Jetzt haben wir mehrere Katastrophen gehabt und nun werden Sie auf einmal munter und sagen: Wir brauchen mehr Personal. – Das finde ich ziemlich anstrengend. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Was überhaupt nicht funktioniert, ist, dass wir eine Kommission bilden und noch eine Kommission bilden und noch eine Kommission bilden. Warum setzen Sie sich nicht mit den Leitern der Justizvollzugsanstalten an einen Tisch – das hatte ich im Übrigen vorgeschlagen im Mai 2016, als diese Anhörung gewesen ist – und fragen diese? Die wissen es doch am besten. Die wissen, was sie für Personal brauchen. Die wissen, wann wer abgeht, und die können Ihnen an der Stelle ganz klar und deutlich sagen, wo es die nächsten Jahre hingeht. Dazu braucht es keine extra Kommission.
Sie kennen vielleicht den Spruch: „Wenn ich mal nicht weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis“, und „Kennst du das Ergebnis schon, gründe eine Kommission“. Das heißt, unterm Strich kann ich an der Stelle nicht erkennen, dass dieser Antrag dazu führt, dass sich dort tatsächlich etwas verändert. Ich kann nur darum bitten – wir werden den Antrag ablehnen, das haben Sie sicherlich meinem Redebeitrag entnommen –, dass Sie hier nicht wieder große Verwaltung machen und irgendwelche Evaluation und sonst irgendetwas. Machen Sie es einfach auf dem ganz kurzen Dienstweg: Schnappen Sie sich die Leiter der Justizvollzugsanstalten, die wissen, was sie brauchen.
Das ist ganz einfach. Genau das ist das Problem. Ich habe nur das Gefühl, dass wir das hier viel mehr verkomplizieren, als es tatsächlich ist, und am Ende nicht zu den Ergebnissen kommen, die wir brauchen. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag ab und bitten, dass Sie sich mit den Herren und Damen der Justizvollzugsanstalten – die wissen, was sie brauchen – an einen Tisch setzen und Sie dort auf diese Wünsche eingehen und reagieren.
Herr Wurlitzer, Ihr Beitrag führt doch dazu, dass ich zwei Sachen klarstellen muss. Erstens. Meine Fraktion hat eine äußerst umfassende Personaloffensive für die Landesverwaltung im Doppelhaushalt eingebracht, sowohl in den Ausschüssen als auch hier im Plenum. Ich kann Ihnen gern heraussuchen, wogegen Ihre AfD-Fraktion da alles gestimmt hat. So viel zum Thema, wir wären erst aufgewacht, Ihre Fraktion scheint heute erst aufgewacht zu sein bei diesem Thema.
Zweitens. Sie haben im vorherigen Antrag viel über sozial Schwache erzählt. Nun haben wir von Herrn BaumannHasske noch einmal deutlich dargelegt bekommen, dass es bei der Frage, wie mit Gefangenen in Justizvollzugsanstalten umgegangen wird, auch um sozial Schwache unserer Gesellschaft geht.
Jetzt stellen Sie sich hier frank und frei hin und sagen: Die Kommission bringt nichts, die GRÜNEN sind nicht aufgewacht, wir haben es schon immer gewusst und fragen Sie doch mal die Leiter der Justizvollzugsanstalten. – Also, das zeigt jetzt wirklich, wie Sie mit dem Thema „auch sozial Schwache“ umgehen. Wenn es Ihnen nichts nützt in einer populistischen Forderung, interessiert es Sie nicht, weil Sie nicht bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieser Prozess durchaus komplizierter ist.
Dazu muss ich Ihnen sagen: Da sind die Ausführungen der Koalition, warum sie den Antrag ablehnen, wesentlich fundierter als das, was Sie hier gerade beigetragen haben.
Lieber Herr Lippmann, das war gerade richtiger Blödsinn, den Sie von sich gegeben haben. Aber das sind wir ja gewöhnt. Das ist ganz unproblematisch.
Ich habe gerade deutlich gesagt, dass wir uns dafür eingesetzt haben – dazu können Sie die Protokolle gern hoch- und runterlesen, was den Justizvollzug betrifft – und mit die Ersten in dieser Legislaturperiode gewesen sind, die darauf hingewiesen haben.
Das ist überhaupt kein Quatsch. Schauen Sie einfach in die Protokolle. Das hilft unheimlich wirtschaften. Sie
haben uns sogar dafür belächelt, dass wir das gemacht haben, nämlich als ich letzthin gesagt habe, dass wir überall für Integration sorgen – ganz wichtig –, aber für Integration im Knast sorgt überhaupt niemand. Dort sind die Justizvollzugsbeamten teilweise alleingelassen worden. Die haben sogar teilweise Probleme gehabt, an Dolmetscher zu kommen etc. pp. Dazu haben Sie gelächelt.
Ich wollte Ihnen das nur noch einmal klar und deutlich sagen: Wir haben uns dafür eingesetzt, und wir meinen das ernst. Ich muss Ihnen auch eines sagen: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, jede Menge Kommission aufzumachen und sich die Bälle hin- und herzuspielen. Hier ist pragmatisches Handeln gefragt. Setzen Sie sich mit den Leitern der Justizvollzugsanstalten an einen Tisch. Diese sagen Ihnen, was sie brauchen. Wovor haben Sie Angst?
Das ist doch Quatsch! Sie reden davon, dass Sie mehr Personal brauchen. Das Personal müssen Sie von den Leuten erfragen, die damit arbeiten, die jeden Tag wissen, was in der Justizvollzugsanstalt los ist. Dafür brauchen Sie doch kein externes Personal, das da irgendwelches Zeug erzählt. Fragen Sie die Leute, die an der Front arbeiten, und lassen Sie sich von denen genau sagen, was sie brauchen. Dann ist es völlig unproblematisch.
Winken Sie nicht ab. Das ist teilweise das Problem in der Politik, dass wir uns mit jeder Menge Kommissionen hinsetzen, Zeug evaluieren und am Ende nichts herauskommt.
(Beifall bei der AfD – Valentin Lippmann, GRÜNE: Bei Ihnen kommt nie was raus! – Uwe Wurlitzer, AfD: Weil Sie es nicht zulassen! Sie könnten ja mal einem Antrag zustimmen!)
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in dieser Aussprache. Ich frage jetzt in die Fraktionen hinein, ob es Redebedarf für eine weitere Runde gibt. – Die GRÜNEN können leider nicht mehr. Die anderen Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Jetzt frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Gemkow, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag schon ausführlich über die für den Justizvollzug anstehenden Herausforderungen debattiert. Die Verbesserung der Personalsituation
ist mir ein besonders wichtiges Anliegen. Das gilt gerade auch, weil uns zum einen die zunehmende Zahl von Gefangenen aus anderen Kulturkreisen, zum anderen aber auch die zunehmende Zahl von Gefangenen mit massiven psychischen Auffälligkeiten enorm fordert.
Mit dem vom Sächsischen Landtag beschlossenen Doppelhaushalt 2017/2018 wurde nicht nur der Stellenabbau im Justizvollzug gestoppt, sondern es wurden in erheblichem Umfang zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt. Der weit überwiegende Anteil, insgesamt 83 von 90 Stellen, wird der Stärkung des allgemeinen Vollzugsdienstes zugutekommen. Weitere 15 Projektstellen werden zur Unterstützung der Fachdienste und zur Sicherstellung der notwendigen Dolmetscherleistungen eingesetzt.
Die Besetzung dieser Stelle muss zeitnah erfolgen. Damit die Anstalten spürbar entlastet werden, sind seit Januar in mehreren Anstalten in einem ersten Schritt 30 Angestellte befristet tätig. Weitere Schritte werden folgen. So werden, nachdem wir bereits im vergangenen Jahr die Ausbildungskapazität massiv erhöht haben, ab dem Jahr 2018 weit mehr junge und gut ausgebildete Bedienstete in die Anstalten kommen, als dies in den letzten Jahren der Fall gewesen ist.
Ich bin mir bewusst, dass eine optimale Nutzung der vorhandenen Stellen immer auch voraussetzt, dass das vorhandene Personal gerecht auf die einzelnen Anstalten verteilt ist. Für den allgemeinen Vollzugs- und Verwaltungsdienst existiert eine Personalverteilungsberechnung, die sich vorrangig an der Haftplatzkapazität der Anstalten ausrichtet. Die Berechnung berücksichtigt auch die Bereiche in den Anstalten, die besonders behandlungsintensiv sind und deshalb besonders viel Personal erfordern. Dazu zählen zum Beispiel die Abteilung Sicherungsverwahrung in Bautzen, die sozialtherapeutischen Abteilungen in Waldheim und für weibliche Gefangene in Chemnitz, der Jugendstrafvollzug in Regis-Breitingen, das Justizvollzugskrankenhaus Leipzig und die Therapiestation zur Behandlung suchtkranker Gefangener in der JVA Zeithain.
Wir haben in der Vergangenheit auch im sächsischen Justizvollzug wiederholt Versuche unternommen, den Personalbedarf für einzelne Bereiche der Anstalten konkret zu ermitteln. Diese Bemühungen sind aber allesamt an Grenzen gestoßen. Der Grund dafür ist, dass die Anstalten sowohl baulich als auch organisatorisch sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Es erfordert einen erheblichen personellen und vor allem auch zeitlichen Aufwand, diese Unterschiede zu erfassen.
Bereits die unterschiedlichen Stationsgrößen, verbunden mit sehr unterschiedlichen baulichen Gegebenheiten, führen zu Abweichungen, etwa bei der Dienstplanung in den einzelnen Anstalten. Dazu kommen Unterschiede in der Gefangenenstruktur und den daraus abzuleitenden Behandlungsangeboten und nicht zuletzt auch die unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen in den Anstalten.
Viel wichtiger erscheint mir noch: Der Justizvollzug unterliegt ständigen Veränderungen. Aktuell gibt es zum
Beispiel in den einzelnen Anstalten Baumaßnahmen; aber auch durch Veränderungen im Gefangenenbestand sind die Anstalten ganz verschieden und zum Teil besonders stark belastet. Dazu kommen akute Belastungen, die dann auftreten, wenn eine überdurchschnittliche Anzahl von Bediensteten ausfällt oder aufgrund gesundheitlicher oder sonstiger Einschränkungen nicht in sämtlichen Bereichen der Anstalt einsetzbar ist. Solche Veränderungen und Belastungen können in einer Personalbedarfsberechnung nur sehr bedingt abgebildet werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte heute Vormittag schon angedeutet, dass es eine Aufgabe der von mir eingerichteten Stabsstelle Justizvollzug sein wird, sich intensiv und konzeptionell mit dem Personalbedarf im sächsischen Justizvollzug zu befassen. Mit dem verabschiedeten Doppelhaushalt 2017/2018 haben wir auch einen guten Weg für die sächsische Justiz eingeschlagen, den ich so weitergehen möchte. Für die Einrichtung einer Fachkommission zur anstaltsspezifischen Personalbedarfsberechnung des sächsischen Justizvollzugs sehe ich momentan aber keinen Anlass.
Meine Damen und Herren, das Schlusswort hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Meier; bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Von vielen ist es genannt worden – und genau das ist das Problem –: Hier in Sachsen wird der Personalbedarf nach Haftplätzen berechnet. Herr Gemkow, Sie sagten gerade, es gebe unterschiedliche Herausforderungen in den jeweiligen Haftanstalten. Eine Frauenhaftanstalt hat einen höheren Personalbedarf, und auch die Suchttherapiestation in Zeithain sowie die Jugendhaftanstalt in Regis-Breitingen haben einen höheren Personalbedarf. Es ist also wichtig, den Personalbedarf nicht nach Haftplätzen, sondern aufgabenbezogen zu berechnen.
Genau das fordert unser Antrag. Die baulichen Bedingungen hatte ich bereits genannt, aber wie sind die Bedingungen in der jeweiligen Haftanstalt? Hier muss genau hingeschaut werden. Dabei kommen wir mit Ihrer Berechnung leider nicht weiter, und genau deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. In Niedersachsen ist man tatsächlich diesen Weg gegangen. Vor 20 Jahren stand man dort, wie Kollege Schollbach ausführte, vor dem gleichen Problem wie wir derzeit in Sachsen: hohe Krankenstände und hohe Überstundenzahlen. Deshalb hat man sich damals auf den Weg gemacht und die Personalkommission gegründet. Es hat sie zwischendurch auch mal nicht gegeben, dann hat es sie wieder gegeben. Das ist ein flexibles System. Das heißt nicht, dass alles sofort in Stein gemeißelt ist. Aber es braucht erst einmal einen Anfang, und den müssen wir legen.
Im Haushalt haben wir genau diesen Anfang gemacht. Den haben Sie mit Ihren Haushaltsanträgen gemacht, die Koalition hat nochmals nachgelegt, und auch wir haben 100 Stellen gefordert, um die Aufgaben zu bewältigen, sowie noch einmal 100 Stellen für Anwärter. Damit soll erst einmal das Schlimmste abgefedert werden, um sich dann konkret auf den Weg zu machen und zu sagen: Okay, wie müsste das jetzt sein, damit es endlich einmal ordentlich austariert ist? Genau das fordert unser Antrag: eine bedarfsgenaue Berechnung für jede Anstalt. Ich hoffe, dass diese Argumente Sie jetzt vielleicht doch noch überzeugt haben.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/5673 zur Abstimmung. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Keine Enthaltungen, Stimmen dagegen und Stimmen dafür, aber die Drucksache ist nicht beschlossen worden.