Protocol of the Session on June 21, 2017

Deshalb bin ich froh, dass wir in dieser Sitzung des Sächsischen Landtages Gelegenheit haben, nicht nur über die innere Sicherheit zu sprechen, sondern auch das eine oder andere zu den Ergebnissen der Innenministerkonferenz auszutauschen. Ich möchte für mich und meine Kollegen am Anfang deutlich sagen, dass wir als Innenminister gemeinsam aufgrund der Veränderungen, die sich in unserer Gesellschaft ergeben, entsprechend handeln müssen. Das haben wir in der Vergangenheit getan und das haben wir auch auf dieser Innenministerkonferenz in Dresden getan, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Auf dem Weg in eine andere Republik, so wie Sie es hier mit Ihrem Debattentitel versuchen glauben zu machen, sind wir da mit Sicherheit nicht, denn für uns sind Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenwürde absolut schützenswert, aber eben nicht umstürzenswert. Deswegen ist es mir an dieser Stelle – um dieses Thema aus der Debatte aufzugreifen, meine sehr verehrten Damen und Herren – egal, wer sich an unserem Rechtsstaat vergeht, aus welcher politischen Motivation oder aus welcher religiösen Orientierung heraus. Wenn Rechte verletzt werden, dann ist das zu verurteilen und dann geht dieser Rechtsstaat konsequent

dagegen vor. Wir werden die entsprechenden Ermittlungen auch aufnehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns geht es auch darum, unsere Bundesrepublik, die auf unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung basiert, zu verteidigen, zu bewahren und noch ein Stück sicherer zu machen. Insofern kann ich für mich die Einschätzung treffen, dass wir hier in Dresden drei Tage intensiv miteinander diskutiert haben, aber letztendlich erfolgreich gewesen sind. 52 Tagesordnungspunkte haben wir nicht nur diskutiert, sondern wir haben sie auch beschlossen.

Ich habe meine Zeit als Vorsitzender der Innenministerkonferenz unter das Thema „Innere Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe“ gestellt – eben nicht, um Länderkompetenzen abzugeben, sondern um deutlich zu machen, dass es nicht die Aufgabe eines einzelnen Landes sein kann, sondern dass wir die Sicherheit für die Bundesrepublik nur dann erfolgreich gewährleisten werden, wenn wir das gemeinsam über Ländergrenzen hinweg und auch in Richtung des Bundes tun.

Deshalb haben wir die Beschlüsse gefasst, insbesondere zur Terrorbekämpfung und dem Umgang mit Gefährdern, zu Flucht und Migration sowie zur Harmonisierung der Polizeigesetze und zur Verbesserung der IT- und CyberSicherheit. Deswegen will ich an dieser Stelle nicht darüber sprechen, dass wir einen Personalaufwuchs bei unserer Polizei haben, dass wir derzeit die Qualität der Ausbildung erhöhen; ich werde nicht über die verbesserte Ausrüstung sprechen und ich werde auch nicht darüber reden, dass wir kontinuierlich dabei sind, die Polizeibauten zu verbessern, und dass wir 40 Millionen Euro mehr für die polizeilichen Bauten aus den Steuermehreinnahmen zur Verfügung stellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde mich auf einige wenige Beschlüsse der Innenministerkonferenz konzentrieren. Hierbei will ich durchaus das vermeintlich heikle Thema der Messenger-Dienste ansprechen.

Ich persönlich finde es gut, dass wir eine klare Linie gefunden haben, denn – Herr Hartmann hat es gerade angesprochen – wir befinden uns eben nicht mehr im 20. Jahrhundert. Das ist eine der gravierendsten Veränderungen der letzten Monate und Jahre, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das, was für Terroristen und schwere Verbrecher gilt, muss doch auch für unsere Sicherheitsbehörden gelten.

Wir fordern nicht – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich sagen – die Totalüberwachung des rechtstreuen Bürgers, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern wir fordern schlicht und ergreifend Waffengleichheit mit Extremisten, mit Terroristen und mit schweren Straftätern. Das heißt, unsere Polizei muss bei einer konkreten Gefährdungslage und nach richterlichem Beschluss Einsicht in die elektronische Kommunikation erhalten, und zwar auch dann, wenn sie verschlüsselt ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn ich mit Bürgern rede, dann haben die überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir uns darüber so streitig unterhalten.

(Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und Enrico Stange, DIE LINKE)

Was würden Sie denn sagen, wenn ein uns bekannter Gefährder einen Anschlag verüben könnte, nur weil unsere Behörden nicht wissen dürfen, wie, wo und wann dieser geplant wurde? Dass wir hier eine klare Regelung gefunden haben, stimmt mich zuversichtlich. Deswegen werden wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, zügig an eine saubere Umsetzung gehen.

Das zweite Thema ist die Gefährderüberwachung. Auch da ist es richtig, dass wir uns auf ein einheitliches Vorgehen verständigt haben: erstens zu einer bundeseinheitlichen Einstufung der Gefährder und zweitens – das ist die Erkenntnis aus dem Fall Anis Amri gewesen, und ansonsten sollte man nicht so tun, als ob Innenminister nicht auf aktuelle Entwicklungen reagierten –, dass es in Zukunft bundeseinheitlich, egal, aus welchem Bundesland der Gefährder kommt, im Operativen ein vergleichbares Vorgehen gibt.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir beim Stichwort Flickenteppich, wenn die Entscheidung getroffen wird, dass eine Überwachung, das heißt eine Fußfessel, angeordnet wird, bundeseinheitlich die Regelungen in den Landespolizeigesetzen.

Es gibt eine Reihe von Anfragen. Herr Staatsminister, möchten Sie diese zulassen?

Ja, gern.

Wir beginnen mit der AfD.

Herr Minister, ich habe folgende Frage: Sie sprechen des Öfteren von bekannten Gefährdern. Wo ist denn Ihre konkrete Maßnahme? Das heißt also, es gibt Gefährder, die bekannt sind, und man weiß, wo sie sich aufhalten. Wo sind Ihre Maßnahmen, unsere Bevölkerung vor diesen Gefährdern zu schützen?

Es ist das, was ich Ihnen gerade vorgetragen habe: Es gibt im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum die Steuerung, dass dort a) die Einstufung passiert und dann b) auf der Länderebene die Verantwortlichkeit jetzt bundeseinheitlich geregelt ist, was mit dem Jeweiligen je nach Gefährdungsgrad passiert und wie die ordnungsbehördlichen Maßnahmen sind.

(Carsten Hütter, AfD: Aber, Herr Minister, das ist doch keine direkte Aktion!)

Herr Minister, wollen Sie darauf antworten?

Das war keine Frage.

Dann jetzt Herr Stange, bitte.

Herr Staatsminister, mich würde ganz konkret als Erstes interessieren: Welchen Strafverfolgungsbehörden in Marokko wurde der am 8. April in der Aufnahmeeinrichtung in Borsdorf festgenommene Marokkaner übergeben? Welche Vereinbarungen gibt es zur Fortsetzung der Ermittlungsverfahren sowohl bei den deutschen als auch bei den marokkanischen Ermittlungsbehörden?

Herr Stange, ich möchte die Gelegenheit nutzen, zu diesem Thema, das Sie die ganze Zeit durch die Debatte tragen, Ben Haddar – so heißt der Marokkaner, von dem Sie gesprochen haben – noch etwas deutlich zu sagen.

Erstens haben wir lange darüber diskutiert, ob der § 58 a Aufenthaltsgesetz anwendbar ist. Ich habe eine klare Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 58 a Aufenthaltsgesetz erlassen. Bevor es zu einer Abschiebung kommt, wenn Strafverfahren anhängig sind, muss natürlich die zuständige Staatsanwaltschaft klären, ob der Strafvollstreckungsanspruch des Staates höher wiegt als die Abschiebungsgründe. In diesem Fall ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft entsprechend so gefällt worden, und aus diesem Grunde konnte bzw. musste auf Grundlage der geltenden Anordnung von mir und nach richterlicher Überprüfung die Abschiebung erfolgen. Dann ist er den Marokkanern entsprechend übergeben worden. Wie jetzt auf marokkanischer Seite mit ihm weiter verfahren wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Minister?

Selbstverständlich gerne.

Herr Stange, bitte.

Herr Staatsminister, das heißt im Umkehrschluss: Auch die deutschen Behörden ermitteln nicht weiter.

Eine zweite Frage: Ist ausermittelt worden, ob derjenige Komplizen oder Hintermänner bei der von Ihnen angenommenen mutmaßlich staatsgefährdenden Gewalttat hatte?

Er ist gerade eher einer der Komplizen in einem anderen Fall gewesen. Deswegen war für uns die Entscheidung so zu treffen, wie ich sie getroffen habe. Er ist also Bestandteil eines anderen Netzwerkes gewesen, das bekannt war.

Herr Bartl noch?

Ich würde jetzt keine Zwischenfragen mehr zulassen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern werde die verblei

bende Redezeit nutzen, um noch einige Punkte der Innenministerkonferenz anzusprechen.

Das nächste Thema ist das der Gefährderüberwachung. Über das Zusammenspiel bei der Terrorismusbekämpfung habe ich gesprochen. Gerade bei der Terrorismusbekämpfung brauchen wir eben das Zusammenspiel der verschiedenen beteiligten Kräfte, um im Ernstfall gewappnet zu sein. Es ist logisch, dass wir in einem weiteren Schritt auch ans taktische Üben gehen müssen. Deshalb ist ein weiterer Beschluss der Innenministerkonferenz, ausgehend von der gemeinsamen Übung von Bundeswehr und Polizei, diese zu vertiefen, um in konkreten Fällen gerüstet zu sein.

Ein Thema möchte ich noch ansprechen: das Musterpolizeigesetz. Es kann unterschiedlich bewertet werden, aber dazu habe ich eine klare Position: Das hat es übrigens einmal bis Mitte der Siebzigerjahre gegeben und es ist aus meiner Sicht eine vernünftige Regelung, ohne die Hoheit des jeweiligen Landtags aufzugeben, Herr Bartl, weil Sie es angesprochen haben. Das gibt es übrigens bei der Musterbauordnung gleichermaßen. Das ist zwar ein anderer Fall, aber auch dort gibt es eine einheitliche Empfehlung. Die Kompetenz der jeweiligen Landesparlamente bleibt erhalten, ob und wie sie von dieser Musterregelung Gebrauch machen. Aber sich bundesweit einmal darüber zu unterhalten, welche Sicherheitsstandards in allen Ländern gelten sollten, das ist aus meiner Sicht mehr als vernünftig.

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren – dabei möchte ich auf eine aktuelle Anmerkung von Ihnen, Herr Bartl, eingehen –, betrifft das Thema Nutzung von Mautdaten. Es hat tatsächlich eine Rolle gespielt und ist von baden-württembergischen Kollegen angesprochen worden. Sie erinnern sich an den furchtbaren Sexualmord in Freiburg. Dieser konnte nur aufgeklärt werden, weil es einen Zusammenhang mit einem weiteren Sexualmord in Kufstein gegeben hat. Über die Mautdaten aus Österreich ist es gelungen, den Kreis der Verdächtigen so einzugrenzen, dass der Straftäter nicht nur gefasst wurde, sondern auch jetzt hinter Gittern sitzt. Den Umkehrschluss hat mein Kollege Thomas Strobl aus Baden-Württemberg sehr eindeutig benannt: Wenn diese Zuarbeit aus Österreich nicht erfolgt wäre, würde dieser Mensch, der mehrere Frauen auf dem Gewissen hat, heute noch frei herumlaufen.

Deswegen ist es doch durchaus berechtigt, über solche Möglichkeiten zu sprechen, denn auch dabei geht es darum, nicht den rechtstreuen Bürger in seinen Rechten einzuschränken, sondern die Straftäter zu finden und einer entsprechenden gerechten Strafe zuzuführen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Minister, es gibt noch eine Zwischenfrage. Möchten Sie diese zulassen?

Ja, gern.

Herr Bartl, bitte.

Herr Staatsminister, haben Sie auch darüber gesprochen, wie viele Hunderttausende, ja wie viele Millionen völlig unbescholtener Bürger dann in die Auswertung mit hineingeraten und wie dabei die Verhältnismäßigkeit aussieht?

Herr Bartl, mein Verständnis dieses Themas ist ein völlig anderes als das, was Sie meinen. Die Mautdaten werden jetzt schon erzeugt, sie liegen aber bisher unter Verschluss. Unter der damaligen Gesetzgebung hieß es, dass sie den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung gestellt werden. Der Fall aus Freiburg, den ich geschildert habe, ist Anlass für diese Diskussion. Dabei wird doch deutlich, dass es nicht darum geht, Sie oder mich oder irgendjemand, der sich auf der Autobahn bewegt hat, unter Generalverdacht zu stellen. Es geht vielmehr darum, den Kollegen, die solche Straftäter finden müssen, das Handwerkszeug an die Hand und damit die Möglichkeit zu geben, solche Straftäter zu finden. Das ist ein völlig anderer Ansatz und eine völlig andere Perspektive.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich zum Schluss meiner Redezeit kommen und noch einmal deutlich machen: Ich empfinde die Entscheidung der Innenministerkonferenz von Dresden als ein deutliches, klares Zeichen, dass wir geschlossen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen wie auch in der Bundesrepublik insgesamt stehen. Anders, Herr Stange, als Sie den Artikel 1 des Grundgesetzes interpretieren, möchte ich mit folgendem Zitat schließen: Ja, „die Würde des Menschen ist unantastbar“, aber sie zu achten und zu schützen, das ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, und ich werde dafür weiter kämpfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Damit sind die Aktuellen Debatten abgearbeitet. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 2

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz 2017 zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge