Protocol of the Session on September 29, 2016

In diesem Sinne feiern wir nicht nur den Jahrestag der deutschen Einheit, nein, wir feiern ganz besonders auch den Jahrestag der friedlichen Revolution in Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Urban für die AfD-Fraktion. Jetzt könnte die Fraktion GRÜNE erneut sprechen. – Kein Redebedarf.

Wir eröffnen eine dritte Rederunde. Für die einbringende CDU-Fraktion spricht jetzt erneut Kollege Colditz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz auf einige Redebeiträge eingehen, weil mir das notwendig erscheint.

Ich glaube, ich habe auch in meinem Redebeitrag deutlich gemacht, dass wir die Probleme, die nach 26 Jahren der Wiedervereinigung in diesem Land noch vorhanden sind, nicht leugnen. Auch ich denke, wir tun gut daran – und es war meine Absicht, auch das deutlich zu machen –, dass wir nicht nur die Probleme benennen, sondern gerade vor dem Hintergrund der Herausforderungen, die vor uns stehen, deutlich machen, was dieses Land in den letzten Jahren an Entwicklung vollzogen hat, und zwar nicht allein durch politische Entscheidungen, sondern durch das Engagement der Bevölkerung.

Meine Damen und Herren! Was hilft es denn den Leuten, die noch unter diesen Problemen leiden und möglicherweise ein Stück weit resigniert haben, wenn wir in den Mittelpunkt der Aussage immer diese Negativdarstellungen bringen und sagen, dass alles darnieder liegt und wir die Probleme nicht in den Griff bekommen können? Das hilft niemandem, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall bei der CDU)

Wir müssen die Probleme aufgreifen. Diese Probleme nur zu benennen und keine Lösungen aufzuzeigen, keinen Optimismus in die Bevölkerung, die wir brauchen, um die Probleme zu lösen, hineinzutragen, ist nicht der richtige Ansatz. Das sollten wir uns vergegenwärtigen, bei allem Verständnis dafür, dass man sich mit solchen Darstellungen natürlich politisch profiliert. Hier geht es nicht darum, eine bestimmte Politikrichtung oder die Politik einer Partei zu rechtfertigen. Hier geht es darum, einen gesellschaftlichen Veränderungsprozess zu würdigen, den wir in 26 Jahren vollzogen haben und auf den wir stolz sein können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Lieber Herr Gebhardt, wir kommen aus dem gleichen Wahlkreis im Erzgebirge. Rufen Sie sich doch einfach einmal die Bilder vor 1990 in unserer ehemaligen Wismut-Region in Erinnerung und vergleichen Sie das mit heute. Schauen Sie sich allein die Entwicklung von Bad Schlema an. Es gibt mittlerweile Bildbände, wie der Uranbergbau der SDAG Wismut vor 1990 diese Region zugrunde gerichtet hat. Es gibt jetzt Bildbände vom Kurort Schlema, der sich daraus entwickelt hat. Das in Bezug zu blühenden Landschaften zu setzen, ist vollkommen gerechtfertigt. Helmut Kohl hatte genau an dieser Stelle recht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Herr Zschocke, noch eine letzte Sache: Ich verstehe Ihre Interpretation, was bestimmte Initiativen anbelangt. Ich kann auch verstehen, dass Sie sich möglicherweise mehr

Demokratie oder demokratische Einflussnahme wünschen. Aber ich kann Ihrem Ansatz nicht ganz folgen. Auch in mein Wahlkreisbüro kommen Bürger. Deren Grundaussage ist: Demokratie ist dann vorhanden und funktioniert dann, wenn ich recht habe. Wenn ich mit meiner Position nicht durchkomme, dann gibt es die Demokratie nicht mehr. Das ist der falsche Ansatz.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von den LINKEN)

Sie wissen es ebenso gut wie ich, dass Demokratie von Mehrheiten lebt. Wichtig ist doch, dass diese Mehrheiten im Meinungsstreit entstehen. Das ist sicherlich richtig und da gebe ich Ihnen recht. Da haben wir auch Probleme bei der Verständigung, wenn es um politische Kultur geht. Das ist völlig in Ordnung. Aber zu meinen, dass nur, wenn die eigene Position zum Tragen kommt, die demokratischen Verhältnisse in Ordnung sind, halte ich doch für sehr problematisch.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns als Botschaft aus dieser Aktuellen Debatte hinaus in die Öffentlichkeit tragen, dass wir am 3. Oktober alle miteinander, egal, in welcher Verantwortung wir standen, ob in der Regierungsverantwortung, in der Opposition oder ob wir möglicherweise gar nicht im Parlament vertreten waren, stolz sein können, diesen Tag am 3. Oktober gemeinsam feiern zu können. Das sollten wir miteinander ehrlichen Herzens tun.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Das war Kollege Colditz von der CDU-Fraktion. Er hat eine dritte Runde eröffnet. Gibt es jetzt aus den Fraktionen heraus weiteren Redebedarf in dieser dritten Runde? – Möchte die CDU noch eine vierte Runde eröffnen? Die Redezeit ist reichlich vorhanden. – Das ist nicht der Fall. Dann hat jetzt die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift für die Staatsregierung Herr Staatsminister Jaeckel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Sächsischen Landtags! Der Tag der Deutschen Einheit steht unter dem Leitmotiv „Brücken bauen“. Mit dem Symbol, eine Brücke zu bauen, definieren wir die Fähigkeit, ein natürliches oder künstliches Hindernis zu überwinden. In der Tat steht am Anfang der deutschen Einheit die Überwindung der Mauer. Sie hatte Deutschland in zutiefst unnatürlicher Weise in zwei Teile geteilt, mit zwei politischen Systemen, die nicht gegensätzlicher sein konnten. Wenn wir heute über Gegensätze in unserer Gesellschaft sprechen, dann sollten wir nicht vergessen, dass es die Kraft der Versöhnung zur Überwindung der Teilung war, die uns die Chance der deutschen Einheit ermöglicht hat.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Diese Teilung, meine Damen und Herren, hatte es in sich. Die politischen Systeme lagen militärisch, wissenschaftlich, ja gesellschaftspolitisch in einem erbitterten Wettstreit. Landschaften, Kirchen, Vereine, Verbände, Gewerkschaften, aber auch – viel schlimmer und noch viel schmerzhafter – Familien und Freundschaften waren zerrissen. Die Reisebeschränkungen für die DDR-Bürger, aber auch die Schikanen für die in die DDR einreisenden Bundesbürger taten das Übrige für eine große Entfremdung.

Es waren die Sachsen, die diese Teilung durch die weltberühmt gewordenen Montagsdemonstrationen in einem beispiellosen Akt der Zivilcourage überwunden haben. Im Oktober und November 1989 wurden mithilfe von Hunderttausenden Friedenssymbole gesetzt. Meine Damen und Herren, im Kern feiert der Tag der Deutschen Einheit dieses Ereignis, das uns die Einheit herbeigeführt hat.

Freilich, nach diesen Ereignissen im Herbst 1989 begann ein für viele Menschen im Osten Deutschlands schmerzhafter und schwieriger Prozess. Ich erinnere mich persönlich noch sehr genau daran, wie die Stimmung Anfang der Neunzigerjahre in Leipzig war. Viele Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. Viele orientierten sich auch räumlich neu. Freundschaften, ja Ehen brachen auseinander. Die Aufarbeitung des SED-Unrechts offenbarte menschlich Abgründiges.

Und doch gelang der Brückenschlag. Die Sachsen haben die Ärmel hochgekrempelt. Die Dynamik, die diesem Bundesland innewohnte, war attraktiv, sie war von ihren Menschen geschaffen worden – interessant, gestaltungsoffen, geradezu anziehend. Dazu haben wir in den Redebeiträgen zuvor ja auch etwas gehört.

Es wird Sie nicht wundern, meine Damen und Herren, wenn ich darauf hinweise, dass es die CDU war, der dies gelang. Die Wirtschaft titelte „Zurück an die Spitze“ und knüpfte dabei an die großen industriellen Innovationen aus dem ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts an. Wissenschaft, Kultur, Schulen, Betriebe kämpften um ihren Platz in der Gesellschaft.

Der Tag der Deutschen Einheit schlägt zudem eine Brücke zum Föderalismus. Alle Länder werden sich hier in Dresden präsentieren. Sie repräsentieren eine Staatsidee, nämlich den Ordnungsgedanken, sich zur Sicherung und Förderung gemeinsamer Belange zusammenzuschließen, ohne auf die staatliche Eigenständigkeit zu verzichten. Ich denke, das ist insbesondere auch für den Freistaat Sachsen wichtig und sollte hier ausdrücklich gesagt werden. Wir sollten gemeinsam immer wieder daran erinnern.

Die Bundesrepublik Deutschland gewinnt ihr Profil auch daraus, dass nicht alles überall gleich ist. Wir müssen über

die Fragen der Gegenwart und der Zukunft politisch untereinander und mit dem Bund streiten, damit optimale Lösungen für uns alle entstehen. Das gewährleistet die Demokratie.

Selbstredend – einige Vorredner haben darauf hingewiesen – ist dies nur möglich, wenn Extremismen jeder Form und jeden Inhalts von diesem Aushandlungsprozess ausgeschlossen sind, weil sie die Verfassungsordnung im Kern angreifen und beseitigen wollen. Deshalb schließe ich mich ausdrücklich dem Wunsch von Herrn Colditz an, einmütig Gewalt und Extremismus zu verurteilen. Ich würde mir wünschen, dass diese Direktiven, der demokratische Prozess auf der einen Seite, die Verurteilung von Gewalt und Extremismus auf der anderen Seite, zum kollektiven Vermächtnis der friedlichen Revolution hinzutreten.

Meine Damen und Herren Abgeordneten des Sächsischen Landtags, natürlich haben wir nicht jeden Tag Anlass zur Freude. Unser aller politische Arbeit steht unter großem Erwartungsdruck. Die Menschen im Lande erwarten von uns Antworten auf die drängenden Fragen zur Lage der Migration, zur Wirtschafts- und Sozialordnung, zur Bildung und Ausbildung. Wir alle können in den nächsten Tagen, den drei Feiertagen um den Tag der Deutschen Einheit, die wir haben, mit Menschen ins Gespräch kommen, aber auch mit den Ausstellern, die diesen Tag der Deutschen Einheit gestalten werden. Demokratieforen, die Bundesländer, der Bundesrat, die Gerichtsbarkeiten, die Landeszentralen für politische Bildung, die Bundeszentrale für politische Bildung, viele Ehrenamtliche – ich nenne nur das Deutsche Rote Kreuz, das THW, unsere Feuerwehren –, aber auch die Nachbarländer Polen und Tschechien präsentieren sich in Dresden mit einem großen Ziel: Brücken zu bauen, die unsere Gesellschaften und Werte verlässlich auch in die nächsten 26 Jahre tragen können. Das ist wahrlich ein Grund zur Freude.

Meine Damen und Herren, deshalb rufe ich allen Menschen in Sachsen und in Deutschland zu: Kommen Sie alle zum Tag der Deutschen Einheit. Die Brücke trägt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Am Ende dieser ersten Aktuellen Debatte sprach Herr Staatsminister Dr. Jaeckel. Er sprach für die Staatsregierung. Die erste Aktuelle Debatte ist abgeschlossen.

Wir kommen zu

Zweite Aktuelle Debatte

Großzügige Bundesförderung für Bahn und Bus –

Sachsen vergibt Chance auf ÖPNV-Offensive

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zunächst spricht für die Antragstellerin Frau Kollegin Meier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit drei Jahren ziehen wieder mehr Menschen in die Oberlausitz. Das ist erfreulich. Warum das so ist, hat ein Internetblog, nämlich der Laute Bautzener, herauszufinden versucht. Er ist der Frage nachgegangen und hat Zugezogene gefragt, unter anderem auch den Bautzen-OB: Was gefällt euch an der Lausitz, und was gefällt euch weniger gut?

Damit sind wir beim Thema dieser Debatte, weil die Mehrheit der Befragten das ÖPNV-System in der Lausitz kritisiert hat. Und sie haben den Wunsch geäußert nach einem zuverlässigen und flächendeckenden ÖPNV in der Lausitz. Dazu gehört natürlich auch ein gutes Bahnangebot von Hoyerswerda nach Niesky und Görlitz, keine Taktverschlechterung zwischen Görlitz und Zittau und keine Abbestellungsszenarien zwischen Zittau, Varnsdorf und Seifhennersdorf oder Bischofswerda und Zittau.

Im Frühjahr, als klar war, dass wir weniger Regionalisierungsmittel vom Bund bekommen, sind wir hier alle gemeinsam Sturm gelaufen. Der Ministerpräsident hat sogar gemeinsam mit seinen Amtskollegen einen Brief an Frau Merkel geschrieben. Lange Zeit waren wir hier wirklich in der Schwebe, ob der Bund noch eine Schippe drauf legt oder nicht. In dieser Zeit mussten Sie ja Ihren Haushalt erarbeiten, mussten also mit den Zahlen arbeiten, die vorlagen. Als dann der erste Entwurf des Haushaltes vor uns lag, war ich wirklich optimistisch gestimmt. Denn was konnte ich dort lesen? Sie wollten 80 % der Mittel an die Zweckverbände weiterleiten und weitere 10 % der Mittel für schlechte Zeiten zurücklegen. Summa summarum wollten Sie also 90 % der Mittel an die Zweckverbände weiterreichen. Erstmals – erstmals! – waren Sie bereit, 41 Millionen Euro aus Landesmitteln in die Infrastruktur zu geben. In anderen Ländern ist so etwas normal, in Sachsen ist das ein Novum, aber ein längst überfälliges.

Ich habe wirklich gedacht: Mensch, der Ansatz ist wirklich okay. Ich hatte aber auch noch ein paar Fragezeichen insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Rücklage – diese Fragezeichen habe ich immer noch –, nämlich ob die Gelder ausschließlich die Zweckverbände bekommen oder ob daraus auch der Schülerverkehr finanziert werden soll. Ich habe eine Kleine Anfrage gestellt. Ich werde sehen, wie die Antwort ausfallen wird.

Dann kam der Juni, und es war klar, der Bund gibt noch eine Schippe drauf. 199 Millionen Euro für die ostdeutschen Länder. Sachsen soll 50,2 Millionen Euro kriegen. Das war unter den Rahmenbedingungen wirklich ein

gutes Ergebnis. Herr Dulig und Herr Tillich haben sich dann ja auch in der Presse entsprechend geäußert. Sie haben gesagt: Die Zweckverbände haben jetzt endlich eine Planungssicherheit, und zusammen mit den zur Verfügung gestellten Landesmitteln können wir endlich eine auskömmliche Finanzierung sicherstellen.

Ich hatte gehofft, dass wir jetzt gemeinsam einen Schritt vorankommen, um die dringend notwendige Verbesserung im ÖPNV-Angebot wirklich sicherzustellen, dass wir nicht länger hier über Abbestellungsszenarien reden müssen, dass der 15-Minuten-Takt, der hier in Dresden in Rede ist, nachdem die Bahn mehrere Millionen Euro, einen dreistelligen Millionenbetrag, investiert hat, jetzt endlich in greifbare Nähe kommt.

Aber dann, sehr verehrte Damen und Herren, kam die Ergänzungsvorlage aus dem Ministerium, und alles war auf Anfang. Denn die Gelder des Bundes haben Sie mit Kusshand genommen und im gleichen Atemzug die Landesmittel, die Sie vorher zur Verfügung gestellt hatten, direkt wieder zurückgezogen. Planungssicherheit und eine auskömmliche Finanzierung waren nicht mehr das Gebot der Stunde, und das Papier, auf das die JubelPressemitteilungen geschrieben waren, war das Geld nicht wert. Die 45 Millionen Euro haben Sie direkt in den Zukunftssicherungsfonds geschoben. Die 41 Millionen Euro Infrastrukturmittel, die Sie zunächst bereit waren, aus Landesmitteln zur Verfügung zu stellen, zahlen Sie jetzt direkt aus den Regionalisierungsmitteln.

Beim Schülerverkehr gibt es keine einzige Beteiligung des Landes mehr, nicht einmal mehr den symbolischen Betrag von 4 Millionen Euro wie in den letzten Haushalten. Sie sind also einen Schritt nach vorn und zwei Schritte zurückgegangen. Aber bevor Sie nun gleich wieder sagen, Sie würden doch alles richtig machen und das Geld des Bundes werde für den ÖPNV ausgegeben, sage ich ganz klar: Ja, richtig, Sie geben das gesamte Geld der Regionalisierungsmittel in den ÖPNV, in den Schülerverkehr, in die Infrastruktur und an die Zweckverbände.