Protocol of the Session on March 15, 2017

(Beifall bei der AfD)

Vielleicht hätten Sie besser Ihre Rede vorher einmal mit Herrn Tillich oder Frau Merkel abgestimmt. Ich glaube nicht, dass sie mit Ihren Worten von Volkssouveränität etwas anfangen können; sie verhalten sich nämlich permanent in entgegengesetzter Richtung.

Meine Damen und Herren! Die Gründungsväter der EU wollten selbstverständlich keinen Suprastaat EU, und sie wollten auch nicht, dass die Unterschiede zwischen dem geografischen Gebilde Europa und einem politischen Konstrukt aus damals – im Jahr 1958 – sechs Ländern verwischt werden. Das ist das, was gerade die Fehlentwicklung dieser Europäischen Union ausmacht.

Nun zum Parlament und zur Demokratie in Europa, die Sie ja gern hochhalten. Was hätten Adenauer und de Gaulle dazu gesagt, dass gerade in diesem EU-Parlament, das gerade kein Europaparlament ist, der Grundsatz „One man – one vote“ vollkommen ausgehebelt ist. Nur, damit Sie sich die Zahlen merken können: Die Schweden haben bei circa 10 Millionen Einwohnern 20 Sitze, aber rund 80 Millionen Deutsche 96 Sitze. Noch schlimmer ist es, wenn Sie sich Malta oder Zypern anschauen. Malta hat zehnmal so viele Sitze wie Deutschland in diesem EUParlament. Noch dazu gibt es kein Gesetzesinitiativrecht. Dieses wird über nichtgewählte europäische Institutionen wie den Ministerrat und die Kommissionen ausgeübt.

Man könnte noch sehr viel mehr über die Mittelverschwendung in diesen europäischen Institutionen ausführen. Als Fazit muss man feststellen: Die EU ist undemokratisch, sie ist eine Steuerverschwenderin gigantischen Ausmaßes, sie ist ein Selbstbedienungsladen für eine Parallelgesellschaft aus Funktionären und Apparatschiks.

(Beifall bei der AfD)

Es gab zweifelsohne einen vernünftigen Ansatz der Römischen Verträge im Jahr 1958, aber die Gründungsväter dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hatten eben nicht die Aufgabe staatlicher Demokratie und staatlicher Souveränität im Kopf.

Der schlimmste Sündenfall ist die Einführung des Euro. Denn anstatt dafür zu sorgen, dass Märkte sich organisch entwickeln und dann überhaupt vereinigungsfähig sind, hat man unterschiedliche Volkswirtschaften unter ein gemeinsames und eben nicht funktionales Währungskor

sett gezwungen. Das geben inzwischen heute auch die allermeisten Wirtschaftsexperten zu.

(Beifall bei der AfD)

Die Folgen sind bekannt: auf der einen Seite starke Länder wie Deutschland mit einer zu schwachen Währung, riesigen und für die Binnenwirtschaft schädlichen Exportüberschüssen und einer niedrigen Arbeitslosigkeit, aber auch einer geringen Binnennachfrage und auf der anderen Seite – das macht die Spaltung dieser Europäischen Union aus – arme Länder in Südeuropa, die nicht wettbewerbsfähig sind, die ihre Währung nicht abwerten können, mit gigantischer Arbeitslosigkeit, einem Migrationsdruck nach Norden und vor allem – das ist besonders tragisch – einer Perspektiv- und Zukunftslosigkeit gerade für die junge Generation.

(Beifall bei der AfD)

Liebe Kollegen Abgeordnete, wer allen Ernstes meint, die Schöpfer und Verteidiger der Europäischen Währungsunion um jeden Preis stünden in einer Traditionslinie mit den Unterzeichnern der Römischen Verträge, der muss wahrhaftig taub und blind und mit dem Klammerbeutel gepudert sein.

(Beifall bei der AfD – Na, na! bei der CDU)

Was kann man über den Gründungsvater in Deutschland sagen? Konrad Adenauer hat dazu im Jahr 1951 Folgendes geäußert: „Die Integration Europas muss erreicht werden, wenn wir die abendländische Kultur und das christliche Europa retten wollen. Die Integration Europas ist die einzig mögliche Rettung des christlichen Abendlandes.“

Ich frage mich, ob Frau Merkel oder Herr Tillich bereit wären, diese Rettung des Abendlandes heute noch zu unterzeichnen, wenn sie nicht einmal bereit sind, eigene Grenzen, ob im Inland oder an der europäischen Außengrenze, zu verteidigen. Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo würden wir heute stehen, wenn die Väter und Mütter der Römischen Verträge vor 60 Jahren nicht das europäische Momentum erkannt hätten? Und was werden wir in 20 oder 30 Jahren unseren Kindern und Enkeln darüber sagen, was wir heute in dieser Situation getan haben?

60 Jahre Römische Verträge bieten Gelegenheit, sich die Werte aus der Gründungsphase der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dann der Europäischen Union noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Freiheit, Frieden, Solidarität, gesellschaftlicher Aufbruch. Der Kontinent ist zusammengerückt; darauf wurde heute schon eingegangen.

60 Jahre Römische Verträge bieten aber auch die Gelegenheit, den Zustand der Europäischen Union und den Zustand der Integration in Europa zu reflektieren. Bei der Bewertung des Zustands und auch des Ausblicks für die Zukunft der Europäischen Union wird fälschlicherweise immer die Frage nach „mehr oder weniger“ Europa gestellt. Ich will nicht sagen, dass die Antworten darauf nicht relevant sind, aber ich glaube, die Frage ist falsch gestellt. Die Europafrage ist keine Gretchenfrage, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Vor allem führt sie in dieser Verkürzung auch dazu, Europafeinden in die Hände zu spielen und dazu, dass die Bedeutung des europäischen Einigungsprozesses nicht erkannt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD und vereinzelt bei der CDU – Martin Modschiedler, CDU: Bravo!)

Was durch diese fatale Vereinfachung geschehen kann, sehen wir unter anderem zurzeit im Vereinigten Königreich. Die Frage nur auf „mehr oder weniger“ zu reduzieren, ist ein Katalysator für die Europaskepsis. Richtiger wäre doch zu fragen: In welchen Bereichen brauchen die Bürgerinnen und Bürger von Europa zukünftig eine engere Zusammenarbeit auf Ebene der Europäischen Union?

Bisher haben wir in der Debatte tatsächlich noch wenig über eine mutige Sicht auf die Zukunft der europäischen Integration gehört. Das wundert mich nicht sehr, weil ich glaube, dass auch wir in Sachsen in den letzten 28 Jahren die europäische Einigung in West und Ost zu wenig mit Begeisterung für den Einigungsprozess unterlegt haben, diese auch schon immer zu wenig gefördert wurde. Ich befürchte auch mit Blick auf die Kohäsionspolitik der EU nach 2020, dass die Transferzahlungen, die nach Sachsen kommen, zu sehr in den Mittelpunkt gestellt und in erster Linie behandelt werden. Das ist sicherlich legitim, auch weil es selbstverständlich den Menschen im Freistaat zugutekommt. Ich erkenne auch den Einsatz und den vorausschauenden Ansatz des Staatsministers an. Hierin aber darf sich doch nicht das Handeln in unserem Freistaat, das sächsische Handeln mit Blick auf Europa erschöpfen. Dieses einseitige Versteifen auf die Förderpolitik und auf die Förderprogramme oder auf die Vereinfachung der Bürokratie nimmt uns doch selbst den Gestaltungsanspruch, auch auf europäischer Ebene.

Statt die Zukunft Europas in den Blick zu nehmen, diskutiert der Europaausschuss doch viel zu häufig die europäischen Gesetze, die vermeintlich oder auch real problematisch für Sachsen werden können. Der Subsidiaritätsmechanismus – Herr Kollege Schiemann hat es angesprochen – wird doch viel zu oft als Selbstverteidigungsinstrument der Landessouveränität politisch aufgebläht, statt tatsächlich als Instrument der Mitwirkung genutzt.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Es ist natürlich schwieriger, sich im Vorfeld zu beteiligen – weil es komplexer und anstrengend ist –, als im Nachhinein einfach zu kritisieren und abzublocken.

Lieber Herr Gebhardt, ich glaube aber nicht, dass es überall in Europa brennt. Aus meiner Sicht ist es auch gefährlich, das so zu sagen.

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Wir erleben doch gerade auch in Sachsen, wie viele Menschen sich aus der Zivilgesellschaft heraus für Europa einsetzen, die einen Prozess angestoßen haben, mit den sonntäglichen Pulse-of-Europe-Demonstrationen für

Europa einzustehen und durchaus positiv zu sagen: Wir wollen keinen Stillstand und schon gar nicht das Abwickeln des Integrationsprozesses. – Diese Menschen erheben ihre Stimme. Ich empfehle allen, dort einmal hinzugehen. Ich war in den letzten Wochen in Leipzig dabei. In Dresden gibt es diese Demonstrationen seit letztem Wochenende auch.

Es ist ermutigend, zu hören, wie die Menschen ihre Stimmen für ein menschliches Europa, für ein tief integriertes Europa, für ein freies und einiges Europa erheben. Ich sage auch: Nicht alles, was dort gesagt wird, teile ich hundertprozentig. Es ist aber ein deutliches Zeichen aus den Menschen heraus, aus der Gesellschaft heraus zu sagen: Wir brauchen dieses Europa. Es ist nicht nur ein Zeichen innerhalb Sachsens oder Deutschlands, sondern inzwischen überall in Europa. Das ist gerade auch am heutigen Tag wichtig, an dem wir die Wahlen in den Niederlanden sicherlich alle sehr interessiert verfolgen.

Auf die Frage, ob es zukünftig mehr oder weniger gemeinsame Politik für bestimmte Bereiche geben sollte, antworteten letzte Woche im Deutschlandtrend 78 % der Befragten: mehr gemeinsame Politik. Das waren 4 % mehr als im Juli 2016.

Bitte kommen Sie zum Ende!

Das heißt, die Menschen wissen, es gibt in vielen Bereichen Herausforderungen, die nur grenzüberschreitend gelöst werden können, und die Menschen wollen das. Sie wollen das in unserem Land, und sie wollen das in Europa. Deshalb sollten wir diese Chancen nutzen. Die Zeit ist angebrochen, um zu gestalten.

Frau Maicher, bitte kommen Sie zum Ende!

Vor allen Dingen werden wir dann in 20, 30 Jahren unseren Kindern und Enkeln auch Antworten geben können, die gut sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Wir gehen in die zweite Runde. Es beginnt wieder die CDU-Fraktion. – Herr Abg. Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist es richtig – Frau Dr. Maicher hat darauf hingewiesen: Das Europa, das wir brauchen, muss auch die Menschen verbinden. Es muss auch die Sorgen und Ängste der Menschen aufgreifen, und es darf sich eben nicht von den Menschen entfernen. Vielmehr müssen wir als der alte Kontinent in der Welt sagen – auch wenn man sich streiten kann, ob China doch ein wenig älter ist und Afrika früher besiedelt worden ist –, dass uns viel mehr verbindet zwischen den Völkern und Nationen.

Wir haben über 50 Sprachen in Europa. Uns verbindet in der Geschichte Gutes und Bitteres. Ich erinnere an die Kriege des letzten Jahrhunderts, an den Völkermord, der in Europa stattgefunden hat, nach denen Menschen doch wieder zueinandergefunden haben und sich die Hand gegeben haben. Das muss man sich einmal vorstellen! Gepeinigte Menschen haben nach dem Krieg wieder anderen Nationen, die Völker gepeinigt haben, die Hand gereicht. – Uns verbindet die Geschichte, die Musik, die Kultur. Uns verbindet vieles, das zwischen Ost-, West-, Süd- und Nordeuropa im Austausch stattgefunden hat.

Uns ist nach der friedlichen Revolution zuteilgeworden, auch an der Entwicklung teilzuhaben, die durch die Römischen Verträge begründet worden ist. Das ist unsere historische Chance, darin haben wir die Solidarität der Nationen und auch der Völker Europas gefunden und erhalten. Es lohnt sich, das immer wieder anzusprechen. Es lohnt sich auch, diese gemeinsamen Werte immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das sind die jüdischchristlichen Wurzeln, die unsere Völker und Nationen in Europa verbinden. Es gibt kaum Kontinente, die so stark durch diese jüdisch-christlichen Wurzeln verbunden worden sind, die dann durch Kultur weitergegeben worden sind, die in Sprache eingeflossen sind.

Die Verfassungen haben das dann weitergeführt, und uns verbindet ein wichtiger Grundsatz in den Verfassungen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. – Kollege Baumann-Hasske hatte auf die Menschenrechts-Charta hingewiesen. Das sollte aber gleichsam auch der Hinweis zum Handeln der Gewalten in der Europäischen Union sein. Selbstverständlich hat das Volk immer das letzte Wort, weil das Volk der Souverän ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das hier jemand in Abrede stellen würde, auch wenn die Populisten der Meinung sind, einem die Worte im Mund umdrehen zu müssen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Die Worte konkretisieren, Herr Schiemann! Ich habe genau das gesagt!)

Ach so, Sie wollten mich loben?

(Dr. Frauke Petry, AfD: Nein! – Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Gut, dann kann ich mich korrigieren und für das Lob bedanken für die Verfassung, die wir auch einzuhalten haben.

Ich glaube, dass wir dennoch eine Reform in der Europäischen Union benötigen. Wir müssen die Regionen stärken, denn sie sind das Fundament für ein friedliches Zusammenleben. Wir müssen auch darauf achten, dass in Brüssel nur die Fragen geklärt werden, die tatsächlich im Sinn der Gemeinschaft sind. Wir müssen uns auch der Frage stellen, ob die Europäische Union der Gehilfe für Großkonzerne ist, die in der globalen Welt ihre Globalisierung vorantreiben müssen. Müssen wir uns dieser Normpflicht der Großkonzerne als Europäische Union stellen? Müssen wir das?

Ist das die Aufgabe der Europäischen Union? Wir müssen die Europäische Union reduzieren auf die Aufgaben der Außenbeziehungen, auf die Friedensgestaltung, auf die Sicherheit, aber auch auf die Hilfe in Krisenregionen. Die Europäische Union hat hier in den letzten Jahren versagt. Was haben wir geholfen in Afrika, damit die Menschen dort bleiben und vielleicht in den Flüchtlingscamps ein besseres Leben haben als das, was wir vorgefunden haben, als wir im Königreich Jordanien das Flüchtlingscamp besucht haben?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist wichtig, dass Europa von den Bürgern empfunden werden muss. Wir müssen uns auch den Fehlentwicklungen stellen, nicht den Populisten das Wort reden. Darum geht es nicht. Aber wir müssen Antworten auf die Fragen der Bürger finden. Wir dürfen den Populisten nicht das Spielfeld überlassen. Damit Europa ein Europa der Bürger bleibt, brauchen wir diese Korrekturen.