Protocol of the Session on September 28, 2016

Ich bin überrascht davon, dass Sie die Staatsregierung extra auffordern, diese Mittel zu akquirieren, sollte dies doch selbstverständlich sein und heißt es doch im Umkehrschluss, dass es die Staatsregierung bisher nicht tut. Vielleicht hören wir vom Wirtschaftsminister noch, dass man bisher, sei es aus Schludrigkeit oder aus Absicht, auf europäische Mittel verzichtet habe und auch in Zukunft ohne den Koalitionsantrag nicht vorgehabt hätte, diese zu nutzen. Ich denke aber, die Situation ist eine andere. Nicht fehlende EU-Mittel sind der Engpass. Der Engpass ist oftmals die Vergabepraxis der SAB. Das hätten Sie zum Gegenstand Ihres Antrags machen sollen. In der Praxis sorgt diese immer wieder für Probleme bzw. veranlasst innovative Start-ups und kleine Ingenieurbetriebe oftmals dazu, auf die Beantragung von Anfang an zu verzichten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kollege, ich komme aus Leipzig und habe zwei Fragen, weil Sie gerade das Thema Unister angesprochen haben. Sie haben gesagt, dass die Firma Unister keine sächsische Unterstützung bekommen hat. Ist Ihnen bekannt, dass die Firma Fördermittel be

kommen hat? Sind Sie jemals persönlich mit der Geschäftsleitung von Unister in Kontakt gewesen?

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Ich fange beginne mit der zweiten Frage. Ja, ich hatte Kontakt und daraus ging eindeutig hervor, dass es keinerlei politische Unterstützung seitens der Staatsregierung für dieses Unternehmen gegeben hat.

(Widerspruch bei der CDU)

Es ging nicht nur um finanzielle Unterstützung, es ging auch grundsätzlich darum, wie man sich zu einem innovativen Unternehmen im Freistaat verhält.

(Sebastian Fischer, CDU: Das Wort „innovativ“ ist Mist in dem Zusammenhang!)

Sie sollten sich allgemein mit den Geschäftsgebaren in der Reisebranche befassen. Dann werden Sie sehen, dass das, was Unister gemacht hat, keineswegs in irgendeiner Art und Weise eine Ausnahme war.

(Staatsminister Martin Dulig: Da hätten Sie sich besser über Unister informieren müssen. Das war ein Eigentor!)

Nein, das war kein Eigentor. Ein Eigentor ist es, wenn man ein Unternehmen, das das Potenzial zu einem Global Player hätte, so hängen lässt.

(Staatsminister Martin Dulig: Das macht es nicht gerade besser. Informieren Sie sich!)

In der Praxis sorgt auf alle Fälle immer wieder die Förderpolitik der SAB dafür – um zu meinen eigentlichen Ausführungen zurückzukommen –, dass Fördermittel nicht abgerufen werden. Das war auch bereits vor drei Jahren ein Thema im erwähnten Enquete-Bericht.

Als inhaltliches Fazit Ihres Antrages bleibt: Schön, dass wir darüber gesprochen haben, was das SMWA den ganzen Tag so macht und was die Probleme im Freistaat beim Übergang von der Forschung in die Produktion sind. Das kann nie schaden, aber beschließen müssen wir einen Antrag, in dem keinerlei inhaltliche substanzielle Forderungen stehen, jedenfalls sofern wir uns selbst ernst nehmen. Darum werden wir uns hierzu enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die AfDFraktion spricht Herr Abg. Barth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion lädt uns heute zur Diskussion auf die ganz große Spielwiese ein. „Europa als innovativer Forschungs- und Industriestandort“ lautet der Titel, hinter dem sich dann insgesamt maßvolle 21 Unterpunkte verbergen, zu denen heute Stellung genommen werden darf. Trotz meiner beschränkten Redezeit nehme ich diese

Einladung dankend an. Sie haben aber sicherlich Verständnis dafür, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass ich den Schwerpunkt auf einzelne zwei bis drei Punkte setzen möchte.

Herr Staatsminister Dulig hat im Ausschuss für Wirtschaft Arbeit, und Verkehr voller Vorfreude sein neuestes Projekt, die Strategiewerkstatt, angekündigt. Wir werden vielleicht nach der Stellungnahme des Staatsministers feststellen dürfen, was genau sich dahinter verbirgt und inwieweit der vorliegende Antrag als PräsentationsBlaupause geeignet war. Zu dem Feststellungs- und Berichtsantrag werde ich mich daher in dieser Rede nicht weiter äußern, meine Damen und Herren.

Wichtig erscheint mir aber, und hier setzt der Antrag genau richtig an, einen genauen Blick auf das Zusammenspiel zwischen Forschung und Industrie sowie deren Förderung zu legen, da gerade der Freistaat Sachsen mit seinen renommierten Forschungseinrichtungen und den hier angesiedelten Unternehmen zukunftsfähig bleiben muss und aus Sicht der Beteiligten hier immer wieder erhebliche Probleme benannt werden bzw. noch nicht alle Potenziale der Zusammenarbeit ausgeschöpft worden sind.

Dabei stellt sich in Sachsen grundsätzlich folgender Problemaufriss dar: Die sächsische Unternehmenskultur ist maßgeblich durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägt, das wurde heute mehrfach in anderen Reden angedeutet. Diese verfügen – wenn überhaupt – nur begrenzt über Entwicklungseinrichtungen. An den Forschungseinrichtungen in Sachsen hingegen fehlt teilweise das Lehrpersonal, um Forschung und Entwicklung in der notwendigen Geschwindigkeit voranzutreiben. Ein Finanzierungsbedarf der Forschung und Entwicklung für die erfolgreiche Zusammenarbeit ist daher evident, sprich: unbestreitbar.

Nun zündet aber die Staatsregierung eine beachtliche Nebelkerze, wenn sie uns in ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag auf eine Lösung über die Förderung des Forschungsprogramms „Horizon 2020“ verweist, anstatt aktiv eigene Konzepte zu entwickeln. Das an sich gut gedachte Programm ist nämlich in seiner jetzigen finanziellen Ausstattung längst nicht mehr so effektiv, wie es ursprünglich war, denn im Jahr 2015 wurden Kürzungen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro vorgenommen. Diese Kürzungen wurden trotz massiver Kritik und ohne Berücksichtigung etwaiger Folgen zugunsten eines anderen Investitionsprogramms vorgenommen.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle müssen wir genau aufpassen, dass der gesamte Entwicklungs- und Umsetzungsprozess nicht durch die Planungsunsicherheit zum Erliegen gebracht wird. Das Problem der EU-Fördermittel nach 2020 stellt sich nämlich wie folgt dar:

Die EU-Kommission braucht kurzfristig Geld für Investitionen. Das EU-Haushaltsverfahren bzw. der mittelfristige Finanzrahmen lassen aber keine Entnahmen für sieben Jahre ohne Neuverhandlung zu. Folglich bedient man sich bei den Forschungsmitteln, weil diese in derselben Rubrik

veranschlagt worden sind wie die Wachstumsfonds. Meine Damen und Herren, bei einem weiteren Griff in die Kasse des Förderprogramms könnte dieser Fördertopf leer werden.

Es gibt aber noch weitere Probleme. Der BDI hat das Programm „Horizon 2020“ evaluiert und festgestellt, dass die Bewilligungsquote fast marginal um 12 bis 14 % eingebrochen ist und insbesondere KMU erhebliche Schwierigkeiten bei der Abrechnung haben. Auch die nominale Förderquote von 100 bzw. 70 % sei in der Realität kaum zu erreichen.

Es gibt also in Sachsen noch reichlich zu tun, um die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft zu verbessern. Dabei sollten wir uns, wie hier gezeigt, nicht zu sehr und einseitig auf die volatilen Fördertöpfe der EU verlassen. Unerwähnt soll auch nicht bleiben – hier möchte ich noch einmal den Blick auf Europa und darüber hinaus lenken –, dass Asien seine Investitionen in Forschung und Innovation in den Jahren 2012 bis 2014 von 561 Milliarden US-Dollar auf 632 Milliarden USDollar erhöht hat, während die Ausgaben in Europa im gleichen Zeitraum bei etwa 315 Milliarden Euro stagnierten. Es wäre also im internationalen Vergleich schon viel Augenwischerei dabei, wenn sich Europa als Forschungsstandort mit dem bisher Erreichten zufrieden gibt. Gleiches gilt für Sachsen, meine Damen und Herren.

Insofern werden wir Ihrem Antrag, werte Regierungskoalition, unsere Zustimmung erteilen und sind auf die Ausführungen des Staatsministers sowie die weiteren Initiativen der Staatsregierung gespannt, bei deren Entwicklung wir weiterhin gern parlamentarisch behilflich sein werden.

Recht herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Dr. Lippold, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass wir als Landtag die Staatsregierung ersuchen sollen, sich dafür einzusetzen, den Freistaat Sachsen als innovativen Wirtschafts- und Forschungsstandort zu einer in Wissenschaft und Wirtschaft führenden Region in Mitteleuropa zu entwickeln, ist schon verwunderlich. Ich dachte bisher, so etwas sei automatisch Konsequenz des Amtseides. Aber sei es drum! Auch wenn man das nicht beschließen müsste, so ist es wahrscheinlich nicht schädlich, wenn man es trotzdem tut. Deshalb werden wir – das gleich vorab – Ihrem Antrag zustimmen.

Es ist interessant und gut, dass Sie Europa als Bezugsrahmen für die sächsische Strategie zur Wirtschaftsentwicklung betrachten. Studien vergleichen häufiger die Entwicklung in den Bundesländern und analysieren deren Wettbewerbssituation untereinander. Bei der Betrachtung innovativer Entwicklungen beschränken sie sich auf den Bereich der Wirtschaft, also auf Innovation von For

schungsergebnissen, Verfahren, Produkten, Designs und Geschäftsmodellen in diesem Bereich. Das kann man machen, aber es ist durchaus nicht zwingend. Daneben gibt es im sozialen Bereich und bei Organisationsprozessen Möglichkeiten für Innovationen, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die neue VDI/VDE-Studie zu Perspektiven für die sächsische Industrie scheint zumindest Denkansätze zu enthalten. Das ließe sich sicher noch ausbauen, um am Ende ein modernes Sachsen und nicht nur ein Sachsen mit einer modernen Industrie zu haben.

Wie reagiert nun die Staatsregierung auf Ihren Antrag? Aus meiner Sicht zumindest streckenweise ernüchternd. Ein Beispiel: Sie fordern im Antrag beispielsweise, die Lücke zwischen Forschung und Produktion, die insbesondere bei Technologie-Start-up-Unternehmen als „Tal des Todes“ berüchtigt ist, durch geeignete Instrumente zu schließen. Das ist sinnvoll, denn gerade dort wird es für die Unternehmen teuer. Man verlässt die Forschungsebene, weshalb in der typischen Forschungsinfrastruktur, etwa bei universitären Partnern, nicht weitergearbeitet werden kann. Man ist aber noch nicht stabil auf dem Markt und kann mit der ersten Produktionstechnik voraussichtlich noch kein Geld verdienen, weshalb jede Bank abwinkt. Die Verfügbarkeit von Risikokapital ist hierzulande weit geringer als anderswo in Europa oder gar in den USA.

Die Staatsregierung hebt in ihrer Stellungnahme nun auf die Pilotlinienförderung gemäß KET-Richtlinie ab und nennt das ihren zentralen Ansatz in dieser Sache. KET ist übrigens die Abkürzung für „Key Enabling Technologies“. Man hätte sicherlich auch „Schlüsseltechnologien“ schreiben können, aber die Moderne kommt in Sachsen eben an unerwarteten Stellen hoch.

Schaut man in die Fördervoraussetzungen dieser Richtlinie, so sieht man schnell, dass nur derjenige gefördert werden kann, dessen Gesamtfinanzierung gesichert ist. Und schon steht der Macher aus dem Start-up wieder auf „Los“, weil genau das ja sein Problem war und weiterhin bleibt. Förderfähig ist von einer teuren Produktionsanlage nämlich nur die Abschreibung während der Vorhabensdauer. Weil ein solches Start-up-Unternehmen schnell am Markt sein muss und dafür vielleicht zwei Jahre Zeit hat, wären das möglicherweise 20 % des Anschaffungspreises bei einer zehnjährigen Abschreibung. Das heißt, wenn der Betreffende nicht fast alles anders finanziert, hilft ihm das Programm gar nicht. Nur wer hat, dem wird auch gegeben. Mitnahmeeffekte bei denjenigen, die eigentlich auch eine 100-%-Finanzierung bekommen hätten, sind die wahrscheinliche Folge. Wer nicht schon finanziert ist, überbrückt mit diesem Programm eben nicht das „Tal des Todes“.

Insofern ist diese Forderung in Ihrem Antrag eben nicht das Zuspiel an die Staatsregierung, mit dem sie den Ball ins Tor schießen kann, sondern der Ball geht deutlich daran vorbei. Die Instrumente, die den für das Überleben und das Wachstum von Start-ups wichtigen Lückenschluss bringen könnten, stehen noch aus.

Zu Ihren Bemühungen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Förderverfahren berichtet die Staatsregierung, sie habe erstmals eine pauschalierte Abrechnung ermöglicht. Allerdings werde dies durch Prüfungsinstanzen konterkariert, was zulasten der Verfahrensvereinfachung gehe und den Zuwendungsempfängern oft schwer vermittelbar sei. Da frage ich mich doch, wer eigentlich regiert. Oder erfolgt diese „Verschlimmbesserung“ direkt durch himmlische Intervention? Wieso kommt die Staatsregierung denn nicht einfach mit einem Konzept, das über die gesamte Kette eine rechtssichere Vereinfachung ermöglicht?

So bleibt das Fazit, dass hier ein Antrag vorliegt, der das Thema zwar noch nicht in allen notwendigen Aspekten aufgreift, der aber dennoch eine Reihe konkreter und nützlicher Arbeitsaufträge an die Staatsregierung formuliert. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Staatsregierung bleiben davon noch einige abzuarbeiten.

Wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion spricht Herr Prof. Wöller.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was tun wir, um Arbeitsplätze zu sichern oder zu schaffen? Wie bestehen wir im Wettbewerb auf dem Weltmarkt? Was können wir tun, um unseren Wohlstand zu sichern? Das geht wohl weniger mit Bodenschätzen oder Berggeschrey, sondern eher mit Innovation, Forschung und Entwicklung, Kreativität und Wissenschaft.

Meine Damen und Herren! Es gibt zwei große Entwicklungen, zwei Megatrends, die für diese Debatte wichtig und bestimmend sind: Der eine ist Demografie, der andere Digitalisierung.

Das Thema Demografie ist, wenn man über Sachsen spricht, kein Thema der Zukunft. Es ist noch nicht einmal ein Thema der Gegenwart, sondern es ist ein Thema der Vergangenheit. Der Trend liegt fest, er ist unumkehrbar. Eine alternde Bevölkerung, sinkende Bevölkerungszahlen – das hat Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wir haben einen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials, also derjenigen aus der Bevölkerung, die für das Arbeitsleben herangezogen werden können. Auch hier sind wir nicht begünstigt. Während in Deutschland das Erwerbspersonenpotenzial von 2010 bis 2030, also schon in knapp 15 Jahren, insgesamt um 6 % sinkt, wird es in Sachsen im gleichen Zeitraum, also bis 2030, um über 16 % sinken. Natürlich hat man Reserven, aber das heißt: Die Erwerbstätigenzahl wird massiv sinken. Darauf müssen wir uns einstellen.

Man kann fragen: Was soll man tun? Ich glaube, die Antwort muss lauten: massive Investitionen in Bildung und Wissenschaft, insbesondere in digitale Bildung und in professionelle Weiterbildung. Andere Länder sind uns voraus, beispielsweise die USA. Sie haben ein durch

schnittliches Bevölkerungsalter, das acht Jahre unter dem unseren liegt. Das ist im Hinblick auf die Digitalisierung eine ganze Generation. Diesen Vorteil werden sie nutzen. Deutschland und gerade Sachsen gehören zu den Ländern mit den ältesten Bevölkerungen. Nur Japan und der Vatikan sind älter.