Meine Damen und Herren! Die Chance auf eine grundlegende Entwirrung der BundLänder-Finanzen wurde vergeben.
Für die AfD-Fraktion hatte Herr Kollege Barth das Wort. Die erste Rederunde wird jetzt beschlossen durch Frau Kollegin Schubert für die Fraktion GRÜNE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es gibt ihn: Es gibt einen neuen Deal. Der neu verhandelte Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern liegt vor. Natürlich können Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident – ebenso wie die anderen ostdeutschen Ministerpräsidenten –, das hier nur als großen Erfolg verkaufen. Ich habe da aus der Opposition heraus ein wenig mehr Freiheit, und die ist ja bekanntlich immer dann am schönsten, wenn man sie auch nutzt. Darum sei es mir gestattet, hier ein differenzierteres Bild zu zeichnen.
Am Anfang möchte ich schlichtweg die Frage stellen, die bei Bürgerinnen und Bürgern, vielleicht auch bei so mancher Plenardebatte mitschwingt: Was hat das eigentlich mit mir zu tun? Denn wie die Mopo am 18. Juni feststellte, ist das Thema für die meisten Menschen so spannend wie trockener Toast.
Kollege Panter hat schon darauf hingewiesen: Im Grundgesetz ist festgelegt, dass es das politische Ziel gibt, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland anzustreben. Das wurde mit dem Länderfinanzausgleich, wie er bisher existiert hat, solidarisch angestrebt.
Ja, der neue Deal hat direkte Auswirkungen auf die Menschen in Sachsen, denn ein lebenswerter Freistaat, gleiche Bedingungen für den Wettbewerb um kluge Köpfe und gute Rahmenbedingungen für Familien müssen finanziert werden. Das schafft Sachsen nicht allein und wird es absehbar auch nicht allein schaffen. Immer noch erhält Sachsen die Hälfte seines jährlichen Haushaltsbudgets vor allem über den Länderfinanzausgleich, vom Bund und von der EU.
Es ist richtig, dass Sachsen weiterhin Zuweisungen erhält. Aber die Gewinner dieses Kompromisses – darin sind wir uns in diesem Haus doch alle einig –, sind die einnahmestarken Länder, und der bundesweite Wettbewerb um kluge Köpfe und um gute Rahmenbedingungen wird durch diesen Kompromiss verschärft.
Die Solidarität zwischen den Ländern ist mit dem neuen Kompromiss passé. Es gibt de facto keinen Ausgleich mehr zwischen den Ländern – Punkt. Der Bund geht hier massiv mit Kostenübernahmen hinein. Und warum tut er das? Weil er es kann.
Zum fachlichen Blick: Das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig hat den neuen bundesstaatlichen Finanzausgleich ab 2020 bereits analysiert. Die Ergebnisse dieser Studie widersprechen deutlich der Wahrnehmung und den Ausführungen der Staatsregierung. Klar ist natürlich erst einmal, dass im Übergang von 2019 auf 2020 alle Länder über Mehreinnahmen verfügen werden. Aber die einnahmestarken Länder verzeichnen überproportionale Einnahmenzuwächse, die Mehreinnahmen der meisten einnahmeschwachen Länder liegen unter dem Bundesdurchschnitt. Damit wird das politische Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse innerhalb Deutschlands kaum mehr zu erreichen sein.
Die Entscheidung für die Neuregelung wird nicht dadurch besser, dass man gebetsmühlenartig wiederholt, dass sie einstimmig getroffen wurde. Ich frage mich: Gab es denn wirklich eine Wahl? Die Gewinner sind gemäß dieser Studie die einnahmestarken Länder: Erstens Bayern mit Horst Seehofer, der diese Neuregelung als größten Coup und wichtigsten Erfolg für Bayern in seiner gesamten Laufbahn bezeichnet, zweitens Hessen, wo man schon einmal medial und laut darüber nachdenkt, flächendeckend kostenfreie Kinderbetreuung anzubieten – so viel zum Thema Wettbewerb um kluge Köpfe und Familien – und drittens Baden-Württemberg, das sich ruhig verhält und ganz schwäbisch „die Kasche zusamme hält“.
Die Wissenschaftler ziehen ein kritisches Fazit. Sie sprechen ganz klar an, dass die ungleiche Verteilung des Geldes bei Anforderungen wie zum Beispiel der Herstellung gleichwertiger Verhältnisse Probleme aufwerfen wird. Wir GRÜNE teilen die Einschätzung der Wissenschaftler, dass diese Konstellation ein Auseinderdriften der Länder befördert.
Die Einnahmensituation in Ostdeutschland wurde auf Bundesebene nie abgestritten; sie wurde anerkannt und nicht infrage gestellt. Es war auch absehbar, dass der Bund nicht fünf Länder auf einmal pleitegehen lassen wird. Was hier aber als großer Erfolg präsentiert wird, ist lediglich ein schriftliches Bekenntnis des Bundes, verschiedene Kosten zu übernehmen – weil er es kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die Anerkennung der kommunalen Finanzkraft zu 75 % ist ein ganz, ganz kleiner Erfolg. Aber wichtig wären 100 % gewesen. Dazu stehen wir als GRÜNE, und das fordern wir auch weiterhin. Das wäre für die ostdeutschen Bundesländer richtig und wichtig gewesen.
Der Bund hat sich ab 2020 Zugriffsrechte in Bereichen gesichert, die bisher noch in der Verantwortung der Länder liegen. Und er wird damit Politik machen. In welche Richtung, werden wir noch erleben.
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Die bisher geltende Solidarität der Länder ist ramponiert oder gar passé. Sachsens Zahlungsfähigkeit ist bis 2030 sichergestellt. Es bleibt erst einmal nur bei einem Aufatmen, dass es überhaupt eine Einigung gibt. Ein echter Erfolg ist es aber wirklich nicht.
Mit Frau Kollegin Schubert, für die Fraktion GRÜNE sprechend, schließen wir die erste Runde ab und eröffnen postwendend die zweite Rederunde. Erneut spricht jetzt Herr Kollege Michel für die einbringende CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich hier hinstellt und 100 % fordert, kann ich nur sagen, der hat noch nie regiert. Im Leben ist es so, dass man 100 % in der Regel bei großen Verhandlungen nie erreicht. Von daher braucht man einen gewis
Ich muss Ihnen sagen, 75 % sind eine Verbesserung, eine tolle Sache. 100 % waren, glaube ich, unrealistisch zu erreichen.
Lieber Herr Kollege Michel, würden Sie mir recht geben, wenn ich sage, dass die hundertprozentige Anerkennung der kommunalen Finanzkraft unabhängig davon, ob man das in den Kompromiss hineinbekommt oder nicht, für Sachsen der optimale Weg gewesen wäre?
Das hat niemand bestritten. Es ist nur so: Das, was das theoretische Ideal ist, und das, was politisch erreichbar ist, ist ein Unterschied. Das hat Kollege Gebhardt genauso gemacht. Ein Gesamtpaket ist ein Gesamtpaket. Mehr als 75 % war bei den Kommunalfinanzen nicht erreichbar. Das ist schon ein gutes Ergebnis, weil die Geberländer, die reichen Länder, etwas weniger wollten.
Ich komme nun zu meinen Ausführungen zurück und möchte kurz auf die „Nebenkriegsschauplätze“ eingehen. Allgemeines Weisungsrecht des Bundes in der Steuerverwaltung, Ausweitung der Kompetenzen des Bundesrechnungshofes gegenüber den Bundesländern, die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft wurden angesprochen, auch Schulhausbau und letztendlich die Festlegung der Auswahl der förderfähigen Kommunen im Einvernehmen mit dem Bund. Das sind „Nebenkriegsschauplätze“, bei denen wir aufpassen müssen, wie weit sich der Bund in die Länder einbringt und was er daraus macht. Das ist eine Sorge, die bestehen bleibt, eine Sorge, dass die großen Westländer über den Bund ihre Bedürfnisse in alle Länder hineindrücken. Es kann auch sein, dass wir letztendlich „Bundesschnapsideen“ auf Landesebene ausnüchtern müssen. Ich hoffe, das wird nicht passieren.
Aber was können wir aus diesem Prozess lernen? Über solide Finanzen können wir solche „Einkaufsversuche“ des Bundes abwehren. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Gestaltungsfreiheit mit dieser Regelung des neuen Länderfinanzausgleichs erhalten haben. Das bedeutet, wir müssen uns selbst disziplinieren. Wir müssen aus dieser Chance etwas machen.
Es ist alles richtig, was hier angesprochen wurde. Wir müssen weiterhin in moderne Technologien, in Unternehmensansiedlungen investieren. Aber das passt alles
nicht zusammen, wenn die Kollegen von der AfD sagen, wir müssen die Wirtschaft weiter ausbauen. Wer hat denn die Anträge zur Kürzung der Exportwirtschaft, Messeauftritte usw. gestellt? Ich glaube, das kam von Ihrer Seite.
Unter dem Strich müssen wir sehen, dass wir wirtschaftlich weiter unsere Kraft daraus saugen und unsere Wirtschaft stärker ausbauen. Ich sage es immer und immer wieder: Wenn wir nicht auf ordentliche Finanzen achten, dann sind wir immer vom Bundestropf abhängig. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Wir müssen sehen, dass wir die Ausgabenstrukturen ordentlich hinbekommen.
Lassen Sie uns in diesem Sinne die Chancen, die uns der Länderfinanzausgleich bietet, nutzen! Ich bin froh, dass wir das in der Bewertung letztendlich alle als Erfolg einstufen. Lassen Sie uns mit Augenmaß unsere Ausgabenpolitik weiter gestalten und die Chancen, die wir haben, für die zukünftigen Generationen umsetzen. Ich bedanke mich nochmals beim Ministerpräsidenten und den Mitarbeitern für dieses Verhandlungsergebnis.
Kollege Michel sprach für die einbringende CDU-Fraktion. Jetzt kommt, wie schon angekündigt, für die einbringende SPD Kollege Mann zu Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen ist ein umfassendes Paket mit mehreren Grundgesetzänderungen sowie Begleitgesetzen. Ich möchte deshalb die Runde zwei nutzen, um den Fokus einmal stärker auf ein konkretes Feld, nämlich die Bildung, zu legen, um dort nicht zuletzt die Maßnahmen zur Verbesserung moderner Bildungsinfrastruktur zu würdigen.
Seit 2006 haben wir das Kooperationsverbot im Bildungsbereich zu spüren bekommen. Ich kenne viele, die das Stoiber-Koch-Erbe in der Föderalismuskommission gern ausgeschlagen hätten. Gut ist aber, dass heute die Erkenntnis gereift ist, dass der Bund bei Bildung die Länder auch und trotz Föderalismus unterstützen können muss. Der Hochschulbereich hat es vorgemacht. Mit der Neufassung des Artikels 91 Grundgesetz beschreiten wir hier bereits neue Wege.
Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Allein im Zeitraum von 2007 bis zum Jahr 2023 wird Sachsen 830 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt mit Bund und Ländern zum Erhalt von Studienplätzen erhalten. Davon wurde übrigens allein ein Viertel für die Lehramtsausbildung ausgegeben. Ohne diese zusätzlichen 210 Millionen Euro könnten wir uns mangels zusätzlicher Stellen kaum leisten, die Lehramtskapazitäten binnen fünf Jahren zu verdoppeln. Ich persönlich mag mir nicht vorstellen, wie
Es gebe weitere Beispiele: die jährlichen 56 Millionen Euro aus der BAföG-Übernahme für den Wissenschaftsbereich, die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die Digitalisierung. So viele Dinge wären ohne den Bund im Bereich Innovation und Bildung kaum vorstellbar.
Wissenschaftsministerin Dr. Stange hat deshalb am Montag gemeinsam mit ihren vier Kollegen der ostdeutschen Bundesländer dargelegt, wie der Artikel 91 b künftig auszugestalten ist. Da geht es eben nicht nur um Forschung und Exzellenzinitiative, nein, es geht vielmehr um ein dauerhaftes Engagement des Bundes bei der Finanzierung von Studienplätzen, bei der sozialen Infrastruktur oder dem Hochschulbau. Mindestens 1 Milliarde Euro soll auch weiterhin in den Osten fließen, um Wissenschaft als Innovationsmotor in den Regionen zu nutzen.
Ich danke deshalb ausdrücklich für diese Initiative, die die überfällige Debatte aus ostdeutscher Sicht um die Ausgestaltung dieser Kooperation aufmacht.
Die Wissenschaft hat vorgemacht, was an Gutem mittels Kooperation mit dem Bund möglich ist und welche Chancen wir gemeinsam nutzen können. Folgerichtig wurde auch der Artikel 104 c des Grundgesetzes neu gefasst. „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen im Bereich der kommunalen Infrastruktur gewähren.“ Genau dies passiert jetzt, wenn der Bund 3,5 Milliarden Euro für eine Investition zur Verbesserung der Schulinfrastruktur bereitstellt.