40 Neonazis in den Sächsischen Landtag, während Gegendemonstranten mit Schlagstöcken und Pfefferspray bearbeitet wurden.
Die Angst vor Imageschäden war so groß, dass man in Städten und Gemeinden lieber schwieg, wenn braune Kameraden ihr Unwesen trieben. Auch deswegen konnten sich die „Skinheads Sächsische Schweiz“ entwickeln, konnte „Sturm 34“ im Raum Mittweida sein Unwesen treiben, bevor ihm – nach jahrelangen Debatten und Straftaten – das Handwerk gelegt worden ist. Oder denken wir an Limbach-Oberfrohna, wo Menschen, die auf das Problem des Wegschauens, des Nichtstuns gegen Menschenfeindlichkeit und auf die rechte Gewalt verwiesen, stigmatisiert wurden. Immer waren es CDUFunktionäre, CDU-Mandatsträger, die die Verantwortung dafür trugen. Streicheleinheiten nach rechts, Schläge nach links – das ist Ihre Politik als CDU seit vielen Jahren.
Herr Ulbig, am Tag eines bürgerschaftlich organisierten Kulturgroßereignisses im Namen der Weltoffenheit vor der Dresdner Frauenkirche treffen Sie sich also mit den Oberstrategen für Volksverhetzung an der Spitze von Pegida.
Sie empfahlen sich Pegida bereits zuvor mit einer Polizeisondereinheit gegen kriminelle Asylbewerber, auch wenn sich der Dresdner Polizeipräsident ob dieses Unfugs öffentlich an den Kopf griff. Aber es ging und geht Ihnen nicht um Statistik, auch nicht um Fakten, sondern es geht Ihnen um das parteipolitische Abernten diffuser Ängste.
Sie und Frau Oertel von Pegida passen wirklich perfekt zusammen. Bei der psychologischen Kriegsführung zum Thema „Innere Sicherheit“ passt kein Blatt Papier zwischen Sie. Da kann noch nicht einmal die AfD mit Frau Petry Schritt halten.
Herr Ulbig, Sie verstehen Pegida. Das haben Sie uns gerade wieder erklärt. Aber Sie verstehen nicht die Flüchtlinge, die sich abends nicht mehr aus dem Haus trauen. Sie machen PR für Pegida gleich mit und erklären im Zuge des totalen Versammlungsverbots auch alle Gegenveranstaltungen zu bedrohten Zonen – als könnte sich der Oberrassist Lutz Bachmann plötzlich mitten in einer Veranstaltung von „Dresden nazifrei!“ befinden. Wie absurd!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun will also die sächsische Staats- und Regierungspartei CDU mit Kritikern plötzlich einen Dialog führen. Aber es waren doch Sie, die eine politische Kultur des Anhörens der Argumente des Anderen in Sachsen konsequent erstickt haben.
Da wurden hier im Landtag und draußen, vor demonstrierenden Lehrern, Polizisten, Eltern und Schülern, Millioneneinsparungen im Landeshaushalt als alternativlos dargestellt.
Da wurden Gelder in der Jugendhilfe gestrichen. Da wurde eine Polizeireform durchgeführt, die eine Stellenstreichorgie ist. Da wird die Lehrerschaft auf Verschleiß gefahren. Und immer war das „alternativlos“? Am Ende des Haushaltsjahres freuten Sie sich über Millionenüberschüsse.
Keine Kommunikation, aber umso mehr Schikane über viele Jahre hinweg auch beim Thema Asyl: Massenunterkünfte, Residenzpflicht, Wertmarken statt Selbstversorgung. Das war die Linie der CDU. Erst vor wenigen Wochen wurde im letzten Landkreis die Versorgung der Asylsuchenden mit Wertmarken abgeschafft. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele private Betreiber von Flüchtlingsunterkünften wie in Sachsen, nicht einmal in Bayern.
Jetzt gibt es einen Asylgipfel. Vor wenigen Tagen wurde den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern rechtzeitige Kommunikation versprochen. Aber erst am vergangenen Freitag – ich wiederhole: am vergangenen Freitag – wurde genau das Gegenteil gemacht: In die Stadt Böhlen wurden 68 Flüchtlinge gebracht. Die Information erreichte das Rathaus 24 Stunden vorher. Herr Innenminister, vielleicht sollten Sie tatsächlich einmal Ihren Job machen statt abstruse Gespräche zu führen.
Erinnern wir uns an Schneeberg! Ein Jahr ist das her. Es gab allgemeine Überraschung, wie ein NPD-Gemeinderat
plötzlich 3 000 Bürgerinnen und Bürger hinter sich versammeln konnte. Die was gemacht haben? Die gerufen haben: „Wir sind das Volk!“ Die Verantwortlichen vor Ort fühlten sich überfordert und alleingelassen. Dann gab es Dialogangebote. Schnell wurden Politiker hingeschickt; sie sollten den Menschen erklären, was mit den Flüchtlingen passiert. Als Moderater wurde Frank Richter geholt. Es gab Gegenproteste, jede Menge Polizei, jede Menge frustrierter Lokalpolitiker und eine gespaltene Stadt. Dann folgten die Versprechungen der Politik und der Verwaltung, zum Beispiel zu der Frage, wie viele Flüchtlinge denn in die Außenstelle des Aufnahmelagers kommen. Heute ist diese Zahl längst um einige Hundert überschritten.
Woran erinnern mich diese Vorgänge aus dem Herbst und Winter 2013/2014? Wir wundern uns über die Demonstrationen von Pegida hier in Sachsen. Sind wir als verantwortliche Politiker wirklich so vergesslich?
Ich mag ja die Sachsen. Als gebürtiger Erzgebirgler bin ich mit diesem Land und diesen Menschen gewissermaßen befreundet.
Deshalb will ich jetzt – diesmal nicht an die Staatsregierung, sondern an uns, an die sogenannte einheimische Bevölkerung – ein offenes Wort richten: Wenn sachsenweit viele Tausend Menschen auf Einladung oder in Begleitung von Rassisten und Nazis durch die Straßen ziehen, weil Flüchtlinge in ihrer Nähe untergebracht sind, werden oder vielleicht sein werden – ob in Dresden, Bautzen, Hoyerswerda, Bad Schandau, Schneeberg oder anderswo –, dann beweist das nicht, dass das alles Rassisten oder Nazis sind. Aber es beweist auf sehr dramatische Art und Weise: Diese Bevölkerung fühlt sich nicht wohl, sondern ständig bedroht. Diese Bevölkerung hat Angst und kann nicht ihre Arme öffnen. Diese Bevölkerung empfindet sich selbst als entwurzelt, wie Fremde im eigenen Land – übrigens ohne einen einzigen Fremden in der eigenen Stadt.
Daran ist auch die nicht wirklich vollzogene deutsche Einheit schuld. Denn Menschen, die sich als Menschen zweiter Klasse fühlen, fangen an, das zu tun, war wir aus der Geschichte kennen: Sie grenzen sich von noch Schwächeren ab. Angst vor dem sozialen Abstieg oder gar Absturz kann leider auch irrationale Reaktionen hervorrufen. Das kann und darf nie eine Rechtfertigung oder gar Entschuldigung für fragwürdiges oder sogar inhumanes Handeln sein.
Aber ich erwarte auch von Ihnen, dem Spitzenpersonal der in Sachsen dauerregierenden CDU, dass Sie verstehen: All das hat etwas mit Ihrer Politik zu tun, mit Niedriglöhnen, prekären Beschäftigungsverhältnissen und massenhafter Armut von Alleinerziehenden. Dafür sind diejenigen verantwortlich, die sich doch sonst so gern mit ihrer Regierungsverantwortung brüsten, aber plötzlich so
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat auch etwas mit den Werten zu tun, die in diesem Land in einem erbärmlichen Zustand sind. Dieses Land wird seit fast einem Vierteljahrhundert von einer Partei regiert, die das Christentum im Namen führt.
(Alexander Krauß, CDU: Durch demokratische Wahl an die Macht gekommen! – Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)
Ich als Erzgebirgler habe mit dem Christlichen in unserer Kultur kein Problem, Herr Krauß. Ich bin zwar kein Christ, aber ich bin auch kein Anti-Christ. Ich bin eher ungläubig.
Ich glaube allerdings an einen einzigen Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Dieser Satz gilt für die alleinerziehende Schneeberger Mutter genauso wie für die syrische Bürgerkriegsfamilie, die zu uns kommt. Dieser Satz ist nicht verhandelbar!
Die Basis unseres Zusammenlebens in Sachsen sind weder Bibelzitate noch Koransuren, sondern Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Wer das akzeptiert, möge nach freien Stücken zum Gebet gen Mekka schauen oder morgens vor dem Frühstück über die Herrnhuter Losungen meditieren.
Wofür ich aber überhaupt nicht zu haben bin, ist – da bin ich ganz bei Herbert Grönemeyer von Montagabend –, sich als Zielscheibe und Projektion für Ängste, die man selbst hat, plötzlich wieder eine Religion auszusuchen. Das hatten wir schon einmal in Deutschland. Das dürfen wir nie wieder zulassen.
Nie wieder wollen wir es erleben, dass mit dem Argument „Sicherheit“ die Freiheit beerdigt wird. Wehren wir also den Anfängen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ernsthafte Themen brauchen ernste Debatten – insofern neige ich nicht dazu, der Versuchung zu folgen, den dieser Klamauk gerade geboten hat. Ich steige ernsthaft ein.
Ich steige ernsthaft ein, gerade wegen des Vorwurfs einer gesellschaftlichen Instrumentalisierung der Förderung des Rassismus. Am 27. Januar – das war gestern – haben wir des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz gedacht, auch vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte und Verantwortung, der Frage des Umgangs mit Menschen, mit Religionen. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren von links, es wäre ein gutes Zeichen, als Erstes das eigene Verhältnis zu Israel zu überprüfen.
Sie haben in Ihren Ausführungen die Antifa als einen Teil der Zivilgesellschaft formuliert. Zur aktuellen Debatte muss ich sagen, dass gerade die Antifa in Leipzig Teil der Herausforderungen an die Sicherheitsarchitektur unseres Freistaates ist.
Zum Thema, Herr Gebhardt. Es ist das einfache schlichte Muster: Bist du nicht für mich, dann bist du gegen mich.