Protocol of the Session on September 27, 2017

Wir haben seit 2002 auch 2006, 2010 und 2013 nicht nur große Hochwässer mit zum Teil großen Grundhochwässerphasen in der Lausitz gehabt, wir hatten zum Beispiel auch solche Dinge wie Kyrill im Erzgebirge, einen Tornado in Großenhain. Niemand konnte vorhersehen, wo genau dieser Tornado eintrifft und ob sich derjenige hätte davor schützen können, der eine Elementarschadenpflichtversicherung gehabt hätte oder nicht. Es tut mir leid, im Moment kann niemand vorhersagen, wo so ein Naturereignis eintritt.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir wissen, dass es in Sachsen viele tausend Menschen gibt, die immer noch ohne Versicherungsschutz für Elementarschäden sind. Herr Fischer hat die Zahl genannt. Es gibt sicher eine große Anzahl von Menschen, die sich diese Versicherung einfach nicht leisten können, insbesondere diejenigen, die Gebäude nach dem ZÜRSModell in der Gefahrenklasse IV haben, zum Beispiel im Überschwemmungsgebiet. Diese Menschen haben nichts

davon, wenn 90 % der Fälle für unter 100 Euro pro Jahr versicherbar sind, sie gehören im Zweifelsfall zu den restlichen 10 %. Und deren Policen sind teuer und können nicht durch eine solidarische Elementarschadenpflichtversicherung, sondern durch eine Quersubventionierung – so würde ich es nennen – aus flächendeckender Einzahlung aller Grundstücksbesitzer in ein System bezahlbar gestaltet werden. So etwas gab es in der DDR und so etwas gibt es in der Schweiz. Offensichtlich gibt es dort rechtliche Rahmenbedingungen, dass es möglich ist. Da brauchen wir ja nur ins Nachbarland zu schauen.

Wir mussten in den letzten Jahren immer wieder feststellen, dass der Staat zumeist für die Schadensbehebung nach Extremwetterereignissen aufkommen musste. Die Versicherungsnehmer waren hocherfreut darüber, dass sie aus der Verantwortung raus waren. Wir alle wissen, dass Versicherungen am liebsten Steine unter Wasser gegen Feuer versichern, aber mit der Rosinenpickerei muss es meines Erachtens ein Ende haben. Damit sind wir bei der Eigenvorsorge der Bürgerinnen und Bürger unter Androhung, dass es beim nächsten Unglück keine so elegante steuerfinanzierte Schadensbehebung geben wird. Eigenvorsorge ist wichtig, kann aber angesichts des Klimawandels und der zunehmenden Extremereignisse nicht länger die Unterstützung durch die Versicherungswirtschaft ersetzen.

Wir als Opposition werden nicht müde, die Regierung aufzufordern, endlich mehr für den Klimaschutz zu tun, denn der Zusammenhang zwischen den Extremwettern ist doch längst wissenschaftlich bewiesen. Wir müssen zwischen der Symptombekämpfung Pflichtversicherung und der Ursachenbekämpfung Treibhauseffekt/Emissionsminderung einen Zusammenhang herstellen. Auch hier hat Sachsen noch einige Hausaufgaben zu erledigen.

Und noch etwas zur Aufgabenbeschreibung des Staates. Der Hochwasserschutz bleibt wegen des flächen- und länderübergreifenden Charakters eine staatliche Aufgabe. Dies gilt auch, wenn jede Person, die von Hochwasser betroffen sein kann, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verpflichtet ist, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Dies könnte eine entsprechende Elementarschadenpflichtversicherung sein. Diese muss aber auch andere Schadensfälle, zum Beispiel das Grundhochwasser und aufsteigendes Grundwasser, einschließen.

So viel zur Aufgabenverteilung. Ich fasse noch einmal zusammen. Die Versicherungswirtschaft muss die Rosinenpickerei beenden, und das muss auch klar so benannt werden. Der Staat muss weiter Druck aufbauen, um endlich zu einer gemeinsame Lösung zu kommen. Vor dem Hintergrund zunehmender Extremereignisse brauchen wir möglichst schnell eine flächendeckende Elementarschadenpflichtversicherung ohne viel Kleingedrucktes. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen erwarten, dass für Probleme wie Klimaschutz und Hochwasserschutz Versicherungslösungen durch den Staat geliefert werden; sie sind damit aber freilich nicht von eigener Initiative freigestellt. Wir als Opposition dürfen von der Regierung

erwarten, dass sie uns umfassend informiert. Ansonsten werden wir weiter nerven.

Unsere Position ist klar. Wir hatten im September 2013 im Hohen Hause eine bundesweite Elementarschadenpflichtversicherung gefordert. Herr Fischer, ich kann mich leider nicht daran erinnern, dass Ihre Fraktion diesem Antrag zugestimmt hätte. Es gab eine gute Anhörung. Wir haben wichtige Erkenntnisse erlangt. Im November 2013 wurde durch die Justizministerkonferenz beschlossen, weiterführende Prüfungen unter Einbeziehung der Versicherungswirtschaft vorzunehmen. Vergleichbares ist allerdings seitdem wohl nicht geschehen oder zumindest hat uns die Staatskanzlei darüber nicht informiert. Debatten wie diese wären verzichtbar, wenn uns die zuständigen Stellen in den jeweiligen Landtagsausschüssen informieren würden. Den Vorwurf, dass wir durch unser erneutes Vorpreschen das zarte Pflänzchen Elementarschadenpflichtversicherung eher gefährden denn befördern würden, weise ich zurück. Es ist Aufgabe der Opposition, die Regierung auf Dinge hinzuweisen, die zu langsam gehen. Und so liegt der Fall hier.

Zum Ende noch ein schönes Beispiel. Manche Versicherungen erkennen nämlich die Zeichen der Zeit. Die Swiss Re oder Schweizer Rück ist das weltweit zweitgrößte Rückversicherungsunternehmen. Dieser Rückversicherer hat vor zwei Monaten angekündigt, künftig seine gesamten Kapitalanlagen streng an ökologischen und sozialgesellschaftlichen Gesichtspunkten sowie an der Art der Unternehmensführung auszurichten. Sie werden fragen, was das mit unserer Debatte zu tun hat. Die Schweizer Rück lenkt Geld ausdrücklich in weniger klimaschädliche Bereiche, weil weniger Klimawandel geringere Kosten für die Versicherungswirtschaft bedeutet.

Es gibt viel zu tun. Wir wissen, dass gerade eine große Anzahl von Versicherungsunternehmen, aber auch die Bundeszentrale für Verbraucherschutz sich querstellen und, Herr Tillich, auch im Umfeld der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten nur wenige Unterstützer findet. Wir können Ihnen einen Handlungsauftrag aus dem Sächsischen Landtag mitgeben. Stimmen Sie daher unserem Antrag zu und stärken Sie Ihrem Regierungschef den Rücken.

(Beifall bei den LINKEN)

Die einbringende Fraktion DIE LINKE eröffnete eine zweite Runde. Ich sehe, das greift über. Herr Fischer, Sie wünschen das Wort für die CDU-Fraktion. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ganz kurz noch einmal zur Klarstellung. Was macht die Schweiz? Das ist noch nicht erklärt worden. Die Schweiz hat die sogenannte Privatassekuranz, die auf doppelter Solidarität fußt. Das hat Frau Dr. Pinka leider nicht erwähnt. Es geht nicht darum, nicht einseitig die Versicherungsindustrie zu Rate zu ziehen, sondern es gibt eine doppelte Solidarität. Versicherte und Versicherer haben Zugeständnisse zu machen.

In der Schweiz funktioniert das. Dort ist es nämlich so, dass der Risikoausgleich umgesetzt worden ist. Von jedem Elementarschadensfall werden 80 % der Kosten in den Pool gegeben, und jede Gesellschaft, die in der Schweiz aktiv ist – also auf dem Gesamtgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft –, erhält anschließend einen Teil belastet, der dem Hauptanteil zum jeweiligen Stichtag entspricht. Also findet ein Schadensausgleich statt. Die Solidarität der Versicherer führt dazu, dass man die Schadenslast ausgeglichen abfinanzieren kann. Das heißt, die Belastung liegt nicht einseitig auf der Versicherungswirtschaft, sondern es ist dort ein gemeinsames Spiel.

Nichts anderes habe ich gesagt. Trotzdem kann man auch feststellen – und das bewundere ich an der Schweiz –: Zwölf Monate nach Eintritt eines Schadensereignisses waren 80 bis 90 % der Schadensersatzzahlungen erledigt. Wir sind dieses Mal – 2013 – auch relativ fix gewesen. Wir kommen da also auch heran, trotzdem gibt es natürlich Verbesserungsbedarf.

Die grundsätzlichen Fragen, die ich damit aber verbunden habe, haben Sie leider nicht beantwortet. Mir geht es dabei um die Verfassung: Die Schweiz hat eine völlig andere Verfassung als wir.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Die zweite Frage ist: Ist es ein Eingriff in die Eigentumsrechte? Vor allem: Wer ersetzt was und wer kontrolliert wann wen wo wie? Das alles ist von Ihnen nicht dargelegt worden.

Was ich als bekennender Konservativer hier ganz zum Schluss noch einmal sagen muss:

(André Barth, AfD: Das sind Sie schon lange nicht mehr!)

Es gibt einen guten Spruch, der da lautet: Eigentum verpflichtet! Das dürfen wir bei der ganzen Geschichte bitte auch nicht vergessen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das war Kollege Fischer für die CDU-Fraktion. – Jetzt wird von Frau Dr. Pinka eine Kurzintervention vorgetragen.

Das hat mich jetzt doch wieder motiviert, ans Mikrofon zu treten, denn Sie, Herr Fischer, haben sich offensichtlich nicht gut auf diese Debatte vorbereitet. Ich hatte es vorhin gesagt: Wir hatten im Umweltausschuss des Sächsischen Landtags eine Anhörung und dort wurden genau diese Probleme der Rechtssicherheit debattiert. Genau deshalb haben sich die Justizminister im November 2013 zusammengesetzt und offensichtlich auch Wege gefunden, um eine Rechtssicherheit zu erlangen. Es wäre doch einmal spannend zu wissen, warum das auf dem Weg von 2013 bis heute nicht weiter verfolgt worden ist. Wir können ja gern Herrn

Gemkow ans Mikrofon bitten, ob er uns dazu vielleicht weitere Auskünfte geben kann, denn er war ja wahrscheinlich immer Teil dieser Diskussion.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Er kommt ja nicht zu Wort!)

Jetzt besteht die Gelegenheit, auf diese Kurzintervention zu reagieren. Herr Kollege Fischer? – Nein. Dann kommen wir zur zweiten Runde. Es spricht Herr Staatsminister Sebastian Gemkow. Er wird uns jetzt die Stellungnahme der Staatsregierung vortragen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir alle haben noch die Hochwasserereignisse 2002, 2010 und 2013 im Kopf. Auch die Bilder der Starkregenereignisse im vergangenen Jahr, insbesondere in Baden-Württemberg, haben sich uns eingeprägt. Solche Ereignisse führen uns immer wieder vor Augen, wie stark die Natur ist und dass sie letztendlich nicht endgültig beherrschbar ist.

Der Freistaat Sachsen hat in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang in den Hochwasserschutz investiert. Trotzdem wird eine absolute Sicherheit vor Gefahren und Schäden, die durch Hochwasser entstehen, nie möglich sein. Die Staatsregierung betont deshalb immer wieder, wie wichtig auf der einen Seite die Eigenvorsorge ist, strebt aber außerdem eine flächendeckende Versicherung von privaten Haus- und Wohnungseigentümern gegen Elementarschäden an. Wir haben in dem zwischen CDU und SPD für diese Legislaturperiode geschlossenen Koalitionsvertrag deshalb ausdrücklich vereinbart, dass wir uns gegenüber der Versicherungswirtschaft und gegenüber dem Bund dafür einsetzen, dass jeder Bürger eine bezahlbare Elementarschadenversicherung erhalten kann. Dieses Ziel, meine sehr geehrten Damen und Herren, verfolgt die Staatsregierung mit Nachdruck.

Zuletzt hat sich die Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 1. Juni 2017 in Berlin sehr intensiv – auch auf Initiative Sachsens – mit diesem Thema zum zweiten Mal innerhalb dieser Legislaturperiode beschäftigt. Wir sehen aber auch, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass wirklich allen Bürgern ein bezahlbarer Versicherungsschutz zur Verfügung steht. Auch wenn Sachsen im Bundesvergleich bei der Versicherungsquote gut dasteht, bleibt die Quote klar hinter den Wunschvorstellungen zurück. Deshalb setzen wir uns für die Einführung einer Pflichtversicherung ein.

Die Staatsregierung kann es sich trotzdem aber nicht so leicht machen, wie es hier im Antrag gefordert wird. Denn zunächst ist die Einführung einer Pflichtversicherung mit einem weitgehenden Eingriff nicht nur in die Grundrechte der Versicherungsunternehmen, sondern vor allem in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger verbunden. Denn in unserem freien Land kann jeder zunächst einmal selbst entscheiden, ob und wogegen er sich versichern

will. Außerdem ist das Risiko – das ist genau die Diskussion, die hier schon in den letzten Minuten geführt worden ist –, von einem Elementarschadensereignis betroffen zu werden, extrem ungleich verteilt. Unser Grundgesetz verbietet hier in Sachsen wie auch anderswo, alles über einen Leisten zu schlagen.

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist deshalb mit hohen verfassungsrechtlichen Hürden verbunden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, sehr gern.

Herr Justizminister, ich möchte gern von Ihnen wissen, ob Sie vor dem Hintergrund des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe „Pflichtversicherungen für Elementarschäden“ die öffentlich geäußerte Auffassung des Ministerpräsidenten teilen, dass die geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht nachvollziehbar seien?

Unter den jetzt vorliegenden Voraussetzungen und bei der aktuell vorliegenden Marktanalyse schlagen diese verfassungsrechtlichen Bedenken durch. Deswegen – das ist ein Punkt, den ich noch ansprechen möchte – ist es notwendig, dass wir eine aktuelle Marktanalyse durchführen, die möglicherweise ein anderes Vorgehen rechtfertigt. Unter den jetzt gegebenen Voraussetzungen ist diese Aussage absolut richtig.

Diese Bedenken gegen die Pflichtversicherung sind letztlich auch das Ergebnis der schon im Jahr 2003 eingesetzten Arbeitsgruppe und letztlich auch das Ergebnis einer nach den Hochwasserereignissen 2013 erneut durch die Justizminister der Länder eingesetzten Arbeitsgruppe, an der sich auch das Sächsische Staatsministerium der Justiz beteiligt hat.

In ihrem Abschlussbericht aus dem Jahr 2015 sowie in einem ergänzenden Abschlussbericht von diesem Jahr ist herausgearbeitet worden, dass auf der Grundlage der momentan vorliegenden Daten für eine Einführung, auch unter Berücksichtigung der Gefährdung durch Starkregenereignisse, ohne Veränderungen des verfassungsrechtlichen Rahmens, derzeit keine Rechtfertigung vorliegt. Letztendlich reichen die Daten, die uns über den Versicherungsmarkt vorliegen, nicht aus, um das unter der jetzigen Rechtslage zu rechtfertigen. Das ist aber kein Zustand, den wir akzeptieren; das will ich auch dazu sagen. Denn eine unabhängige Analyse der Entwicklung des Marktes für Versicherungen gegen Elementarschäden ist gerade vor diesem Hintergrund notwendig, um diese verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Einführung einer Pflichtversicherung darlegen zu können. Deshalb

wird die Staatsregierung dieses Ziel hartnäckig weiterverfolgen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Sehr gern.

Herr Staatsminister Gemkow, was hat die Justizministerkonferenz seit 2003 bis heute versucht, um das Datenmaterial oder den Marktanteil, das ZÜRS-Modell usw., zu vervollständigen und fortzuschreiben?

Ich kann nur feststellen und festhalten, dass es offensichtlich bis zum heutigen Tag keine ausreichende Marktanalyse gibt. Wenn wir uns zuletzt darauf verständigt haben, dass wir hier den Druck erhöhen wollen und genau diese Daten auch einfordern werden – nicht nur von der Versicherungswirtschaft, sondern letztlich auch vom Bund, damit dieser das mit vorantreibt –, dann ist das letzten Endes ein Ergebnis, das in jedem Falle im Sinne unseres Anliegens hilfreich ist. Ich kann aber letztlich nur feststellen, dass diese Daten momentan nicht vorliegen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Haben Sie sich vielleicht in der Justizministerkonferenz oder auch in der Ministerpräsidentenkonferenz ein Zeitziel gesetzt, wann diese Marktanalyse erstellt werden und wann sie abgeschlossen werden soll?

Momentan ist mir nicht bekannt, innerhalb welchen Zeitrahmens das vorliegen wird, aber selbstverständlich werden wir den Druck aufrechterhalten, dass diese Zahlen alsbald vorliegen.