Protocol of the Session on September 28, 2016

Im Fall eines Doppelbürgermeisters würden hingegen die kommunalen Interessen zweier Gemeinden kollidieren. Auf beiden Seiten der Barrikade stünde dann ein und dieselbe Person, ein und derselbe Bürgermeister. Das ist eine institutionalisierte Schizophrenie. Es ist interessant, dass die AfD in Sachsen etwas Derartiges einführen will.

Wir von der LINKEN wollen so etwas nicht, und deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Winkler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde mich zu diesem Thema relativ kurzfassen. Es sind schon viele Argumente ausgetauscht worden und ich möchte diese nicht wiederholen.

Der vorliegende Gesetzentwurf will es ermöglichen, dass ein und dieselbe Person wieder Bürgermeister in mehr als einer Gemeinde sein kann. Das hat es ja schon gegeben. Das war, wie wir hörten und wissen, die Rechtslage bis

zum 31.12.2013, bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalrechts.

Da ich im Jahr 2013 noch nicht Mitglied dieses Hohen Hauses war, sondern Bürgermeister – übrigens in einer Gemeinde; ich hätte auch keine Zeit für eine zweite gehabt –, habe ich mich mit der damals durchgeführten Anhörung hier im Landtag befasst. Aufgrund des Umfangs der damaligen Gesetzesänderung hat man den großen Schlüssel angewandt, und die Anhörung war sehr umfangreich.

Zur Nr. 34, Buchstabe c), also zur Inkompatibilitätsregelung für das Bürgermeisteramt in § 49 Abs. 4 Gemeindeordnung, hat sich außer Herrn Gruber vom SSG keiner der Sachverständigen geäußert. Nur sehr allgemein konnte man einen Bezug zu dieser Regelung herstellen, und zwar immer dann, wenn von überflüssigen Regelungen gesprochen wurde. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Auch in den schriftlichen Stellungnahmen gab es kaum einen Hinweis.

Ich kann mich auch gut daran erinnern, dass diese damalige Gesetzesänderung unter meinen Berufskollegen keinerlei Aufregung verursacht hat. Es gab sicherlich andere Änderungen, die für Diskussionen gesorgt haben. Aber auf diese will ich heute nicht eingehen.

Wir hörten jedoch von betroffenen Bürgermeistern – es gibt immer die schönen Runden der Bürgermeisterkollegen –, welche Wirkungen diese Regelung auf bestehende Fälle hat. Da diese jedoch so selten vorkamen und jeder Bürgermeister ohnehin nur mit sich selbst und seinen Problemen zu tun hatte, fand die Gesetzesänderung, ähnlich wie unter den Sachverständigen, kaum Beachtung.

In der Stellungnahme des SSG zur Anhörung im Jahr 2013 wird das eben Erwähnte praktisch unterstrichen. Sie haben vorhin die Stellungnahme des SSG erwähnt. Man sprach in dieser Stellungnahme von dem Einzelfall im Landkreis Görlitz mit der Konstellation ehrenamtlicher Bürgermeister in zwei Gemeinden und einem weiteren Einzelfall in der Konstellation hauptamtlicher Bürgermeister einer erfüllenden Gemeinde und ehrenamtlicher Bürgermeister einer beteiligten Gemeinde in einer Verwaltungsgemeinschaft.

Einerseits teile ich die Auffassung, dass die damalige Gesetzesänderung überflüssig war und dass es zur Amtsführung der beiden Bürgermeister in diesen beiden Fällen in Fragen der Inkompatibilität keinerlei Anlass für Beanstandungen gab. Andererseits teile ich die Auffassung, dass es in diesen Fällen zu Interessenskollisionen kommen kann und zwangsläufig kommen muss. Es kommt nicht allein darauf an, ob in dem konkreten Fall, den Sie geschildert haben, Kollisionen vorliegen, sondern der Fall kann und wird eintreten, wie es Prof. Musall in seiner Stellungnahme zur Anhörung dieser Gesetzesänderung dargelegt hat.

Auch ich sehe mit meinem praktischen Auge, das ich immer noch habe, sehr viele Konflikt- und Kollisionsan

sätze. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein hauptamtlicher Bürgermeister einer erfüllenden Gemeinde gleichzeitig Bürgermeister einer Mitgliedsgemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft des Verwaltungsverbandes ist und beispielsweise eine Verbandsumlage umsetzen muss. Das kann auch gegen den Willen der anderen Gemeinde sein. Das birgt Konfliktpotenzial. Ein weiteres Beispiel ist, wenn beide Gemeinden Mitglied eines Wasser- oder Abwasserverbandes sind und unterschiedliche Interessen vertreten müssen. Aus meiner praktischen Erfahrung heraus könnte ich hierfür noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele nennen.

Wir sehen die Änderung aus dem Jahr 2013 als rein präventive Maßnahme an, um von vornherein Konflikte und Interessenskollisionen zu vermeiden. Der uns jetzt vorliegenden Gesetzesänderung der AfD-Fraktion zuzustimmen hieße, eventuell noch vorliegende Einzelfälle lösen zu müssen. Das ist nicht Aufgabe dieses Parlaments – Kollege Hartmann hat es bereits gesagt –, und deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Markus Ulbig)

Für die GRÜNEN Herr Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon vieles zu diesem Gesetzentwurf gesagt worden. Wir erleben hier wirklich ein Paradestück aus dem Repertoire politischer Inkonsequenz, in den Hauptrollen AfDKommunalpolitiker, die entweder unter dogmatischer Schizophrenie oder – wahrscheinlicher – unter einer opportunistischen Inkonsequenz leiden, nach dem Motto „Wir finden ein Thema, setzen uns drauf,

(Heiterkeit der Abg. Daniela Kuge, CDU)

bringen einen Gesetzentwurf ein und stellen dann selbst irgendwann fest: Ups! Da kann irgendwas nicht stimmen.“ Aber anstatt sich das einzugestehen und es wenigstens zu lassen, tut man so, als gäbe es keine logischen Widersprüche. Aber mit Logik hat es die AfD bekanntermaßen auch nicht so sehr.

(Beifall des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich nehme es vorweg: Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen, weil es zum einen – wie bereits mehrfach beschrieben – ein Einzelfallgesetz ist, es um einen einzigen Bürgermeister im Freistaat Sachsen geht und nach unserem Dafürhalten kein absoluter Regelungsbedarf besteht. Zum anderen können wir GRÜNEN es verstehen, dass ein Bürgermeister nicht gleichzeitig in zwei Gemeinden Bürgermeister sein kann.

Es gibt die widerstreitenden Interessen, die heute mehrfach angesprochen worden sind. Der Bürgermeister ist Vorsitzender gleich zweier Gemeinderäte, gegebenenfalls ist er Leiter gleich zweier Gemeindeverwaltungen. Herr Schollbach hat es angesprochen: Das Kommunalrecht und

die Kommunalpolitik versuchen, solche widerstreitenden Interessen, wenn sie innerhalb der Gemeinde sind, in der Gemeindeordnung sehr intensiv zu regeln, insbesondere der Ausschluss ehrenamtlich Tätiger an der Beratung und Entscheidung, wenn sie bereits in anderer Eigenschaft tätig geworden sind, wie es § 20 der Gemeindeordnung regelt. Es gibt also auch dogmatisch gute Gründe dafür, so zu verfahren und diese Regelung nicht wieder aufzubrechen, wie es die AfD haben möchte.

Insbesondere in den Bereichen der kommunalen Zusammenarbeit, also allen Regeln nach dem SächsKomZG – Herr Winkler hat es gerade angesprochen –, besteht diese Problematik um ein Vielfaches. Es wird vom Antragsteller offensichtlich vollkommen ignoriert, dass es dabei erhebliche Probleme und Interessenwiderstreite geben könnte.

Ja, sicherlich kann man sich anschauen, was andere Bundesländer dazu machen, und feststellen, dass es das Problem dort nicht gibt. Herr Hartmann hat dazu alles gesagt. Die Sachverständigen in der Anhörung haben auch ausgiebig darauf hingewiesen. In anderen Ländern gibt es die Normierung einer Residenzpflicht des Bürgermeisters. Da finde ich dann doch unsere sächsische Regelung, nach der sie zumindest nicht in der Gemeinde wohnen müssen, wo sie Bürgermeister werden wollen, relativ liberal.

Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Sachverständigenanhörung – sowohl die tatsächlich bestehenden Inkompatibilitäten betreffend als auch die Feststellung, dass wir hier in Sachsen bei diesem Thema recht liberal sind – lassen uns zu der Schlussfolgerung kommen, dass der uns vorliegende Gesetzentwurf der AfD wenig Sinnvolles bringt, keine Probleme löst und daher abzulehnen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Herr Minister Ulbig, bitte.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Streit um die Doppelbürgermeisterschaften in Sachsen ist in der Praxis zu einem Einzelfall geworden. Nur noch in Zettlitz bestehen Streitigkeiten, die sich aber hoffentlich bei der Wahl am 20. November 2016 klären werden. Dennoch möchte ich die Debatte zum Anlass nehmen, kurz auf den Standpunkt der Staatsregierung einzugehen.

Wie ausgeführt wurde, ist im Jahr 2014 das Verbot der Doppelbürgermeisterschaft aus gutem Grunde eingeführt worden. Uns ging und geht es im Wesentlichen darum, Interessenkonflikte auf kommunaler Ebene zu vermeiden. Wir haben damit Doppelzuständigkeiten entflochten und klare Verantwortlichkeiten geschaffen, dem Grundsatz folgend: ein Bürgermeister für eine Gemeinde.

Jeder von Ihnen, der ein wenig kommunalpolitische Erfahrung hat, wird sicher bestätigen: Wenn ein und

dieselbe Person Bürgermeister von zwei oder mehr Gemeinden ist, wenn, bildlich gesprochen, zwei Herzen in ihrer Brust schlagen, dann sind Konflikte zumindest vorprogrammiert. Das Verbot der Doppelbürgermeisterschaft stellt dagegen sicher: Jeder Bürgermeister sollte sich mit seiner ganzen Kraft auf die Interessen einer, nämlich seiner Gemeinde konzentrieren und sich für sie einsetzen. Die Bürger, die ihren Bürgermeister gewählt haben, sollen sich darauf verlassen können, dass ihr Bürgermeister bei seiner verantwortungsvollen Tätigkeit auch nur die Interessen ihrer Gemeinde im Blick hat. Herr Hartmann hat einige sehr treffende Beispiele genannt.

Bezüglich der Einschätzung der Experten möchte ich an die Stellungnahme von Herrn Prof. Musall und an den Entscheid des Sächsischen OVG erinnern, mit dem die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestätigt wurde. Mit Ausnahme von Baden-Württemberg sehen auch fast alle anderen Bundesländer die Doppelbürgermeisterschaft kritisch. Verbote gibt es beispielsweise in Bayern, im Saarland oder in Brandenburg, ganz zu schweigen von Hessen, wo eine Doppelbürgermeisterschaft sogar verfassungswidrig wäre. Aus diesen und den von anderen Kollegen genannten Gründen empfiehlt die Staatsregierung, den Entwurf abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung. Wir stimmen über den Gesetzentwurf der AfDFraktion ab. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Ich beginne mit der Überschrift. Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür ist die Überschrift nicht angenommen worden.

Ich rufe Artikel 1 auf, Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier wenige Stimmen dafür und eine große Mehrheit dagegen, daher wird der Artikel 1 abgelehnt.

Artikel 2, Inkrafttreten. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Wiederum gleiches Stimmverhalten. Bei einigen Stimmen dafür ist Artikel 2 mit Mehrheit abgelehnt worden.

Wird von der Fraktion noch eine Gesamtabstimmung gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Damit sind alle Artikel abgelehnt worden, und ich kann den Tagesordnungspunkt beenden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsstellung des

Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des

Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen

Republik (Landesbeauftragtengesetz) und zur Änderung weiterer Gesetze

Drucksache 6/4515, Gesetzentwurf der Fraktionen