Protocol of the Session on December 18, 2014

Die Redezeit geht zu Ende.

Wie bitte?

Die Redezeit, Frau Dr. Petry.

Da gibt es diverse Gesetzesinitiativen, die die Redefreiheit bereits einschränken wollen. Wenn man diese Meinungsäußerungen diskreditieren will, dann versucht man, die Menschen lächerlich zu machen, indem man sagt, das sind die, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– die sagen: Man wird es wohl noch mal sagen dürfen! Genau das ist der Punkt. In der

Demokratie darf man sagen, was man denkt, auch wenn es dem Gegenüber nicht passt.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der SPD)

Das war Frau Kollegin Dr. Petry.

(Dr. Frauke, Petry, AfD: Sie dürfen noch erwidern!)

Sie sprach für die einbringende AfD-Fraktion. Ich erinnere noch einmal daran, dass die Redebeiträge einen Zeitumfang von 5 Minuten haben, und den halten wir auch ein.

Jetzt kommen wir zum nächsten Redner. Für die CDUFraktion spricht nun Herr Kollege Schiemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein ganz entscheidendes Gut, das wir zu achten, zu pflegen und zu schützen haben. Ich denke, es korrespondiert auch mit unserem Artikel 14 „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Dieser erste Satz – geschrieben in der Sächsischen Verfassung und im Grundgesetz – ist als Grundrecht auch zu leben und mit Leben zu erfüllen.

Die Menschenwürde steht über allem und über allen, die sich der Grundrechte betätigen, die die Grundrechte nutzen. Die friedliche Revolution hat es vorgemacht. Es waren die Frauen und Männer, die Mut bewiesen haben und in den Montagsdemonstrationen nach den Friedensgebeten in den Kirchen aufbegehrt und dieses demokratische Recht für sich genutzt haben, das auch in der DDRVerfassung verbrieft war. Es gab in der Verfassung ein verbrieftes Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Nur wie es angewandt wurde, das wissen Sie alle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben das hohe Gut der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Ich zitiere aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: „Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist sowohl für die Entfaltung der Persönlichkeit als auch für die Aufrechterhaltung der Demokratie von fundamentaler Bedeutung. Es schützt die Möglichkeit, durch kollektive Meinungsbekundung aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen. Versammlungen und Aufzüge sind ihrem grundrechtlich geschützten und garantierten Wesen nach staatsfreie, unreglementierte Beiträge zur politischen Meinungs- und Willensbildung, und deshalb sind Veranstalter in Selbstbestimmung für Ort, Inhalt, Art und Zeit verantwortlich.“ Das heißt, wir müssen auch Versammlungen aushalten, die nicht unserer eigenen politischen Meinung entsprechen. Das gehört auch zur Demokratie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bürger der ehemaligen DDR, die aufbegehrt und die Diktatur des Sozialismus davongeschoben haben, erhoben sich gegen Unterdrückung, haben gegen Zensur gestanden, sie haben sich gegen das Verschweigen von Nachrichten gestellt, fehlende Transparenz der Verwaltung bekämpft, sie haben sich gegen Beliebigkeit, Angepasstheit, Bevormundung, Anbiederung, Duckmäusertum und Werteverlust gestellt. Die Freiheit des Wortes, die freie Selbstbestimmung wurden zu Motoren des Aufbruchs und eine Grundlage für den mündigen Bürger, der im Rahmen seiner Verfassung die Rechte in Anspruch nimmt, die er selbst erkämpft hat.

Heute gehen die Bürger in München, Hamburg, Stuttgart, Leipzig oder in Dresden auf die Straße und machen mit größter Selbstverständlichkeit von diesem Grundrecht Gebrauch. Die Zeit und die Umstände, in denen wir heute leben, haben sich im Vergleich zu 1989 grundlegend geändert. Wir leben nicht mehr im „Tal der Ahnungslosen“. ARD ist auch für Dresdner zugänglich. Täglich erreichen uns Nachrichten von religiösem Fundamentalismus. Die USA warnen seit 20 Jahren davor.

50 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Da heißt es natürlich auch zuzuhören.

Neulich habe ich mit Schülern gesprochen, die mir eindringlich nahegelegt haben: „Fragende Menschen darf man nicht ignorieren. Finden Sie endlich Antworten auf die Fragen, die die Menschen zu diesen brennenden Themen stellen!“ Ein weiterer Bürger hat mich auf den Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowski, SPD-Mitglied, aufmerksam gemacht, der deutlich und sehr kritisch aus der Sicht seiner Stadt gesagt hat, dass die Integration in Deutschland in den letzten 40 Jahren gescheitert ist. Deshalb ist es wichtig, dass man auf diese klaren Worte des Versagens der Migrations- und Integrationspolitik in Berlin Antworten finden muss, – –

Die Redezeit geht zu Ende.

– die die Bürger von uns erwarten. Wie soll Integration besser gemacht werden? Werden die Menschen, die zu uns kommen, die Grundrechte achten? Wie wird die Gleichstellung von Frauen –

Bitte letzter Satz.

– und Männern beachtet? Letzter Satz:

Letzter Satz jetzt.

Wir haben die Erfahrungen der Montagsdemonstrationen und die der Runden Tische, bei denen Kompromisse gesucht wurden, erlebt. Wir brauchen in der Gesellschaft eine Auseinandersetzung, die auch in Kompromissen endet.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der AfD)

Das war Herr Kollege Schiemann für die CDU-Fraktion. Wem das Herz voll ist – ich muss ein wenig auf die Einhaltung der Redezeit drängen und bitte die nun folgenden Kolleginnen und Kollegen wirklich, die fünf Minuten einzuhalten. Heute haben wir einen deutlichen Trend zur Überschreitung der Redezeit. Uns hier vorn macht das wirklich große Schwierigkeiten.

Aber jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Richter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte der AfD klingt, als ginge es wirklich um die Versammlungsfreiheit. Ich will zunächst für unsere Fraktion sagen, dass Versammlungen ein Grundrecht sind. Dazu stehen wir. DIE LINKE will auch nicht, so wie es gestern angeklungen ist, Demonstrationen verbieten – im Gegenteil. Wir finden es ein wichtiges Grundrecht, und viele unserer Mitglieder nutzen dieses Grundrecht regelmäßig. Für meine Person will ich auch sagen, dass ich sogar gegen Parteienverbote bin bzw. dagegen, den Verfassungsschutz – ich habe es gestern schon gesagt – auf diese Demonstrationen anzusetzen. Das Demonstrationsrecht gilt für alle. Ich sage das im Hinblick darauf, dass Sie sich eingelassen hatten, dass wir sozusagen die Demonstrationen verbieten wollen, aber auch im Hinblick darauf, dass sich Teilnehmer der Pegida-Demonstrationen so einlassen, als ob es nur das Recht von Pegida gäbe, zu demonstrieren, und nicht auch das von anderen.

Deshalb will ich noch einmal Artikel 8 zitieren: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung und ohne Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Das tun jeden Montag viele Menschen in Dresden. Die Form der Versammlung wird vom Veranstalter selbst gewählt, und wenn es eine sitzende Versammlung ist, dann ist es eine sitzende Versammlung.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Stefan Dreher, AfD: Sitzblockaden sind nicht gestattet!)

Eine sitzende Versammlung ist eben auch eine Versammlung, die vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt ist.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Gehen Sie mal zum Amtsgericht Dresden, Strafabteilung!)

Sie wird umgangssprachlich als Blockade bezeichnet, aber sie hat einen kommunikativen Zweck, und deswegen geht es um gleichwertige Rechtsgüter, auch wenn diese Blockade auf der anderen Demonstrationsroute sitzt.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Fragen Sie mal die Staatsanwaltschaft Dresden!)

Mit Ihrer Debatte, die Sie führen, befeuern Sie eigentlich nur die Kommentarspalten in den Online-Zeitungen. Da geht es nämlich darum – genau das ist die Richtung, in die

Sie wollen –, Blockierer in die Elbe zu schmeißen oder wegzuprügeln und derartige Dinge.

(Dr. Stefan Dreher, AfD, lacht laut und höhnisch.)

Das ist es, worauf Ihre Debatte fußt.

Es wird auch schwierig werden, wenn die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Pegida sinkt. Dann wird die Stimmung kippen, das werden Sie sehen. Wir hatten am 7. Dezember Böllerwürfe aus der Pegida-Demonstration auf friedliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer von „Dresden für alle“.

Es ist auch das Recht, sich frei zu versammeln. Deswegen finden auch keine Prozesse statt. Es gibt keine Prozesse gegen Blockierer, es gibt politische Schauprozesse wie die gegen Hahn, Neubert, Lichdi, Lay und andere.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Eine Schande!)

Diese Prozesse dienen nur dazu, Menschen einzuschüchtern und dafür zu sorgen, dass diese ihr Demonstrationsrecht nicht in Anspruch nehmen können.

(Christian Piwarz, CDU: Ein Unsinn!)

Deswegen findet auch seit 2011 kein einziger Prozess mehr statt. Obwohl Sie das wissen und obwohl es alle wissen, wird es jetzt noch einen Prozess gegen den thüringischen Ministerpräsidenten geben, der genauso enden wird wie alle anderen Prozesse, nämlich mit einem Ergebnis, das Einstellung heißt.

Zur AfD-Debatte möchte ich Folgendes sagen: Es geht Ihnen am Ende nicht um die Versammlungsfreiheit, sondern um das Recht des Stärkeren. Das wollen Sie durchsetzen. Das liest sich in Ihrem ganzen Parteiprogramm so, und genau darum geht es Ihnen heute auch. Ich will Ihnen deshalb noch einmal den Artikel 1 des Grundgesetzes vorhalten, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, auch Artikel 3 des Grundgesetzes, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf. All das wird von den Menschen, die sich für Pegida versammeln, in Angriff genommen. Deswegen finde ich es wichtig, dass Menschen auch auf der anderen Seite auf die Straße gehen und zeigen, dass sie etwas dagegen haben. Sie haben nicht nur das Recht, sich zu versammeln, es ist auch eine humanistische Pflicht, sich an einem solchen Tag zu versammeln und zu zeigen, dass nicht alle bereit sind, dies hinzunehmen.

Ich danke Ihnen.