Sogleich. – Mit der Grundgesetzänderung gibt es jetzt die Chance, dass wir mit infrastrukturellen Investitionen die digitalen Medien auch in den Schulen voranbringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Auftakt der Debatte, kein Ende. An eines werden wir uns aber gewöhnen müssen: In der digitalisierten Welt sind wir alle Lernende.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einer Zeitungsmeldung aus dem Jahr 2012. Das technikbegeisterte Südkorea setzt komplett auf papierlose Bildung. Sie wollen nur noch mit elektronischen Büchern in der Schule lernen, und die ersten Pilotprojekte laufen erfolgreich an. Drei Jahre später, 2015 – was ist daraus geworden? 100 % der Schulen in Südkorea sind online, 100 % der Lehrer sind mit digitalem Lernen vertraut und 70 % der Lehrinhalte sind als E-Learn-Angebote vorrätig. Das war das Weltniveau.
Jetzt komme ich zu Sachsen. Den absoluten Clou hat die Kultusministerin 2014 im Vorwahlkampf angekündigt – die Ankündigung war noch kein Clou, sondern die Nichtrealisierung –: Das Pilotprojekt „Klassenzimmer der Zukunft“. Hauptziel des Projektes war der Einsatz von Tablets an Schulen, wissenschaftliche Begleitung und neue Lehr- und Lernkonzepte. Ab dem Schuljahr 2015/2016 – zur Erinnerung: das war das letzte Schuljahr – sollten diese eingesetzt werden. Wir waren ein wenig skeptisch und dachten, bei einem Pilotprojekt werden sicher nur an zehn Schulen und dann immer nur in zwei Klassen Tablets eingesetzt. Wir haben in diesem Jahr nachgefragt.
Anfang dieses Jahres, also am Ende des angekündigten Schuljahres, kam die Information vonseiten des Ministeriums: „Das Projekt befindet sich in der ersten Phase der Fortbildung und Lehrkonzeptionserstellung, sodass
derzeit noch keine Schulen in diese Projektphase eingebunden sind. Über diese Einbindung von Schulen wird nach erfolgreicher Evaluierung des bisherigen Projektverlaufs entschieden.“
Fragen Sie die Schüler in Sachsen. Der gute alte Polylux wird anstatt Laptops und Beamer eingesetzt. Die Schulranzen sind schwer mit Büchern, anstatt mit Tablets zu agieren. Die Schülerinnen und Schüler nutzen zwar in der Schule illegal das Smartphone, aber die Kompetenz im Umgang mit diesen neuen Medien wird im Lehrplan nicht behandelt.
Oder fragen Sie die Wissenschaft. Die Telekom hat 2015 in einer Studie abgefragt: Der Internetzugang an unserer Schule ist ausreichend. Zustimmung: Die Länder in Deutschland werden in drei Gruppen eingeteilt. Die obere Ländergruppe mit 82 % Zustimmung, die untere Ländergruppe mit 42 %. Sachsen ist in der unteren Ländergruppe. An unserer Schule ist eine ausreichende ITAusstattung vorhanden. Zustimmung: Ich beginne mit der unteren Ländergruppe, in der Sachsen ist, 39 %, obere Ländergruppe 64 %. An unserer Schule sind transportable Geräte vorhanden. Zustimmung: Ich beginne mit Sachsen. Untere Ländergruppe 40 %, obere Ländergruppe 74 %. Unsere Schule verfügt über ein Medienkonzept für den
Einsatz von Computern im Unterricht. Ich beginne mit der unteren Ländergruppe. Sachsen 33 %, obere Ländergruppe 70 %. Das war die Wissenschaft.
Wir haben in diesem Haus seit Jahren über diese Frage intensiv diskutiert. Es gab Große Anfragen, es gab Anträge von unserer Fraktion en masse, auch von anderen Fraktionen. Es ist eine unsägliche Nichtaktivität des Kultusministeriums in diesem Bereich zu verzeichnen. Es ist in all diesen Drucksachen – ich habe es mir noch einmal angeschaut – ein unglaubliches Geschwafel. Es ist immer knapp am Thema vorbei. Es ist immer ausschweifend und unkonkret. Jedes Einzelseminar wird in den Drucksachen des Kultusministeriums noch einmal breit ausgebreitet.
Das ist umso deutlicher, weil inzwischen ein Gutachten vorliegt – deshalb benenne ich das –, ein Gutachten, das dankenswerterweise – das sage ich selten – von der Sächsischen Staatskanzlei in Auftrag gegeben wurde. Diese Studie ist sehr lesenswert, weil sie angenehm klar und präzise ist.
Die enthaltenen Forderungen sind klar: notwendiger Breitbandausbau, WLAN in den Schulen, verpflichtende Fort- und Weiterbildung, Stärkung der personellen Ausstattung, Aktualisierung der Lehrpläne, Schaffung einer Übersicht der vielfältigen Angebote im Medienkompetenzbereich und einer medienpädagogischen Informations- und Koordinationsstelle. Diese wurde jetzt in den Haushalt integriert, und zwar als unabhängige Institution. Das sind alles Punkte, die wir im Jahr 2012 in unserem Antrag gefordert haben.
– Ich habe noch acht Sekunden. – Es ist längst überfällig. Dass das Kultusministerium dazu in der Lage ist, bezweifle ich jedoch immer mehr.
Herr Kollege Neubert, wenn ich Sie auf den Ablauf der Redezeit hinweise, mache ich das, damit Sie genau wissen, wann die fünf Minuten Redezeit zu Ende sind. Das möchte ich nur noch einmal als eine kleine Anmerkung benennen. Sie müssen nicht so gereizt reagieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon ausreichend gehört, dass die Digitalisierung notwendig ist. Ich glaube, in diesem Hohen Haus besteht kein Zweifel daran, dass das digitale Zeitalter vor Schulen nicht Halt macht
In meinem Beitrag möchte ich einige andere Aspekte einfließen lassen. Ich glaube nämlich, dass es nicht ausreicht, mehr Smartphones, Whiteboards und ausgebildete Lehrer für das digitale Zeitalter zu fordern. Wir haben bereits beim Einzug des Internets erlebt, dass die Politik und Gesellschaft letztlich die Rahmenbedingungen verschlafen haben. Sie haben verschlafen, Rahmenbedingungen und Grenzen zu setzen, damit am Ende eine demokratische Gesellschaft mit diesen modernen Techniken umgehen kann.
Deswegen möchte ich anregen, dass wir nicht nur über vier Kulturtechniken reden, die Herr Mann erwähnt hat: Lesen, Schreiben, Rechnen und Internet. Ich glaube, die Kulturtechniken sind wesentlich vielfältiger. Wir haben bei diversen Debatten darüber, wie viele Akademiker wir brauchen oder nicht, inwieweit handwerkliche und künstlerische Fähigkeiten gefördert werden müssen, weil sie zu einer umfassenden Bildung auch zur Vernetzung im Gehirn notwendig sind, festgestellt, dass das Leben nicht virtuell wird. Es bleibt auch immer ein Leben, welches von menschlichen Beziehungen und von manuellen Fähigkeiten lebt, ohne die der Mensch eben nicht der Mensch ist.
Insofern verweise ich bei aller Kritik – unter anderem am verzögerten Breitbandausbau in Sachsen – darauf, dass es bereits zum Ende der ehemaligen DDR ein Projekt in Sachsen an der Hochschule in Leipzig gegeben hat, das sogenannte Mehlhorn-Projekt, in dem man über vernetztes Lernen und vernetzte Fähigkeiten nachgedacht und geforscht hat. Daraus sind sogar freie Schulen in Sachsen entstanden, die diese Vernetzung, übrigens auch verknüpft mit medialem Lernen ab der 1. Klasse, bereits umsetzen. Das geschieht sehr erfolgreich. Insofern müssen wir uns gar nicht verstecken. Es gibt Erkenntnisse, wie man klassisches und modernes Lernen miteinander verbinden kann. Mindestens eine Generation von Schülern legt darüber erfolgreich Zeugnis ab.
Der zweite Punkt, den ich anreißen möchte, dreht sich um den staatlichen Gestaltungsauftrag dabei. Ich stelle fest, dass in diesem Raum bisher keiner Kritik daran geübt hat, dass wir offenbar für die Digitalisierung bereit sind, an einigen Stellen die staatliche Erziehungsaufgabe der Schulen an private Unternehmen abzutreten. Als Beispiel dafür möchte ich die Initiative „Nicht egal“ benennen, die die Bundesregierung gerade mit dem Internetkonzern Google gestartet hat. Es mag für einige politisch opportun erscheinen, ich halte es für höchst gefährlich, wenn der Staat diesen Auftrag an private Unternehmen abtritt. Man darf gespannt sein und muss genau hinschauen, ob darunter nicht viel mehr eine politische Indoktrination aus einer speziellen politischen Richtung heraus resultiert.
Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass das Schulsystem und der Lernerfolg immer noch von der menschlichen Beziehung zum Lehrer abhängen. Das kann einmal ein Erfolg und einmal ein Misserfolg sein. Darüber sind wir uns alle einig. Lernen funktioniert jedoch besser, das zeigen auch Erkenntnisse der Vergangenheit, wenn es zwischen dem Schüler und Lehrer eine emotionale Bindung gibt. Deswegen sollten wir bei aller Freude über das digitale Zeitalter und Bestreben, dies in den klassischen Unterricht einzubinden, nicht vergessen, dass ausreichend kleine Klassen und eine genügende Anzahl von Lehrern am Ende die Voraussetzungen sind, die wir im Schulsystem zuerst einmal schaffen müssen. Wir können nicht mit mehr Computern und Smartphones im Unterricht kaschieren, was im Schulsystem – auch in Sachsen – in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Es muss eine Gemeinsamkeit von klassischem und digitalem Lernen geben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsministerin Kurth! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass die Verabschiedung eines verbindlichen Rahmens für die Bildung in der digitalen Welt in der letzten Woche durch die Kultusministerkonferenz relativ zügig vonstatten ging, zeugt tatsächlich von dem hohen Handlungsdruck, dem die Länder beim Thema digitale Bildung ausgesetzt waren und noch immer sind.
Die positive Nachricht ist, das kann man hier auch ganz deutlich sagen, dass wir eine Strategie in Deutschland haben. Die Länder sind aufgefordert, diese zügig umzusetzen. Zügig bedeutet zum Beispiel, dass bis zum Jahr 2021 jeder Schüler und jede Schülerin in Sachsen jederzeit eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen kann. Das ist angesichts der tatsächlichen Rahmenbedingungen in Sachsens Schulen mehr als ein ambitioniertes Ziel. Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind gespannt, wie hier auch in diesem Hause in den nächsten Jahren die Weichenstellungen erfolgen werden.
Sich allein auf den Bund bei der Finanzierung der notwendigen Infrastruktur zu verlassen, wird nicht ausreichen. Der Bund hat angekündigt, 5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Wenn wir dies über die fünf Jahre verteilt einmal ausrechnen, dann stehen für die circa 40 000 Schulen in Deutschland gerade einmal
25 000 Euro zur Verfügung. Somit bleibt, wenn man sich diese Zahlen einmal zu Gemüte führt, auch in Sachsen ausreichend zu tun. Im nächsten Doppelhaushalt, den wir gestern verabschiedet haben, findet sich dazu nicht allzu viel.
Es sind nicht nur die zu beseitigenden Defizite bei der Schaffung einer funktionssicheren und leistungsfähigen digitalen Infrastruktur für die Schulen. Für mich ist es das Wichtigste, die Lehrerinnen und Lehrer mitzunehmen. Hierbei bestehen die größten Defizite.
Hinsichtlich der IT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler – das ist durch die Medien gegangen – wissen wir, dass Deutschland nicht unbedingt im Spitzenfeld mitspielt. Betrachten wir darüber hinaus die Selbsteinschätzung der medienbezogenen Kompetenzen der Lehrpersonen in der Sekundarstufe 1, so verorten sich die sächsischen Lehrkräfte in der unteren Ländergruppe. Das ist nachzulesen im Länderindikator 2016 „Digitale Bildung“.
Noch wichtiger als Geld ist zunächst für meine Fraktion deshalb Folgendes: Es geht um ein rasches Entwickeln digitaler Kerncurricula in Schule, Ausbildung und Studium. Die sächsischen Hochschulen haben sich bereits auf einen guten Weg gemacht. Es geht um die Fortbildung und Qualifizierung der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer. Die wichtigste Botschaft jedoch ist für uns, dass die Digitalisierung den analogen Kern des Lehrerberufs nicht antastet. Vielmehr eröffnet sie neue Möglichkeiten. Gute Pädagogik bleibt gute Pädagogik. Digitale Lernumgebungen eröffnen jedoch die Möglichkeiten, diese gute Pädagogik vielen Lehrerinnen und Lehrern zugänglich zu machen.
Digitale Bildung wird, ob wir möchten oder nicht, Alltag werden. An uns liegt es, dafür zu sorgen, dass dabei der Kern humanistischer Bildung und der für uns als Teil guter Pädagogik selbstverständlich zu vermittelnde Wertkodex nicht auf der Strecke bleibt. Der Erfolg dieser Bemühungen steht und fällt also nicht mit der Technologie. Er steht und fällt mit der Qualität der Lehrerinnen und Lehrer.
Mit Frau Kollegin Zais, die für die GRÜNEN sprach, sind wir am Ende der ersten Rederunde, und wir eröffnen jetzt die nächste, und zwar mit Herrn Kollegen Dierks, der für die CDU-Fraktion das Wort ergreift.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die erste Runde kurz zusammenfassen darf, dann vielleicht mit den Worten: Das Internet hat sich durchgesetzt. Es ist noch nicht abgeschaltet, und alle Versuche, es auszudrucken, sind gescheitert.
Vielmehr hat das Internet in den letzten Jahren einen Siegeszug durch alle Lebensbereiche angetreten. Das gilt sowohl für den privaten Gebrauch als auch für viele andere Bereiche unseres Lebens, die Wirtschaft, die Wissenschaft, nicht zuletzt auch Bereiche wie die Medi