Protocol of the Session on March 15, 2017

Nach dem Willen der AfD soll die Gruppengröße im Kindergarten acht Kinder nicht überschreiten, und die AfD fordert einen radikal anderen Ansatz für die Vereinbarkeit der Kinderbetreuung mit der Erwerbstätigkeit, denn sächsische Familien oder Alleinerziehende haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Beispiele: Die Angestellte in der großen Firma mit Betriebskindergarten, die Selbstständige, die auch mal am Wochenende arbeitet, die Studentin braucht zumindest eine Uni-Kita, die Schauspielerin ist abends oft beruflich gebunden. Wir müssen den Bedürfnissen unserer Kinder nach individueller Betreuung wieder Rechnung tragen. Eltern kleiner Kinder ist dafür der gesellschaftliche, finanzielle und arbeitsmarktrechtliche Druck zur doppelten Berufstätigkeit zu nehmen. Wir brauchen eine tatsächliche Wahlfreiheit ohne Diskriminierung elterlicher Betreuung.

Zentraler Ansatz der AfD dafür ist die Umlenkung der Mittel zurück zu den Familien. Geben wir den sächsischen Familien die Chance, ihre Bedürfnisse familien- und lebensnah selbst zu gestalten! Geben wir Ihnen für diesen Zweck das Geld wieder zurück, das wir Ihnen mit Steuern und Abgaben vorher abgenommen haben – für das Kindeswohl und eine gesunde Alterspyramide!

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Ich frage nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Frau Abg. Zais – auch hier mit dem Hinweis: zu den genannten Petitionen. Sie haben das Wort, Frau Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über Petitionen, die mit dem Kita-Betreuungsschlüssel

zusammenhängen. Ich werde ausschließlich zu einer Petition sprechen, zur Petition Nr. 05/04021. Das ist die Massenpetition unter dem Titel „Weil Kinder Zeit brauchen“. Die AfD hat es ebenfalls angekündigt. Ich habe nur in Ihrem Redebeitrag nicht ganz verstanden, was dieser Beitrag über den Wunsch der Eltern mit dieser Petition zu tun hat; denn die Petition spricht ausdrücklich für die hohe Wertschätzung, die Eltern den sächsischen Kindertagesstätten entgegenbringen, und nicht für das Gegenteil; das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen.

Aber es gibt natürlich nicht nur Positives bezüglich des vorschulischen Bereiches in Sachsen zu berichten, sonst hätten wir über diese Petition heute nicht zu diskutieren. Auch unsere Fraktion, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erklärt deshalb zu dieser genannten und zu den anderen Petitionen im Zusammenhang mit der Verbesserung des Personalschlüssels in sächsischen Kindertageseinrichtungen ihr abweichendes Stimmverhalten; denn keinesfalls – darin muss ich Frau Junge recht geben – ist, wie in der Beschlussempfehlung formuliert, dem Anliegen der Petenten Rechnung getragen worden. Alle – und ich kenne sehr viele unter Ihnen, mit denen ich das gemeinsam getan habe –, die sich in den letzten fünf Jahren in Sachsen um ein politisches Mandat beworben haben, wurden in vielen Veranstaltungen mit den Forderungen nach einer dringend gebotenen, tatsächlichen und substanziellen Verbesserung des Betreuungsschlüssels konfrontiert – substanziell auch deshalb, weil der auf dem Papier stehende Betreuungsschlüssel nur wenig mit der tatsächlichen Fachkraft-Kind-Relation zu tun hat.

Im Dezember 2016 hat die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege dazu Zahlen vorgelegt, und nach diesen Zahlen – das bestätigt auch der Trend der letzten Jahre – betreut in Sachsen eine Fachkraft in der Regel statt sechs, wie wir es im offiziellen Schlüssel stehen haben, neun Kinder in der Kinderkrippe; statt zwölf, wie es seit September 2016 für den Kindergarten gilt, sind es dort 18, und im Hort steht auf dem Papier: 22, tatsächlich sind es 25 und in immer mehr Fällen bis zu 30. Ich weiß das, meine Tochter ist Erzieherin im Hort, und sie berichtet von teils unerträglichen Situationen, wenn sie mit 30 Kindern zum Beispiel am Nachmittag allein im Freibereich ist. Das sind die tatsächlichen Bedingungen, mit denen wir es zum Teil zu tun haben. Ich möchte ausdrücklich den Hort nennen, da er in vielen Diskussionen – ich bin auch Stadträtin in Chemnitz – immer wieder vernachlässigt wird und nach meiner Auffassung in dieser ganzen Debatte eine relativ untergeordnete Rolle spielt.

Wenn man sich also diese tatsächlichen Fakten anschaut, dann ist das nichts – das sage ich wirklich aus ehrlichem Herzen –, worauf CDU und SPD stolz sein könnten, und es ist auch weit von dem entfernt, was die Petenten fordern. Auch wenn Sie nicht müde werden zu betonen, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbesserungen als Einstieg zu werten sind, bleibt es dabei: Sie handeln spät und zögerlich, und die vereinbarten Absenkungsschritte gleichen einer Tippel-Tappel-Tour. Sie sind nicht mehr als Kosmetik. Das ist bitter für die Betroffe

nen, auch deshalb, weil angesichts der guten finanziellen Situation des Freistaates ein deutlicher Schritt, wie ihn unsere Fraktion zu den Haushaltsberatungen eingebracht hat, möglich gewesen wäre. Also, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, seien Sie ehrlich, auch zu den Petenten! Sagen Sie, dass Sie andere Prioritäten haben, aber hauen Sie der Öffentlichkeit nicht die Taschen voll mit dem Satz – jetzt zitiere ich –: „Der Sächsische Landtag ist dem Anliegen nach einem besseren Personalschlüssel jedoch grundlegend und weitgehend gefolgt und sieht die Petition im Sinne der Qualitätssteigerung an sächsischen Kindertageseinrichtungen demnach als abgeholfen.“

Drei Minuten – das sagen die Fachleute aus den Kitas – zusätzliche Arbeit am Kind pro Tag macht die jetzt vereinbarte Absenkung des Betreuungsschlüssels aus. Das ist lächerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das mit der Ehrlichkeit meine ich wirklich ernst. Ich habe mich im Vorfeld der heutigen Debatte noch einmal ein wenig im Internet umgesehen. Die Initiative „Weil Kinder Zeit brauchen“ hat sich tatsächlich an alle Abgeordneten gewandt, und ich habe mir einmal die Treffen der CDUAbgeordneten mit den Vertretern der Initiative, mit KitaLeiterinnen und Erzieherinnen angeschaut. Fast überall wurde danach berichtet, dass die Landtagsabgeordneten sehr wohl Verständnis dafür hatten und sagten: Ja, es ist nötig, dort mehr zu tun als das, was wir bisher getan haben. Auch die Frau Staatsministerin war im September 2016 in Breitenbrunn und hat sich dort mit KitaLeiterinnen zu diesem Thema unterhalten. Dazu konnte ich einen sehr ehrlichen Satz von ihr lesen: Sachsen habe im Moment ein anderes, ein drängenderes Problem: das Lehrerproblem. Die Schule stehe im Fokus, und der frühkindliche Bereich sei dadurch ins Hintertreffen geraten und werde nicht in dem Umfang gefördert, wie wir es eigentlich brauchten. So viel Ehrlichkeit sollten wir haben, das dem Petenten dann auch ins Gesicht zu sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich selbst habe viele Foren und Diskussionsrunden erlebt, in denen die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien für das Anliegen der Erzieher und Erzieherinnen, der Liga der Spitzenverbände, der Eltern und Gewerkschaften Verständnis zeigten und im Falle der Wahl Veränderungen versprachen.

Auch jetzt werden Koalition und Staatsregierung nicht müde zu betonen, wie sehr ihnen die frühkindliche Bildung am Herzen liegt und wie toll der Sächsische Bildungsplan sei. Ich kenne diesen Sächsischen Bildungsplan sehr gut, habe ihn mir zu Gemüte geführt und studiert. Es ist ein sehr gutes fachliches Instrument.

Aber als im Jahr 2008 die Personalausstattung in den Kindertageseinrichtungen – der Bildungsplan gilt jetzt zehn Jahre – evaluiert wurde, wurde klar, dass die mit der Umsetzung verbundenen höheren Anforderungen auch eine Aufstockung der Ressourcen brauchen und dass die Umsetzung des Bildungsplanes nicht so nebenbei durch

die Fachkräfte aus dem Ärmel zu schütteln sei. Was ist seither passiert?

Im Jahr 2009 hat der Landesjugendhilfeausschuss empfohlen, Schlussfolgerungen aus dieser Studie zu ziehen und insbesondere den Anteil der mittelbaren Arbeit, die die Fachkräfte in den Einrichtungen leisten, in die KitaFinanzierung einzubeziehen. Gefordert waren vier Stunden pro Fachkraft und Woche. Passiert ist auch hier bis dato fast nichts.

Eine gute Kita braucht nicht nur einen kindgerechten Personalschlüssel, sie braucht auch eine professionelle Leitung. Auch das ist Thema dieser Petition. Diesem konkreten Punkt wurde nicht abgeholfen. Die Regelung im sächsischen Kita-Gesetz lautet, dass es auf zehn vollbeschäftigte pädagogische Fachkräfte eine freigestellte Leitungskraft geben muss. Umgerechnet auf unseren Kita-Betreuungsschlüssel bedeutet das, dass eine Kita erst ab 120 Kindern Anspruch auf eine freigestellte Leitungskraft hat. Das heißt, wir haben in vielen Kitas nicht die Situation einer professionellen Leitung, sondern wir haben die Situation, dass eine Kindergärtnerin – Entschuldigung, eine Erzieherin – sozusagen nebenbei Leitungsaufgaben wahrnehmen muss. Das ist ein Problem, das wir übrigens auch in den Schulen haben. Auch dort ist eine zentrale Forderung, dass wir professionelle Schulleiterinnen brauchen und nicht Lehrerinnen und Lehrer, die nebenbei die Leitungsaufgabe übernehmen.

(Beifall der Abg. Marion Junge und Cornelia Falken, DIE LINKE)

Auch diese Forderung der Petenten wurde nicht erfüllt.

Das Fazit ist: Unsere Fraktion wird dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen. Ich kann nur empfehlen, dass man bezüglich der Ausdifferenzierungen der Entscheidung im Petitionsausschuss vielleicht auch einmal schaut, wie man das an anderer Stelle macht.

Die Stadt Chemnitz hat auch einen Petitionsausschuss. Dieser hat zum Beispiel die Möglichkeit zu entscheiden, dass einer Petition bei künftigen Beschlussfassungen abgeholfen werden kann. Das könnte ich mir sehr gut auch für den Sächsischen Landtag vorstellen. Es hätte hier gut gepasst, –

Bitte zum Schluss kommen!

– dass man sagt: Okay, bei der nächsten Beschlussfassung zum sächsischen Haushalt werden wir dieser Petition abhelfen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es noch Redebedarf für eine weitere Runde? – Die Fraktion DIE LINKE? – Das ist nicht der Fall. CDU? – Auch nicht. Die SPD hat

jetzt erkannt, dass sie doch sprechen müsste. Frau Abg. Pfeil, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, nach dem Wortbeitrag von Herrn Bienst habe ich überlegt, nicht noch einmal in die Debatte zu gehen, da er es inhaltlich sehr gut aufgearbeitet hat.

Aber mich hat dann etwas ziemlich geärgert, liebe Petra Zais. Wir tun den vielen Initiativen heute ziemlich Unrecht und an der Stelle nichts Gutes. Diese haben ihre Initiative und das lange Bestreben vorangetrieben. Die Koalition ist in ihren Forderungen gewachsen, indem sie versucht hat, dem so gut wie möglich Folge zu tragen. Und wenn wir diesen Menschen heute sagen: All das, was ihr gefordert habt, haben wir nicht umgesetzt, dann stimmt das einfach nicht. Es war weder ein einfacher Weg noch war es nur Tippel-Tappel-Tour.

Wenn ich mir anschaue, was wir in den Haushaltsverhandlungen – auch erst wieder in den letzten Haushaltsverhandlungen – über die Zahlen diskutiert haben. Ja, es ist richtig, wir haben wieder über Vor- und Nachbereitungszeit diskutiert. Wir haben aber auch über viele andere Dinge gestritten – keine Frage. Ich bin mir sicher, dass wir diesbezüglich noch nicht am Ende des Weges sind. Aber wir haben bei einer Sache Wort gehalten, nämlich dass wir den Betreuungsschlüssel absenken und dass wir es mit dem Doppelhaushalt finanziell untersetzt haben. Das war nicht selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde es daher weder zielführend noch motivierend, den Initiativen entgegenzutreten und zu sagen: Wir konnten euch nicht helfen, wir hatten überhaupt kein Interesse daran. Das stimmt nämlich nicht. Wir konnten abhelfen, und wir können an dieser entscheidenden Stelle auch ein Stück weit stolz darauf sein, dass wir es geschafft haben, dass wir abhelfen konnten.

Deswegen sage ich ganz klar: Wir sollten an der Stelle den Initiativen noch einmal ein positives Votum mitgeben. Wir haben im Ausschuss bereits darüber diskutiert. Wir haben auch darüber diskutiert, ob die halbe oder die ganze Stelle, die mehr gefordert wurde, ob dem abgeholfen ist oder nicht, und haben uns auf eine Sprachregelung geeinigt. Petra Zais hat sie vorhin vorgelesen.

Ich möchte an der Stelle den Initiatoren noch einmal dafür danken, was sie getan haben. Sie haben uns vorangetrieben, sie haben lange standgehalten, sie haben auch den Koalitionsabgeordneten deutlich gemacht, was wir brauchen. Dem sind wir nachgekommen. Ich glaube, dass es an der Stelle auch wichtig ist, einmal danke zu sagen. Wir brauchen sie immer wieder. Sie werden bei der Vor- und Nachbereitungszeit wieder in der Tür stehen. Ich bin mir sicher, dass wir auch diesbezüglich einen guten Weg finden werden.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen konnte ich nicht erkennen. Ich frage nun die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Frau Staatsministerin Kurth, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die heute diskutierten sechs Petitionen aus dem Jahr 2014 nehmen Bezug auf den Personalschlüssel an sächsischen Kindertageseinrichtungen.

Genau diesem Thema widmete sich die Koalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag „Sachsens Zukunft gestalten“ desselben Jahres, und mehrere Debatten hier im Hohen Haus wurden zu diesem Thema geführt. Aus diesem Grund gebe ich meine Ausführungen heute zu Protokoll.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das kommt ja überraschend. Vielen Dank, Frau Staatsministerin.

Meine Damen und Herren! Es gibt nun einen Antrag. Ich darf Sie, Frau Junge, bitten, kritisch der Formulierung zu folgen, die ich – hoffe ich – Ihren Ausführungen entnommen habe.

Sie beantragen die Rücküberweisung in den Petitionsausschuss zu den Beschlussempfehlungen zu Petitionen mit

folgenden Aktenzeichen: 05/04764/4, 05/04777/4,

05/04876/4, 05/04917/4, 05/04821/4 und 06/00001/4. Ist das korrekt? –