Protocol of the Session on February 1, 2017

Ich will Ihnen kurz einige Beispiele aus dem Arbeitsprogramm des Strategischen Dialogs nennen, um Interesse zu wecken und Lust auf Kooperation mit den tschechischen Partnern machen.

Zunächst ist der Punkt Migration und die Zukunft Europas ein wichtiges Thema.

Zweitens sollten wir bei der intensiven Vorbereitung des deutsch-tschechischen Kulturfrühlings 2017 mittun.

Drittens ist die Vermittlung gegenseitiger Kenntnisse der Nachbarsprache von großer Bedeutung.

Viertens wäre ein duales Bildungssystem mit dem Prüfauftrag zur Errichtung einer gemeinsamen Bildungsinstitution endlich einmal etwas, um zu einem gemeinsamen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu kommen.

Wissenschaftliche Zusammenarbeit und gemeinsame Drogenprävention sind Themen, die nicht hoch genug bei der Wichtigkeit veranschlagt werden können.

Als Lausitzer sage ich: Energieunion, Energiewende und Klimaschutz sind Themen, ganz deutlich vor der Investition von EPH, bei denen ich gern hätte, dass wir mitreden. Und ich hätte gern in der heutigen Debatte von der Regierung erfahren: Was tut die Staatsregierung, um an diesem Deutsch-Tschechischen Strategischen Dialog teilzunehmen?

Viel Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Wilke von der AfD-Fraktion, bitte.

Ich hatte vorhin mit der Holzhammerdiplomatie geendet, mit der unsere deutschen Europaparlamentarier Tschechien auf die EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2009 vorbereitet hatten. Dazu möchte ich noch einige Worte sagen.

Die kleinen Völker fürchten sich zu Recht vor unserer Gestaltungsmacht in Europa. Sie wollen, allen ökonomischen Lockmitteln zum Trotz, sich ihres wiedergewonnenen Selbstbestimmungsrechtes erfreuen. Sie wollen nicht von Frau Merkels großmütig ausgesprochenen „Einladungen“ und Quoten fremdbestimmt werden.

Ich zitiere nochmals Václav Klaus: „Deutschland ist ein dominantes Land. Es hat nun die Rolle, die es in beiden Weltkriegen vergeblich erreichen wollte. Ein kleines Land in seiner Nachbarschaft muss vorsichtig sein in seinem Verhältnis zum Riesen nebenan.“

Also sollten wir Deutsche nicht nur stur nach vorn schauen, sondern auch einmal zur Seite und in den Rückspiegel. Nur so behält man die Übersicht und kann unbeabsichtigte Kollisionen vermeiden. Nur so kommen wir noch besser voran – wenn es denn sein soll, auch zum Frühstück in Prag oder Dresden. Was uns garantiert nicht hilft, sind Rücksichtslosigkeiten aus Berlin oder Brüssel.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Wird von der Fraktion die GRÜNEN noch einmal das Wort gewünscht?

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein, Frau Präsidentin!)

Das ist nicht der Fall. Dann sehe ich jetzt keinen Redebedarf mehr vonseiten der Fraktionen. Ich bitte die Staatsregierung; Herr Dr. Jaeckel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Deutsch-Tschechische Erklärung vom 21. Januar 1997 erscheint wie ein Solitär für gutnachbarschaftliche Beziehungen. Wir in Sachsen haben jedes Recht, das Einzigartige dieser gelebten Gegenwart, so wie sie vom Abg. Schiemann oder auch anderen dargestellt worden ist, zu würdigen.

Das rechtfertigt sich schon aus der Bezugnahme der Deutsch-Tschechischen Erklärung auf die deutschtschechische Geschichte und auf die Bekenntnisse, wie man in Zukunft zusammenarbeiten wollte, 1997 verfasst. Ich brauche nicht zu wiederholen, was uns Marko Schiemann aus der Erklärung referiert hat. Auch Herr Kosel hat einen Teil dargestellt.

Gestatten Sie mir aber kurz noch einmal die staatspolitische Bedeutung aus Sicht der Staatsregierung darzustellen und sie vor allem auch in einen größeren Zusammenhang

zu stellen, weil ich schon glaube, dass sich dahinter ein umfassenderes Konzept Europas verbirgt.

In den Umbrüchen von 1990 war unübersehbar, dass Institutionen wie die NATO und die damalige Europäische Gemeinschaft dem politischen Wandel einen Rahmen gaben. Der Nachteil der meisten geschaffenen multilateralen oder supranationalen Institutionen bestand aber in einer deutlich erkennbaren westorientierten Ausrichtung. Westeuropäische Union, EFTA, EG,

EURATOM, NATO stehen als eine Chiffre für die vertiefte Westwendung der Bundesrepublik Deutschland.

Es lohnt sich im Übrigen auch, in das Jahr 1988 zu blicken. Dieses Jahr war nämlich in der alten Bundesrepublik von einer bedeutenden innenpolitischen Debatte geprägt. Es ging um die Frage, ob erst die deutsche Wiedervereinigung oder zuerst die europäische Integration errungen werden müsse, um ein friedliches, geeintes Europa zu schaffen. Innenpolitisch Interessierte wissen, dass sich dahinter ein Konflikt zwischen Helmut Kohl und Heiner Geißler verbarg. Kohl wollte darin keinen Gegensatz sehen. Das hat seine politischen Konzepte bestimmt. Deshalb ist auch die Deutsch-Tschechische Erklärung von ihm massiv vorangetrieben worden. Das kann man sehr schön in den Werken über die Arbeit der Bundesregierung aus den Jahren 1992 bis 1997 nachempfinden.

Wir kennen die Geschichte heute. Im Jahr 1990 war die deutsche Teilung vorbei, sie war nicht überwunden, aber was blieb, war die sogenannte deutsche Frage. Mit ihr verband sich die geografische Rückkehr Deutschlands in die Mitte des Kontinents. Deutschland traf eine Gestaltungsmacht, aber auch eine Gestaltungslast zugleich. Deutschland musste im Jahr 1990 beides wollen: die Einheit des Landes und die Vertiefung Europas.

Wir hatten uns in verschiedenen diversen völkerrechtlichen Verträgen zu einer vertieften Westbindung bekannt. Aber es gab auch eine Gestaltungslast, die hier schon an einigen Stellen angesprochen wurde. Es ging nämlich um Osteuropa. Während die neue Identitätsbildung Deutschlands in der Einheit mit allen Mängeln und auch allen negativen Erscheinungen voranschritt, begannen im Osten des europäischen Kontinentes Auflehnungen gegen die kommunistische Diktatur und eine nationale Selbstfindung im Innern. Diese Entwicklung treibt die Tschechoslowakei in den Grenzen von 1919 auseinander.

Wer sich mit der historischen Seite dieser Entwicklung beschäftigt, stellt fest, dass es insbesondere Anfang der Neunzigerjahre eine große Hilflosigkeit der europäischen Diplomatie gegenüber diesem sowjetischen Erbfolgedrama gegeben hat: die Jugoslawienkrise, Kroatien und Slowenien sind ein deutliches Fanal dafür, das auch in kriegerischen Auseinandersetzungen geendet hat.

Deutschland musste daher die europäische Machtgeografie eigenständig angehen und hat dies auf eine sehr eigenständige Art und Weise getan. Nicht die Garantiemächte der deutschen Einheit gruppieren Europa um eine deutsche Mitte, Frau Wilke, sondern es ist umgekehrt:

Deutschland gruppiert mit einem System bilateraler Vereinbarungen seine Beziehungen zu seinen Nachbarn neu. Die europäische Ordnung wird aus der geografischen Mitte heraus gestaltet, ohne einen Hegemonialanspruch damit zu verbinden. Die Beispiele dafür sind die DeutschPolnischen Nachbarschaftsverträge, aber auch der

Deutsch-Tschechisch-Slowakische Nachbarschaftsvertrag – der erste von 1991, der zweite von 1992. Die DeutschTschechische Erklärung ist deshalb nur eine notwendige Folge dieser Nachbarschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland.

Die Wiedervereinigung ist also ohne die östliche Nachbarschaft politisch gar nicht denkbar. Schon aus diesem Grund sollte es uns ein Herzensanliegen sein, diese Nachbarschaft besonders zu pflegen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Wie wird das nun im Konkreten gelebt? Die Erklärung hat die Grundlage dafür gelegt, eine sehr konkrete und dynamische Entwicklung der Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten und Nachbarregionen zu gestalten. Die Vorredner hier im Landtag haben schon einige Beispiele dargelegt. Sie hat die Menschen zusammengebracht. Ich persönlich kenne Tschechen, die in Dresden arbeiten, aber auch in der Lausitz, Ärzte, die in DresdenFriedrichstadt tätig sind, Lastwagenfahrer, die für deutsche Lebensmittelunternehmen in der Lausitz beschäftigt sind. Auch die Lausitzer Energie AG, die jetzt von EPH übernommen wurde, ist schon erwähnt worden.

Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es zu einer Selbstverständlichkeit wird, dass unsere jungen Führungskräfte an den Universitäten oder auch in den Unternehmen – wir haben heute auf der Tribüne auch Besuch von jungen Menschen – es als selbstverständlich ansehen, auch mal ein, zwei Jahre in Prag zu arbeiten, um für tschechische Unternehmen tätig zu sein. Ich glaube, daran sollten wir auch in unserer gemeinsamen Nachbarschaftspolitik arbeiten.

Herr Kosel, Sie hatten gefragt, wie die Staatsregierung mit dem strategischen Dialog umgeht. Es ist richtig, der strategische Dialog hat eine völlig neue Bedeutung bekommen. Wir haben uns im ersten Halbjahr 2017 sogar

in einer Kabinettsvorlage mit diesem strategischen Dialog beschäftigt. Wir haben übrigens eingefordert, dass die Sächsische Landesregierung in diesen strategischen Dialog eingebunden wird. Es war nicht selbstverständlich, dass der Bund uns hier berücksichtigt.

Insgesamt sind dort derzeit zehn Mitarbeiter engagiert. Der Abteilungsleiter in der Staatskanzlei Ulrich Beyer ist dort eingebracht worden, und es sitzen auch Mitarbeiter in acht Arbeitsgruppen.

Dieser strategische Dialog bildet die Ressortstruktur des Bundes ab. Außer im Feld Verteidigung, bei dem wir nicht dabei sind, sind wir aber in allen anderen Feldern mit engagiert. Es gibt eine sächsisch-tschechische Arbeitsgruppe, die seit 20 Jahren tagt. Wir treffen uns bilateral und erörtern dort viele Fachthemen aus den Bereichen der Ressorts, die auch von der tschechischen Seite sehr geschätzt werden.

Was wird die Staatsregierung in diesem Jahr tun? Im Juni 2017 jährt sich die fünfjährige Tätigkeit unseres sächsischen Verbindungsbüros in Prag. Am 23. Mai wird es eine gemeinsame Kabinettssitzung genau an dem Ort geben, an dem die Deutsch-Tschechische Erklärung 1997 unterzeichnet worden ist, nämlich auf Einladung der tschechischen Regierung im Palais Liechtenstein. Wir werden uns auch dort mit Ziel 3 auseinandersetzen und natürlich auch anpassen, was notwendig ist, um die Zusammenarbeit weiterhin zu vertiefen: für unsere Regionen, für die Menschen in unserem Land und auch für unsere Unternehmen.

Ein tschechischer Moderator hat eine Veranstaltung einmal mit den Worten beendet: „Tschechien ist zwar kein Staat der Europäischen Union, der einen Meereszugang hat, gleichwohl ist es das einzige Land, das sich mit dem Gruß ‚Ahoi‘ verabschiedet.“

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die Erste Aktuelle Debatte ist damit abgearbeitet und wir kommen zu

Zweite Aktuelle Debatte

Jahrelange Benachteiligung Ostdeutschlands bei den Strom-Netzentgelten

beenden – Energiewende nicht länger gefährden. Strompreise runter

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Beantragt wurde die Aktuelle Debatte von der Fraktion DIE LINKE. Sie beginnt auch in der Diskussionsrunde. Danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es möchte. Bitte, Herr Abg. Böhme.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE möchte mit dieser Aktuellen Debatte die jahrelange Benachteiligung Ostdeutschlands bei dem Thema Stromnetzentgelte auf die Tagesordnung bringen.