Protocol of the Session on November 10, 2016

Kollege Fischer, Sie könnten jetzt auf diese Kurzintervention reagieren. Aber es besteht kein Bedarf. Wir gehen weiter in der Rednerreihe und kommen zur Fraktion DIE LINKE, und Frau Junge ergreift jetzt das Wort. – Oh, pardon, Frau Lauterbach. Wir waren anders informiert.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir sind flexibel! – Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Schulessen an sächsischen Schulen bespielen wir als LINKE schon seit Jahrzehnten. Sie haben wieder einmal unsere Forderungen übernommen

(Zurufe von der AfD: Oh!)

und das auch noch ganz, ganz schlecht. Um ein kostenloses und gesundes Mittagessen für alle Schulkinder abzusichern, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Genau!)

Diese hatte DIE LINKE vorgelegt. – Wie immer abgelehnt. Aber das kennen wir ja schon. Und man braucht Geld bei 350 000 Schülern an allgemeinbildenden Schulen und rund 200 Schultagen im Jahr. Sie haben hier verschiedene Zahlen eingeworfen. 4 Euro pro Mittages

sen, wie Sie das wünschen. Es ist ein richtig großer Brocken. Ausrechnen können Sie es sich allein.

Die Staatsregierung beauftragen zu wollen, derartige Beträge ohne Rechtsgrundlage und ohne entsprechende Mittel im Haushalt auszuweisen,

(Zurufe von der AfD)

zeugt mit Verlaub von einem hohen Maß an Weltfremdheit. Das ist weder sozialpolitisch noch finanzpolitisch seriös. Bei realistischem Herangehen kann man ein kostenloses Mittagessen auch nur schrittweise einführen, beginnend bei einer Begrenzung und Reduzierung des Elternbeitrages für alle und der Kostenfreistellung für die Kinder aus besonders einkommensschwachen Familien.

In den Maßnahmen, die es im Bildungspaket gibt, ist ein Mittagessen in Höhe von einem Euro enthalten. Für uns LINKE gehört zu einer guten Bildung auch eine gesunde Ernährung in den sächsischen Kindertagesstätten und Schulen dazu. In Deutschland sollte es, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, selbstverständlich sein, dass das Mittagessen zum Tagesablauf in Kita und Schule dazugehört. Dieses sollte ohne zusätzliche Kosten für die Eltern angeboten werden. Die Gesellschaft muss auf diese Weise allen Familien mit Kindern eine entsprechende Unterstützung geben.

Werte Abgeordnete! Es ist ein handwerklich schlechter und unrealistischer Antrag. Die Rede ist ein Sammelsurium aus einem aneinandergereihten abgeschriebenen Faktencheck. Es findet ein Verwurschteln bei diesem Thema statt, obwohl es so ein wichtiges Thema ist. Natürlich können wir diesem Antrag und dieser Rede, die hier gehalten wurde, überhaupt nicht zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN – Jörg Urban, AfD: Das war nicht viel von den Linken!)

Nach Frau Lauterbach, DIE LINKE, folgt jetzt Frau Kollegin Friedel für die SPD-Fraktion. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu vielen Aspekten haben meine Vorredner schon etwas gesagt. Es wurde auch schon zu der großen Summe, die ich auch für absurd halte, etwas gesagt. Wir haben gerade darüber geredet, wie wichtig es wäre, zwei Stunden für die Vor- und Nachbereitungszeit in den sächsischen Kitas zur Verfügung zu stellen. Wir haben derzeit nur einen Bruchteil davon. Das ist immer noch hoch.

Sie reflektieren nicht auf das, was Sie an Mitteln einsetzen und welche Wirkung Sie damit erzielen möchten. Darauf würde ich gern noch einmal zu sprechen kommen. Man muss am Ende immer eine Abwägung vornehmen. 350 Millionen Euro sind viel Geld. Wenn wir das Geld zur Verfügung hätten, wäre es dann überhaupt sinnvoll eingesetzt, um das Ziel zu erreichen, welches Sie errei

chen möchten? In einem Punkt sind wir uns alle einig: Gesunde Ernährung ist wichtig. Man muss die Kinder und Jugendlichen in der Schule damit vertraut machen. Das muss über die Verantwortung der Elternhäuser hinaus passieren.

(Ines Springer, CDU: Im Elternhaus!)

Das ist Ihr Ziel. Das Instrument aber, das Sie dafür auswählen, erscheint mir nicht besonders glücklich gewählt zu sein. Sie fordern eine Mittagsversorgung an den Schulen. Das haben wir größtenteils schon. Sie fordern, dass die Schulkonferenz an der Auswahl des Caterers beteiligt wird. Das ist bereits jetzt zum größten Teil der Fall. Sie fordern, dass es für alle Kinder und Jugendlichen bezahlbar ist, Sie sagen sogar, dass es kostenlos sein muss. Ich sage Folgendes: Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket haben wir für eine Bezahlbarkeit bei fast allen gesorgt. Wir befinden uns auf einem guten Zwischenschritt. Am Ende wird es nicht viel anders als bisher sein.

Sie möchten einen großen Geldbetrag dafür ausgegeben, dass ein Caterer in die Schule kommt und dort das Essen ausreicht. Die Kinder und Jugendlichen essen das Essen, fertig. 350 Millionen Euro wurden in den Wind geschossen. Die Wirkung ist nicht besonders groß.

Wenn Sie Ihr Ziel erreichen und das Ernährungsbewusstsein an den Schulen fördern möchten, dann müssen Sie zu anderen Instrumenten greifen. Diese kann man sicherlich für einen Bruchteil des Geldes bekommen. Wir sollten darüber reden, ob wir in dem Investitionsprogramm für die Schulen Schulküchen berücksichtigen müssen. Somit könnte vor Ort gekocht werden, sodass wir uns die Warmanlieferung sparen können. Wir müssen vielleicht darüber reden – das ist durchaus eine sinnvolle Idee –, das Fach Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft nicht nur an den Oberschulen, sondern auch an den Gymnasien zum Lehrplanbestandteil zu machen. Dort ist das Thema Ernährung und Hauswirtschaft enthalten. Wir müssen nicht zuletzt ebenfalls darüber reden, ob der derzeitige Rhythmus des Tages wirklich sinnvoll ist oder wir uns in die Richtung von Ganztagsschulen, nicht Ganztagsangeboten, entwickeln sollten. Somit hätten wir in den Stundentafeln den nötigen Freiraum, um die Zubereitung des Essens als pädagogisches Moment in den Schulalltag einzubauen.

Diese Punkte sind für einen Bruchteil des Geldes zu haben, sofern man gedanklich etwas flexibler ist, als einfach Folgendes zu sagen: Wir möchten einmal etwas. Jeder bekommt 4 Euro in die Hand und wir schauen einmal, ob es hilft. Das ist zu kurz gedacht. Deswegen werden Sie Verständnis dafür haben, dass wir diesen Weg nicht für sinnvoll halten. Ihren Antrag lehnen wir ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Als nächste Rednerin käme für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Zais an die

Reihe. Ich hatte erwartet, dass Sie nach vorn stürmen würden. Sie haben das Wort für die Fraktion GRÜNE, bitte.

(Zuruf der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

Das ist wieder diskriminierend. Das darf man so nicht sagen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag „Jedem Schüler endlich eine warme und gesunde Mahlzeit ermöglichen – kostenfreies Schulessen an sächsischen Schulen einführen!“ kommt ein Thema daher, welches viele Pro und Kontras in den bundesweiten Debatten aufwirft. Das muss man ganz klar sagen. Quer durch alle Parteien gibt es Befürworter und Ablehner hinsichtlich der Frage der Kostenfreiheit.

Ich habe einmal für die AfD recherchiert, wie denn insgesamt das kostenlose Schulessen gesehen wird. Als Beispiel seien hier die Jungen Alternativen aus Berlin genannt, die im Vorfeld zur Wahl auf die Frage nach einem kostenlosen Schulessen wie folgt antworteten: Eher nein, derzeit werden vorrangig dringend Gelder für neue Lehrkräfte und die Sanierung von Schulen benötigt.

(Ines Springer, CDU: Das nennt sich Subsidiarität!)

Weder im Landtagswahl- noch im Grundsatzprogramm der AfD – ich habe mir das extra noch einmal angeschaut, was unter dem Stichwort Sozialpolitik zu finden ist – lassen sich zu dem hier vorgebrachten Antrag Aussagen finden. Ich selbst, das möchte ich offen zugeben, bin durchaus der Auffassung, dass ein kostenloses Schulessen ein Rechtsanspruch für jedes Kind in Deutschland sein sollte. Genauso sollte der Zugang zur Bildung grundsätzlich kostenfrei sein. Genauso sollte die Schülerbeförderung, wenn es um das Thema Bildung geht, kostenfrei sein. Ich finde aber auch, dass es nicht angehen kann, dass Länder versuchen, diesen Weg allein zu gehen. Es muss eine Lösung geben, die im Rahmen der Debatten mit Blick auf das Thema Föderalismus in Deutschland insgesamt gelöst werden sollte. Das ist meine Auffassung.

Dass Deutschland eine bessere Qualität beim Schulessen braucht, steht sicherlich für viele Regionen und Einzelschulen außer Frage. Jedoch, das muss man auch ganz klar sagen, gehört es zur Wahrheit dazu, dass bei dem Thema Schulessen sehr viel in Bewegung ist. Sie wissen, dass ich aus Chemnitz komme; ich betone das immer wieder gern. Sächsische Kommunen verankern für das Schulessen zunehmend die Einhaltung der Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Wir in Chemnitz haben Beschlüsse gefasst, dass, wenn beispielsweise Schulen saniert oder neu gebaut werden, Vollküchen geplant und eingebaut werden. Dort soll selbst gekocht werden. Außerdem modernisieren wir alte Ausgabestellen. Es ist der richtige Weg, wenn vor Ort, wo es um das gesunde Essen und die gesunde Ernährung geht, die Voraussetzungen geschaffen werden, dass das möglich ist.

Die Eltern schauen – auch diese Erfahrung haben wir in Chemnitz gemacht – zunehmend auf die Essensqualität. Der Wechsel des Caterers ist nicht mehr so selten, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Ich erzähle gern von meiner Enkelin, auch hier im Sächsischen Landtag. Merle besucht jetzt die 3. Klasse einer Grundschule in Chemnitz. Dort haben sich die Eltern dafür entschieden, den Caterer zu wechseln. Man war nicht zufrieden. Meist ist es so, dass die Eltern nicht bereit sind, mehr Geld für gesundes Essen zu bezahlen. Merles Eltern bezahlen mittlerweile 4,10 Euro. Sie sind damit zufrieden. Jetzt haben sie einen Mix aus Frischgekochtem, Rohkost, Salatbuffet und der Möglichkeit, dass sich die Kinder aus dem vielfältigen Angebot ihr Essen selbst zusammenstellen können. Es wird weniger weggeschmissen. Das ist natürlich ein Thema, über das wir nachdenken müssen. Die Portionen sind ebenfalls kindgerechter. Es ist viel in Bewegung, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube nicht, dass eine gesunde Mahlzeit durch den Antrag der AfD und durch das Kostenfreistellen widergespiegelt wird.

Der vorliegende Antrag der AfD, das möchte ich ausdrücklich betonen, ist aus unserer Sicht weder konstruktiv noch kann er als ernsthafter Wille zur Veränderung gewertet werden. Wenn man in die Begründung und Untersetzung der einzelnen Punkte schaut, dann stellt man fest, dass sich dies mit dem Titel widerspricht. Es ist einmal zu viel das Wort „soll“ vorhanden: Die Staatsregierung soll oder sollte. Es ist das Wort „kann“ an einer Stelle vorhanden, an die es eigentlich nicht hingehört, wenn man es mit dem kostenfreien Schulessen ernst meint.

Mich stört am allermeisten, dass zu wenige Aussagen über die Rahmenbedingungen und deren Finanzierung enthalten sind, um kostenloses Schulessen tatsächlich zu einer gesunden Veranstaltung zu machen.

Wer die Realität anschaut, stellt fest, dass die Schülerinnen und Schüler in vielen Schulen aufgrund des Platzmangels in Schichten essen. 45 Minuten Essenszeit, die eigentlich vorgesehen sind, können selten garantiert werden. In manchen Schulen – auch das habe ich bei einem Besuch konkret erlebt – sind die Essenszeiten selbst der Jüngeren leider dem Stundenplan untergeordnet.

Ich gehe davon aus, dass diese Fragen auch in der AfD diskutiert wurden. Kollegin Kersten ist ja nicht so dumm, sage ich einmal, dass sie das nicht wüsste.

(Vereinzelt Lachen bei der AfD)

Den Antrag trotzdem einzureichen spricht aus meiner Perspektive deshalb für andere Ziele. Dieser Antrag ist für mich so etwas wie eine Maske. Er dient dazu, von der grundsätzlichen Ausrichtung der AfD abzulenken und die anderen Parteien bei Nichtzustimmung bloßzustellen. Sie wollen sich hier präsentieren als eine Partei des unideologischen Sachverstands mit sozialer Ausrichtung

(Dr. Frauke Petry, AfD: Und davor haben Sie am meisten Angst, richtig?)

und sind doch die ideologischste und unsozialste Partei Deutschlands.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das sagt die Richtige!)

Eine Akzeptanz und einen Dialog zu Ihrer Politik kann es für uns als GRÜNE nicht geben, weder im Grundsätzlichen noch im Detail. Dass wir den Antrag ablehnen, ist selbstverständlich.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Frauke Petry, AfD: Und das war nicht ideologisch, Frau Zais?)

Frau Zais beendet jetzt die erste Rederunde. Die einbringende Fraktion möchte eine zweite Rederunde eröffnen. Bitte, Herr Kollege Wurlitzer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Frau Zais, ich habe von Ihnen schon viel erlebt. Sie haben uns als Rassisten beschimpft. Aber das, was Sie gerade mit Frau Kersten gemacht haben – „so dumm sind noch nicht einmal Sie, Frau Kersten“ –, finde ich ein starkes Stück. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Das ist unverschämt und unkollegial.

(Beifall bei der AfD)

Im Gegensatz zu Ihnen, sehr geehrte Frau Zais – hallo, Frau Zais? –, möchte ich keine Zuständigkeiten, die wir hier in Sachsen haben, nach Berlin abgeben. Wenn der Bund irgendwann nachzieht und es eine einheitliche Regelung in ganz Deutschland gibt, ist das gut. Das ist aber kein Grund, dass wir in Sachsen darauf warten müssten, dass das passiert.