Protocol of the Session on January 28, 2015

Zum Thema, Herr Gebhardt. Es ist das einfache schlichte Muster: Bist du nicht für mich, dann bist du gegen mich.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Da haben wir von der CDU gelernt!)

Genauso formulieren Sie es und vielleicht können Sie nicht aus Ihrer Rolle. Aber die Welt ist nicht schwarzweiß, sie ist grau, und sie ist geprägt durch unterschiedliche Meinungen. Vielleicht lohnt es sich auch für Sie, in Richtung Pegida zu schauen; denn auch da stehen Menschen, die Sie wählen und mit Ihnen verortet sind. Das ist die Herausforderung an den Diskurs mit Pegida. Da steht eben nicht die ganz einfach zu definierende rechte faschistische Klientel, sondern da stehen die Bürger quer durch die Gesellschaft, aus allen politischen Bereichen mit unterschiedlichen Betrachtungen und dem gemeinsamen Ziel, ihren Protest zu formulieren. Das ist eine Grundlage, die uns alle auffordert, diesen Diskurs zu suchen, um genau dahin zu kommen, dass die, die faschistisch-rassistisch unterwegs sind, nicht die Instrumentalisierung einer Gesellschaft wahrnehmen und wir daher das Bild wieder etwas klarer machen. Das bedingt den Dialog.

Deswegen will die CDU-Fraktion an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Wir begrüßen, dass der Sächsische Staatsminister des Innern als zuständiger Fachminister nicht nur heute diese Regierungserklärung gegeben hat, sondern dass er bereit war, bei allen unterschiedlichen Positionen, die es gibt, mit Veranstaltern, mit jemandem, der die Plattform für diese Protestbewegung gibt, den Dialog darüber zu führen, was das Ziel und der

weitere Umgang ist. Das ist kein politisches Bekenntnis, sondern verantwortungsvolles Handeln eines Ministers, der für die innere Sicherheit zuständig ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der AfD)

Die heutige Fachregierungserklärung widmet sich dem Thema „Freiheit braucht Sicherheit“. Genau das ist eine Grundlage. Die Freiheit braucht Sicherheit. Sicherheit allein bietet keine Freiheit – das möchte ich dazu erwähnen –, aber die Freiheit braucht Sicherheit. Wir sollten uns auf den Grundsatz besinnen, über den wir hier sprechen. Was ist passiert? Nachdem vielfältige Demonstrationen stattfanden, von Pegida und von Gegendemonstranten in Dresden, sicher an einigen Stellen zu unterscheiden von den Ereignissen in Leipzig, kann man sagen, dass in einem demokratischen Prozess Meinungen artikuliert worden sind. Entgegen dem, was Sie versuchen hineinzuformulieren, hat die Sicherheitslage im Freistaat Sachsen während des gesamten Zeitraums funktioniert. Die Stadt und das Land waren sicher, die Polizei hat sich den Herausforderungen gestellt, zwar mit einem höheren Kräfteeinsatz und der Unterstützung anderer Bundesländer, und als Dauerbelastung ist das eine große Herausforderung, aber die Sicherheitsarchitektur im Freistaat Sachsen hat ganz klar funktioniert und die Polizei hat die ihr gestellte Herausforderung gelöst. Dafür gilt ihr unser Dank und unser Respekt für die geleistete Arbeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Was wir unmittelbar vor dem 19. Januar erlebt haben, unterscheidet sich aber in erheblichem Maße von dem, was wir vorher und danach erlebt haben. Es gab einen Hinweis, dass ein Anschlag auf einen Organisator bei einer Pegida-Demonstration in Dresden zeitnah zu erwarten ist.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Auf Twitter!)

Es handelte sich um geheimdienstliche Informationen.

Sie scheinen ja schon bestens informiert zu sein, welche Quelle den Hinweis gegeben hat.

Es gab entsprechende ernst zu nehmende Hinweise, die durch das BKA, durch das LKA und durch die Polizeidirektion bewertet worden sind. Wenn Sie es jetzt so lächerlich machen, zeigt sich ein latentes Misstrauen gegen die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Selbst die Bundesbehörden sagen, dass Sie über das Maß hinausgegangen sind!)

Wir bekommen Hinweise, die die Anschlagsgefahr verdichten. Wir haben vor Ort eine Polizeidirektion, die eine Güterabwägung vorzunehmen hat, die zu beurteilen hat, ob die Versammlungsfreiheit nach Artikel 23 Sächsische Verfassung ausgeübt werden kann oder ob das Recht auf körperliche Unversehrtheit gefährdet wird. Es findet eine Abwägung von zwei sehr bedeutenden Rechtsgütern

statt. Für uns ist ganz klar die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut, aber dort, wo es um das Leben und die Gesundheit von Menschen geht, hat dies Vorrang.

(Beifall bei der CDU, der AfD und vereinzelt bei der SPD – Widerspruch des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Es disqualifiziert Sie, wenn Sie eine Terrorgefahr, eine Anschlagsgefahr mit Fußballspielen gleichsetzen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Auf Grundlage der Hinweise hat die Polizei entschieden. Es geht um drei Gruppen, und zwar zum einen um die Demonstrationsteilnehmer, zum Zweiten um die unbeteiligten Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt und zum Dritten auch um die Polizeibeamtinnen und -beamten, die dort im Einsatz stehen. In der Abwägung all dieser Personenkreise zu der Entscheidung zu kommen, dass bei Vorliegen einer Terrorgefahr die Situation so ist, dass die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird, ist ein hoher Eingriff, aber ein in der Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft richtiger Eingriff.

So gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, war die Entscheidung der Polizeidirektion Dresden an der Stelle richtig, sie musste so erfolgen und wird – das sehen auch wir so – bei gleichen Voraussetzungen auch wieder gleich getroffen werden müssen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie beugen sich dem Terror!)

Daraus abzuleiten, dass es eine grundsätzliche Einschränkung des Versammlungsrechts in Sachsen gibt, daraus abzuleiten, dass es eine eigene Interpretation sächsischer Demokratie gibt, ist verantwortungslose Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

In Essen sind am 18. Januar mit weniger politischer Diskussion ebenfalls Demonstrationen untersagt worden, und das ohne Terrorgefahr. Ich meine auch, dass es nicht das erste Mal in Deutschland ist, dass es zu entsprechenden Einschränkungen gekommen ist. Wie gesagt, es ist in jedem Fall zu prüfen und immer einzeln abzuwägen. Aber auch das ist deutlich zu sagen: Welche Diskussionen würden wir heute hier führen, wenn es trotz der entsprechenden Hinweise zu einem Anschlag gekommen wäre und wenn es – was Gott verhüten möge – zu Toten gekommen wäre? Welche Diskussion hätten Sie an dieser Stelle im Hause geführt?

(Beifall bei der CDU)

Es ist im Ergebnis ganz klar, dass in Sachsen das Demonstrationsrecht gewährleistet wird. Das Demonstrationsgeschehen ist schon in derselben Woche am Mittwoch so genutzt worden, wie wir es in der Demokratie erwarten können. Leider ist es im Moment einzuschränken. In Leipzig ist es zu entsprechenden Angriffen aus den Demonstrationen, auch von Legida-Teilnehmern, ge

kommen. Das ist indiskutabel und entsprechend zu verfolgen. Aber das Recht auf Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen ist nach den erforderlichen Einschränkungen vom 19.01. in Dresden wieder vollumfänglich gewährleistet.

Die Argumente, die dafür sprechen, sind vorgetragen worden bis hin zu der Frage, dass auch Pegida selbst kein schlüssiges Sicherheitskonzept vorlegen konnte, und auf eine Terrorwarnung, die sie am Freitag erhalten haben und die sich am Samstag verdichtete, kann man verantwortungsvoll nicht innerhalb kürzester Zeit reagieren. Daraus eine pauschale Erkenntnis abzuleiten halte ich für falsch; denn ich bin mir sehr sicher, dass unsere Sicherheitsbehörden, wie Polizei, das Landeskriminalamt und alle beteiligten Institutionen, auf diese Situation entsprechend verantwortungsvoll reagieren, Bedrohungslagen aufnehmen und die Sicherheitskonzepte auf diese anpassen.

Ich bin der Überzeugung, dass die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen auch in Zukunft grundsätzlich gewährleistet wird. Besondere Situationen bedürfen grundrechtlicher Bewertung, nämlich der Abwägung des einen gegen das andere Grundrecht und in der Beurteilung einer Entscheidung.

Dazu gehört Mut. Deswegen stellen wir uns ganz klar hinter die Verantwortungsträger der Polizeidirektion Dresden, die originär die Verantwortung getragen haben. Wir finden es auch richtig, dass die Sächsische Staatsregierung, insbesondere der Sächsische Staatsminister des Innern, auch diese Entscheidung mitgetragen hat, wohlwissend, dass dieser Protest heute in dieser Debatte und nicht nur hier zu erwarten gewesen war. Auch dazu gehört Mut; denn diese Debatten, die wir und auch Sie hier führen, sind ja dadurch geprägt, eine bestimmte Position und eine bestimmte Tendenz in dieser Diskussion zu halten. Das finde ich richtig.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich Folgendes sagen: Wir haben die Sicherheit im Freistaat Sachsen zu gewährleisten, Sicherheit, damit Freiheit sich entfalten kann und dies nicht nur mit dem Blick auf den 19. Januar 2015 mit der aus unserer Sicht erforderlichen Einschränkung als Ausnahmesituation, sondern grundsätzlich. Dazu gehört auch ein Diskurs über das, was wir in Leipzig-Connewitz mit dem Angriff auf eine Polizeidienststelle erlebt haben, dazu gehört das, was wir mit 600 Mitgliedern oder Teilnehmern einer Antifademonstration im Stadtgebiet erlebt haben. Hier bedurfte es eines verantwortungsvollen Diskurses, und hier ist auch, meine sehr verehrten Damen und Herren der Linksfraktion, Ihr Engagement gefragt: darauf einzuwirken, dass dies nicht zukünftig Schule macht, sondern der Vergangenheit angehört, denn hier stehen wir in einer gemeinsamen politischen Verantwortung für unser Land.

Ich lade Sie ein, gemeinsam mit der Staatsregierung, mit der regierungstragenden Fraktion diese Verantwortung für den Freistaat zu tragen. Es hilft uns wenig, wenn der eine mit dem Finger auf den anderen zeigt, sondern die Herausforderungen, vor die uns auch Pegida stellt, zeigen

ganz klar, dass wir nur gemeinsam und im Dialog die Herausforderungen lösen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der AfD)

Das war für die CDUFraktion Herr Kollege Hartmann. Jetzt spricht Herr Kollege Pecher für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Ich denke, dieses Zitat dürfte hinlänglich bekannt sein. Es kostete derjenigen, die dies gesagt hat, vor rund 96 Jahren das Leben.

Jeder hier im Hause weiß, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungsfreiheit, auf das Recht, frei zu demonstrieren, ein hohes, eigentlich das hohe Gut der Demokratie ist, welches vielfach in dieser Welt mit Füßen getreten wird, welches unterdrückt wird und das für viele globale Probleme, auch für die Auswirkungen in Sachsen, verantwortlich ist.

Es ist natürlich die Aufgabe des Staates, unseres Staates, dieses Recht zu garantieren. In der Regel übernimmt das die Polizei. Auch namens der SPD-Fraktion danke ich ausdrücklich der Polizei für das, was sie hier tut und wie sie es tut. Dazu kann ich zu der Innenausschusssitzung, die ich bis jetzt leiten durfte, auf der zweimal die Polizeipräsidenten berichtet haben, sagen, dass es gut ist zu wissen, auf welche Art und Weise berichtet wird, was für fachliches Know-how dahintersteckt, mit welcher Abwägung, mit welcher Präzision dort informiert wird und wie auch Schwierigkeiten, die teilweise sogar in einen gewissen Hilferuf der Polizei münden, den Mitgliedern aller Kräfte hier im Hohen Hause über den Innenausschuss mitgeteilt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Zum Anlass dieser Regierungserklärung möchte ich Folgendes klarstellen: Demonstrationen werden in

Deutschland nicht genehmigt. Sie werden angezeigt und sind dann durchzuführen bzw. können durchgeführt werden. Es ist die Aufgabe der Versammlungsbehörde, Einschränkungen gegebenenfalls zu artikulieren.

Hier geschah am 19. Januar nun etwas, was durchaus einmalig ist – da widerspreche ich meinem Kollegen Hartmann ausdrücklich. Das ist nämlich das allgemeine Verbot aller Versammlungen an einem Ort. Demonstrationen wurden schon hin und wieder verboten, aber hier waren es alle an einem Ort.

Es ist nicht so sehr die Entscheidung selbst, die mich umtreibt, auch das natürlich. Aber es ist die Entscheidung, wie sie letzten Endes entstanden ist und was dazu führte. Dazu führten hier in Dresden Demonstrationen, angefangen mit 350 Leuten, davon viele Kurden, die islamkritisch demonstrierten. Dann wurde es islamfeindlich, fremdenfeindlich, rassistisch, systemfeindlich, ich sage demokra

tiefeindlich. Dazu sage ich ausdrücklich, wer Rechte in Anspruch nimmt – das ist gut in dieser Demokratie –, der übernimmt auch Verantwortung. Dass das so entstanden ist, dafür haben die Organisatoren von Pegida eine Verantwortung zu tragen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das führte zur konkreten Bedrohungslage – das ist ja nicht vom Himmel gekommen – und hat Sachsen gewissermaßen auch zu einer Zielscheibe gemacht. Wir können natürlich das Handeln der Polizei nachvollziehen: die Versammlungsbehörde nicht arbeitsfähig, Wochenende, Sonnabend, Meldung über das PKA, Größenordnung der geplanten Kundgebung und die Erfahrung aus der Vergangenheit. Im Innenausschuss wurde uns bestätigt, dass auch Gewaltpotenzial auf beiden Seiten bestand und dazu diese Gefährdungslage. Ich möchte diese Entscheidung als Polizeipräsident nicht treffen. Zu wissen, dass vielleicht jemand mit diesem berühmten Gürtel unterwegs ist, mittendrin in der Demonstration, in der Menschen, Kinder und Frauen und Ältere dabei sind, und dies zuzulassen – diese Entscheidung möchte ich nicht treffen. Deswegen respektiere ich diese Entscheidung und kann nachvollziehen, dass sie hier einmalig getroffen wurde.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Es haben alle, die die Versammlung angemeldet hatten – das wurde uns auch berichtet –, diese Entscheidung akzeptiert. Eigentlich ist das Verbot ja gar nicht zum Tragen gekommen, weil alle, die angemeldet hatten, gesagt haben: Ja, wir demonstrieren nicht. Das zeugt auch von der Klugheit und der Weisheit derjenigen, egal, auf welcher Seite sie standen, dass sie diese Bedrohungslage realisiert haben. Ich bin froh darüber, dass wir über den Innenausschuss zum einen diese Sondersitzung durchgeführt haben, dass wir diese Regierungserklärung angeregt haben und dass wir gesagt haben: Ja, man kann auch die PKK mit einschalten. Wir werden irgendwann auch über die Bundesgremien erfahren, ob die Polizei mit dieser Bedrohungslage richtig lag und ob das alles vernünftig war. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Entscheidung der Polizei.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Gott stehe uns bei!)