Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Eine wichtige Herausforderung für den Ausbau und den Erhalt des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstandes sind wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen. Unser sächsischer Mittelstand ist erfolgreich.
Nun ist Mittelstand nicht gleich Mittelstand; das hat der Wirtschaftsminister bereits gestern angesprochen. Gerade im Vergleich zu den alten Bundesländern haben wir nach wie vor strukturelle Probleme. Die Unternehmen in den alten Bundesländern sind über Generationen gewachsene Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote. Unser Problem, unser struktureller Nachteil ist die relativ geringe Eigenkapitalquote. Hier setzt unser neuer Ansatz in der Wirtschaftsförderung an. Wir sagen: Unser wichtigstes Wirtschaftsförderungsinstrument, die Gesamtaufgabe
regionale Wirtschaftsförderung, muss geändert werden. Wir müssen umsteuern und vom Wachstumsgedanken, also nur Betriebe zu fördern, die neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbilden und einstellen, wegkommen. Es geht uns zukünftig auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Das ist aus unserer Sicht eine sehr wichtige Botschaft für die Neuausrichtung unserer Wirtschaftsförderung.
Als zweite Herausforderung sehen wir: Die zukünftige Investition der Wirtschaftsförderung muss sich viel stärker an dem Innovationsgedanken ausrichten. Wir werden zukünftig gerade junge und innovative Unternehmen verstärkt in den Blick nehmen.
Ich freue mich, dass das Wirtschaftsministerium bei diesen wichtigen Förderungsinstrumenten wie Innovationsgutscheine, einzelbetriebliche Förderung auch für kleine und mittelständische Unternehmen neue Richtlinien erlassen hat, und dass es zukünftig leichter möglich sein wird, in der einzelbetrieblichen Förderung auch kleine und neue mittelständische Unternehmen verstärkt zu fördern.
Es muss darum gehen, die strukturellen Nachteile, die unser Mittelstand in Sachsen im Bundesvergleich immer noch hat, auszugleichen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmerinnen und Unternehmern zu verbessern.
Unser Antrag, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, dient dazu, die sächsischen Interessen noch einmal ganz klar zu formulieren. Aus diesem Grund bitte ich um breite Zustimmung im Hohen Haus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wachstum des sächsischen Mittelstands unterstützen“ – ja, der Antrag schmückt sich mit einem wohlklingenden Titel. Sage „Mittelstand“ und „Wachstum“ in einem Atemzug, und du bist ein Guter oder eine Gute. Wer könnte etwas dagegen haben?
Ich könnte sagen: Wachstum wurde auch schon einmal kritischer gesehen, weil es mehr Ressourcenverbrauch bedeutet und nicht ewig vonstattengehen kann und auch nicht muss. Das Schlagwort „qualitatives Wachstum“ zieht meiner Meinung nach auch nicht; denn Wirtschaftswachstum wird nach wie vor in Prozent gemessen, also
quantitativ. Nach wie vor orientiert sich Wirtschaftsförderung in Sachsen auf Exportsteigerung, also auf ein Mehr, und trägt damit zum Außenhandelsüberschuss Deutschlands bei. Wahrscheinlich träumen Sie von weiteren tausend Hidden Champions in Sachsen – kann sein!
Diese exportorientierte Wirtschaftspolitik steht schon länger in der Kritik, denn sie sorgt für weltweite Ungleichgewichte. Die Überschüsse der einen sind eben die Schulden der anderen. Nötig ist vielmehr eine Umorientierung auf soziale und technische Infrastruktur und eine Stärkung der Binnennachfrage. Wirtschaftliche Entwicklung muss unmittelbar mit öffentlicher Daseinsvorsorge und Lebensqualität einhergehen; denn Lebensqualität, das sind Kinderbetreuung, sanierte Schulen und Straßen, ein ordentlicher ÖPNV und deutlich höhere Löhne und Gehälter. Diese Forderung kann man sogar dem letzten Länderbericht des IWF entnehmen.
Strukturelle Entwicklung, gerade der ländlichen Räume, bedeutet, dass die Lebensqualität allgemein steigen muss. Die kleine Klempnerbutze will nicht exportieren oder Forschung und Entwicklung – –
Moment, Herr Pohle, nun warten Sie doch mal! – Sie will überleben, und dazu braucht es öffentliche Aufträge und Menschen vor Ort, die ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen. Dazu müssen sie aber da sein und dort, in den ländlichen Regionen, leben wollen. Darüber sprechen wir, wenn wir über die kleinen Klempnermeisterinnen und Klempnermeister sprechen.
Kommen wir zum Antrag der Koalition. Erst einmal lassen Sie sich etwas berichten, und zwar im Punkt I.1 über das Gutachten der Bundesregierung, „Endbericht zum Dienstleistungsprojekt Nummer 1314 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie“ vom 31. März 2016. Darin stehen einige bemerkenswerte Dinge, zum Beispiel, dass – ich zitiere –: „die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch durch ein Ost-West-Gefälle gekennzeichnet und eine Angleichung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse ausschließlich über marktwirtschaftliche Prozesse dabei mehr als fraglich ist“.
Tatsächlich zeigen die soziokulturellen Strukturdaten auf der Landkarte immer noch die Grenzen der alten DDR, und der Aufholprozess stagniert an einigen Stellen. Kommen Sie mir jetzt nicht wieder – wir haben das gestern schon miteinander vereinbart – mit 40 Jahren Misswirtschaft! 27 Jahre, die Sie hier nun schon das Land regieren, verehrte Damen und Herren der CDU, sind eine gehörig lange Zeit. Zum Ost-West-Lohngefälle haben Sie
zum Beispiel aktiv beigetragen, indem Sie jahrelang den Niedriglohnsektor als Standortvorteil gepriesen haben.
Zudem kann man dem oben genannten Bericht entnehmen – ich zitiere –: „Allerdings gibt es auch in Westdeutschland Regionen mit einem niedrigen BIP und Produktivitätswerten, die sich kaum von ostdeutschen Regionen unterscheiden.“
Wartenberg, stimmen Sie mit mir darin überein, dass 40 Jahre sozialistische Misswirtschaft 1989 zum Zusammenbruch dieses Systems geführt haben und die Auswirkungen teilweise noch heute vorhanden sind, weil im Jahr 1990, also zu Beginn der Währungsunion, die Ausgangslage so war, wie sie war, und – das ist der zweite Teil meiner Frage – die Politik nicht den Lohn festgelegt hat, sondern dieser etwas mit der Produktivitätsentwicklung sowie der Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und Gewerkschaften zu tun hat?
Ja, Herr Heidan, klar stimme ich Ihnen zu. Der Punkt ist aber trotzdem: Es bleibt ein Fakt. Seit 1990 sind 27 Jahre vergangen, und wenn Sie das alles so klar analysieren, frage ich mich, warum wir 27 Jahre danach trotzdem an dem Punkt sind, den ich gerade beschrieben habe.
Vielen Dank, Frau NeuhausWartenberg. Das hatte ich vorhin in meinem Redebeitrag bereits angedeutet. Würden Sie mit mir übereinstimmen, wenn ich Ihnen sage, dass unser erster struktureller Nachteil im Osten unsere Eigenkapitalquote ist, also das geringe Eigenkapital von ostdeutschen Unternehmerinnen und Unternehmern, und dies nicht in erster Linie an einer verfehlten Wirtschaftspolitik liegt, sondern an der Tatsache, dass viele Unternehmen in den alten Bundesländern über Generationen hinweg Vermögen aufbauen konnten, und dies unser hauptsächliches strukturelles Problem im Freistaat ist?
glaube aber, dass man dem an einigen Stellen hätte entgegenwirken können. Sie beschreiben das vollkommen richtig, ich denke aber, man hätte dem zum Beispiel, wenn man die Sparkassen anders in die Pflicht genommen und in den letzten Jahren eine vollkommen andere Kreditvergabe betrieben hätte, entgegenwirken können.
Das hat aber meiner Meinung nach so nicht stattgefunden, zumindest beklagen das unsere Unternehmerinnen und Unternehmer.
Ich möchte jetzt fortfahren. Ich war beim BIP und den Produktivitätswerten. Schauen wir einmal auf den Punkt I. Was Sie hier tun wollen, ist eigentlich, sich berichten zu lassen, was in zwei Papieren steht. Dies geschieht dann auch in den als Stellungnahmen getarnten Antworten der Staatsregierung. Meiner Meinung nach hätte das an einigen Stellen auch eine Kleine Anfrage getan, oder Sie hätten einfach das Gutachten sowie die Richtlinie lesen können und wir hätten anders darüber sprechen können. Ich finde das in dem Antrag etwas zu dünn.
Mich beschleicht die Vermutung, Sie wollen Ihren Antrag etwas aufblasen; denn blieben nur die Punkte II und III, dann würde noch deutlicher, wie dünnhäutig er ist. Im Punkt II soll sich die Staatsregierung auf Bundesebene dafür einsetzen, dass im Sinne des Titels des Antrages das Wachstum des sächsischen Mittelstandes gefördert wird. – Das ist nun nicht der große innovative Wurf; denn dafür konnte sich die Staatsregierung seit rund einem Vierteljahrhundert einsetzen. Aber es ist auch nicht falsch, das stimmt.
Punkt II ist der Kern des Antrages; denn nur in ihm werden Forschungen formuliert, die für das im Titel genannte Wachstum des sächsischen Mittelstandes Bedeutung haben. Der Titel klingt gut, das sagte ich schon; aber es bleibt der Eindruck, dass die Koalition mit starken Worten ankündigt, etwas tun zu wollen. Dabei tut sie aber nur so, als täte sie etwas, und zwar das, was sie schon lange hätte tun können.
Da nun, wie gesagt, die in Punkt II aufgestellten Forderungen nicht falsch sind und, was die Erwartung betrifft, es geschehe dann auch etwas, die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, kann sich meine Fraktion bei der Abstimmung enthalten, es sei denn, Sie würden unserem Änderungsantrag zustimmen.
Widersprechen müssen wir dem Ansinnen in Punkt III. Frau Präsidentin, ich würde ihn jetzt gleich ausführlich begründen. Wunderbar! Da wir diesem Punkt widersprechen müssen, haben wir den Änderungsantrag gestellt. Zunächst geht es uns darum, dass der fällige Mittelstandsbericht 2015/2016 endlich vorgelegt wird, und was den Berichtszeitraum betrifft, so wollen Sie künftig den Mittelstandsbericht alle fünf Jahre, am Ende einer Legislaturperiode, vorlegen lassen. Das Argument, Doppeler
hebungen oder die Reproduktion bestehender Analysen vermeiden zu wollen, überzeugt uns nicht. Eher drängt sich der Eindruck auf, die Staatsregierung möchte Arbeit vermeiden und sich am Ende der Legislaturperiode, also kurz vor der Wahl, ein wenig feiern lassen. Nein, es ist und bleibt absolut sinnvoll, wenn der Rhythmus des Mittelstandsberichtes des Freistaates dem der Doppelhaushalte folgt.
Wir haben in unserem Antrag die Anforderungen an die Berichte detailliert aufgeführt, weil sie unseres Erachtens in den Antragstext gehören. Teile davon finden sich in der Begründung Ihres Antrages. Dem Sinn nach dürften Sie also keine Probleme haben, unserem Antrag zuzustimmen.
Angefügt haben wir einen Punkt IV. Darin geht es uns besonders darum, neue Förderinstrumente für kleine und mittelständische Unternehmen in den ländlichen, strukturschwachen Regionen in Sachsen zu schaffen. Es wird niemand bestreiten, dass dies notwendig ist, um Lebensqualität zu sichern und weiterer Abwanderung zu begegnen. Es wird mir gewiss auch niemand übel nehmen, wenn ich jetzt gewissermaßen in eigener Sache spreche; denn mein Wahlkreis liegt zum Beispiel in Nordsachsen. Dort ist das eine wichtige Sache. Tun wir also endlich etwas für ländliche Regionen!