Protocol of the Session on April 12, 2017

Eine weitere Zwischenfrage?

Wenn wir die Zeit anhalten, die drei Sekunden.

Ja, genau; das bringt alles wieder Zeit.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Bitte.

Lieber Herr Stange, wenn Sie vielleicht etwas ruhiger sprechen würden, würde uns das mehr begeistern.

Aber die Frage ist: Müssten wir, wenn Sie das bereinigen wollen, nicht zum Beispiel auch die steuerrechtlichen

Verstöße bei deutschen Straftätern herausrechnen? Das wird aber nicht gemacht, die bleiben drin.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Wie bitte?)

Also überlegen Sie einmal, ob Ihr statistischer Ansatz der richtige ist.

Herr Spangenberg, die Frage ist ja, ob alle steuerrechtlichen Straftaten auch aufgeklärt werden. Wenn das der Fall wäre, dann könnten wir uns vielleicht auf ein solches Herausrechnen verständigen. Das ist aber nicht der Fall. Es werden nicht alle aufgeklärt; es werden noch nicht einmal alle entdeckt – das ist ja der Punkt.

Damit sind wir bei der PKS, bei der Polizeilichen Kriminalstatistik, einem generellen Problem. Sie ist im überwiegenden Teil eine Anzeigen- und eine Tatverdächtigenstatistik, sie sagt im Wesentlichen aber nichts – nein, das korrigiere ich –, sie sagt nicht alles über die Kriminalitätsentwicklung im Land. Auch daran sollten wir uns endlich gewöhnen, ehe wir uns hier über Gebühr gegenseitig über das Absinken oder Anwachsen von Kriminalität begeistern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Kollege Stange für die Fraktion DIE LINKE. Für die AfDFraktion kommt jetzt Herr Kollege Wippel ans Rednerpult.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Wir wollen heute über die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik des Jahres 2016 sprechen. Die Debatte heißt: „Damit Sachsen sicher bleibt“. Darin steckt schon der erste Fehler,

(Albrecht Pallas, SPD: Nein!)

denn gerade die Allgemeinkriminalität hat sich in den letzten Jahren verändert, und das nicht zum Positiven. Nein, sie hat sich in den letzten zwei Jahren leider zum Negativen entwickelt. Es ist auch keine Überraschung, dass es so gekommen ist. Man hat es ja geahnt.

(Albrecht Pallas, SPD: Langzeitbetrachtung, Herr Kollege!)

Wenn der Minister in seiner Pressekonferenz jetzt sagt, die Sicherheitslage habe sich verändert – nun ja: Meiner Meinung nach hat sich die Sicherheitslage seit letztem Jahr nicht verändert, es ist Ihnen nur erst jetzt bewusst geworden; das ist der Punkt.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Aber kommen wir zu den Fakten. Die Aufklärungsquote – da ist es wichtig, über die Allgemeinkriminalität zu sprechen, die uns betrifft, und nicht über ausländerrechtliche Verstöße – ist gesunken. Sie sinkt seit Jahren kontinu

ierlich. In den letzten drei Jahren ist sie um 1 % gesunken. Der Anteil der Fälle, die die sächsische Polizei aus eigener Kraft aufklären konnte, ist auf 52,7 % gesunken. Wenn man noch die „geschenkten“ aufgeklärten Fälle durch andere Landespolizeien oder die Bundespolizei berücksichtigt, kommt man noch einmal ein gutes halbes Prozent höher.

Besorgniserregend ist die Anzahl der Wohnungseinbrüche: Sie ist um 10 % gestiegen. Als wir das letzte Mal eine Debatte zu diesem Thema geführt haben, haben Sie uns noch gesagt, wir würden falsche Zahlen vorlegen – diese Entwicklung haben wir vorausgesagt. Die Aufklärungsquote unterdessen sinkt seit Jahren, diesmal auf 19,7 %. Ja, man kann das auch aufrunden und sagen: Sie liegt bei 20 %. Aber sie sinkt, das ist der Punkt.

Bei Diebstählen in besonders schwerem Fall ist die Aufklärungsquote noch geringer, da sind wir bei 15,6 % – Wahnsinn! Dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die Leute nachher nicht mehr zur Polizei gehen und keine Anzeige erstatten. Nicht erstattete Anzeigen tauchen logischerweise nicht in der Statistik auf. Dann sagen Sie wieder, Sachsen sei sicherer geworden.

(Beifall bei der AfD)

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Betäubungsmittelkriminalität. Hier stellen wir eine Stagnation der Zahlen fest, aber eine Veränderung im Detail, nämlich mehr Verstöße im Zusammenhang mit Cannabis. Diese Verstöße unter der Einwirkung von Cannabis – vor allem den Anstieg – stellen wir in erster Linie bei Menschen fest, die noch nicht so lange hier leben, bei unseren Zuwanderern. Die Zahl der Verstöße unter Einwirkung von Crystal ist wiederrum gesunken – genau wie als Vergleichswert im Bereich der Kontrollkriminalität auch die Zahl der Verkehrskontrollen, der Anhaltekontrollen gesunken ist.

Das zeigt uns, dass sich die Lage nicht entspannt, sondern dass das Problem weiterhin fortbesteht, und zwar in erheblichen Größenordnungen. Nur kommt die Polizei noch weniger zum Kontrollieren, als es in den letzten Jahren der Fall gewesen ist.

Wenn der Minister sagt, er lege seinen Schwerpunkt auf den Einfuhrschmuggel von Betäubungsmitteln, dann hat er, muss ich sagen, die Zuständigkeiten verkannt, denn sie liegen nicht bei der Landespolizei, sondern beim Zoll.

(Zuruf des Staatsministers Markus Ulbig)

Auch bei Rohheitsdelikten, ebenfalls ein wichtiger Bereich, gibt es eine sehr negative Entwicklung. Hoch problematisch ist der Anstieg: 19 % bei gefährlicher und bei schwerer Körperverletzung, also Straftaten, bei denen mehrere auf einen Menschen einschlagen bzw. vielleicht noch Messer verwendet werden. 10 % betrug der Anstieg bei Raub. Die Aufklärungsquote in diesen Bereichen, die eigentlich immer ganz gut war, ist auch hier wieder gesunken.

Jetzt könnte man sagen: Ja, typisch Sachsen, hier sind eben alle total brutal. Nein, die Zahl der ermittelten

deutschen Tatverdächtigen ist um 500 Personen gesunken. Trotzdem gibt es einen Anstieg. Das heißt, durch Ausländer, die nach Sachsen gekommen sind, ist dieses Absinken bei der deutschen Bevölkerung weit mehr als überkompensiert worden.

Schauen wir uns jetzt noch ganz schnell das Regionale an.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ganz schnell!)

Besonders besorgniserregend ist aus meiner Sicht der Bereich Chemnitz. Chemnitz war immer die sicherste Großstadt in Sachsen.

(Staatsminister Markus Ulbig: Ist sie ja auch!)

Auch hier verzeichnen wir 20 % Zunahme bei Sexualdelikten, 700 zusätzliche Diebstähle in besonders schwerem Fall, einen Anstieg um 57 % bei Diebstählen aus Kraftfahrzeugen und um 23 % bei Wohnungseinbruchdiebstählen. In Leipzig haben wir ein ähnliches Bild. Überall in Leipzig hat sich die Lage verschlechtert. Jeder vierte Täter ist ein Ausländer.

Besonders hervorzuheben ist hier das Absinken der Grenzkriminalität.

Ihre Redezeit, Herr Kollege Wippel, ist zu Ende.

Trotzdem ist das noch ein Schwerpunkt. Auch hier ist jeder vierte Täter ein Ausländer, sowohl an der tschechischen als auch an der polnischen Grenze. Görlitz kann sich in der Häufigkeitsziffer noch immer mit Berlin messen. Na, das sind doch Erfolge, die wir feiern können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war gerade Herr Wippel für die AfD-Fraktion. Als letzter Redner in der ersten Rederunde folgt Herr Kollege Lippmann für die Fraktion GRÜNE.

Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich den AD-Titel loben. Die Botschaft ist eindeutig: Wenn Sachsen sicher bleiben soll, dann ist Sachsen sicher. Das entspricht mit Blick auf die Zahlen auch der Realität.

Gab es 2014, also vor dem Zuzug vieler Flüchtlinge, noch 8 086 Straftaten je 100 000 Einwohner, liegen wir 2016 mit 7 950 Fällen noch weit unter den Häufigkeitszahlen von 1995.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Warum erzähle ich das? Das Gefühl von Sicherheit oder Unsicherheit hängt stark davon ab, wie wir darüber sprechen. Behaupten wir trotz objektiv anderer Tatsachen immer, es werde alles schlimmer, dann betreiben wir das Geschäft von Rechtspopulisten. Herr Wippel hat ja nun gerade wieder das leibhaftige Beispiel auf zwei Beinen gegeben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN – Oh-Rufe von der AfD)

Herr Innenminister, ich finde, Sie müssen das verinnerlichen, denn mit Ihren Botschaften in der Pressekonferenz konnte man nur unzufrieden sein: „Mehr Kriminalität durch Zuwanderer“ – die Botschaft war fertig, auch wenn Sie dann versucht haben, die Zahlen in der Pressekonferenz einzuordnen, auch mit dem Hinweis, dass es unter den Zuwanderern mehr junge Erwachsene gibt und dass auch die vergleichbare deutsche Alterskohorte mehr Straftaten begeht.

Anstatt Panik zu verbreiten, kann man den Zahlen nämlich entnehmen, dass rund 15 % der Zuwanderer straffällig geworden sind. So hoch liegt der Anteil straffällig gewordener Zuwanderer im Jahresdurchschnitt der Jahre 2012 bis 2014. Zuwanderer sind also nicht krimineller geworden, sondern lediglich mehr. Welch eine Erkenntnis! Mehr „Biodeutsche“ sind insgesamt auch krimineller als weniger.