Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE möchte mit dieser Aktuellen Debatte die jahrelange Benachteiligung Ostdeutschlands bei dem Thema Stromnetzentgelte auf die Tagesordnung bringen.
Ein großer Teil des in Sachsen produzierten Stromes wird hier nicht verbraucht, sondern in die Regionen Deutschlands verteilt bzw. weitergeleitet, die einen enormen Energiehunger haben. Das Problem dabei ist: Wir zahlen dafür, und das ist nicht gerecht.
Schauen wir uns die Zusammensetzung der Stromkosten bundesweit an, finden wir folgende Aufteilung, beispielsweise bei den Privathaushalten im Jahr 2016: Das waren 6 % Konzessionsabgabe, also Abgaben an Kommunen, damit die Leitungen dort verleget werden dürfen, das waren 7 % Stromsteuer, 16 % Umsatzsteuer, 21 % Erzeugungskosten, also der eigentliche Preis, der für die Stromgewinnung nötig ist, 22 % Erneuerbaren-EnergienUmlage und fast 25 % Netzentgelt, damit der Strom transportiert wird. Es bleiben dann noch 3 % sonstige Kosten übrig.
Diese fast 25 % Netzentgelt, also ein Viertel des Strompreises, der bundesweit bei 28 Cent pro Kilowattstunde lag, macht also bundesweit am Ende 7 Cent Netzentgelt aus. In Sachsen sind es 8 bis 9 Cent. Es ist also kein Viertel mehr, sondern schon ein Drittel des ursprünglichen Preises.
Rechnet man das in absolute Zahlen um, zahlt eine Großfamilie in Sachsen bei 5 000 Kilowattstunden 464 Euro. Dieser Preis ist im Vergleich zum letzten Jahr um 11 % gestiegen. In NRW sind es nur 374 Euro Netzentgelt, und die Preissteigerung betrug dort nur 2 %.
Wie kommt das? Das hat mehrere Gründe; ich hatte es eingangs schon erwähnt. Sachsen produziert mehr Strom, als es eigentlich verbraucht. Das trifft auf den gesamten Nordosten Deutschlands zu. Daher ist es auch ein Leichtes zu sagen, weil hier so viele erneuerbare Energien sind, sind die auch daran schuld. Schließlich sind die auch neu hinzukommen. Wir haben hier unsere Braunkohlekraftwerke seit Jahrzehnten. Doch das ist eigentlich falsch; denn das sind die Überkapazitäten und die damit verbundenen Leitungskosten, um den Strom abzutransportieren. Das wäre auch so, wenn wir in den letzten 20 Jahren zusätzlich neue Braunkohlenkraftwerke gebaut hätten.
Die Antwort kann nicht sein: Erneuerbare Energien sind schuld an den hohen Stromkosten, sondern die Überproduktion in Ostdeutschland und die Unterversorgung in Westdeutschland und die damit verbundenen Transportkosten und Aufwendungen.
Dagegen haben sich auch die ostdeutschen Bundesländer, die Ministerpräsidenten und die Minister bei der Bundesregierung starkgemacht – leider erfolglos. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat eine Klausel kurzfristig gestrichen. Nun muss die SPD beweisen, ob sie mit der neuen Ministerin Zypries auch wirklich einen Neuanfang bei dieser Debatte beginnt. Man muss dann aber auch genau hinschauen, denn in Ostdeutschland sind die Netze nach der Wende modernisiert und es ist viel
Nein, jetzt nicht. Danke schön. – Im Westen kommt diese Problematik erst noch auf uns zu. Wenn jetzt gesagt wird, die Kosten für die Netzentgelte sollen bundesweit gleich sein, dann zahlen wir am Ende doppelt, und zwar erstens, weil wir unsere Investitionen, die wir gerade getätigt haben, schon bezahlt haben. Diese könnten irgendwann abgeschrieben sein. Wir hätten also die Chance auf billigere Leitungsgebühren, müssen dann aber die neuen Investitionen im Westen mitbezahlen. Das kann nicht das Ziel sein. Unsere Verbilligung kommt dann auch wieder der gesamten Republik zugute. Das wäre auch ein Nachteil.
Das ist ungerecht und nicht sinnvoll. Man muss also genau hinschauen. Wenn man bundeseinheitliche Netzentgelte fordert, muss man darüber sprechen, was die Überproduktion angeht, und man muss auch über die Dinge sprechen, die dieser Überproduktion eindeutig zuzuschreiben sind. Die Regionen dürfen am Ende nicht dafür bestraft werden, dass man die Energiewende in ganz Deutschland ermöglicht.
Ein zweites Problem, auf das ich noch hinweisen möchte, ist, dass in Sachsen, besonders in vielen ländlichen Gebieten, schlicht und einfach weniger Menschen wohnen als in vielen westdeutschen Ballungsgebieten. Die Netzkosten müssen auf viel weniger Schultern verteilt werden. Dazu wünsche ich mir Vorschläge der Staatsregierung und bin darauf gespannt.
Drittens geht es um das Thema der fehlenden Transparenz bei den Netzbetreibern bzw. Verteilnetzbetreibern. Auch dafür ist der Freistaat zuständig. Oft ist unklar, ob die Gebühren, so wie sie erhoben werden, wirklich gerechtfertigt sind und am Ende nicht nur der Gewinnmaximierung dienen. Dazu aber in einer zweiten Runde mehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Böhme, jetzt haben Sie sich endgültig in den vielen Dingen, die bei der Netzpolitik zu beachten sind, verheddert. Ich hatte jedenfalls am Ende Ihres Redebeitrags den Eindruck, dass Sie gar keine Linie mehr drin hatten. Der Abschluss war dann wieder eine neue Argumentationslinie. Aber lassen Sie uns das vielleicht einmal ordnen.
Es gibt zwei Regulierungsebenen in der Netzpolitik. Das Erste sind die Netznutzungsentgelte des Verteilnetzbetreibers und das Zweite die Netznutzungsentgelte des Übertragungsnetzbetreibers. Nachdem ich Ihren Antrag gelesen habe, gehe ich davon aus, dass wir hier nun über die politische Steuerung innerhalb des Übertragungsnetzes diskutieren. Das ist eine Bundesthematik.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat in einem Weißbuch die Vereinheitlichung der Netzentgelte als geeignete Maßnahme bezeichnet, um eine gerechte Verteilung der Kosten für die Energiewende herbeizuführen, denn wir müssen beispielsweise auch die Kosten für die OffshoreNetzanbindung entsprechend einpreisen. Aber das muss auch für den Übertragungsnetzanteil der Netzentgelte gelten, weil Ostdeutschland wesentlich zur Erreichung der Ausbauziele der erneuerbaren Energien beiträgt.
Investitionen ins Stromnetz werden aber nicht, wie die Kosten beim Ausbau der erneuerbaren Energien, bundesweit durch die EEG-Umlage solidarisiert, sondern regional finanziert. Hier werden wir im Osten mit den im Bundesvergleich höheren Netzentgelten dreifach bestraft. Da wir mehr erneuerbare Energien produzieren, als wir verbrauchen, muss der Stromabtransport mit einem leistungsfähigen Netz ausgebaut werden.
Wir haben die grundlastfähigen Braunkohleverstromungen – auch das haben Sie gesagt; ich hatte nur das Gefühl, dass es nicht mehr in der Systematik geblieben ist. Diese Brückentechnologie muss in der Energietransformation untergebracht werden.
Dann gibt es noch die vermiedenen Netznutzungsentgelte für sogenannte volatile Einspeiser, die noch immer bestehen und in unserem Netzgebiet von 50Hertz in besonders gravierender Weise zulasten des Verbrauchers über Netznutzungsentgelte zu Buche schlagen.
Nun haben wir – auch das vielleicht in diese Debatte schon einmal vorab gestreut –auch gelesen, was die GRÜNEN dazu verbreiten. Ich weise auf die „Leipziger Volkszeitung“ vom 20. Januar 2017 hin. Hier war für mich nun endgültig klar, dass die GRÜNEN die Vereinheitlichung in Übertragungsnetzen nicht anfassen möchten. Das lässt Folgendes offensichtlich werden, Herr Dr. Lippold: Sie möchten industrielle Vielverbraucher, um deren Verbleib wir seit Jahren im Freistaat Sachsen kämpfen, aus dem Freistaat vertreiben.
Zweitens: Vielmehr brauchen wir stabile, wettbewerbsfähige Energiekosten für sächsische Unternehmen. Deswegen setzt sich der Freistaat Sachsen, allen voran Ministerpräsident Tillich, aber auch Wirtschaftsminister Martin Dulig, intensiv dafür ein, dass es ein bundeseinheitliches Übertragungsnetzentgelt gibt, womit wir die regionalen Unterschiede zwar nicht völlig abschaffen, aber zumindest reduzieren können.
Hier kommt die Fraktion DIE LINKEN wieder ins Spiel, die angekündigt hat, dass es eine Bundesratsinitiative aus Thüringen geben soll. Nachdem der Freistaat Sachsen in dieser Sache seit Jahren die Meinungsführerschaft und die
TU Dresden schon mehrere Studien dazu erarbeitet hat, kommen Sie jetzt um die Ecke und wollen das Thema an sich reißen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen. Ich bin mir sicher, dass unsere Verbindungen zur schwarz-roten Bundesregierung besser sind als die Ihrigen. Die Bundesregierung hat bereits beschlossen, dass sie ein Bundestags- und Bundesratsverfahren zu den Netzentgelten anstrebt. Insofern bedarf es der Thüringer Initiative keineswegs.
Ein Schlusssatz, damit ich auch in der Zeit bleibe. Ich finde es sehr interessant, was Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dazu gesagt hat: „Ich würde zwar bei einem bundeseinheitlichen Netzentgelt mehr bezahlen im Ländle, aber solidarisch ist es allemal, denn die Energiewende muss passieren.“ Deswegen sollten wir nicht irgendwelche Nebelkerzen mit Thüringen und anderer politischer Couleur aufbauen, sondern unseren Ministerpräsidenten Tillich und unseren Wirtschaftsminister Martin Dulig entsprechend unterstützen, damit wir unser Ziel, nämlich einheitliche Netzentgelte in Deutschland, erreichen.
(Beifall bei der CDU und der SPD – Rico Gebhardt, DIE LINKE: So ganz erfolgreich waren Sie noch nicht mit Ihrem Ziel!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Bei der heutigen Aktuellen Debatte beschäftigen wir uns mit einem wichtigen Zukunftsthema: mit Fragen der Energiewende.
Sehr geehrter Herr Kollege Böhme, mit Ihrem Debattentitel „Jahrelange Benachteiligung Ostdeutschlands bei den Strom-Netzentgelten beenden“ enttäuschen Sie mich. Bei diesem wichtigen Gerechtigkeitsthema ist es sicherlich richtig und wichtig, Druck von Länderseite zu machen, aber bitte nicht mit dieser Haltung eines „Jammer-Ossis“, sehr geehrter Herr Kollege Böhme.
Ich glaube, mit dieser Haltung, die Schwäche und Unvermögen symbolisiert, werden Sie am Ende des Tages in dem Spiel der bundesdeutschen Energieinteressen nichts erreichen.
Meine Haltung ist: Wir sollten hier selbstbewusst auftreten. Sachsen ist beim Netzausbau, bei innovativen Speichertechnologien, bei Forschung und Entwicklung, bei Energieeinsparung und letztlich auch bei erneuerbaren Energien – ich erinnere hier an die PV-Cluster in Chemnitz, in Dresden und in Leipzig – ganz vorn dabei. Ich formuliere die längst überfällige Angleichung der Netzentgelte aus einer ganz selbstbewussten Haltung heraus und nicht aus einer Haltung von Schwäche. Wir verhandeln hier auf Augenhöhe. Das macht der Ministerpräsident, das macht der Wirtschaftsminister, das mache ich
und das machen auch die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion auf Länderebene, zuletzt in NordrheinWestfalen.
Ich kann Ihnen sagen: In der Höhle des Löwen waren das keine einfachen Gespräche. Wir müssen erklären, dass wir in den letzten 25 Jahren ein marodes und heruntergekommenes Stromnetz der ehemaligen DDR wieder fit gemacht und modernisiert haben. Mittlerweile verfügt Sachsen über das modernste Verteilnetz im gesamten Bundesgebiet. Es ist auch so, dass intelligente Netze, also Netze, die zwischen Verbrauchern, der dezentralen Erzeugung und den Netzleitzentralen kommunizieren, inzwischen im Freistaat Realität sind. Das kann man sich anschauen. Das ist hier erforscht, erprobt und funktioniert in Sachsen.
Ich glaube, mit so einer selbstbewussten Haltung, sehr geehrter Herr Kollege Böhme, werden Sie am Ende des Tages auch wirklich etwas erreichen, denn niemand will den „Jammer-Ossi“. Wir können hier selbstbewusst auftreten, und genau das sollten wir auch tun.
Auch in dem zweiten Punkt führt Ihr Debattentitel einfach ins Leere. Es ist kein Ost-West-Problem, wie Sie es gern hätten, also die ewige Debatte Ossi gegen Wessi, die Sie uns hier immer wieder vorspielen wollen.
Besonders bei dem Thema Energiewende ist es keine Frage eines Ost-West-Problems. Darum nehme ich Sie mal kurz mit auf eine Reise durch die bundesdeutsche Netzinfrastruktur. Wir haben vier Übertragungsnetzbetreiber: TenneT, Amprion, TransnetBW und 50Hertz. Jeder dieser Übertragungsnetzbetreiber hat in seinen Übertragungsnetzen eigene Gebühren, eigene Netznutzungskosten und auch Kosten für den Netzausbau. Das führt natürlich zu unterschiedlichen Kosten in den verschiedenen Regelzonen.
Aber – da wird es interessant –, wenn Sie mal in die Regelzone von TenneT schauen: Dort geht es um Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Wenn Sie zu 50Hertz schauen, dann geht es um die fünf neuen Bundesländer, aber auch um Berlin und um Hamburg. Wir haben also zuallererst ein Nord-Süd-Problem und danach auch ein Ost-West-Problem. Das hätte aus meiner Sicht zur richtigen Analyse dazugehört.
Wenn Sie, so wie wir, bundesweit unterwegs sind und mit den Kolleginnen und Kollegen sprechen, dann sind die Haltungen zu bundesweit einheitlichen Netzentgelten sehr unterschiedlich; je nachdem, ob die Kolleginnen und Kollegen im Übertragungsnetzgebiet wohnen, in dem es niedrige Kosten gibt, oder ob es höhere Kosten gibt, ist die Haltung unterschiedlich. Da muss man argumentieren und natürlich für Solidarität werben. Aber man muss auch immer wieder klarmachen, dass von bundeseinheitlichen Netzentgelten zwölf Bundesländer profitieren würden, und in vier Bundesländern würden die Strompreise leicht steigen.
Die bundeseinheitlichen Netzentgelte sind für meine Fraktion eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Wir sagen: Die jetzt im ersten Schritt abgeschafften vermiedenen Netzentgelte sind für uns ein Erfolg. Wir haben hierbei richtig etwas erreicht. Es müssen jetzt weitere Schritte folgen. Hierfür werden wir uns auf Bundesebene weiter einsetzen.
Mein Fazit deshalb in der ersten Runde: Ihr Ansatz, sehr geehrter Herr Böhme, ist mir einfach zu schlicht. Sachsen kann bei dem wichtigen Thema der bundeseinheitlichen Netzentgelte sehr selbstbewusst auftreten. Wir laden Sie ein, auch aus diesem Hohen Haus eine selbstbewusste Botschaft zu senden. Mit dieser selbstbewussten Haltung werden wir am Ende auch erfolgreich sein.