Protocol of the Session on September 28, 2016

Zum Gesetzentwurf: Laut Gesetzesnovelle soll der Aufgabenkreis des Beauftragten für die Stasi-Unterlagen erweitert und seine Rechtsstellung verbessert werden. Zunächst zur Rechtsstellung: Der Landesbeauftragte samt seiner Beschäftigten soll fortan dem Sächsischen Landtag zugeordnet sein. Kritik daran kam vom leitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter der Stiftung Ettersberg in Weimar, Dr. Wurschi. Er monierte in der Anhörung das Vorschlagsrecht des Präsidenten. Ich zitiere: „Meines Erachtens“ – so der Sachverständige – „ist es ureigenstes Privileg von Fraktionen, sich ihren Landesbeauftragten, also den Landesbeauftragten, der im Landtag angesiedelt ist, zu wählen; auf Vorschlag des Landtagspräsidenten, diesen dann auch zu wählen. Aber wenn es letztlich gar nicht in vorderster Linie darum geht, in einer Diskussion daran mitzuwirken, erachtete ich das als eine Schwäche der Position des zukünftigen Landesbeauftragten.“

Das sieht DIE LINKE genauso. Bei Ihrer Variante handelt es sich um einen sächsischen Sonderweg, und zwar um einen schlechteren. Übrigens: Demokratietheoretisch wird es dann so sein, dass Wahlvorschlagsbehörde und Dienstbehörde ein und dieselbe Person sind.

Zweitens, zum Aufgabenspektrum: In der Anhörung zum Gesetzentwurf führte Frau Poppe, die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, zur Erweiterung des Aufgabenspektrums aus – ich zitiere –: „Wie in der Zielsetzung zum Gesetzentwurf vermerkt, gehört der Bezug auf das diktatorische Gesamtsystem, also SED, Blockparteien, alle staatlichen und staatlich kontrollierten Institutionen,

auch Sowjettruppen, Grenzregime, Polizei sowie auf sämtliche Lebensbereiche bereits zum wahrgenommenen Aufgabenspektrum aller Landesbeauftragten. Es bedarf hier nur noch einer entsprechenden Verankerung im Gesetzeswortlaut und einer veränderten Amtsbezeichnung.“

Daran zunächst eine handwerkliche Kritik: Inhaltlich soll die Verengung auf die Staatssicherheit aufgehoben werden. Dazu bemerkt noch einmal Frau Poppe: Bei der konkreten Aufgabenbeschreibung und den Änderungsgesetzen in § 3, insbesondere bei den Punkten 2, 10 und 11, liegt allerdings der Schwerpunkt wiederum bei der Staatssicherheit.

Die in den Zielsetzungen für die Gesetzesänderung formulierte Verbreiterung des Themenfelds auf das gesamte politische Spektrum der DDR sowie die Abkehr von der Fokussierung auf die Staatssicherheit wird in der Festlegung der gesetzlichen Aufgaben wenig deutlich. Hier muss sich die einreichende Fraktion natürlich entscheiden.

Dann zum nächsten Punkt der Doppelstrukturen; es ist die gleiche Situation zum Forschungsauftrag und zum Sachverständigen: Weshalb soll denn der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Dokumentations-, Bildungs- und Forschungsarbeit machen? Es ist weder ein Archiv noch eine Universität. Der Landesbeauftragte sollte dazu auffordern, Forschung zu betreiben. Er sollte Defizite erkennen und benennen und ihre Behebung fördern. Er ist nicht in der Situation, mit seiner Behörde Dokumentations- und Forschungsarbeit zu leisten.

Roland Jahn bringt es am Ende in seiner Einführung auf den Punkt: „Kritisch sehe ich die Punkte, in denen schon im Vorblatt des Gesetzes darauf verwiesen wird, dass der Landesbeauftragte Bildungsträger sein soll. Hier sehe ich eine große Gefahr, dass Doppelstrukturen geschaffen werden, dass Überschneidungen mit anderen Einrichtungen eintreten.“

Den Bildungsauftrag erfüllen hierzulande die Landeszentrale für Politische Bildung und die Gedenkstätten. Das Hannah-Ahrendt-Institut erfüllt einen Forschungs- und einen Bildungsauftrag, auch die zeitgeschichtliche Forschung an den Universitäten tut das. Letztere, die zeitgeschichtliche Forschung, leistet das in einer weitaus besseren Qualität, als es der Landesbeauftragte je könnte, ohne das ihm vorzuwerfen. Seine Behörde verfügt schlichtweg nicht über die notwendige wissenschaftliche Expertise dafür.

Obwohl jetzt schon personell überfordert, ist keine Budgeterhöhung für die oder den Landesbeauftragten mit dem Gesetzentwurf verbunden. Die Aufgabenerweiterung und ein gleichbleibender Etat passen nicht zusammen. Man kann sagen: Hier untergräbt der Gesetzgeber ganz klar das Gesetzesvorhaben.

Dabei bin ich abschließend bei einem grundsätzlichen Argument: Wenn der Landesbeauftragte bei der Aufgabenerweiterung personell überfordert ist, dann ist das

Anliegen des Gesetzentwurfs bei der einschlägigen Wissenschaft viel besser aufgehoben. In der Geschichtsschreibung und in der Soziologie ist die Gefahr übrigens auch geringer, Geschichtspolitik zu betreiben. Hier trifft die Rede von der Parteiunabhängigkeit zu.

DIE LINKE plädiert im Interesse einer echten Verbesserung der Aufarbeitungsarbeit für eine Stärkung der universitären zeitgeschichtlichen Forschung über die DDR. Wir sollten keine unnützen Doppelstrukturen schaffen, sondern die vorhandenen Strukturen besser ausschöpfen und ausstatten. In diesem Sinne fordert Martin Sabrow, der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam und Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin – ich zitiere – „ein entschlossenes Streben nach Entlastung der DDR-Forschung aus allen konjunkturgestützten Maßnahmen außerwissenschaftlicher Akteure.“ Das Ende der – ich zitiere – „fürsorglichen Belagerung durch staatliche und gesellschaftliche Akteure unterschiedlichster Interessenlagen.“ Martin Sabrow – das will ich noch hinzufügen – gehörte der Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik an, die jüngst ihren Bericht vorgelegt hat. Sein Wort hat also Gewicht.

DIE LINKE wird sich angesichts der hier zum Teil aufgezeigten Schwächen des Gesetzentwurfes der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die AfDFraktion Herr Hütter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor uns liegt nun der gemeinsame Gesetzentwurf der CDU, der SPD und der GRÜNEN in der Form der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses zur zweiten Beratung.

Die Idee für den Gesetzentwurf liegt schon seit Langem bei den GRÜNEN in der Schublade. Damals war aber noch die FDP an der Regierung beteiligt, da konnte die CDU einen solchen Gesetzentwurf nicht unterstützen. Jetzt wurde er gemeinsam mit den GRÜNEN eingebracht.

Im Juni dieses Jahres fand im zuständigen Fachausschuss zum Gesetzentwurf eine Anhörung statt. Als Sachverständige nahmen unter anderem der Bundesbeauftragte sowie die Landesbeauftragte aus Brandenburg teil. In der Anhörung wurden viele umfassende und auch sehr konkrete Äußerungen sowie Ergänzungen vorgeschlagen, die größtenteils Eingang in den Änderungsantrag gefunden haben. Damit konnten noch einige Lücken im Gesetzentwurf gefüllt, Unklarheiten beseitigt und Begriffe definiert werden.

Das derzeitige Landesbeauftragtengesetz umfasst gerade einmal vier Paragrafen inklusive der Regelungen zum

Inkrafttreten. Es wurde im Juni 1992 als „Gesetz über die Rechtsstellung des Sächsischen Landesbeauftragten“ beschlossen. Die Bundesbehörde sollte damit auf Landesebene durch die Behörde des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen unterstützt werden.

Das neue Gesetz hingegen soll das alte umfassend ersetzen. Es heißt nun wie folgt: „Gesetz zur Regelung der Tätigkeit des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und der fortwährenden Aufarbeitung der SED-Diktatur, ihrer Entstehung, ihrer Auflösung und ihrer Nachwirkungen auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen“.

Die den Gesetzentwurf einbringenden Fraktionen haben sich also darauf geeinigt, dass der sächsische Landesbeauftragte auch weiterhin die folgenden Aufgaben wahrnimmt: Beratung der Bürger zu Akteneinsicht und Wiedereingliederung, Beratung von Verwaltungen bei der Überprüfung, Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Struktur und die Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes im SED-Staat, Unterstützung der historischen und politischen Aufarbeitung.

Eine Übertragung der Aufgaben und Bündelung der Zuständigkeiten beim Bundesbeauftragten ist derzeit in Sachsen auch nach über 25 Jahren nach dem Ende der SED-Diktatur noch nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil: Der neue Gesetzesentwurf erweitert sogar das Aufgabenfeld des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur insgesamt. Dazu darf er sich noch zusätzlich mit den zuständigen Stellen in anderen Ländern, insbesondere in den Nachbarländern Polen und Tschechien, verständigen.

Benennt das alte Gesetz in vier Punkten ganz kurz und knapp die Aufgaben des Landesbeauftragten, so umfasst der Gesetzesentwurf elf umfangreiche Punkte, unter denen die vielfältigen Aufgaben des Landesbeauftragten umfassend beschrieben werden. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hatte in der letzten Ausschusssitzung des Rechts- und Verfassungsschutzes betont, wie wichtig allein aus datenschutzrechtlicher Sicht eine detaillierte Aufgabenbeschreibung ist. Der Landesbeauftragte benötigt präzise formulierte Aufgaben auf gesetzlicher Grundlage, um personenbezogene Daten zu verarbeiten.

Eine weitere wesentliche Änderung ist, dass der Landesbeauftragte aus dem Geschäftsbereich des Justizministeriums herausgelöst und direkt beim Landtag angebunden werden soll. Der Landtagspräsident, der dann die Rechts- und Dienstaufsicht über den Landesbeauftragten ausüben soll, ist sodann auch für die Wahl des Landesbeauftragten vorschlagsberechtigt. Derzeit wird der Landesbeauftragte von der Staatsregierung vorgeschlagen und vom Landtag mit einfacher Mehrheit gewählt.

Da der Landesbeauftragte bei der Ausübung seiner Dienstgeschäfte unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen bleibt, kommt es für seine inhaltliche Arbeit nicht auf die Landesbehörde an, der er angegliedert wird. Dies zeigen auch die unterschiedlichen Regelungen in anderen Bundesländern.

Bei einer Angliederung des Landesbeauftragten an den Sächsischen Landtag müsste dann auch eine entsprechende Änderung im Haushalt vorgenommen werden. Derzeit sind die Mittel für den Landesbeauftragten noch im Einzelplan des Justizministeriums aufgeführt.

Eine weitere Neuerung betrifft die Berichtspflicht. Der Landesbeauftragte hat auch weiterhin dem Sächsischen Landtag einen Bericht vorzulegen. Inhaltlich soll sich der Bericht auf seine Tätigkeit, den Stand der Aufarbeitung und zeitlich auf eine Zeitschiene von zwei Jahren erstrecken.

Diesen Änderungen stimmen wir zu, jedoch sehen wir an dieser Stelle noch Verbesserungsbedarf. Daher hat die AfD-Fraktion einen Änderungsantrag betreffend des Berichtszeitraums formuliert, der Ihnen auch vorliegt.

Bezüglich der Weiterführung der Aufgabenwahrnehmung durch den Landesbeauftragten und des Einfügens der wichtigsten Ergänzungen aus der Sachverständigenanhörung kann die AfD-Fraktion dem Gesetzentwurf in der Form der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses grundsätzlich zustimmen.

Wir bitten um die Berücksichtigung unseres Änderungsantrages.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Frau Abg. Kliese, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern noch auf zwei, drei Punkte, die zu unserem Gesetzentwurf angebracht worden sind, näher eingehen. Zum einen ist es noch einmal der Vorwurf, dass hier die Fraktion DIE LINKE nicht hinreichend oder überhaupt nicht eingebunden worden sei, obwohl sie Interesse daran gehabt habe, und zum anderen, dass unsere Argumentation, wie wir es beim letzten Mal ausgeführt haben, ihnen zu dünn sei. Das würde ich jetzt gerne noch einmal näher ausführen.

Es ist folgendermaßen: Wir können bei der Zusammenarbeit mit Ihrer Fraktion zu diesem Thema nur von dem ausgehen, was Sie uns hier in diesem Hohen Hause zu diesem Thema abliefern. Das war in der letzten Legislatur,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben eine neue!)

als der Gesetzentwurf in einer ganz ähnlichen artverwandten Form hier von den GRÜNEN eingebracht worden ist, ein Redebeitrag von Herrn Prof. Besier, in dem Herr Prof. Besier betont hat, dass es ihm zwar sehr leidtue, aber dass wir uns damit abfinden müssten, dass dieses Thema leider nicht mehr besonders viele Menschen interessiere. Das war der Wortbeitrag Ihrer Fraktion zu

diesem Thema. Ich habe ihn nicht gerade als Einladung zum Gespräch empfunden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Das Nächste, was von Ihrer Fraktion zu diesem Thema kam, – –

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es wird nicht besser, wenn Sie es wiederholen! Sie haben uns nicht gefragt! Das war in der letzten Legislatur!)

Jetzt spreche ich. – Was von Ihrer Fraktion zu diesem Thema im Ausschuss gekommen ist, waren Enthaltungen, und Sie haben es nicht einmal fertiggebracht, zum Erhalt der Außenstellen einen Wortbeitrag abzuliefern. Es gab von Ihrer Fraktion zum Erhalt der Außenstellen noch nicht einmal eine Wortmeldung, noch nicht einmal eine Begründung, weshalb Sie sich so zu diesem Antrag verhalten. Sie führen jetzt Bodo Ramelow als Beispiel an. Ich habe es sehr genau beobachtet und finde es hervorragend, was Herr Ramelow macht: Er hat sein Amt angetreten mit einer Entschuldigung an die Opfer der SEDDiktatur und gesagt, er will das Thema Aufarbeitung zur Chefsache machen. Er hat den Fall Matthias Domaschk wieder aufgerollt und viele Initiativen unterstützt. Das ist eine klare Position, von der Sie hier in Sachsen noch sehr weit entfernt sind.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Als Letztes möchte ich Ihnen einfach empfehlen – Sie haben das Thema wissenschaftliche Publikation angesprochen und dass der LStU nicht in der Lage wäre, wissenschaftlich zu arbeiten –, lesen Sie doch einmal die Publikationen vom LStU,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie sind dafür nicht ausgebildet!)

lesen Sie doch einfach mal Nancy Aris oder Clemens Heitmann. Lesen Sie doch einmal eine solche Studie, bevor Sie darüber richten. Natürlich hat der LStU nicht einen solchen Apparat an Wissenschaftlern zur Verfügung, wie es dem Hannah-Arendt-Institut beispielsweise möglich ist; aber die Arbeiten, die vorgelegt wurden, zum Beispiel die wissenschaftlichen Studien von Frau Dr. Aris, sind hervorragend, und das möchte ich hier in keiner Weise geschmälert wissen.

Der letzte Punkt ist noch die Personalausstattung. Sie haben recht: Wer mehr Aufgaben verlangt, muss auch mehr Personal liefern. Dazu haben wir einen entsprechenden Antrag bereits für die Haushaltsverhandlungen eingereicht.