Protocol of the Session on September 28, 2017

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Patrick Schreiber, CDU: Was denn für Änderungsanträge?)

Herr Wendt, Sie meinten aber nicht, dass Sie heute Änderungsanträge vorlegen, oder? Denn mir ist keiner bekannt.

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Zschocke. Bitte sehr, Herr Zschocke.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eltern-Kind-Zentren – das ist eine gute Sache. Das sagen wir uns heute nun schon zum dritten Mal. Die Koalition scheint daraus eine Tradition machen zu wollen. Seit 2015 sorgen Sie dafür, dass wir hier jedes Jahr einmal über dieses unstrittige Thema debattieren und beschließen dürfen. Vielen Dank!

Sie haben sich im Koalitionsvertrag vereinbart, ElternKind-Zentren in Kitas zu fördern. Ich verstehe, dass Sie stolz darauf sind, wenn Sie aus diesem Vertrag jetzt etwas umsetzen. Das haben Sie in einem Antrag bereits getan, aber auch in einer Aktuellen Stunde. Das wurde alles schon gesagt. Heute beschäftigen wir uns mit einem Berichtsantrag.

Ich sage es gleich vorneweg: Es sollte selbstverständlich sein, dass man nach der Erprobungsphase eines neuen Angebotes eine Evaluation macht, meine Damen und Herren. Deshalb heißt es ja Modellprojekt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Gegen die zu prüfenden Punkte ist überhaupt nichts einzuwenden. Ich wüsste gar nicht, was man dazu jetzt noch sagen soll. Natürlich unterstützen wir die Koalition darin, dass die bisherigen Erfahrungen der 31 Standorte einmal dargestellt und dass mögliche Handlungsoptionen ab 2019 aufgezeigt werden. Sie bekennen sich zu dem Projekt und machen Hoffnung auf eine Fortführung – ja, schön. Einverstanden!

Ich muss aber auf ein Stichwort in dem Antrag dann doch eingehen. Die Überprüfung der Förderbedingungen ist eine zentrale Frage, meine Damen und Herren von der Koalition, damit Eltern-Kind-Zentren wirklich weiterentwickelt werden können. Von den 31 Modellstandorten wird nämlich sehr viel erwartet: Die Kitas sollen in den

Sozialraum hineinwirken, mit den Kommunen zusammenarbeiten, sich untereinander austauschen und natürlich den Eltern mit ihren unterschiedlichen Anliegen eine Unterstützung sein. Aber zusätzliches Personal in den Kitas gibt es dafür nicht.

Da muss ich Ihnen ganz deutlich sagen: Eine fachliche Begleitung und die Erstattung von Sachkosten wird schlicht nicht ausreichen, um auf Dauer diese vielen zusätzlichen Anforderungen bewältigen zu können; denn die Erzieherinnen in den Kitas arbeiten bereits am Limit. Am Mittwoch vergangener Woche waren richtig viele von ihnen überall in Sachsen auf der Straße. Sie waren auch richtig laut, weil es insgesamt in den Kitas so, wie es jetzt ist, nicht weitergehen kann.

Sie können hier tolle Modellprojekte und Minimalveränderungen beim Betreuungsschlüssel so oft feiern, wie Sie wollen – beim einzelnen Kind, Frau Pfeil-Zabel, kommt von den bisherigen Veränderungen so gut wie nichts an.

Die Erzieherinnen und Erzieher fühlen sich wie die Deppen der Nation – das sage nicht nur ich hier; das stand auch auf den Transparenten –, weil alle ständig von der enormen Bedeutung frühkindlicher Bildung und von Elternarbeit reden, aber diejenigen, die es täglich machen, dabei über weite Strecken im Stich gelassen werden.

Ich habe mit vielen gesprochen, die trotz der schwierigen Rahmenbedingungen das Beste für unsere Kinder geben und dabei oft auch über ihre Belastungsgrenzen gehen. Sie brauchen dringend mehr Zeit für die pädagogische Arbeit mit den Kindern. Die Kita soll ja eine Bildungseinrichtung sein – von Eltern-Kind-Zentren, von Elternarbeit, von Familienbildung mal noch ganz abgesehen. Gute frühkindliche Bildung braucht dringend mehr Stunden und dringend mehr Personal, und zwar in allen Einrichtungen.

Bei dem Aktionstag hat der Rektor der Evangelischen Hochschule Dresden in seinem Redebeitrag noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wichtig ausreichende Vor- und Nachbereitungszeiten bei der frühkindlichen Bildung sind. Das muss endlich als Teil der pädagogischen Arbeit anerkannt und auch bei der Personalplanung endlich berücksichtigt werden. Ich sage es Ihnen wirklich deutlich: Allein mit der wiederholten Präsentation eines guten Modellprojektes werden Sie die Erzieherinnen und Erzieher noch nicht gewinnen. Sorgen Sie dafür, dass die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um einen Bildungsplan mit jedem einzelnen Kind umzusetzen, endlich geschaffen werden! Es geht eben nicht nur darum, Kindergruppen zu beaufsichtigen. Dafür haben die Erzieherinnen und Erzieher nicht fünf Jahre Ausbildung auf sich genommen.

Das heißt, wir stimmen dem Antrag zu, sagen aber auch ganz klar: Es bringt uns nicht voran, wenn die Koalition dieses wichtige, aber vergleichsweise überschaubare Projekt erneut zum politischen Schaulaufen benutzt. Fangen Sie an, an den wirklich drängenden Problemen in den Kitas zu arbeiten! Hier geht es um eine ganz, ganz

entscheidende Zukunftsfrage für unsere Gesellschaft insgesamt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Alle Fraktionen haben gesprochen. Es gibt weiteren Redebedarf. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Schreiber. Bitte sehr, Herr Schreiber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte ursprünglich gedacht, dass es nicht nötig sein würde, hierzu in eine zweite Runde zu gehen. Aber die Debatte hat eindeutig gezeigt, dass man ein paar Dinge richtigstellen bzw. näher darlegen muss, warum es diesen Antrag gibt.

Frau Junge – Herrn Zschocke will ich an dieser Stelle gar keinen Vorwurf machen, weil die GRÜNEN kein Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss haben und damit auch nicht in den entsprechenden Unterausschüssen vertreten sind –, Sie müssten aus Ihrer Arbeit im Unterausschuss 2 – Kita – des Landesjugendhilfeausschusses, dessen Mitglied Sie sind, eigentlich wissen, dass wir dort insbesondere zu dem Thema Eltern-Kind-Zentren sehr intensiv diskutiert haben und dass zu diesem Modellprojekt kein Abschlussbericht vorgesehen ist.

Und weil es nicht vorgesehen ist, dass das FelsenwegInstitut, was im Übrigen dieses Projekt wissenschaftlich begleitet, uns einen Abschlussbericht vorlegt, müssen wir parlamentarisch darauf hinwirken, dass es diesen Abschlussbericht geben wird, weil wir ihn brauchen. Das ist von meinen Kollegen Juliane Pfeil-Zabel und Holger Gasse deutlich gesagt worden. Wir wollen im April 2018 genau schauen, was notwendig ist, um im Haushalt 2019/20 reagieren zu können. Wenn Sie keinen Abschlussbericht haben, so ist zumindest die Planung, und weil finanzielle Mittel fehlen, dann haben Sie ein Problem. Dieses Problem wollen wir lösen, indem wir die Staatsregierung auffordern, dem Felsenweg-Institut ins Stammbuch zu schreiben, dass wir am 30. April mit den von uns aufgeführten Punkten einen Vorabschlussbericht – denn das Projekt ist noch nicht zu Ende – haben möchten. Das ist der Sinn des Antrags. Ich hätte Ihnen das gern erklärt, wenn Sie nachgefragt hätten.

Es ist also nicht gottgegeben, dass jedes Modellprojekt einen Abschlussbericht hat. Ich sage Ihnen aus vielen Jahren im Jugendhilfebereich, insbesondere Kita-Bereich, dass nicht jedes Modellprojekt so ausgegangen ist, dass man es überall flächendeckend umsetzen will, und nicht jedes Modellprojekt hatte einen qualitativ hochwertigen Abschlussbericht. Und, Frau Junge, es geht nicht um das Vortäuschen von irgendwelchen Bewegungen. Wenn es darum geht, könnten wir bald über Ihren Gesetzentwurf zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertageseinrichtungen sprechen, der in seiner Endfertigung 775 Millionen Euro pro Jahr mehr kosten würde. Dann können wir über Vortäuschen von Bewegung sprechen,

weil Sie genau wissen, dass Sie es nicht finanzieren müssen, weil Sie in der Opposition sind und nicht umsetzen müssen, was Sie fordern. Sie werden dafür auch nicht zur Rechenschaft gezogen. Deswegen ist es absoluter Blödsinn, sich hier hinzustellen und von Vortäuschen zu reden.

Ich sage Ihnen deutlich aus der Diskussion der letzten Woche heraus: Die Verbesserung des Betreuungsschlüssels, die die Koalition im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart hatte, nämlich von 1 : 13 auf 1 : 12 im Kindergarten und von 1 : 6 auf 1 : 5 in der Kinderkrippe, kann man einen kleinen Schritt oder nichts oder Vortäuschen nennen. Jedenfalls kostet dieses Nichts, dieses Vortäuschen, dieser kleine Schritt 120 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich. Das ist Geld, das wir gern für die Kitas ausgeben und das auch notwendig ist. Aber sich hier immer hinzustellen und zu sagen, es würde nichts passieren, es gäbe nur ein Mü oder es ist ein Vortäuschen von Bewegung, ich meine, dass wir viel zu wenig deutlich machen, was in diesem Land passiert, das ist ein Grund dafür, warum letzten Sonntag Wähler so gewählt haben, wie sie gewählt haben. Es ist Aufgabe einer Regierung, nicht nur Kritik einzustecken, sondern auch deutlich zu sagen, was sie tut und was notwendig ist.

Vielleicht geben Sie zu Ihrem Zitat aus dem Jugendhilfeausschuss noch die Quelle preis, was Sie da eigentlich zitiert haben. Ich bin Vorsitzender des Landesjugendhilfeausschusses. Ich unterschreibe jede Stellungnahme und lese die im Übrigen auch. Deswegen interessiert mich, in welchem Zusammenhang Ihr Zitat steht. Explizit zum Modellprojekt EKiZ kann ich mir das nur bedingt vorstellen, zumal wir die Frage der zusätzlichen Ressourcen sehr ausführlich diskutiert haben. Frau Junge, Sie waren die Einzige, der es im Unterausschuss in der Diskussion lediglich darum ging, wie wir das alles mit zusätzlichen Ressourcen machen könnten.

Genau das ist nicht der Ansatz des Modellprojekts ElternKind-Zentren. Dort geht es nicht zuerst um Ressourcen, sondern darum, unter welchen künftigen Rahmenbedingungen die qualitativ gute Arbeit, die dort von den Erzieherinnen und Erziehern gemacht wird, stattfinden kann, um Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren weiterzuentwickeln. Was braucht es, damit Kindertageseinrichtungen noch stärker in den Sozialraum hinein verortet werden können? Da geht es darum, was nötig ist, dass das Thema integrierte Sozialplanung auf den Weg gebracht werden kann. Es geht nicht darum, zu sagen, was der Erzieher alles nicht kann, sondern darum, wie wir den Erzieher in die Lage versetzen können, die Ziele zu erfüllen, die im Rahmen der Fortentwicklung zum ElternKind-Zentrum vonnöten sind. Und Sie kommen und reden immer erst über Ressourcen.

Damit komme ich zu den Dingen, die Herr Zschocke angesprochen hat. Herr Zschocke, ein großer Trugschluss besteht darin, und das ist auch in den Darstellungen des Felsenweg-Instituts im Unterausschuss deutlich geworden und ich bin froh, dass das Felsenweg-Institut dort noch

einmal nachgearbeitet hat, das wurde im Übrigen auch von den Fachleuten im Unterausschuss stark kritisiert: Wir können uns nicht hinstellen und sagen, dass alles, was heute schon normal für eine Kita ist, wie die Elternarbeit grundsätzlich oder das Zusammenwirken mit einer Kommune – eine Kita ist Bestandteil einer Kommune –, nur mit zusätzlichen Ressourcen funktioniert. Dann muss man sich fragen, wohin sich diese Schraube dreht. Es ist völlig normal, dass eine Kita in irgendeiner Art und Weise eine Rolle in der Kommune spielt, und wenn es spätestens über den Jugendhilfeausschuss der Landkreise und kreisefreien Städte ist, wo das Thema Kita und Kita-Entwicklung eine Rolle spielt.

(Volkmar Zschocke, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Sie haben es persönlich angesprochen, die Elternarbeit muss in den Sozialraum hineinwirken, die Kita muss mit den Kommunen zusammenarbeiten, und dann haben Sie gesagt, bei den Eltern kommt nichts an, aber das war auf die Veränderung des Personalschlüssels bezogen.

Herr Schreiber, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Schreiber, ist Ihnen bewusst, dass ich die Anforderungen an Eltern-KindZentren aus Ihrem Modellprojekt zitiert habe?

Dessen bin ich mir bewusst. Richtig. Aber nichtsdestotrotz ist es doch heute schon so, dass die Erzieher in den Kindertageseinrichtungen Elternarbeit verrichten. Eine Kindertageseinrichtung ist schon heute in dem Sozialraum vorhanden und arbeitet mit ihm und den kommunalen Verantwortungsträgern zusammen. Bei manchen klappt das schon gut und bei manchen fragt man sich, geht es nicht ein bisschen besser. Uns geht es darum, dass der Unterschied zwischen der normalen Kita und der Fortentwicklung zum Eltern-Kind-Zentrum, so wie dieses Modellprojekt gestrickt ist, herausgearbeitet wird. Das ist für uns das Entscheidende. Dass es dafür gar nichts gibt, ist nicht richtig. Wenn man die Begleitkosten für das Felsenweg-Institut abzieht, sind es 16 000 Euro pro Kita und Jahr, die dort zusätzlich hineingegeben werden. Es gab auch nie den Ansatz, dass es dafür eine extra Personalstelle gibt. Zu sagen, hier will sich nur jemand schmücken, ist einfach falsch.

Frau Junge, ich würde Sie bitten, noch einmal in den Jugendhilfeplan hineinzuschauen, ein Eltern-Kind

Zentrum ist kein Familienzentrum. Ein Familienzentrum ist etwas völlig anderes, nämlich nach SGB VIII eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere für junge Eltern mit Kindern. Ein Eltern-Kind-Zentrum ist eine Kindertageseinrichtung, die zwar auch im SGB VIII verortet ist, aber mit einem Familienzentrum nach der Jugendhilfe rein gar nichts zu tun hat. Wir würden uns freuen, wenn künftig ein Familienzentrum im Sozialraum viel stärker mit einer Kita kooperiert und das Miteinander

funktioniert. Kollegin Pfeil-Zabel hat die Versäulung angesprochen, die ein Bestandteil unseres Antrages ist, wo dargestellt wird, an welcher Stelle die verschiedenen Systeme leider nicht so ineinander greifen, wie wir das gerne hätten. Das ist genau der Ansatz.

Ein letzter Gedanke. Es war fast klar, dass das Thema Personal, Betreuungsschlüssel sowie Vor- und Nachbereitungszeiten angeführt wird. Natürlich, wir haben da Baustellen, das ist überhaupt keine Frage und das bestreitet niemand, aber es funktioniert nicht so, dass ich mit einem großen bunten Blumenstrauß durch die Welt ziehe und alles Mögliche fordere.

Frau Junge, ich sage das deshalb, weil Sie in der nächsten Schulausschusssitzung einen Antrag zur Einführung von Vor- und Nachbereitungszeiten in Kindertageseinrichtungen stellen. Ich habe diesen Antrag noch nicht durchgelesen, sondern heute die Einladung für die Ausschusssitzung unterschrieben. Ich gehe davon aus, dass Sie sich auch schon zu den Kosten geäußert haben.

Irgendwann in der letzten oder vorletzten Woche hatte ich einen Gesetzentwurf von Ihnen auf dem Schreibtisch – zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels; ich habe daraus schon zitiert. In der Endumsetzung würde das 775 Millionen Euro kosten.

(Zuruf der Abg. Marion Junge, DIE LINKE)

Natürlich kommen Sie und stellen einen bunten Strauß hin. Sie diskutieren die einzelnen Punkte aber überhaupt nicht auf ihre Wirksamkeit hin.

Ich finde es sehr spannend, dass beim Thema Betreuungsschlüssel auf der einen Seite die Kita-Leiter, die am Computer sitzen und Personalplanung betreiben, sagen: Natürlich merken wir jetzt etwas von dem veränderten Betreuungsschlüssel von 1 : 12 bzw. in der Krippe derzeit 1 : 5,5 und nächstes Jahr 1 : 5. Wenn Sie aber mit den Erziehern reden – jetzt kommt der Kollege Zschocke wieder ins Spiel –, sagen diese: Ihr habt da irgendetwas gemacht, aber bei uns kommt nichts an.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Welche Kita-Leitung hat das denn gesagt?)

Das kann ich Ihnen sagen.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Ja, bitte!)

Der Chef der Graswurzelinitiative „Die bessere Kita“, Herr Kluge – und zwar gestern, eine Etage höher, bei einem Gespräch im „Chiaveri“, gegen 12 Uhr am Mittag.