Protocol of the Session on September 28, 2016

(Zurufe von den GRÜNEN)

Was hier fehlt, ist ein Auftrag zur Auswertung eines tatsächlichen Bedarfs an Schulpsychologen. Die ganze Zeit ist erzählt worden, wie wichtig das ist, aber eine konkrete Auswertung dazu, wo tatsächlich der Bedarf liegt und wie viele das sind, ist bis jetzt nicht erfolgt.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ja, ich habe aber nicht gehört, wie viele Schulpsychologen Sie tatsächlich brauchen.

In Ihrem fünften Punkt fordern Sie schulnahe verwaltungsorganisatorische Einbindung der Schulpsychologen, Beratung und das entsprechende Fachpersonal. Die Schulpsychologen werden ausreichend durch Schulleiter und Lehrer unterstützt und arbeiten zudem eng mit Beratungslehrern zusammen.

Die Beratungen sollen im Übrigen schulnah erfolgen. Auch das wird bereits durch die Verwaltungsvorschrift bestimmt. Hier braucht man ebenso kein Konzept, allenfalls eine wissenschaftliche Erhebung, ob alles in der Praxis so funktioniert, wie es tatsächlich in der Vorschrift beschrieben ist.

Den sechsten Anstrich Ihres Antrags brauchen wir eigentlich auch nicht mehr zu besprechen, denn aus der Stellungnahme der Staatsregierung zu Ihrem Antrag geht hervor, dass es ausreichend Aus- und Weiterbildungsangebote gibt.

Ich sage es jetzt mal bzw. ich sage es besser nicht, dass Sie sich den Antrag eigentlich hätten schenken können. Ich äußere auch nicht die Vermutung, dass Sie den heutigen Antrag ins Plenum gehoben haben, der über eineinhalb Jahre alt ist, weil Ihnen sonst nichts eingefallen ist. Sehr geehrte Kollegen der Linksfraktion, ich habe den Eindruck, Sie wollen hier ein Pflaster auf einen offenen Bruch kleben. Die Tatsache, dass wir eine größere Anzahl von Schulpsychologen benötigen, bedeutet, dass wir umfangreiche Probleme in der Gesellschaft und in Familien haben. Über die reden wir hier nicht. Sie haben es zwar gerade angesprochen, dass eine solche Debatte unbedingt nötig sei, aber bis jetzt haben wir sie in dem Umfang nicht angestoßen.

Mit mehr Psychologen werden wir diese Aufgaben mit Sicherheit nicht lösen. Die AfD-Fraktion ist jederzeit bereit, sich gemeinsam mit Ihnen auch über ideologische Grenzen hinweg zusammenzusetzen, um an diesen gesellschaftlichen Problemen und ihren Ursachen zu arbeiten. Wir lehnen trotzdem Ihren Antrag zum heutigen Zeitpunkt ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es gleich vorwegnehmen: Unsere Fraktion wird diesem Antrag zustimmen, und das hat folgende Gründe: Es stimmt, der Antrag ist nicht mehr ganz taufrisch, aber die aktuellen Zahlen, die Frau Kollegin Falken vorhin vorgetragen hat, belegen, dass sich seit dem Einreichen des Antrages und der Stellungnahme der Staatsregierung, die auch nicht mehr ganz taufrisch ist, also von Anfang letzten Jahres, tatsächlich im sächsischen Schulsystem Veränderungen vollzogen haben, die es erforderlich machen – das ist unsere feste Überzeugung –, über das Thema Schulpsychologen erneut nachzudenken. Ob das tatsächlich unbedingt in Form eines wissenschaftlich evaluierten Konzeptes sein muss, sei mal dahingestellt. Aber wir halten den Ansatz für richtig und werden den Antrag deshalb mittragen.

Ich möchte noch ganz kurz etwas zu den Gründen sagen. Auf den Betreuungsschlüssel ein Schulpsychologe auf über 14 000 Kinder ist schon mehrfach eingegangen worden. Auch das Verhältnis der Zahl von Schulpsychologen zur Zahl von Lehrern ist tatsächlich im Vergleich zu anderen Bundesländern dramatisch niedrig. Weil mir das in den bisherigen Diskussionsbeiträgen etwas zu kurz gekommen ist, möchte ich hier noch einmal einhaken.

Die Schulpsychologen haben natürlich nicht nur den Adressaten Schülerinnen und Schüler, sondern sie haben natürlich auch die Aufgabe, Angebote an Lehrerinnen und Lehrer, Beratungslehrer, an Schulleiter und Schulaufsicht zu machen. Es geht um Supervision, Moderation von komplizierten Prozessen auch an Schulen, und es geht um Angebote zur Gesundheitsförderung für Lehrerinnen und Lehrer. Wenn sich hier in unserem Hohen Haus jemand hinstellt und sagt, das hätten Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen alles nicht nötig, dann sollte er sich mal die Krankenzahlen in der Statistik der Sächsischen Bildungsagentur ansehen.

Die Lage – das hat der Bundesverband der Schulpsychologen tatsächlich gesagt – ist in Sachsen katastrophal. Es nützt nichts, wenn wir das sozusagen von uns wegweisen oder, wie Kollegin Friedel gesagt hat, mit Verweis auf die Debatte um grundsätzliche Fragen von Schulen in Sachsen diskutieren. Das findet hier ja auch statt, hoffentlich bald im Rahmen der Novellierung des Schulgesetzes. Wir müssen auch akut handeln.

Ich möchte Ihnen ein kleines Beispiel aus Chemnitz nennen. Wir haben in Chemnitz sehr, sehr viele große Horteinrichtungen, also mit 200, zum Teil über 300 Kindern. Der Bereich Hort – also 1. bis 4. Klasse – findet an Schulen statt, aber dort sind eben keine Lehrerinnen und Lehrer, dort sind Erzieherinnen und Erzieher, die in

der Regel bei der Stadt eingestellt sind. Aber auch diese Pädagoginnen und Pädagogen sind zum Beispiel mit dem Thema Migration, Integration, Kontakt zu traumatisierten Kindern in erheblichem Maße konfrontiert. Mich hat eine Erzieherin angerufen und gesagt, sie habe ein Kind, bei dem sie nicht einschätzen kann, ob es wirklich traumatisiert ist. Sie hat keine Möglichkeit, sich an jemanden zu wenden, der gegebenenfalls eine Diagnose machen könnte, unabhängig von der therapeutschen Behandlung, Herr Wurlitzer.

Das hat mir schon zu denken gegeben. Ich habe mir überlegt: Wenn es wirklich so ist, und es ist ja so, dass wir Veränderungen auch in der Schülerstruktur haben, dass wir Veränderungen in der Lehrerschaft haben, dass Erzieherinnen und Erzieher zum Beispiel im Hort mit völlig neuen Problemen konfrontiert werden, mit denen sie nicht umgehen können und wofür dann die Ressourcen fehlen, dann sollten wir uns diesen Problemen stellen. Insofern noch einmal: Wir stimmen zu.

Das Thema Leistungsdruck, verehrte Kollegin Friedel, betrifft natürlich nicht nur Kinder in dem Alter ab 5. oder 6. Klasse. Ich habe jetzt erstmalig den Begriff Grundschulabitur gehört. Eltern haben mir erzählt, dass Kinder bereits in der 3. Klasse so unter Druck geraten, die Bildungsempfehlung hinzubekommen. Das sind Themen, die wir nicht so einfach vom Tisch wischen können.

In einem stimme ich nicht mit dir überein, liebe Conny Falken: Ich finde nicht, dass die Stellungnahme der Staatsministerin oberflächlich ist oder so; das war dein Begriff. Es steht schon darin, dass man sich sehr wohl bewusst ist, dass Handlungsbedarf besteht. Man wählte dort Anfang 2015 das Wort „vordergründig“; man sieht das jetzt nicht vordergründig. Das ist für mich schon das Eingeständnis, dass durchaus ein Problembewusstsein für dieses Thema da ist. Es hat ja auch ein Fachtag mit dem Landesverband der Schulpsychologen in Sachsen stattgefunden, was von den Leuten anerkannt wird. Aber seither ist eben nichts passiert. Insofern finden wir den Druck, der durch diesen Antrag aufgebaut wird, ganz gut, und wir erwarten, dass wir dann zum Thema über fünf neueingestellte Schulpsychologen informiert werden, sehr geehrte Frau Staatsministerin. Das war‘s.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Ich schaue erst nach links. Ich schaue dann nach rechts. Frau Abg. Nicolaus, jetzt sind Sie dran. Ich erkenne Sie ganz deutlich. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte schon noch einmal das Wort ergreifen, denn einiges kann nicht so stehenbleiben, wie es ausgesprochen wurde.

Ich will nicht die Sachlage beschönigen, dass wir im Verhältnis – also was die Zahl der Schulpsychologen im Verhältnis zur Zahl der Schüler bzw. der Lehrer betrifft – nicht so gut dastehen.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Wir stehen ganz schlecht da!)

Aber ich bin der Meinung, dass man gute Schule nicht nur an der Zahl der Schulpsychologen messen kann, denn gute Schule ist viel mehr.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Sebastian Scheel und Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Die Grundlage für eine gute Schule – –

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: … sind gute Pädagogen!)

Wenn Sie das Wort ergreifen wollen, mein Guter, bitte ans Mikro, nicht reinplappern!

Die Grundlage für eine gute Schule ist erst einmal ein Schulprogramm.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Oder kleine Klassen wären gut!)

Dafür gibt es unterstützende Angebote. Dazu zählen nicht nur die Schulpsychologen, sondern auch die Beratungslehrer, wie das auch mein Kollege Stephan Hösl schon ausgeführt hat. Diese Beratungslehrer werden ständig weitergebildet, zum Teil sogar verpflichtend.

Wir haben in diesem Haushalt Mittel für circa 350 Stellen für Schulsozialarbeiter eingestellt. Auch diese sollen in der Schule unterstützend wirken.

Man muss doch erst einmal die Frage stellen: Wann kommt man denn zu einem Schulpsychologen? Wann muss ich als Elternteil mit meinem Kind zum Schulpsychologen gehen? Da ist doch bereits vorher etwas passiert oder nicht passiert. Das Gleiche gilt für die Lehrerinnen und Lehrer. Zusätzlich zu den Schulpsychologen gibt es auch ganz normale Psychologen, Therapeuten, an die man sich jederzeit wenden kann. Man kann es nicht nur auf die Schulpsychologen reduzieren.

Wenn Sie jetzt mit einem Antrag aus dem Jahr 2015 kommen – ich glaube, er ist von Februar 2015 –, dann sage ich: Dann war dieses Thema anderthalb Jahre für Sie nicht relevant und anscheinend auch nicht an der Tagesordnung.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Wir haben gar keinen Haushalt gehabt! – Marco Böhme, DIE LINKE: Es ging um die Haushaltsdebatte!)

Jetzt wollen Sie uns aber erzählen, dass es brennt.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Sie hätten mir doch damals etwas erzählt!)

Die gesamte andere Zeit hat es anscheinend nicht gebrannt.

(Zurufe von den LINKEN)

Noch einmal zur Frau Zais: Wenn Sie hier ausführen, dass Kinder in der 3. Klasse Stress haben, weil sie vielleicht die Bildungsempfehlung nicht erlangen und es sein kann, dass da Druck aufgebaut wird, dann sage ich: Das kann sein. Aber da muss ich mich doch fragen: Wer macht denn diesen Druck? Wer erzeugt diesen Druck?

(Petra Zais, GRÜNE: Das System! – Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Das sind meiner Ansicht nach dann schon eher die Eltern, denn von sich aus kommt ein Kind mit sieben oder acht Jahren nicht zu dem Entschluss und sagt: Ich muss jetzt unbedingt aufs Gymnasium. Das wird doch im Hintergrund geschürt.

Ich bin der Meinung, dass da vieles ineinander spielt. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass wir Dinge, die im Raum stehen, vielleicht plakativ vor uns hertragen und meinen, das sei die Lösung für Probleme, die geklärt werden müssen.

Deswegen wollen wir zurzeit kein Konzept von Ihnen und wollen es auch nicht übernehmen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wir sind der Meinung, dass wir sehr gut unterwegs sind, gute Schule im Freistaat Sachsen zu praktizieren: mit den Eltern, mit den Schülern und mit allen Unterstützungsangeboten und natürlich mit diesem Hohen Haus.

(Beifall bei der CDU – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Und mit gut ausgebildeten Pädagogen!)