Entsprechend § 63 Abs. 2 der Geschäftsordnung liegt Ihnen als Drucksache 6/87901 die Sammeldrucksache „Beschlussempfehlungen und Berichte zu Petitionen“ vor.
Zunächst frage ich, ob einer der Berichterstatter zur mündlichen Ergänzung der Berichte das Wort wünscht. – Frau Abg. Buddeberg.
Vielen Dank, Herr Präsident! Die Fraktion DIE LINKE beantragt gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung zu diesem Tagesordnungspunkt eine Aussprache. Meine Kollegin Frau Junge würde dann auf die einzelnen Petitionen, um die es geht, eingehen.
Vielen Dank. – Es liegt also ein zulässiges Verlangen nach Aussprache vor. Die Redezeit beträgt 10 Minuten je Fraktion. Wir beginnen zunächst mit der antragstellenden Fraktion DIE LINKE. – Frau Abg. Junge, Sie sagen bitte, zu welchen Petitionen Sie sprechen wollen. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Vielzahl an Petitionen erhält der Petitionsausschuss zum Thema „Verbesserung der Rahmenbedingungen und des Personalschlüssels in sächsischen Kindertageseinrichtungen“. In den heutigen Unterlagen befinden sich folgende sechs Petitionen, die wir abschließend beraten: Petition Nr. 05/04764/4 zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und des Personalschlüssels in sächsischen Kitas, Nr. 05/04777/4, Nr. 05/04876/4, Nr. 05/04917/4 zur
Verbesserung des Personalschlüssels in sächsischen Kindereinrichtungen sowie Nr. 05/04821/4, „Weil Kinder Zeit brauchen – Verbesserung des Personalschlüssels in sächsischen Kindertageseinrichtungen“ sowie 06/00001/4 zum Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten.
Seit über zwei Jahren warten die Petenten der Sammel- und Massenpetitionen auf eine Antwort. Über 6 000 Petenten haben diese Petitionen eingereicht. Sie alle erwarten von uns Landespolitikern, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Jetzt sollen sie mit den heute vorliegenden Beschlussempfehlungen die Antwort des Sächsischen Landtags erhalten. Ich zitiere die Beschlussempfehlung: „Der Petition wird abgeholfen.“
Die Fraktion DIE LINKE hat schon im Petitionsausschuss kritisch angemahnt, dass den Petitionsanliegen nur zum Teil entsprochen wurde. Die Petenten in der Sammelpetition 05/04764/4 äußern sich wie folgt: In den vergangenen Jahren habe sich keine bzw. keine spürbare Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Personalsituation ergeben. Bedarfsgerechte Öffnungszeiten sind von Bedeutung, finden aber keine Beachtung im Personalschlüssel, aus dem auch noch Urlaub und Krankheitszeiten abgesichert werden müssten. Erzieherinnen fehlt die Möglichkeit, Bildungsarbeit zu leisten, ohne Zeit für Vor- und Nachbereitung.
In den drei eingereichten Petitionen zur Verbesserung des Personalschlüssels in sächsischen Kindereinrichtungen wird weiterhin dargestellt, dass der Betreuungsschlüssel viel zu hoch ist, nur für neunstündig betreute Kinder gelte und dass sich die Personalstunden bei kürzerer Betreuungszeit verringerten. Außerdem führe der Personalschlüssel zu einer sehr hohen Arbeitsbelastung der Erzie
her, zu Überlastung und vermehrten Krankschreibungen bis hin zum Burnout. Eine Verbesserung der Situation für Kinder und Erzieher sei nur durch eine deutliche Herabsenkung des Personalschlüssels zu erreichen.
Die Petentin der Petition 06/00001/4 fordert die gesetzliche Verbesserung der Personalschlüssel in Krippen, Kindergärten und Horten sowie Vollzeitstellen und Fortbildungen für das Personal. Da es die Landesregierung nicht geschafft habe, einen Betriebskindergarten für Beschäftigte des Freistaates einzurichten, so die Petentin, ist sie auf eine ganztägige Betreuung der Kinder in der Wohngemeinde angewiesen. Es sei eine kontinuierliche, qualitätsgerechte Betreuung aller Kinder in Kindertageseinrichtungen zu gewährleisten. Dafür müsse genügend ausgebildetes Personal vorhanden sein. Die Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher müsse angehoben werden.
Auch die Petenten der Massenpetition 05/04821/4 fordern sehr konkret die Verbesserung der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen in Stufen: in der Krippe auf 1 : 4, im Kindergarten auf 1 : 10 und im Hort auf 1 : 16, bezogen auf eine achtstündige tägliche Betreuungszeit. Zusätzlich sollen 20 % der jährlichen Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung stehen. Letztendlich soll es für 100 Kitaplätze eine freigestellte Leiterin geben. Eine Fachberaterin soll für maximal 30 vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkräfte zuständig sein.
All diese Petenten erhalten jetzt mit den genannten Unterlagen die Beschlussempfehlung: „Der Petition wird abgeholfen“. Einer Vielzahl von den genannten Anliegen wird aber nicht abgeholfen bzw. im Beschlusstext überhaupt nicht beantwortet. Wir fordern deshalb die Koalition auf, den Petenten eine ehrliche Antwort zu geben, warum den Petitionen derzeit nicht oder nur teilweise abgeholfen werden kann.
Der aktuelle Ländermonitor „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung ist in den letzten Tagen veröffentlicht worden. Er verdeutlicht, dass die Personalschlüssel nicht der Fachkraft-Kind-Relation entsprechen und dass Sachsen im Krippenbereich die rote Laterne trägt. Das ist mehr als peinlich. – Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass mindestens 25 % der Gesamtarbeitszeit für mittelbare pädagogische Arbeit genutzt werden können. Für Ausfallzeiten muss eine gesicherte Finanzierung von Vertretungskräften gewährleistet sein. Zur Umsetzung dieser Empfehlungen fehlen in Sachsen circa 9 085 Vollzeitstellen im Krippenbereich sowie 7 830 Vollzeitstellen in Kindergärten.
Auch die Liga der Wohlfahrtsverbände fordert seit vielen Jahren eine deutliche Absenkung des Personalschlüssels. Bis 2020 sollte der Personalschlüssel in der Krippe auf 1 : 4, im Kindergarten auf 1 : 10 und im Hort auf 1 : 16 gesenkt werden.
Ja, die derzeitige Koalition hat den Personalschlüssel im Kindergartenbereich leicht gesenkt, und im Krippenbereich wird dies ab dem 1. September 2017 in zwei Stufen um jeweils 0,5 vollzogen. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, jedoch ist die Zielstellung zur grundle
genden und nachhaltigen Verbesserung der Strukturqualität in sächsischen Kinderbetreuungen weiterhin offen. Die Verbesserungen des Personalschlüssels im Hortbereich werden überhaupt nicht angepackt.
Die Fraktion DIE LINKE fordert die Koalition auf, die Forderungen nach Verbesserung der Rahmenbedingungen und des Personalschlüssels in sächsischen Kitas ernst zu nehmen und noch in diesem Jahr ein Handlungskonzept für Kitas zu erstellen. Eltern, Erzieher und Träger wollen wissen, wie der Freistaat Sachsen bis 2020 mit dem Personalmangel, der Überlastung und der Mehrarbeit in Bezug auf Inklusion und Migration umgeht. Die Probleme müssen zeitnah gelöst werden.
Deshalb stellen wir heute den Antrag, die genannten Petitionen in den Petitionsausschuss zur nochmaligen Überarbeitung zu überweisen. Die Forderung der über 6 000 Petenten sollte der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen werden.
Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist eröffnet. Die Fraktion der CDU ist an der Reihe;. Herr Abg. Bienst. Wir sprechen zunächst über die hier genannten Petitionen. – Soll ich sie noch einmal wiederholen? – Nein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kollegin Junge! Ich versuche einmal, Ihr Einbringen hier in zwei Richtungen zu diskutieren. Zum einen haben wir das Petitionsanliegen, das wir im Petitionsausschuss bereits diskutiert, damit auch die Verfahrensweise debattiert und dann entschieden haben, so wie momentan die Beschlussempfehlung hier vorliegt, die Sie jetzt kritisieren. Zum anderen versuche ich, einmal den politischen Faden aufzugreifen, den wir hier im Hohen Haus auch schon diskutiert haben, als es darum ging, mehr Zeit für Kinder zu ermöglichen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, genau hingehört haben, dann können Sie aus den Petitionsnummern erkennen, wann diese Petitionen in den Sächsischen Landtag gebracht worden sind. Die ersten fünf genannten Petitionen kommen aus der letzten Legislaturperiode. Das war genau zu der Zeit, als wir hier im Hohen Haus kritisch Verbesserungen zu diesem Bereich diskutiert haben. Die sechste Petition, wenn Sie die Nummer richtig verfolgt haben, trägt die Nummer 06, dann kommt viermal die Null, dann kommt die Eins, dann kommt Schrägstrich 4. Das heißt also, das ist die erste Petition in der neuen Legislatur.
Der Vollständigkeit halber muss ich ergänzen, was Frau Junge – sicher nicht wissentlich – vergessen hat. Die Beschlussempfehlung ist – das ist richtig – zum Teil, dass der Petition abgeholfen wird. Aber es gibt auch eine Beschlussempfehlung, in der geschrieben steht, wie dazu
Ich versuche einmal, von der politischen Seite her diese Beschlussempfehlungen zu beschreiben, zu verteidigen und ein paar Sachverhalte hinzuzufügen, die Frau Junge hier vergessen hat. Dabei beziehe ich mich auf die Inhalte.
Zum einen geht es hier um die Verbesserung des Personalschlüssels, und zwar aus der Sicht der letzten Legislaturperiode. Zum anderen geht es hier um Elternbeiträge, die wir einkommensabhängig erheben sollen. Zum Dritten geht es darum, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Zum Vierten geht es um das Festlegen von Mindestlöhnen für Erzieher. In Punkt 5 geht es darum, soziale Gerechtigkeit zu schaffen. In einem kleinen Punkt 6 wird angestrebt, die Lobbyarbeit für unsere frühkindliche Bildungsarbeit zu erhöhen. Das sind die sechs Schwerpunkte, die ich aus den Petitionen herauslese.
Nun könnte ich sagen, möchte es aber nicht begründen, dass aufgrund der Neufindung im Sächsischen Landtag mit unserem Koalitionspartner SPD diese Anträge wohlweislich noch eine Zeit geruht haben, um dann das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nämlich die Schlüsselabsenkung und die Verbesserungen im Bereich der frühkindlichen Bildung, durch die Koalition durchzutragen. Wir waren uns in der Koalition einig – das ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben –, dass wir genau in diesem Bereich etwas zu tun haben. Das werden wir auch tun.
Dass wir noch nicht am Ende des Tages angekommen sind und diese Erleichterungen und Verbesserungen im Kitabereich stufenweise schaffen werden, dürfte jedem bekannt sein. Dass wir dazu 140 Millionen Euro jährlich aufbringen, also 280 Millionen Euro im Doppelhaushalt, und dass damit eine achtprozentige bzw. 20-prozentige Personalverbesserung verbunden ist, dürfte niemandem verborgen geblieben sein.
Wenn wir die Vergleichbarkeit mit dem Bund herstellen wollen, wie es die Bertelsmann Stiftung macht, dann muss man ehrlicherweise dazusagen, dass diese Vergleichbarkeit ein Stück weit hinkt. Wenn wir in das System der sächsischen frühkindlichen Bildung hineinschauen, dann wissen wir, dass es bis zu 80 % bzw. bis vor zwei Jahren zu 100 % Fachkräfte waren und eben keine Hilfskräfte wie in anderen Bundesländern, die die „Arbeit am Kind“ gemacht haben. In der letzten Koalition haben wir nachgebessert, um die fachliche Arbeit bei den Fachkräften zu belassen. Dafür haben wir bis zu 20 % Hilfskräfte genehmigt. Das dürfte auch jedem bekannt sein. Die kommunale Ebene bzw. der Träger der Kindertageseinrichtung sind dafür zuständig, inwieweit sie auf solche Hilfskräfte zurückgreifen.
Im Punkt 2 ging es darum, die Elternbeiträge einkommensabhängig zu machen. Wie soll denn das aussehen?
Wollen wir hier gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen? Das ist einfach nicht möglich. Deswegen haben wir gesagt: Wir greifen nicht in die kommunale Selbstverwaltung ein. Wir greifen nicht in die Bestimmungen ein, die Stadt- bzw. Gemeinderäte bezüglich der Elternbeiträge erlassen. Das ist wieder eine Sache der kommunalen Selbstverwaltung. Dem können wir nicht abhelfen. Es ist ganz klar, dass wir die Beschlussempfehlung dann so in dem Ausschuss diskutiert haben.
Im Punkt 3 ging es darum, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Ich habe gesagt, dass wir aufgrund der von uns bereitgestellten erhöhten Landesmittel und der Möglichkeit, Hilfskräfte im System wirksam werden zu lassen, über eine geschickte Organisation die Fachkräfte entlasten können. Das kann ich deshalb sagen, weil ich das in meinen beiden Einrichtungen miterlebe. Ich habe einmal eine kirchliche Einrichtung, die ich als Kirchenrat mitbetreue. Außerdem betreue ich die Einrichtung des DRKKreisverbandes mit. Dort wird genau über eine solche Organisation die Entlastung geschafft. Über Früh- und Spätdienst werden die Kernzeiten bedient und der Schlüssel eingehalten.
Im Punkt 4 ging es um das Festlegen von Mindestlöhnen für Erzieher. Dieser Forderung können wir nicht abhelfen, weil der Lohn der Erzieher an den öffentlichen Dienst gekoppelt ist und demzufolge nicht in unserem Wirkungsbereich liegt. Die Petenten haben begehrt, dass die Erzieher den Mindestlohn erhalten sollen. Aber sie liegen mit ihren Verdienstmöglichkeiten weit über dem Mindestlohn. Deshalb können wir hier nicht abhelfen.
Mit dem Punkt 5 sollte soziale Gerechtigkeit geschaffen werden. Da bräuchte ich ein paar Beispiele dafür, dass wir nicht sozial gerecht sind. Ich denke, jedem, der eine frühkindliche Betreuung verlangt, steht ein solcher Platz zur Verfügung. Ich denke, der Vergleich zu privaten Kindertageseinrichtungen, wie er in einer Petition steht, ist nicht gerechtfertigt.
Wir haben im Freistaat die Möglichkeiten geschaffen, dass für Eltern, die nicht in der Lage sind, das Elterngeld aufzubringen, dann Sozialleistungen in Kraft treten, um das abzudecken.
Zu Punkt 6 möchte ich sagen, dass ich denke, dass wir im Landtag genug Lobbyarbeit machen. Wir diskutieren sehr offen darüber, inwieweit wir frühkindliche Bildung unterstützen, ob es der Sächsische Bildungsplan ist, ob es die Begleitung der Erzieherinnen ist, ob es die Begleitung der Fachkräfte oder der Kindertagespflege ist.
Diese Lobbyarbeit leisten wir hier, zumindest, was die Koalition betrifft, genug. Das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Wir haben Investitionsmittel für Kindertageseinrichtungen eingestellt, und wie ich bereits erwähnte, haben wir den Sächsischen Bildungsplan auf den Weg gebracht und den Schlüssel abgesenkt. In dieser Beziehung haben wir letztlich so entschieden, wie es in der Beschlussempfehlung steht, und ich empfehle dem Hohen Haus, dieser Beschlussempfehlung zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Bienst. Ich frage die SPD-Fraktion, ob das Wort gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Nun frage ich die AfD-Fraktion. – Frau Abg. Wilke, bitte. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die AfD-Fraktion hat zu den betreffenden Kita-Petitionen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und des Betreuungsschlüssels in sächsischen Kitas im Ausschuss gegen das Petitum gestimmt, da den betreffenden Petitionen unserer Ansicht nach nicht abgeholfen wurde. Denn die schrittweise Verbesserung des Betreuungsschlüssels in sächsischen Kitas ab dem Doppelhaushalt 2015/2016 für Krippenkinder nur auf 1 : 5 bis zum Jahr 2018 und auf lediglich 1 : 12, also eine Erzieherin auf zwölf Kindergartenkinder ab drei Jahren, seit September 2016 entspricht qualitativ und quantitativ nicht den Verbesserungen, die in den Petitionen gefordert wurden.
Nach dem Willen der AfD soll die Gruppengröße im Kindergarten acht Kinder nicht überschreiten, und die AfD fordert einen radikal anderen Ansatz für die Vereinbarkeit der Kinderbetreuung mit der Erwerbstätigkeit, denn sächsische Familien oder Alleinerziehende haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Beispiele: Die Angestellte in der großen Firma mit Betriebskindergarten, die Selbstständige, die auch mal am Wochenende arbeitet, die Studentin braucht zumindest eine Uni-Kita, die Schauspielerin ist abends oft beruflich gebunden. Wir müssen den Bedürfnissen unserer Kinder nach individueller Betreuung wieder Rechnung tragen. Eltern kleiner Kinder ist dafür der gesellschaftliche, finanzielle und arbeitsmarktrechtliche Druck zur doppelten Berufstätigkeit zu nehmen. Wir brauchen eine tatsächliche Wahlfreiheit ohne Diskriminierung elterlicher Betreuung.