Protocol of the Session on December 16, 2016

(Zuruf von den LINKEN: Wer? – Heiterkeit)

Sie können uns dabei sehr, sehr gern unterstützen.

Diesen Wandel müssen wir gestalten, denn er macht auch vor der Bildung nicht halt. Wir müssen die damit verbundenen Chancen nutzen und die dafür notwendigen Kompetenzen vermitteln, nicht zuletzt und besonders, da das Internet und die Nutzung digitaler Medien gerade unter jungen Leuten integraler Bestandteil des Alltags ist und, ich glaube, auch viele Schüler sich die Frage stellen, wann denn endlich die Generation der etwas Älteren nachzieht und dieser Entwicklung Rechnung trägt.

Diese Entwicklung wird zentral sein für die Zukunft unseres Freistaates. Es wird zwingend sein, sie zu gestalten, doch diese Gestaltung wird gleichermaßen herausfordernd sein.

Die Vorredner haben einiges dazu gesagt, welche Rahmenbedingungen es braucht. Aber ich glaube, wir müssen noch einmal etwas intensiver darüber diskutieren, was digitale Bildung in inhaltlicher Hinsicht eigentlich meint. Wenn ich mit Leuten darüber spreche, dann merke ich, dass ein sehr breites Spektrum an Auffassungen vorhanden ist, was digitale Bildung eigentlich bedeutet. Denn digitale Bildung ist mehr als die Vermittlung von Medienkompetenz; sie ist auch mehr als die Stärkung des Informatikunterrichts an unseren Schulen. Es ist nicht damit getan, Geräte anzuschaffen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Allein flächendeckend iPads über die Schüler auszuschütten wird letzten Endes nicht reichen. Medienkompetenz ist Teil und Voraussetzung für digitale Bildung gleichermaßen.

Nun war ich etwas erstaunt, dass sich die AfD darum sorgt, dass wir mit Schülern auch darüber sprechen, was seriöse Informationen, was seriöse Quellen sind und was vielleicht einfach nur das Ablassen von purem Hass und Hetze im Internet ist.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Dass das größte Problem darin besteht, dass man sich möglicherweise Partner dafür sucht, ist aus meiner Sicht doch ein Stück weit erstaunlich. Nichtsdestoweniger ist es wichtig, dass wir junge Menschen darauf vorbereiten zu unterscheiden, was Falschinformationen, was Halbwahrheiten oder was seriöse Quellen sind, die vielleicht auch im Unterrichtsalltag für die Recherche, für die Nachbereitung und auch das Üben notwendig sind.

Digitale Bildung wird kein eigenes Schulfach sein. Es ist eine Querschnittsaufgabe, es ist eine Ergänzung aller Fächer. Dabei möchte ich noch einmal betonen, dass ich glaube: Wir dürfen auch nicht diesen Widerstreit oder diesen Gegensatz zwischen der humanistischen Bildung oder der analogen Bildung und der digitalen Bildung aufbauen. Wir müssen pragmatisch und ohne Schaum vor

dem Mund schauen – und ich glaube, das sehen junge Leute in diesem Land genauso –, wo digitale Bildung ganz konkret Vorteile bringt, und dort sollten wir es einsetzen.

(Dr. Frauke Petry, AfD, steht am Mikrofon.)

Ein Beispiel vielleicht aus der Naturwissenschaft – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Dierks?

Bitte, Frau Dr. Petry.

Herr Dierks, ich nehme Ihre Sorgen hier ernst, aber ganz konkret haben Sie nicht verstanden, was ich gesagt habe.

Und deshalb die Frage: Wissen Sie, dass im Rahmen dieses Projektes Google beauftragt wird, Schüler auszubilden; nämlich, dass der Staat an Google den Auftrag abgibt und auch die Lerninhalte Google überlässt? Das war damit gemeint.

(Zurufe der Abg. Sabine Friedel, SPD, und Patrick Schreiber, CDU)

Also wenn ich noch einmal auf die Frage antworten darf: Natürlich habe ich verstanden, was Sie gesagt haben. Aber wenn ich tagtäglich lese, was Sie über die digitale Menschheit ausschütten – dass beispielsweise behauptet wird, dass die Sächsische Staatsregierung mehr Geld für sexuelle Umerziehung als für Tierschutz ausgibt –, dann sind solche Projekte mehr als nur notwendig, um jungen Menschen das deutlich zu machen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Ich glaube, dass bei so hochgradigem Blödsinn die meisten das sogar von allein erkennen. Aber es gibt durchaus subtilere Formen von Halbwahrheiten.

Deshalb glaube ich, dass solche Projekte zur Vermittlung von Medienkompetenz zwingend notwendig sind.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Und genau das habe ich gesagt und nichts anderes!

Ich denke, dass die Frage umfassend beantwortet wurde.

Ich komme zurück zu meinem Beispiel, und zwar, wenn wir die Naturwissenschaften betrachten. Digitale Bildung macht es möglich, dass Lehrer ganz individuell nachvollziehen können, an welchen Stellen Schüler beispielsweise beim Lösen einer Aufgabe scheitern, warum sie nicht den richtigen Lösungsweg finden, warum vielleicht am Ende nicht das richtige Ergebnis herauskommt.

Ich glaube, das sind große Chancen, die es uns möglich machen, Schüler noch individueller nach ihren Neigungen und Stärken zu fördern.

Ich kann all die besorgten Lehrer beruhigen, denn natürlich ersetzt die digitale Bildung nicht den Lehrer; wir wollen ja keinen Telekolleg. Digitale Bildung soll ganz gezielt an den Stellen, an denen sie Vorteile bringt, den Unterricht ergänzen.

Ein weiteres Beispiel sind dreidimensionale Animationen, das Vermitteln von Experimenten über Videos beispielsweise, auch Gruppen- und Teamarbeit werden erleichtert und das Nach- und Aufbereiten des Unterrichtsstoffes nach dem Unterricht sowie das Kommunizieren über den Unterrichtsstoff.

Insofern als Fazit: Es wird so bleiben, dass Plus Plus bleibt und dass August der Starke auch August der Starke bleibt. Der Kern guter Schule werden motivierte Lehrer und neugierige Schüler sein.

Die Digitalisierung kann Schule aber bereichern und weiterentwickeln, Schüler noch individueller fördern, Schule kooperativer gestalten. Diese Chancen sollten wir nutzen und bei aller Kritik, die geübt wird, diese Chance auch gemeinsam gestalten.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Auf Herrn Dierks folgt nun Frau Friedel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die KMK-Strategie, die letzte Woche verabschiedet wurde, trägt den Titel „Bildung in der digitalen Welt“. Ich finde, dass das ein sehr kluger Titel ist. Sie haben sich nicht dazu entschieden, die Strategie „Digitale Bildung“ zu nennen, sondern „Bildung in der digitalen Welt“, weil es um mehr geht.

Wir haben schon einiges gehört: Die Welt hat sich verändert. Die Welt verändert sich immer, das ist völlig klar. Aber was ist das Spezifische an der Veränderung der Welt durch die digitale Revolution? Und – was die KMKStrategie beantworten will – wie muss sich Schule mitverändern, welche Aufgaben hat Schule künftig, was sollen Kinder lernen? Das muss man beantworten anhand der Analyse: Was sind denn die Charakteristika der neuen Welt? Das Wissen wächst – in der Breite, in der Tiefe –, und zwar enorm und exponentiell. Die Komplexität steigt. Alles differenziert sich aus.

Früher konnte ein Elektriker – grob gesprochen – alles reparieren, was mit Strom zu tun hat. Heute ist die Komplexität und die Ausdifferenzierung von technischen Geräten so enorm, dass man nicht einfach sagen kann: Hier ist Strom dran, repariere das mal.

Dieser Wandel vollzieht sich schnell und exponentiell. In den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts hat man versucht zu messen, wie schnell Wissen wächst, und ist zu dem Ergebnis gekommen: Ungefähr alle 100 Jahre

verdoppelt sich das Wissen der Menschheit. Heute sind wir bei zehn Jahren. Alle zehn Jahre verdoppelt sich das Wissen der Menschheit. Daraus folgt natürlich: Kein Mensch kann alles wissen, nicht einmal besonders viel, und kein Mensch kann alles allein wissen. Auf der Basis dieser beiden Erkenntnisse haben wir bereits Antworten gefunden. Darauf basiert dieses Schlagwort vom lebenslangen Lernen. Man kann nicht an irgendeinem Zeitpunkt alles wissen und sagen: Okay, hat sich erledigt.

Darauf gründet das Konzept des gemeinsamen Lernens, des kollaborativen Lernens – oder, wie die KMK in ihrer Strategie sagt: „Beim Lernen selbst rückt weniger das reproduktive als das prozess- und ergebnisorientierte, das kreative und kritische Lernen in den Fokus.“ Das heißt für die Schule, für den Bildungs- und Erziehungsauftrag, dass zwei neue Schwerpunkte da sind, a) der Umgang mit Informationen, b) das Erlernen von Kommunikation. Wieder KMK: „Ziel ist es, das individuelle und selbstgesteuerte Lernen zu fördern, Mündigkeit, Identitätsbildung und das Selbstbewusstsein zu stärken.“.

Die spannende Frage ist: Wie macht man das? Da sind wir an dem Punkt, bei dem es im Vordergrund nicht mehr um informatische Bildung geht, um Tablets und Tinkerbots für jeden. Das sind alles gute und wichtige Hilfsmittel, die man nutzen muss. Aber im Kern geht es um pädagogische Konzepte. Es geht darum, dass die Schule von gestern, die wir heute immer noch haben – der Lehrer vorn, die Schüler in Reih und Glied, Zuhören, Auswendiglernen –, nicht die Schule von morgen sein kann.

Im Kern geht es darum, dass neben den instruktiven Unterricht, den man braucht, auch andere Methoden treten müssen: Freiarbeit, selbstbestimmtes Lernen, Gruppenarbeit, kooperatives Lernen, der schülerorientierte Unterricht, der davon ausgeht, was Schüler wissen wollen. Wozu? Aus unseren Schulen sollen Menschen herauskommen, die ihr ganzes Leben lang weiterlernen wollen, weil sie das müssen, und die in der Lage sind, sich Wissen selbst zu beschaffen, anzueignen und zusammen mit anderen anzuwenden.

Schaffen das unsere Schulen schon? Noch nicht. Die Scoyo-Studie zur Lernfreude – googeln Sie es gern einmal – hat die Frage gestellt: Macht mir Lernen Spaß? Die Sechsjährigen sagen zu 92 % ja, mir macht Lernen Spaß. Bei den Dreizehnjährigen sind es noch 73 % und bei den Achtzehnjährigen noch 33 %. Hier liegt unser Problem. Junge Menschen kommen aus der Schule und sagen nicht: Juhu, jetzt geht’s los. Sondern sie sagen: Ich hab‘s geschafft und muss nicht mehr lernen. Das ist ein großes Problem unserer Zeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Es geht auch um die Anbindung und Vernetzung von Schulen, digitale Endgeräte, Datenschutz und Urheberrechtsfragen. Das ist alles lösbar, denn hier geht es um Dinge. Hier geht es um etwas, das man irgendwie hinbekommt, erst recht mit ein bisschen Pragmatismus. Genauso wichtig aber, und das ist eine viel größere Herausforde

rung, ist all das, was mit den Menschen zu tun hat. Das, was Frau Kurth immer sagt, dass es auf den Lehrer ankommt, müssen wir schaffen und dass unsere Lehrkräfte das pädagogische Know-how und die pädagogische Freiheit erhalten, die Schule von einer Paukanstalt zu einem richtigen Lernort zu machen. Dann reden wir wieder über Lehrpläne, Stundentafeln, –

Achten Sie bitte auf die Redezeit, Frau Friedel.