Protocol of the Session on December 13, 2016

Wie gut das Wolfsmanagement in Sachsen und damit auch der Schutz der Bevölkerung organisiert ist, beweist unter anderem die Tatsache, dass einer der aktuellen öffentlichen Aufreger lange vor der heutigen Landtagsdebatte bearbeitet wurde. Der Wolf nämlich, der mehrfach im November und davor in und um Rietschen im Landkreis Görlitz gesichtet wurde und natürliche Scheu vermissen ließ, wurde dank der Sichtungshinweise aus der

Bevölkerung inzwischen identifiziert und befindet sich quasi in „wildbiologischer Einzelfallbeobachtung“. Die Bevölkerung wurde ausführlich aufgeklärt. Pumpak, wie der eineinhalbjährige polnische Rüde inzwischen liebevoll getauft wurde, wurde gefüttert – fehlkonditioniert, würde die Wildbiologin sagen. Das erklärt sein auffälliges Verhalten. Sollte er wieder auftauchen – im Moment ist er nicht mehr gesichtet worden –, wird mit Vergrämung oder Entnahme reagiert. All das ist heute bereits rechtlich möglich.

Übergriffe des Wolfes auf Nutztiere dagegen können nie ganz ausgeschlossen werden. Aber auch bei den Vorfällen der jüngsten Vergangenheit aus den Landkreisen Bautzen und Görlitz sind noch nicht alle Herdenschutzvarianten ausgereizt. Die Beratung der Schafhalter läuft. Im Übrigen konnten bis jetzt alle nachweisbaren Wolfsrisse von Nutztierhaltern entschädigt werden. Was allerdings bleibt, ist ein erhöhter Aufwand für den Schutz, für die Kontrolle, aber auch für die Schadensbearbeitung. Das ist durchaus belastend für die betroffenen Nutztierhalter, auch emotional. Das will ich gar nicht in Abrede stellen.

Aber von Politik erwarte ich gerade in solchen aufgeheizten Diskussionen, dass man sich jenseits aller Hysterie auf die Kernfragen konzentriert und diese ehrlich beantwortet. Das sind folgende drei Fragen, die eigentlich keine neuen Fragen sind, aber Fragen, die immer wieder neu überprüft werden sollten: Erstens. Für wen ergeben sich aus der Anwesenheit des Wolfes real und nachweisbar wirtschaftliche Nachteile? Zweitens. Reichen bisher empfohlene Schutzmaßnahmen, und sind die entsprechenden Förder- und Entschädigungsinstrumente noch zeitgemäß? Drittens. Wie stabil ist die mitteleuropäische Wolfspopulation tatsächlich?

Aus meiner Sicht können zwei der Fragen bereits beantwortet werden. Erstens. Auch wenn der Chor der Kritiker vielstimmiger ist, wirtschaftliche Nachteile ergeben sich nur für die Weidetierhaltung, die in Wolfsgebieten nachweislich risikobehafteter, aufwendiger und teurer ist. Das stellt einen klar messbaren, dauerhaft wirkenden wirtschaftlichen Nachteil dar, der nicht über den Produktpreis ausgeglichen werden kann. Das heißt aber auch ganz klar: Der Jäger kann für Wild im Wald, selbst wenn es sich anders verhält und damit die Jagd erschwert, keine Ansprüche geltend machen; denn das Wild im Wald ist juristisch gesprochen herrenlos.

Damit ist die zweite Frage gleichsam mitbeantwortet, nämlich: Die jetzigen Förder- und Entschädigungsinstrumente für Nutztierhalter sind gut, helfen gerade im Schadensfall. Sie decken aber immer weniger den allgemein erhöhten Schutz- und Kontrollaufwand ab. Wer also Weidetierhaltung als ökologische Form der Nutztierhaltung in Wolfsgebieten erhalten will, muss demzufolge bei der Förderung nachsteuern. Nach meiner Auffassung ginge das beispielsweise über eine zusätzliche Flächenprämie für Weidetierhalter in Wolfsgebieten und da insbesondere für Schafhalter.

Die dritte Frage aber kann keiner in diesem Raum beantworten, auch wenn es Wolfsfachleute augenscheinlich so viele gibt wie Fußballexperten außerhalb des Spielfeldes. Denn um die Stabilität einer Population einschätzen zu wollen, reichen individuelle Sichtungen und dramatische Rissbeschreibungen nicht aus, egal, wie groß die Zeitungsaufmacher sind.

Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Herangehensweise des Umweltministeriums, zur Beantwortung dieser Frage eine aktualisierte bundesweite Expertise einzuholen. Ich würde es begrüßen, wenn einige Kollegen der CDU hier weniger doppeltes Spiel betreiben würden, indem sie vor Ort dem Abschuss des Wolfes das Wort reden und wechselseitig EU-, Bund- und Naturschutzverbände vor das Loch schieben, wenn die scheinbar einfache Lösung ausbleibt. Sie sollten stattdessen die Vorgehensweise Ihres Ministers auch öffentlich stützen. Denn erst nach Vorliegen dieser wildbiologischen Daten können wir überhaupt darangehen, weitergehende Schritte, wie eine Herabsetzung des Schutzstatus oder eine begrenzte Bejagung, zu diskutieren. Alles andere ist unseriöse Stimmungsmache.

Meine Damen und Herren, selbst wenn es eines Tages zu einer Bejagung kommen sollte, entkrampfen sich wahrscheinlich relativ schnell die überhitzten Debatten. Alles andere aber bleibt. Auch der Schafhalter muss seine Tiere trotzdem weiter schützen; denn natürlich fordert niemand offen und ernsthaft die Ausrottung des Wolfes.

Frau Kagelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Bienst.

Danke schön, Herr Präsident, ich wollte es mir zwar verkneifen. Frau Kagelmann, geben Sie mir recht, wenn der Wolf am helllichten Tag durch ein Dorf läuft, dass das mit Stimmungsmache unter der Bevölkerung und auch mit der CDU nichts zu tun hat?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Na klar! – Unruhe)

Ich gebe Ihnen insofern recht, dass, wenn ein Wolf am helllichten Tag durch ein Dorf rennt,

(Zurufe von der CDU: Läuft! Läuft!)

das nicht unbedingt zur Belustigung beiträgt und durchaus verunsichert. Aber Sie sind nicht irgendwer, Herr Bienst. Sie sind Politiker. Sie haben sich zuerst an Recht und Gesetz zu halten, dahin gehend die Aufklärung zu betreiben und in einer aufgeregten Debatte zur Ruhe zu mahnen.

(Zurufe von der CDU)

Vor Ort mit den Wölfen zu heulen – um einmal ein plattes Bild anzuführen – und dem Minister und dem Umweltmi

nisterium in den Rücken zu fallen, das halte ich nun nicht gerade für eine ehrenhafte Haltung.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Frau Kagelmann, gestatten Sie eine Nachfrage?

Ich weiß nicht, ob uns das weiterbringt, aber bitte schön.

Sie brauchen nur Ja oder Nein zu sagen.

Frau Kagelmann, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wenn Bürger verängstigt sind, wenn der Wolf am helllichten Tag nicht durch das Dorf rennt, sondern läuft, geradezu spaziert, und das zum wiederholten Mal, sich eine Viertelstunde vor das Küchenfenster setzt und fotografiert wird – was hat das mit der Politik zu tun? Was hat das mit Stimmungsmache vor Ort zu tun, und was hat das mit solider CDU-Politik zu tun? Das ist ein Fakt, den wir hier haben. Das ist die Wahrheit und keine Stimmungsmache.

Herr Bienst, Sie sind ja unglaublich aufgeregt!

(Unruhe im Saal)

Ich nehme einmal an, er ist an Ihrem Balkonfenster vorbeigerannt.

(Starke Unruhe)

Anders kann ich mir das nicht erklären. Selbstverständlich beunruhigt das. Deshalb waren die Kollegen des Wolfsmanagements, war LUPUS, das Wolfsbüro Rietschen sofort zur Stelle, hat mit Wurfzetteln die gesamte Bevölkerung informiert.

(Zurufe von der CDU)

Dieses Beispiel ist der Pumpak, von dem ich gerade erzählt habe. Ich wusste ja, dass Sie aufspringen werden. Deshalb wollte ich zuallererst Sie beruhigen, Herr Bienst.

(Zurufe von der CDU)

Bitte, gern geschehen, die Aufklärung. Dennoch bleibt es dabei: Dieser verhaltensauffällige Wolf war fehlkonditioniert. Er ist gefüttert worden. Das ist nachweisbar. Das ist in diesem Fall kein gesunder Wolf mehr. Vor solchen Wölfen muss man die Bevölkerung tatsächlich schützen. Das ist auch so vorgesehen, rechtlich, und das Wolfsmanagement hat diesen speziellen Fall aktuell im Auge.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Er ist nur verschwunden. Der lässt sich nämlich ganz schlecht anleinen.

Die Frage ist beantwortet?

Wir können das bei einem Kaffee gern weiter vertiefen, Herr Bienst. Aber den Kaffee zahlen Sie.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich würde jetzt fortfahren wollen. – Die Pflege von Raubtierphobien, Herr Bienst, bringt also auch langfristig nichts und im Übrigen hat sie auch in heutigen Kinderzimmern kaum noch eine Chance. Was wir dagegen konsequent tun müssen, ist, die Haltungspraxis und solche Schutzmethoden zu reaktivieren und für die Neuzeit zu adaptieren, die bis vor 150 Jahren in Europa in der Nutztierhaltung üblich waren, und wir müssen die Weidetierhaltung stärker dabei unterstützen.

Ich jedenfalls glaube daran, dass es eine gute Nachbarschaft zwischen Wolf und Mensch geben kann, wenn der Mensch sich Mühe gibt. DIE LINKE stimmt dem Koalitionsantrag zu – da können Sie mal staunen, die Aufregung war völlig umsonst –, auch wenn alle abgeforderten Daten in den Punkten 1 bis 5 relativ unkompliziert auch jetzt schon nachlesbar sind, allerdings nicht alle in dergleichen Quelle. Aber ich halte insbesondere die Punkte 6 und 7 des Antrages, also die Studie zur Weidesicherheit und die Verbesserung des Schadensausgleichs, für wichtig, um die Debatte endlich wieder zu versachlichen.

Ich glaube außerdem, dass ich die Auffassung der LINKEN zum Thema Wolf hinreichend begründet habe, insbesondere auch, was unsere Haltung zu Obergrenzen betrifft. Deshalb ergänze ich, dass wir demzufolge den später folgenden AfD-Antrag ablehnen werden. Ein zusätzlicher Wortbeitrag erübrigt sich.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Kagelmann von der Fraktion DIE LINKE. Als Nächstes ergreift Frau Grimm das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion stellt fest, dass die Reaktionsgeschwindigkeit der Koalition im Sächsischen Landtag auf Anträge der AfD-Fraktion von Mal zu Mal steigt.

(Beifall bei der AfD)

Knapp zwei Wochen nach Einreichung unseres Antrages mit der Drucksachennummer Dresden 6/7107 folgte der

(Christian Piwarz, CDU: Das heißt Drucksache!)

Antrag der Regierungskoalition am 05.12., und am 09.12. legt dann sogar noch die Fraktion DIE GRÜNEN nach, welche die Komplexität des Themas leider noch immer nicht erfasst hat und lediglich auf Teile des Wolfsschutzes abzielt.