Aber die derzeitige Informationspolitik der Staatsregierung kann und darf sich das gesamte Parlament nicht bieten lassen. Da nützen keine nicht öffentlichen Ausschusssitzungen mehr, da braucht es eine öffentliche Debatte über diese desaströse Informationspolitik, die derzeit an den Tag gelegt wird.
Da braucht es auch den Druck des gesamten Hauses, den wir mit diesem Antrag forcieren wollen, mit dem wir die Staatsregierung dazu bringen wollen, endlich die Karten auf den Tisch zu legen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, je mehr über die Terrorgruppe Freital, ihre Taten und die diesbezüglichen
Ermittlungen ans Tageslicht kommt, umso klarer wird, wie viel dort offenbar von Anfang an im Argen lag.
Erstens. Die Polizei hätte nach heutigen Kenntnissen möglicherweise die schwerste Straftat der Gruppe, einen immerhin mittlerweile durch den Generalbundesanwalt als versuchten Mord eingestuften Sprengstoffanschlag auf eine Asylunterkunft in Freital, verhindern können, wenn man nur rechtzeitig eins und eins zusammengezählt hätte. Gegen Mitglieder der Gruppe lief frühzeitig eine Telekommunikationsüberwachung. Man war faktisch dabei, als diese den Angriff auf ein linkes Wohnprojekt nicht nur plante, sondern auch durchführte. Man hörte eben nur nicht live mit, weil man angeblich keine Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten hatte.
Das ist der blanke Hohn in Anbetracht dessen, dass bereits seit September offensichtlich ein Prüfvorgang eingeleitet wurde, ob es in Freital eine rechtsterroristische Vereinigung gibt und umfassende Ermittlungen diesbezüglich durchgeführt wurden.
Dann tauchte auch noch ein ominöser Zeuge auf, wie wir nach mehreren Ausschusssitzungen wissen, am 20. Oktober, fast zwei Wochen vor der letzten Tat der Gruppe, packt aus, nennt Namen, Strukturen und legt Teile von Chatprotokollen vor. Spätestens dann meint man doch, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um weitere Straftaten zu verhindern und die Gruppe zu zerschlagen. Nur allein, man wartete ab. Ich kann nur konstatieren: Wir hatten Glück, Glück, dass es nicht schlimmer gekommen und beim Versuch geblieben ist. Sonst würden wir hier heute über ein ganz anderes Ausmaß reden.
Schon bei der originären Aufgabe der Gefahrenabwehr rund um die Terrorgruppe Freital ging offensichtlich einiges schief. So auch die Erkenntnis der ersten Sonderausschusssitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses dazu im April dieses Jahres. Dort hatte man uns, den Ausschussmitgliedern und dem Parlament, aber offensichtlich nicht die volle Wahrheit erzählt.
Zweitens: Anstatt alle Fakten auf den Tisch zu legen, verheimlichte man, obwohl die Frage zu möglichen Verbindungen zum Verfassungsschutz umfassendes
Thema in der Sonderausschusssitzung des Ausschusses war, dass der Verfassungsschutz sehr wohl Kontakte zu jenem ominösen, gleichwohl entscheidenden Zeugen hatte.
nahezu null, außer dem, was zuvor den Medien zu entnehmen war: dass es offenbar doch Kontakte des Verfassungsschutzes gab.
Die Fragen, wie damit umzugehen ist, wurden immer mehr und nicht weniger. Mit jeder weiteren Ausschusssitzung kamen eher mehr Fragen dazu, als geklärt wurden. Vor allem steht die Frage im Raum, warum man uns die Infos über die Kontakte des Verfassungsschutzes zum Zeugen nicht bereits im April gegeben hatte. Wollte man dem Landtag nicht die volle Wahrheit sagen? Man fragt sich: Gibt es hier noch etwas zu verbergen oder legt man dem Parlament immer nur das offen, was sowieso schon in den Medien steht und wohinter man faktisch nicht mehr zurück kann?
Die Angaben der Polizei zum Zeugen weichen dann auch noch ab. Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin wird implizit durch die Sicherheitsbehörden der Lüge bezichtigt, was die Daten angeht. Alles gut und schön aus Sicht der Koalition, nur leider nicht die Wahrheit und vor allem längst nicht alles. Neben dem Umstand, dass die Polizei wesentliche Aussagen zum Erscheinen des ominösen Zeugen im Nachgang der Ausschusssitzung korrigieren muss, folgt zugleich die dritte Nachricht, die dem Fass dann den Boden ausschlägt: Die Kontakte eines Bereitschaftspolizisten zur Gruppe Freital werden vor gut zwei Wochen bekannt.
Auch darüber hat man den Landtag, obwohl man die Information bereits hatte, nicht informiert, wohl aus guten Gründen. Denn das, was jetzt im Raum steht, gefährdet nachhaltig den Strafprozess. Hatte die Gruppe Freital Unterstützung durch einen Polizisten? Gab es eine gezielte Informationsweitergabe an rechte Terrorgruppen?
Meine Damen und Herren! Das ist ein Skandal allererster Güteklasse. Aber anstatt dies umfassend und sofort aufzuklären, wurde zuerst weiter herumlaviert. Es wurde sich in Widersprüche verstrickt und weiter so getan, als wären die Ermittlungen gegen die Terrorgruppe Freital das Nonplusultra gewesen.
Dabei ist mittlerweile klar, dass hier bestenfalls schlampig gearbeitet wurde. Oder warum ist offenbar die Strafanzeige gegen den Polizisten nicht unmittelbar nach der ersten Aussage zu möglichen Verbindungen als Bereitschaftspolizisten zur Gruppe Freital gestellt worden? Erst wurde über Monate hinweg offensichtlich gar keine Strafanzeige dazu vorgelegt. Dann erzählte man uns, nachdem es in den Medien hochkochte, dass es sehr wohl jetzt eine Strafanzeige gegen Unbekannt geben würde, man aber nicht wisse, um welchen Polizisten es sich handele. Dann deckten erneut Medien auf, dass man sehr wohl wisse, um welchen Bereitschaftspolizisten es sich handelt, da in einer der Vernehmungen dieser namentlich benannt wurde. Erst dann hat das Justizministerium unumwunden eingestanden, dass es mittlerweile sehr wohl eine Ermittlung auch gegen eine namentlich bekannte Person gibt.
Sehr geehrte Mitglieder der Staatsregierung, mittlerweile glaube ich Ihnen im Zusammenhang mit der Gruppe
Eine Polizei, die nichts hörte, eine Staatsanwaltschaft, die die Schwere von Straftaten nicht sehen wollte, und eine Staatsregierung, die dem Parlament nichts sagen will – nie war das Bildnis der drei Affen wohl passender als beim Behördenversagen im Komplex Freital: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. So darf es nicht weitergehen!
Es ist Zeit, endlich mal reinen Tisch zu machen und dieses Haus vor neuen Hiobsbotschaften zu bewahren. Es ist doch kein hinnehmbarer Zustand, wenn die Abgeordneten des Landtags offensichtlich ein Pflicht-Abo zur Verfügung gestellt bekommen müssen, damit sie rudimentäre Informationen über das erhalten, wozu sich die Staatsregierung in Ausschüssen gut beredet ausschweigt.
Man kann das alles als unwichtig und als Detailfragen zurückstellen, hätten wir uns nicht alle nach dem NSU versprochen, dass es ein Behördenversagen im Kampf gegen den Rechtsterror nicht noch einmal geben darf.
Wir waren aber bei Freital näher an einem erneuten Versagen, als uns allen lieb sein darf. Anstatt dies zuzugeben, wird offensichtlich mit der Wahrheit weiter hinter dem Berg gehalten.
Werte Mitglieder der SPD-Fraktion, führende Protagonisten Ihrer Partei, allen voran der stellvertretende Ministerpräsident, fordern gerade eine bessere Fehlerkultur im Freistaat, vor allem bei den Sicherheitsbehörden. Fangen Sie beim eklatanten Behördenversagen in Freital an,
Herr Pallas, wenn Sie den Zusammenhang nicht erkennen wollen zwischen dem, was momentan in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und womit die Sicherheitsbehörden im Freistaat Sachsen in den Verruf geraten, und dem, was als Fehlerkultur in Ihrer Partei diskutiert wurde, dann kann ich Ihnen leider auch nicht helfen.
Werter Herr Innenminister, werter Herr Justizminister, legen Sie endlich die Karten auf den Tisch und beenden Sie das Nebelkerzenwerfen. Ihre Salamitaktik bringt den Freistaat Sachsen mehr in Verruf, als es an dieser Stelle notwendig wäre. Dies muss ein Ende haben.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Stimmen Sie bitte unserem Antrag zu, damit die Staatsregierung einmal merkt, dass sie mit einem Parlament so nicht umgehen kann. Ich habe, ehrlich gesagt, keine Lust auf die nächste
Sonderausschusssitzung, weil wir erneut Informationen aus der Presse entnehmen können, die uns vorher vorenthalten wurden.
Lassen Sie uns die Staatsregierung dazu bringen, endlich reinen Tisch zu machen. Stimmen Sie diesem Antrag zu.
Meine Damen und Herren! Nun die CDU-Fraktion, Herr Abg. Modschiedler. Bitte sehr, Herr Modschiedler, Sie haben das Wort.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern mit ihrem Antrag, dass uns die Staatsregierung umfassend und fortlaufend über den anstehenden Prozess gegen die Terrorgruppe Freital berichtet. Frage selbst gestellt, aber nicht beantwortet. Was hat denn dieser Antrag eigentlich hier zu suchen? Das ist die Frage. Was sollen wir Parlamentarier über Ihren Antrag berichten? Nichts. Wir können dazu nichts berichten. Wir müssen nur Ihre billige Polemik ertragen, Herr Lippmann, die Sie hier über drei, vier Minuten losgelassen haben. Das kann nicht der Sinn sein.
Es ist nicht unsere Aufgabe, hier mit solchen Anträgen umzugehen. Eine Kleine Anfrage wäre ein geeignetes Mittel gewesen. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten.
Sie haben gerade vom Druck des Parlaments als neuem Stilmittel in der Geschäftsordnung gesprochen. So ein Quatsch, das kann nicht sein!
Man kann sogar noch weitergehen und Ihren Angriff als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz werten. Die Justiz ist unabhängig. Das Parlament hat nach der Verfassung die wichtige Aufgabe – und die sollen wir als Koalition, aber auch Sie als Opposition wahrnehmen –, die Staatsregierung zu kontrollieren. Es hat aber in keiner Weise das Recht, geschweige denn die Pflicht, die unabhängige Justiz zu kontrollieren. Diese Zeiten haben wir in Sachsen eigentlich seit 26 Jahren überwunden geglaubt. Nach dem, was ich heute gehört habe, ist das bei Ihnen noch nicht der Fall.
Hinzu kommt, dass die Gerichtsverhandlungen öffentlich sind. Die GRÜNEN können sich also jederzeit und ohne Weiteres selbstständig über den Gang des Verfahrens informieren. Nur am Rande sei erwähnt, dass für das Verfahren als Ankläger – das hatten Sie selbst ausgeführt – der Generalbundesanwalt zuständig ist, der übrigens
Ich bin über den Antrag auch angesichts der Pressemitteilungen der GRÜNEN aus der vergangenen Woche, die weniger von Sachkenntnis als durch den eben wieder dargestellten Populismus geprägt waren, wenig überrascht.