Wenn wir uns die gegenwärtige Förderperiode 2014 bis 2020 anschauen, dann liegt der Schwerpunkt der Kohäsionspolitik in gezielten Investitionen in Schlüsselbereiche, die von wirtschaftlicher Bedeutung und entscheidend sind, wie eine CO2-arme Wirtschaft, wie die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere durch die Technologieförderung, wie Innovation und Beschäftigung und die soziale Eingliederung.
Vor allem aber wird die Kohäsionspolitik den Wandel der Regionen – ungeachtet ihres Entwicklungsstandes – in geeigneter Weise unterstützen. Unser Ziel ist es, den Freistaat Sachsen als innovativen Wirtschafts- und Forschungsstandort zu einer in Wissenschaft und Wirtschaft führenden Region in Europa zu entwickeln.
Wie kann uns das gelingen? Zunächst gilt es, Europa als weltweit tätigen Standort fit zu machen, nicht nur als Binnenmarkt; und es gilt, auf den Märkten in Asien und den USA mit unseren Produkten und Dienstleistungen erfolgreich zu bestehen und letztlich auch die Wachstumsmärkte zu begleiten.
Als Zweites ist die Abwanderung von Industrie- und Forschungszweigen, in denen Europa lange Zeit weltweit führend war, zu bremsen. Hier spielt letztlich auch die Energiepolitik eine entscheidende Rolle, die für die Industriestandorte ganz wesentlich ist.
Als Drittes sind die EU-Institutionen zu nennen. Wir müssen uns stärker dafür einsetzen, dass bestimmte Produkte, Produktbereiche und Industrien, insbesondere die Schlüsseltechnologien, erhalten und ausgebaut werden. Wir sind als Freistaat Sachsen im Bereich der Nanotechnologie bereits in einem wirkungsvollen Verbund mit Frankreich, und auch die Mikroelektronik stellt eine Schlüsselindustrie dar, die durch den Freistaat immer kontinuierlich auch in schwierigen Zeiten unterstützt wurde und für die wir jetzt – Gott sei Dank! – eine stärkere Begleitung seitens des Bundes erfahren, wie wir letzte Woche beim Fraunhofer IPMS mit der Einweihung der 200-Millimeter-Anlage deutlich gesehen haben.
Darüber hinaus wirkt das europäische Mikroelektronikförderprogramm ECSEL, was letztlich auch ein gutes Zusammenspiel aus EU, Bund und Freistaat Sachsen ist, von dem wir im Freistaat positiv profitieren werden.
Der vierte Punkt in der Umsetzung ist die Steigerung der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 3 % des Bruttoinlandsprodukts. Ich sehe an dieser Stelle, wie ich noch einmal betonen möchte, die zusätzliche steuerliche Forschungsförderung als wesentlichen Punkt an, die in vielen Ländern Usus ist und bei der wir durchaus Potenzial haben, vor allem auch im privaten Bereich FuE-Aufwendungen zu steigern.
Unsere Hochschul- und Forschungseinrichtungen wiederum sind stärker darauf angewiesen, europäische Programme in Anspruch zu nehmen, insbesondere das Forschungsprogramm „Horizon 2020“, weil in den Fonds – dem Europäischen Sozialfonds und dem EFRE-Fonds – in den nächsten Jahren deutlich weniger Geld zu erwarten ist und wir andere Quellen bemühen müssen. Diese Quellen sind teilweise deutlich schwieriger zu erschließen. Von daher ist es gut und wichtig, dass neben dem European Project Center an der TU Dresden jetzt auch der Freistaat mit der „Zentralen EU-Serviceeinrichtung“ ZEUSS unseren Wissenschaftlern dabei Unterstützung gibt, europäische Mittel einzuwerben. Das ist auch ein weiterer Punkt aus dem Koalitionsvertrag, der damit umgesetzt wurde.
Als fünften Punkt möchte ich die stärkere Vertretung landeseigener sächsischer Interessen in Brüssel nennen. Wir haben in dieser Legislaturperiode das sächsische Verbindungsbüro in Brüssel gestärkt und werden auch unseren Einfluss in den Institutionen durch die Entsendung von nationalen Experten deutlicher machen, damit wir bei den Entscheidungen schon im Entstehen beteiligt sind.
Der Antrag, der Ihnen heute vorliegt – und für den ich jetzt schon einmal um Zustimmung bitte –, hat das Ziel, die bisherigen Aktivitäten der Sächsischen Staatsregierung zum einen als Analyse zu bündeln und andererseits die notwendigen weiteren Anstrengungen deutlich zu machen und voranzubringen.
Ich möchte Sie ermutigen, diese Bemühungen durch Zustimmung zu dem Antrag zu unterstützen, damit sich auch unser Freistaat Sachsen in Zukunft im Kontext des europäischen Forschungs- und Industriestandortes nach vorn entwickelt. – Mein Kollege Prof. Wöller wird in der zweiten Runde das Thema noch ergänzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zum Start der heutigen Antragsdebatte legt Ihnen die Große Koalition einen Antrag vor mit dem Titel „Europa als innovativer Forschungs- und Industriestandort“.
Zu Beginn ist es mir ein Bedürfnis zu sagen: Europa ist für Sachsen ein Glücksfall. Die EU hat nicht nur geholfen, die infrastrukturellen Rückstände in unserem Bundesland seit 1990 aufzuholen, wie wir es ohne diese Förderung nie geschafft hätten; nein, die Stichworte Strukturfondsmittel, Kohäsionspolitik, Fachkräftebildung und -bindung, aber auch die Fonds für grenzüberschreitende Arbeit sind hier maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sachsen heute dort steht, wo es steht. Das haben wir heute bereits in einer der ersten Debatten gehört.
Europa bedeutet aber auch Chancen für unsere Forschung und Entwicklung und damit für den Marktzugang unserer innovativen Unternehmen, mithin für das Wachstum von Industrieproduktion und Export. Genau dies brauchen wir, denn Ostdeutschland hat von 1990 bis heute ein strukturelles Defizit im Bestand großer Unternehmen und damit auch im Vermögen und in der Fähigkeit, Forschung und Entwicklung zu betreiben. Diese Innovationen braucht es aber, wollen wir in Zukunft gute Arbeit und Produkte in Sachsen halten und haben.
Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind klar: Wenn wir weiter wachsen möchten, müssen wir Exportüberschüsse generieren. Entwickelte Industriestaaten können dies aufgrund ihres Lohnniveaus und berechtigt hoher Standards auf internationalen Märkten aber nur mit hoch
entwickelten Produkten und spezialisierten Dienstleistungen. Kurzum: Diese Produkte und Innovationen entstehen nur dort, wo intensiv geforscht und entwickelt wird.
Wir wollen mit diesem Antrag das Ziel in Erinnerung rufen und festhalten, dass wir in Zukunft 3 % des BIP unseres Freistaats für Forschung und Entwicklung mobilisieren. Das wird – das hat Herr Kollege Meyer schon angedeutet – nur gehen, wenn auch die Forschungsintensität und -beteiligung im privaten Bereich weiter ausgebaut wird.
Unser Ziel sollte es deshalb sein, dass bis zum Ende der Dekade in der privaten Wirtschaft wenigstens so viel in Forschung und Entwicklung investiert wird, wie es der staatliche Bereich schon tut. Im Jahr 2014 lag der Anteil der Privatwirtschaft noch bei 43 %. Gerade die Herausforderungen durch die Veränderungen bei den EU-Fonds bedeuten für uns, wir müssen darüber nachdenken, wie wir mehr Firmen für Forschung und Entwicklung gewinnen können.
Wir haben in den vergangenen zwei Jahren schon vieles in dieser Staatsregierung auf den Weg gebracht, nicht zuletzt das SMWA, um die sehr kleinteilige sächsische Wirtschaft für Forschung und Entwicklung zu gewinnen. Einige Stichworte seien genannt: Inno-Teams, SeniorInno-Manager, und auch vereinfachte Abrechnungsverfahren sollen mehr kleine und mittelständische Unternehmen für Forschung und Entwicklung gewinnen. Fast 200 Millionen Euro an EFRE- und ESF-Fördermitteln, die in fast tausend Projekten binnen nicht einmal zwei Jahren ausgereicht wurden, belegen dies, wie ich finde, sehr eindrucksvoll.
In Zukunft wollen wir weitere Akzente setzen; denn Innovation ist nicht statisch, sondern dynamisch. Mit dem schon bestehenden Innovationsfonds soll Größenwachstum angereizt werden. Mit einer beträchtlichen Digitalisierungsinitiative, im Rahmen der Cluster, von Wettbewerben, aber auch Messen wollen wir die branchen- und technologiefeldübergreifende Arbeitsteilung und Vernetzung weiter vorantreiben und bestehende Größennachteile mindern.
Für den Doppelhaushalt beraten wir gerade darüber, wie angewandte Forschung und Entwicklung nicht nur in Fachhochschulen, sondern auch in unseren Forschungsinstituten und ja, künftig sogar an den Standorten der Berufsakademien auf- und ausgebaut werden kann.
Zudem ringen wir bei der schon angesprochenen wachsenden Konkurrenz um europäische Mittel darum, ein möglichst hohes Niveau der Forschungsförderung an den Hochschulen zu halten bzw. in einzelnen Bereichen zu stärken. Um die Chancen genau dafür zu steigern, fordert der Antrag intensivere Anstrengungen der Staatsregierung, insbesondere im SMWK, für die Entsendung nationaler Experten, aber auch zur Beteiligung an europäischen Forschungsnetzwerken. Auch hierüber unterhalten wir uns gerade in den Haushaltsverhandlungen.
Zu guter Letzt: Wir unterstützen die Bestrebungen der Staatskanzlei und der beiden Innovationshäuser der Staatsregierung, des SMWA und des SMWK, wichtige Vorhaben im gemeinsamen europäischen Interesse in Sachsen anzusiedeln und den hierfür notwendigen finanziellen Rahmen darzustellen. Zuerst zu nennen ist sicherlich – das kam schon – die ECSEL-Initiative auf dem Feld der Mikroelektronik. Sachsen ist einer von drei europäischen Standorten und mit hoch innovativen Technologien versehen. Aber auch die Förderung von Schlüsseltechnologien, insbesondere die Produktlinien zur Einführung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Vorprodukte bzw. Pilotprodukte soll helfen, um unsere Industrie, deren Struktur derzeit – so deutlich muss man es sagen – noch sehr am Automobil- und Maschinenbau hängt, auf angrenzenden Feldern wie der Biotechnologie, der Medizintechnik, dem Leichtbau oder der Materialwirtschaft zu erweitern und konkurrenzfähig zu machen.
Sachsen soll sich künftig zu einer führenden Region in Wissenschaft und Wirtschaft in Mitteleuropa entwickeln. Das ist unser Anspruch. Dafür arbeiten die Mitarbeiter und Beschäftigten in der Staatskanzlei, im SMWA und SMWK, in den Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Platz 23 im europäischen Innovationsranking ist ein guter Beleg dafür, für uns aber zugleich Ansporn.
Wir wollen mit diesem Antrag und mit dem kommenden Haushaltsplan einen weiteren Schritt in Richtung europäischer Spitze gehen und bauen deshalb auf Ihre Unterstützung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie soll man sich zu einem solchen Antrag verhalten?
Nichts, was darin steht, ist wirklich falsch, aber fast alles, was darin steht, ist so banal, dass es sich eigentlich gar nicht lohnt, sich überhaupt dazu zu äußern.
Was steht in Ihrem Antrag, wenn man im Gegensatz zur Einbringungsrede und entgegen dem Titel das darin enthaltene Wort „Europa“ weglässt? – Es handelt sich um die Aufzählung von Allgemeinplätzen, wie dass Sachsen im internationalen Wettbewerb stehe und für die Wirtschaft Forschung und innovative Entwicklung notwendig seien, um in Zukunft weiter bestehen zu können. Das zu erkennen ist nicht schwer.
Die Feststellung, dass die Wirtschaft des Freistaats durch ihre Kleinteiligkeit strukturelle Wettbewerbsnachteile hat und dass dadurch in vielen Bereichen die Budgets für Forschung und Entwicklung limitiert sind, ist auch nicht wirklich neu.
Wenn lediglich 6 % der Unternehmen, die im Freistaat in Forschung und Entwicklung investieren, Großunternehmen sind, diese aber rund zwei Drittel der Gesamtaufwendungen der Privatwirtschaft in diesem Bereich übernehmen, dann spricht das Bände.
Dann wundert es auch nicht, dass hierzulande der Anteil von FuE-Mitarbeitern an der Gesamtzahl aller Beschäftigten nur etwa bei der Hälfte des Wertes in den westlichen Bundesländern liegt. Daran hat sich seit dem Bericht der Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“ aus der letzten Legislaturperiode nichts geändert.
Während die Altbundesländer im Durchschnitt das 3Prozent-Ziel der Wirtschafts- und Innovationsstrategie Europa 2020 erreichen, liegt der Wert in Sachsen mit 2,6 % des Bruttoinlandsprodukts deutlich darunter. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass die Pro-KopfWirtschaftsleistung des Freistaats seit Jahren bei etwa Dreiviertel des gesamtdeutschen Wertes stagniert, dann ergibt sich letztlich, dass die Pro-Kopf-Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in den Altbundesländern seit Jahren kontinuierlich um mindestens 60 % über den sächsischen liegen.
Nun könnte man auf die Idee kommen, dass sich dieser Zustand ändert, wenn sich in Sachsen leistungsstarke Unternehmen aus innovativen Branchen ansiedeln. Das beschreiben Sie ja auch. Das ist nicht falsch, aber in der vorliegenden Form inhaltsleer. Allein weil es der Landtag zum wiederholten Male feststellt, wird daraus noch keine Realität. Auch mit den von Ihnen angesprochenen EUMitteln wird das nicht passieren.
Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, warum gerade international umworbene Investoren aktuell eben nicht zuerst an Sachsen denken.
Lassen Sie mich aus dem Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit zitieren: „Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Intoleranz stellen eine große Gefahr für die gesellschaftliche, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar.“
An einer anderen Stelle, speziell auf Sachsen gemünzt: „Neben unzähligen Angriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sind gewalttätige Ausschreitungen wie in Heidenau und Freital zu Symbolen geworden.“
Die Debatten von heute Morgen, meine Damen und Herren, und die ihnen zugrunde liegenden Zustände haben mehr mit Wirtschaftspolitik und der Frage zu tun, wer sich im Land ansiedeln wird, als es einige hier wahrhaben wollen.
Es geht aber nicht nur um das Klima im Land. Es gibt auch handfeste Strukturprobleme, die einer gedeihlichen wirtschaftlichen Entwicklung im Wege stehen und von den Wirtschaftskammern wiederholt angemahnt werden. Ich nenne nur die jahrelange Vernachlässigung des Schienenverkehrs, die aktuelle Situation im Bildungssystem oder den in weiten Teilen auf der Stelle tretenden Breitbandausbau.
Dass die Koalition vor der Sommerpause die Förderung von 88 WLAN-Hotspots im Erzgebirge in einer extra dafür anberaumten Aktuellen Debatte zur wegweisenden infrastrukturellen Großtat verklärt hat, erzählt, wenn auch unfreiwillig, viel darüber, wie eben nicht selbstverständlich digitale Infrastruktur hierzulande ist.
Wenn Sie in Ihrem Antrag die Auswirkungen der Digitalisierung auf sächsische Schlüsseltechnologien ansprechen, dann haben Sie damit recht. Sie vernachlässigen den Dienstleistungsbereich, in dem auch Innovationen stattfinden, jedoch vollständig. Das sieht auch in der Praxis so aus. Der Webdienstleister Unister aus Leipzig mit 1 700 Mitarbeitern, für sächsische Verhältnisse ein Großunternehmen und im Reisebereich der einzige vergleichbare Anbieter mit Sitz in Deutschland, hatte nie eine öffentliche Unterstützung seitens des Freistaats. Die Aufmerksamkeit des Freistaats kam erst mit der Staatsanwaltschaft, im Vorfeld der im Sommer angemeldeten Insolvenz. Auch Ignoranz kann Technologiepolitik sein.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf die EUFördermittel für Forschung und Technologietransfer zu sprechen kommen.
Ich bin überrascht davon, dass Sie die Staatsregierung extra auffordern, diese Mittel zu akquirieren, sollte dies doch selbstverständlich sein und heißt es doch im Umkehrschluss, dass es die Staatsregierung bisher nicht tut. Vielleicht hören wir vom Wirtschaftsminister noch, dass man bisher, sei es aus Schludrigkeit oder aus Absicht, auf europäische Mittel verzichtet habe und auch in Zukunft ohne den Koalitionsantrag nicht vorgehabt hätte, diese zu nutzen. Ich denke aber, die Situation ist eine andere. Nicht fehlende EU-Mittel sind der Engpass. Der Engpass ist oftmals die Vergabepraxis der SAB. Das hätten Sie zum Gegenstand Ihres Antrags machen sollen. In der Praxis sorgt diese immer wieder für Probleme bzw. veranlasst innovative Start-ups und kleine Ingenieurbetriebe oftmals dazu, auf die Beantragung von Anfang an zu verzichten.