglich der Handlungsfähigkeit der Polizei so groß war, ist der entsprechende Antrag auf Gewährung einer außerplanmäßigen Finanzierung für die Landespolizei gekommen.

Nun sage ich einfach: Der Druck und die Not sind bei der Rechtsmedizin keinen Deut geringer. Erklären Sie mir, warum Sie unterschiedlich handeln wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Gibt es nach Kollegen Bartl aus den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Die SPD-Fraktion; bitte.