Dann zurück zum Thema: die Polizeistatistik. Herr Lippmann, das Problem mit Statistiken ist nicht die Statistik als solches, das Problem ist das Lesen und Interpretieren dieser Statistik.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle, dass es richtig ist, auf Einzelphänomen- und Einzelproblembereiche hinzuweisen, weil genau dann eine differenzierte Diskussion auch über Strukturen, über Gebietskulissen, aber eben auch über Tätergruppen und Täterprofile zu führen ist.
Zur Polizeistärke. Ja, wir haben in diesem Land, in Deutschland insgesamt – und offensichtlich ist es ein europäisches Problem – über Jahre geglaubt, die Zeiten ewigen Glücks wären angebrochen und die Sicherheitslage hätte sich nachweislich so entspannt, dass wir einfach nicht mehr so viel Polizei brauchen würden. Diese Annahme ist falsch gewesen.
Es gab in allen Parteien Personen, die darauf hingewiesen haben. Jetzt müssen wir dieser Entwicklung hinterherlaufen. Das ist leider so. Aber diese Staatsregierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit haben die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um entsprechend Personal aufzubauen.
Sie können aber nicht mit den Finger schnippen und sagen, juhu, jetzt haben wir tausend Beamte mehr, sondern Sie müssen diesen Personalbereich aufbauen. Wir haben den Einstellungskorridor verdoppelt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie brauchen Unterbringungskapazitäten, Lehrer und Ähnliches. Punkt.
Herr Wippel, bei Ihnen ist sehr charmant deutlich geworden, wie Mikro- und Makrokosmos funktionieren. Es ist die Frage: Sitzen Sie in der Suppenschüssel oder auf dem Rand und sehen mehr als drin?
Wenn Sie in Ihrer Suppenschüssel hocken, dann können Sie unter Beurteilung Ihrer Rahmenbedingungen natürlich so viel Angst erzeugen. Die Realität ist, wenn Sie die sächsische Kriminalitätsstatistik, die sächsischen Zahlen ins Verhältnis zu denen anderer Bundesländer setzen, aber auch ins Verhältnis beispielsweise zu denen anderer europäischer Staaten, dann liegen sowohl die Kriminalitätshöhe als auch die Aufklärungsquote in einem ganz anders zu betrachtenden Bereich. Das heißt nicht, wir sollten uns ausruhen, aber hier das Szenario von Amoklauf und Terror in der Gesellschaft zu zeichnen, das hat mit der Realität nichts zu tun. Wir müssen uns diesen Herausforderungen stellen.
Kurz zum Thema Einbrüche. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass 40 % allein Versuche sind, wo Sie feststellen, es hat jemand versucht, aber keinen Täter festgestellt haben. Insoweit relativiert sich das.
Auch zur Ausländerkriminalität. Ja, ich finde es richtig vom Staatsminister, auch das Thema anzusprechen. Wir haben ein Problem mit Ausländerkriminalität, aber um der Wahrheit Genüge zu tun, heißt es auch, zu sagen, dass 1,1 % der hier lebenden Ausländer 38 % der Gewaltdelikte begehen. Das heißt, wir haben es mit einer Gruppe von Intensivstraftätern zu tun, insbesondere aus dem Bereich der Maghrebstaaten. Dagegen müssen wir konsequent vorgehen, aber bitte keine Pauschalisierung.
Herr Stange, schade dass ich Ihnen jetzt nicht mehr so viel Zeit widmen kann. Ich versuche es aber jetzt einmal in 30 Sekunden.
Ja, die innere Sicherheit ist die Kernkompetenz der CDU. Repression, Überwachung und Abschiebung sind Instrumente von innerer Sicherheit.
Sie sind ein Teil des Ganzen. Ich werde mich dafür nicht entschuldigen. Es gehören andere Bereiche dazu. Die Wahrheit ist: Zum Schluss ist innere Sicherheit wie alles nicht schwarz und weiß, sondern grau und hat zwei Seiten. Wir bemühen uns darum, beide zu betrachten.
Zum Schluss: Ich lade Sie ein, Herr Stange. Bringen Sie jetzt ein bisschen mehr „Butter bei die Fische“. Dann kann ich mich auch noch einmal ordentlich aufregen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass man Debatten über innere Sicherheit und abzuleitende Konsequenzen ruhiger führen kann. Ich glaube auch, dass es für die Qualität der Debatten gut wäre, wenn man sie etwas ruhiger führen würde, auch wenn das manchmal Spaß macht. Das gebe ich natürlich zu.
Ich beginne mit einer kurzen Antwort in Richtung des Herrn Wippel. Mir fällt auf, dass Sie bei Ihrem Vergleich, wie sich Kriminalitätszahlen entwickelt haben, konsequent nur den Zweijahresrhythmus betrachtet haben.
Das führt uns aber nicht weiter. Ich glaube, es hilft auch Ihnen sehr, wenn Sie die Langzeitentwicklung betrachten. Dann kommen Sie ebenfalls zu der Erkenntnis, dass die Kriminalitätsbelastung im Freistaat Sachsen tatsächlich um das Mittel von 300 000 Straftaten in etwa schwankt. Es hat nichts mit Anstieg in den letzten zwei Jahren zu tun, sondern es ist eine relativ normale Entwicklung.
Zum Thema internationaler Terrorismus und mögliche Konsequenzen daraus: Natürlich beschäftigt dieses Thema alle Sicherheitsbehörden in Deutschland. Auch wir im Sächsischen Landtag haben uns seit Monaten damit auseinandergesetzt. Wir alle wissen, dass sich der Terrorismus verändert, dass sich die Strategien verändern und dass sich die Strategien der Sicherheitsbehörden verändern müssen und möglicherweise auch das Instrumentarium. Mir ist es im Zweifel immer lieber, eine Straftat verhindern zu können, als vielleicht eine begangene
Aber nicht alles, was technisch oder politisch gewünscht ist oder geht, ist auch wirklich gut; denn wir müssen bei dieser Debatte immer abwägen, wie viel Sicherheit wir tatsächlich erzeugen können, wie viel Sicherheit wir brauchen und wie viel Freiheit wir ermöglichen können; denn wir wollen unsere Bürgerinnen und Bürger nicht unnötig in ihren Bürgerrechten, in ihrer Freiheit einengen. – So viel vielleicht dazu. Ich glaube, dass wir uns in den nächsten Monaten dazu gelegentlich wieder unterhalten werden, wenn diverse Vorschläge diskutiert werden.
Ich möchte noch auf einen zweiten Schwerpunkt aus der Kriminalitätsstatistik eingehen, und zwar auf die Gewaltkriminalität. Ich finde schon, dass der Anstieg bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung um circa 1 000 Fälle – das sind 20 % – besorgniserregend ist. Auch Raubdelikte stiegen um 200 Fälle, um 11 %. Das ist zahlenmäßig zwar nicht ganz so viel, aber wenn man bedenkt, was dahintersteht, muss uns das zu denken geben.
Auf der anderen Seite und auch im Langzeitvergleich haben wir bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und auch bei Tötungsdelikten keine Steigerung, sondern schon bekannte Schwankungen um ein Langjahresmittel. Aber wir haben allgemeine Verrohungstendenzen in unserer Gesellschaft, nicht erst seit zwei Jahren; aber seit zwei Jahren beschleunigen sie sich. Das ist festzustellen. Es ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt. Es findet sich bei Nichtdeutschen und bei Deutschen. Es findet sich bei Tatverdächtigen aller Altersgruppen und bei verschiedenen Motivlagen. Beispielsweise trifft das auch auf die politisch motivierte Gewaltkriminalität zu. Deren Gesamtzahlen sind zwar gesunken, und das korrespondiert auch mit der gesellschaftlichen Entwicklung, der Beruhigung der Stimmung, aber es ist kein Grund zur Beruhigung; denn wir haben immer noch mehr Straftaten als vor 2015.
Mit Blick auf die Entwicklung der Gewaltneigung insgesamt möchte ich, statt auf repressive Möglichkeiten hinzuweisen, Ihnen nachdrücklich ans Herz legen, sich für die flächendeckende Stärkung der unterschiedlichsten Präventionsangebote einzusetzen; denn die Polizei ist die letzte Institution, die tatsächlich eine Gewaltstraftat unmittelbar grundsätzlich verhindern kann. Es sind andere Institutionen in unserer Gesellschaft, die das erreichen können.
Zur Frage der Kriminalität durch Nichtdeutsche möchte ich nur einen Punkt noch einmal herausgreifen: Es ist richtig, dass durch Polizei und Justiz aus meiner Sicht die mehrfachen Intensivstraftäter besonders in den Blick genommen werden. Schließlich wissen wir dadurch, dass ein so geringer Prozentsatz der Nichtdeutschen in unserem Land für einen sehr großen Teil der Straftaten ver
antwortlich ist. Aber wir dürfen es nicht dabei belassen, nur diese Mehrfachintensivstraftäter in den Blick zu nehmen; denn wir haben unter den deutschen Straftätern, vor allem den jungen Erwachsenen, ein genauso großes Problem mit solchen Intensivstraftätern. Ich glaube, dass wir dazu beitragen können, dass unser Land durch eine intensive Beobachtung und Bearbeitung dieser Gruppen sicherer wird. Mein Wunsch wäre, dass wir das ganz konkret in nächster Zeit angehen.
Nach Herrn Kollegen Pallas hören wir jetzt gleich wieder Herrn Kollegen Stange für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Hartmann, natürlich gehört diese von Ihnen gezeichnete eine Seite der Medaille zur Gesamtmedaille dazu. Nur ist es ziemlich schwierig, wenn Sie Ihre Kompetenz darauf beschränken. Das habe ich kritisiert, weil wir Kriminalitätsentwicklung nur verstehen und tatsächlich bekämpfen können – – Kollege Pallas hat auf das Anwachsen der Gewaltkriminalität, der Verrohung der Gesellschaft hingewiesen. Ansonsten bekämpfen Sie nur Symptome. Das, was in unseren Strafvollzugseinrichtungen sitzt, ist im Grunde ein Ausdruck von Symptombekämpfung, aber nicht von Kriminalitätsbekämpfung.
Das heißt, wir müssen uns viel intensiver der Frage von Lebenslagen nähern, von Motivation für Gewaltkriminalität, Motivation für Beschaffungskriminalität. Da kennen wir im Wesentlichen die Motivation, und trotzdem ist sie auf dem Vormarsch; denn die Zahl von Einbrüchen in Kellerräume, in Waschküchen, Fahrraddiebstähle, andere Einbruchsdiebstähle der nicht so schwerwiegenden Art sind im überwiegenden Teil ein Anhaltspunkt genau für diese Beschaffungskriminalität. Deshalb kann ich nicht ganz nachvollziehen, dass wir anhand der gesunkenen Kontrolldichte eine gesunkene Anzahl von Delikten im Bereich Crystal Meth und Ähnlichem konstatieren, aber wenn man sich den Suchtbericht anschaut, eine gleichbleibend hohe Anzahl von Crystal-Konsumenten haben, die in den Beratungsstellen aufschlagen. Das sind nicht alle, die dort aufschlagen.
Wir haben ein Anwachsen im Drogenbereich insgesamt über die gesamte Bandbreite. Das heißt, wir müssen uns viel intensiver genau dieser Problematik nähern, um zu verstehen, was da passiert, und um es bekämpfen zu können. Ansonsten machen wir – ich wiederhole mich – Symptombekämpfung, nicht Kriminalitätsbekämpfung.
Kollege Hartmann, nein, es waren nicht die Zeiten ewigen Glücks zu Ende, sondern man ist endlich auf den Trichter gekommen, dass uns der Zeitgeist des Personalabbaus, der Schwarzen Null und der Staatsreduzierung im System, auch bei der Polizei, in die Strukturkrise geführt hat. Das war der Ausgangspunkt für das Umdenken, aber nicht das
Einen Fakt möchte ich hier ausdrücklich noch benennen: Das ist die Frage der organisierten Kriminalität. Bitte, ja, es sind kriminelle Banden, die schon fast gewerbsmäßig unterwegs sind und Wohnungseinbrüche in Größenordnungen verüben. Aber das ist nicht vergleichbar mit Phänomenen „Organisierter Kriminalität“, wo ich beide Buchstaben groß schreibe. Das allerdings scheinen wir in Sachsen überhaupt nicht mehr auf dem Schirm zu haben. Sie erinnern sich an den Abschlussbericht der Fachkommission zur Evaluierung der Arbeit der sächsischen Polizei. Dort wurde ausgeführt, man habe 44 Sachbearbeiter für organisierte Kriminalität, bräuchte pro Sachverhalt im Durchschnitt mindestens fünf Sachbearbeiter, bearbeite aber pro Jahr 17 Fälle – ein mathematisch unauflösbares Problem.
Wir sind überhaupt nicht in der Lage, mit unserem LKA der organisierten Kriminalität hinterherzusteigen – Geldwäsche, Glücksspiel.