Protocol of the Session on April 11, 2017

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aufnahme neuer Staatszielbestimmungen in die Verfassung ist nichts Ungewöhnliches, sehr geehrter Herr Gebhardt.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach!)

Liebe Altparteien, denken Sie einmal an Artikel 20 a des Grundgesetzes: Zunächst wurde der Umweltschutz, danach der Tierschutz ergänzt. Die SPD brachte im September 2012 im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Aufnahme von Kultur und Sport in das Grundgesetz ein. Herr Gebhardt, DIE LINKE brachte einen eigenen Antrag mit dem Titel „Kulturgut stärken, Staatsziel im Grundgesetz verankern“ ein. Hören Sie das Wort „Kulturgut“?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

Ich betone noch einmal: Neue Staatszielbestimmungen in die Verfassung aufzunehmen ist nichts Ungewöhnliches.

Doch nun zurück zur deutschen Sprache! Im Jahr 2009 fand eine repräsentative Umfrage der TU Dresden statt, in deren Ergebnis 85 % der Deutschen für eine verfassungsrechtliche Verankerung der deutschen Sprache votierten. Norbert Lammert nahm im November 2010 eine Liste mit mehr als 46 000 Unterschriften von Bürgern entgegen, die die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz forderten. Es gibt eine Ausarbeitung über „Die Auswirkungen der Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz auf die Rechtsstellung von Minderheiten“ aus dem Jahr 2011. Ich habe sie gelesen.

Horst Seehofer kündigte am Aschermittwoch 2011 vollmundig an, ein Bekenntnis zur deutschen Sprache in die Bayerische Verfassung aufzunehmen. Dies wurde nicht realisiert.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aschermittwochsrede!)

Sie spüren: Die deutsche Sprache ist wichtig, und es haben sich vor uns schon andere bemüht, sie in Verfassungen aufzunehmen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Seehofer und deutsche Sprache – das sind zwei Dinge, die nicht zusammenpassen!)

Sie hatten ein Kulturgut angefragt, Herr Gebhardt. – Eine Staatszielbestimmung zugunsten der deutschen Sprache ist verfassungsgemäß, aber von Ihnen, liebe Altparteien, nicht gewollt. Das ist völlig in Ordnung. Die AfD bekennt sich zu einer Stärkung der deutschen Sprache; das haben Sie richtig erkannt. Sprachen können wachsen, und sie können sich entwickeln. Sie können aber auch verkümmern und verdrängt werden oder sogar aussterben. In einem solchen Fall ist es die natürliche Aufgabe der politisch Verantwortlichen, darauf zu reagieren. Was meinen wir damit, wenn wir die deutsche Sprache schützen wollen? Wovor?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Haben Sie denn Angst, dass die deutsche Sprache ausstirbt?)

Seien Sie doch mal still, Herr Gebhardt. Sie können doch dann eine Frage stellen.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war Deutsch eine wichtige wissenschaftliche Publikationssprache. Das ist vorbei. Die Sprache von 84 Chemie-, Physik- und Medizinnobelpreisträgern plus 18 österreichischen und elf schweizerischen ist inzwischen zum Wissenschaftsdialekt geschrumpft. Wichtige Symposien finden hierzulande längst zweisprachig, wenn nicht ausschließlich anglofon statt. Ob Mathematik, Medizin, Ökonomie, Kulturgeschichte – die internationale Forschung nähert sich der kompletten Anglifizierung. Englischsprachige Fachpublikationen kommen weltweit auf einen Anteil von über 90 %. Gerade einmal ein Hundertstel erscheint noch in Deutsch. Wer sich nicht englisch artikuliert, wird auch nicht mehr wahrgenommen, und ja, Sie haben recht: Wir sind gegen Genderismus.

Nun möchte ich gern auf die Redebeiträge meiner Kollegen eingehen. Die Qualität spricht für sich. Besonders viel Neues gab es auch nicht. Trotzdem, Herr Modschiedler: Eine Kollision der deutschen Sprache mit dem Minderheitenschutz nur aufgrund des Standortes kann ich derzeit nicht erkennen. Herr Sodann, Sie haben die Argumente von Herrn Kosel wiederholt. Dadurch werden sie nicht besser. Ich hatte bereits mitgeteilt, dass wir nicht glauben, dass die deutsche Sprache eine Minderheitensprache ist oder bedroht wäre,

(Zuruf des Abg. Harald Baumann-Hasske, SPD)

sondern wir haben darauf hingewiesen, dass die deutsche Sprache den Standort verdient, den auch Frankreich und andere europäische Länder für ihre jeweilige Sprache in der Verfassung verankert haben. Das ist etwas anderes.

(Beifall bei der AfD)

Nun möchte ich noch einmal auf den Kollegen BaumannHasske eingehen. Sie haben darauf hingewiesen, wenn sich die Menschen – das war übrigens das Gleiche wie im Ausschuss – nicht an die Genderregeln usw. halten würden, dann würde die AfD an Verbote, Strafen und Ordnungswidrigkeiten denken. Ich darf Ihnen noch einmal zur Kenntnis geben: Wir denken nicht an so etwas. Aber wenn Sie an so etwas denken, dann denke ich daran, dass Heiko Maas bei Facebook tatsächlich an Strafen denkt. Und ich denke dann, dass Artikel 5 echt in Gefahr ist.

Liebe Frau Meier, wenn ich höre, was Sie so alles erzählen, dann muss ich sagen, es ist inhaltslos. Und wenn ich Ihren letzten Vergleich sehe, dann ist es auch recht geschmacklos. Deshalb werde ich inhaltlich darauf nicht eingehen.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss – ich weiß, ich möchte Sie nicht langweilen und es auch nicht unnötig ausdehnen –: Während der Beratung zu unserem Gesetzentwurf wendeten Sie mehrfach ein: Da sich eine Sprache ohnehin dorthin entwickelt, wohin sie will, betreiben wir nur symbolische Politik. Bis zu einem gewissen Grad trifft das zu. Herzlichen Glückwunsch! Symbolische Politik ist enorm wichtig. In Symboliken kristallisieren sich ganze Gesellschaften. Schauen Sie auf die Bedeutung von Fahnen, Wappen, Emblemen, Hymnen und Manifestationen. Politik heißt: Richtung geben. Politik heißt: Haltung zeigen. Und das macht man nicht nur mit Gesetzen, Maßnahmen, Eingriffen, –

(Zuruf des Abg. Harald Baumann-Hasske, SPD)

Ich habe Ihnen schon mal gesagt: Gehen Sie ans Mikrofon!

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

sondern auch mit symbolhaften Bekundungen. Wir wollen mit diesem Antrag bekunden, dass wir unsere Sprache für schutzwürdig halten.

(Zuruf des Abg. René Jalaß, DIE LINKE)

Sie ist für uns überlebenswichtig. Und Sie dürfen eines nicht vergessen, meine Damen und Herren: Wenn Sie unseren Antrag ablehnen, dann handeln Sie auch symbolisch.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Dann bekunden Sie nämlich, dass Sie die deutsche Sprache nicht für besonders schützenswert halten.

(Zurufe der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE, und Harald Baumann-Hasske, SPD)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Susanne Schaper, DIE LINKE: Warum überlebenswichtig? So ein Quatsch!)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Frau Dr. Muster, wünschen Sie noch eine dritte Runde?

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Das ist auch nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Gemkow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die AfD-Fraktion schlägt eine Änderung der Sächsischen Verfassung zum Schutz der deutschen Sprache vor. In Artikel 5 soll ein neuer Absatz aufgenommen werden, nach dem die deutsche Sprache ein Kulturgut ist, das der Freistaat schützt und fördert.

Weiter zu den Gründen: Während die Verfassung nationalen Minderheiten die Pflege ihrer Sprache gewährleiste, werde die deutsche Sprache auf Verfassungsebene nicht hinreichend berücksichtigt. Sie sei aber durch den steigenden Einfluss von Fremdsprachen und politische Entwicklungen, wie die gendergerechte Sprache, bedroht. Mit der Regelung solle der deutschen Sprache der Stellenwert zukommen, den sie im täglichen Leben einnehme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum stellt unsere Sächsische Verfassung die Sprachen der zum sächsischen Staatsvolk gehörenden ethnischen Minderheiten unter einen besonderen Schutz, aber nicht die deutsche Sprache? Warum schützt die Verfassung die Opposition und nicht die Regierungsmehrheit? Warum schützt das Recht ganz allgemein die Schwachen vor den Starken? Ist es wirklich schon so weit gekommen, dass wir die deutsche Sprache unter Schutz stellen müssen?

Natürlich leistet Sprache einen ganz wesentlichen Beitrag zur Identifikation, zur Zusammengehörigkeit und zur Bindung und Bildung von nationaler Identität. Insofern sind auch keine Defizite feststellbar. Selbst 40 Jahre deutsche Teilung haben weder der deutschen Sprache noch dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen

ernsthaft schaden können. Was sollen ihr da Fremdwörter, wie wir sie seit Jahrhunderten importieren, oder sprachliche Trends anhaben?

Was der Gesetzentwurf will, ist ein Einfrieren der deutschen Sprache, wie wir sie heute kennen. Sprache aber ändert sich. Sie muss sich ändern und muss leben dürfen, um mit der Entwicklung der Gesellschaft Schritt zu halten – genau so, wie wir uns selbst immer weiterentwickeln müssen.

Aber nicht nur politische, sondern auch rechtliche Argumente lassen sich anführen. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Rechtschreibreform ausgeführt, dass die Sprache zwar nicht gänzlich dem staatlichen Zugriff entzogen ist, sie kann aber nur bedingt staatlich reguliert werden. Was man mit der vorgeschlagenen Regelung erreichen könnte, ist auch ohne sie bereits Wirklichkeit. Öffentliche Stellen sind zu einer gewissen kulturellen Daseinsfürsorge im Hinblick auf die Sprachpflege gehalten. Wenn der Staat Schulen und Theater betreibt, Film und Literatur fördert, tut er genau das.

Gerichtlich durchsetzbar ist das aber nicht, und das wird es auch nicht werden, wenn der Landtag den hier vorliegenden Entwurf verabschiedet. Angesichts des geringen praktischen Ertrages des Anliegens sollten wir den Verfassungstext nicht damit belasten. Wir brauchen ihn viel dringender als durchsetzbare Grundlage unseres Gemeinwesens.

Aber vor allem Gesagten: Viel besser als durch die Verfassung schützen wir die deutsche Sprache durch mehr Sorgfalt bei ihrem Gebrauch, sowohl durch Sprachvermögen, aber besonders durch Form, Anstand und Respekt gegenüber den Adressaten unserer Worte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Aufnahme der deutschen Sprache als Kulturgut in die Sächsische Verfassung, Drucksache 6/7209, Gesetzentwurf der AfD-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Es liegt ein Änderungsantrag, Drucksache 6/9220, vor. Soll dieser eingebracht werden? – Frau Dr. Muster, bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es kurz: Der Änderungsantrag nimmt die Änderungsaufforderungen des Parlamentarischen Dienstes auf. Wir haben diese eingepflegt, und der Wortlaut liegt Ihnen vor. Wir bitten um Zustimmung. – Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Wer der Drucksache 6/9220 seine Zustimmung geben möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Bei