Sehr geehrte Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Wir sprechen heute darüber, ob künftig sämtliche Gemeinden des Freistaates Sachsen eine Gästetaxe und Tourismusabgabe erheben dürfen. Das hört sich in der jetzigen Lage natürlich erst einmal vernünftig an. Allerdings leuchtet nicht ein, warum nur jene Gemeinden die entsprechende Abgabe erheben dürfen, die überwiegend vom Fremdenverkehr geprägt sind. Das ist eine an der Realität vorbeigedachte Regelung, da jede Gemeinde einen Mix aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen sogar anstreben sollte, um nicht zu abhängig zu
Kurz und gut: Isoliert betrachtet, verbirgt sich hinter Ihrem Gesetzentwurf eine gute Absicht; das möchte ich Ihnen auch zugute halten. Gut gemeint ist aber noch lange nicht gut gemacht. Das hat zwei Gründe.
Erstens halten wir es für notwendig, eine Steuer auf Übernachtungsleistungen zu verbieten. Während Gästetaxe und Tourismusabgabe zweckgebunden sind, trifft dies auf die Bettensteuer nicht zu. Die Einnahmen, die dadurch generiert werden, können auch für tourismusfremde Zwecke verwendet werden, weshalb wir sie ablehnen.
Für Gemeinden ist die Bettensteuer attraktiv, weil für die Steuer auf Übernachtungsleistungen keine Satzung erlassen werden muss. Die Ziele der Gästetaxe und der Tourismusabgabe würden dann jedoch ins Leere laufen, da sie nach der bisherigen Fassung des Gesetzentwurfs nicht zusätzlich erhoben werden dürfen.
Die AfD-Fraktion hat deshalb einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, der im Innenausschuss aber leider abgelehnt wurde. Ohne diese Änderung fällt aber der gesamte Gesetzentwurf in seiner ursprünglich vielleicht angedachten Sinnhaftigkeit in sich zusammen.
Unser zweiter großer Kritikpunkt ist grundsätzlicher Natur. Viele Bürger halten die Gästetaxe und die Tourismusabgabe für ein typisches bürokratisches Instrument. Sie fragen sich – genauso wie ich –, ob man das nicht einfacher lösen kann und warum es jetzt noch eine weitere Hintertür geben sollte, die zur Abzocke von Gästen missbraucht werden könnte. Statt immer neue Abgaben zu erfinden, wünschen sich viele Bürger, dass wir endlich mit der Entbürokratisierung beginnen. Diesen Auftrag unserer Wähler nehmen wir sehr ernst. Bei jeder zusätzlichen Abgabe sollten wir überlegen, auf welchem Weg wir ohne sie auskommen könnten. Es wäre ohne Probleme möglich, auf Gästetaxe, Tourismusabgabe und Bettensteuer zu verzichten, wenn Sie in den letzten Jahren keine Politik auf dem Rücken der Kommunen betrieben hätten.
Ziel muss es daher sein, die Kommunen umfassend zu entlasten, damit sie es langfristig schaffen, sich ohne Sonderabgaben selbst investiv zu betätigen. Die Gestaltung des Umfelds für den Tourismus ist nur ein Beispiel. Die Kommunen können das Geld auch für etwas anderes ausgeben, wenn sie eher auf Industrie setzen.
Wir haben ein gesamtgesellschaftliches Interesse daran, Urlaubsorte herauszuputzen und jeder Gemeinde im Sinne des Ideals der Subsidiarität viel Spielraum zur freien Ausgestaltung der eigenen Heimat zu geben. Das Problem ist einzig und allein, dass die Kommunen aufgrund ihrer durch falsche Bundes- und Landespolitik verursachten Geldknappheit wahrscheinlich nicht freiwillig aus ihren allgemeinen Steuereinnahmen Geld für die eigene touristische Attraktivität in die Hand nehmen können,
weil sie schon damit zu tun haben, mit ihrem Budget die gesetzlich verordneten Pflichtaufgaben zu leisten.
So betrachtet ist der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes nicht mehr als die beste Lösung unter den schlechten. Wir lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab. Statt kleine handwerkliche Reparaturen an Gesetzen vorzunehmen erwarten die Bürger, dass endlich Schluss ist mit solchen Abgaben und mit dem Bürokratieirrsinn und dass alle Kommunen ihre Gelder selbstbestimmt für sinnvolle Ausgaben verwenden können.
Wir sind uns sicher, dass starke Kommunen in ihrem eigenen Interesse schon genug für ihre touristische Attraktivität leisten werden. Nun kommt es darauf an, die Kommunen von unsinnigen Aufgaben zu befreien und ihnen damit wieder die Möglichkeit zu geben, für Ortsansässige und Gäste die eigene Heimat zu verschönern und lebenswert zu gestalten.
Sehr geehrter Herr Wippel, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass Kommunen freiwillig entscheiden können, wie sie auf ihrer kommunalen Ebene vor dem Hintergrund des Prinzips der Subsidiarität ihre Tourismusfinanzierung selbst gestalten? Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass dieses Gesetz ein Ermöglichungsgesetz ist und dass jede Kommune selbst entscheiden kann, wie sie ihre Tourismusfinanzierung gestaltet? Das alles, was Sie uns gerade erzählt haben, ist einfach nur billige Polemik und entspricht nicht der Wahrheit und auch nicht der Wahrheit dieses Gesetzentwurfs.
Ja, vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege! Vielen Dank für diesen Einwurf. Selbstverständlich habe ich fast so etwas Ähnliches gemeint wie das, was Sie gesagt haben. Natürlich können die Gemeinden das selbst entscheiden. Sie sollen es auch selbst entscheiden, aber ohne, dass sie dafür zusätzliche Abgaben erheben müssen.
Die Problematik ist: Sie müssen es nicht zwingend, weil es vorgeschrieben ist, aber sie müssen es faktisch zwingend, weil die Kommunen pleite sind, weil sie kein Geld haben. Sie haben keinen freien Topf, aus dem sie Geld
Die Kommunen und die Gemeinden streichen in ganz Sachsen ihre freiwilligen Aufgaben, und damit auch die investiven Aufgaben, zusammen, weil sie das Geld nicht haben, weil das Geld für die Pflichtaufgaben draufgeht. Das war die Aussage.
Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Kurzintervention ist abgeschlossen. Wir fahren in der Aussprache zum Gesetzentwurf fort. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist an der Reihe. Herr Abg. Lippmann, bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Für viele Städte in Sachsen, auch diejenigen, die keine staatlich anerkannten Erholungsorte, Kur- und Heilbäder sind, ist der Tourismus eine wesentliche Einnahmequelle und ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Dass man Touristen, die man in eine Stadt locken will, auch etwas bieten muss, ist eine Binsenweisheit. Dass dies mitunter mit beträchtlichen Ausgaben für die Kommunen verbunden ist, ebenso. Umso komplizierter gestaltet sich seit Jahren die Frage, wie man die Nutznießer einer touristischen Infrastruktur, nämlich die Gäste, auch an der Finanzierung einer solchen beteiligen kann.
Herr Wippel, das war schon ein starkes Stück. Die Logik, den Kommunen gehe es schlecht und deswegen nehmen wir ihnen auch noch die Abgaben weg, mit denen sie die touristische Infrastruktur finanzieren können, auf dass dadurch dann weniger Touristen kämen und es ihnen noch schlechter gehe, das ist nicht überzeugend. Sie zeigt auf jeden Fall eins: Die AfD hat von Tourismuspolitik keine Ahnung. Zweitens kann ich verstehen, dass, wenn die Politik der AfD aufgeht, kein Tourist mehr kommt. Das ist entsprechend logisch.
Drittens: Sie machen eine Politik auf dem Rücken der Kommunen und behaupten permanent etwas anderes als das, was Sie gerade zur Schau gestellt haben. Das hat Sie vollkommen disqualifiziert, zu dem Thema auch nur einen Beitrag zu leisten.
Die Neuregelung, wie sie die Staatsregierung mit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorschlägt, versucht, dem Anspruch zwischen einer finanziellen Beteiligung der Gäste an der touristischen Infrastruktur und dem, was bisher war, durchaus adäquat zu begegnen. Wie wir heute mehrfach gehört haben, ist insbesondere die Frage, wie eine solche Beteiligung ausgestaltet werden kann, bisher mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden gewesen. Bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen zur entsprechenden Regelung in der Landeshauptstadt Dresden war man der
Überzeugung, es recht weit auslegen zu können. Dann hat das Gericht dem einen Riegel vorgeschoben. Entsprechend ist jetzt eine Neuregelung angezeigt.
Wir danken der Staatsregierung, dass sie eine sinnvolle Regelung, die zukünftig eine Rechtssicherheit schafft, vorlegt. Insbesondere die Ausweitung der Kurtaxe auf eine Gästetaxe und damit auch die Vergrößerung der Zahl der Gemeinden, die diese in einem immer noch recht engen Rahmen erheben dürfen, ist aus Sicht meiner Fraktion sinnvoll, minimiert sie doch die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Erhebung und schafft gegenüber den Gästen eine hinreichende und nachvollziehbare Transparenz. Die Vereinfachung wird viele Kommunen trotz der weiter bestehenden Voraussetzung in die Lage versetzen, besser ihre touristische Infrastruktur ausgewogen finanzieren zu können.
Insoweit greift die Koalition mit dem Gesetzentwurf ein entscheidendes Thema auf. Die Koalition hat nach der Sachverständigenanhörung wichtige Änderungen übernommen, die diesen Gesetzentwurf qualifizieren.
Gleichwohl werden wir uns heute nur der Stimme enthalten können, denn: Was auf der einen Seite Rechtssicherheit schafft, schafft auf der anderen Seite – und da sind wir insbesondere nach der Sachverständigenanhörung der festen Überzeugung – durchaus eine große Rechtsunsicherheit. Die Rechtsunsicherheit wird zukünftig in der Frage bestehen, welche Kommune überhaupt in der Lage ist, die rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, eine Gästetaxe erheben zu können. Die Frage stellt im Wesentlichen auf die Existenz eines besonderen Aufwands für den Unterhalt einer touristischen Infrastruktur ab. Die Frage, wann diese Voraussetzung erfüllt ist, ist hinreichend unbestimmt.
In der Sachverständigenanhörung ist relativ deutlich geworden, dass sich ein Spektrum eröffnet, das zwischen den momentan 59 existierenden Kommunen, die eine Kurtaxe erheben, und bis zu 224 Gemeinden liegt, die als Minimalvoraussetzung wohl unstrittig zumindest eine Touristeninformation unterhalten. Ferner ist davon ausgegangen worden, dass das reale Spektrum wahrscheinlich irgendwo unter 100 Gemeinden liegen wird. Eine Abgrenzung im Einzelfall ist jedoch schwierig.
Von daher ist nach unserer Auffassung damit zu rechnen, dass sich mit dem Gesetzentwurf die Rechtsunsicherheit von der Frage der Art und des Umfangs der Erhebung zukünftig auf die Frage der Voraussetzung für die Erhebung verschiebt. Leidtragende werden möglicherweise die Kommunen sein, die aus Angst vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung hier ein Problem sehen und zukünftig von diesem Instrument keinen Gebrauch machen. Zumindest ist auf Dauer mit einer weiteren juristischen Auseinandersetzung in dieser Frage zu rechnen. Wir erkennen jedoch, dass es schwierig gewesen wäre, dieses vorrangig anders zu regeln.
Entsprechend nun zum Schluss: Das, was die Staatsregierung vorgelegt hat, ist ein durchaus tauglicher Gesetzentwurf, was die Lösung des Problems, das insbesondere
durch die jüngere Rechtsprechung entstanden ist, angeht. Wir sehen allerdings in einem Punkt die neu aufkeimende Rechtsunsicherheit, die für die Kommunen eventuell ein neues Problem schafft, was dann auch wieder einer gerichtlichen Untermauerung zuzuführen ist. Von daher werden wir uns der Stimme nur enthalten können; gleichwohl unterstützen wir das Anliegen.
Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Wortmeldungen für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte. Sie haben das Wort.
Herzlichen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen ist Tourismusland. Das trifft nicht nur auf unsere vielen Naherholungsgebiete oder die Kurorte, also derzeit 49 Gemeinden, zu. Nein, sehr viele unserer sächsischen Städte und Gemeinden bieten Besuchern aus aller Welt reichhaltige touristische Angebote. Und weil solche Angebote finanziert werden müssen, verstanden sich diese Gemeinden schon lange als „sonstige Fremdenverkehrsgemeinden“ im Sinne des KAG und erhoben eine Kurtaxe oder Fremdenverkehrsabgabe.
Das jetzt von fast allen Vorrednern besprochene viel beachtete Urteil vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht hat letztlich sehr restriktiv deutlich gemacht, dass nur noch eine geringe Anzahl von Kommunen dazu berechtigt sind. Faktisch ist es dadurch vielen Kommunen seitdem nicht mehr möglich gewesen, weder Kurtaxe noch Fremdenverkehrsabgabe zu erheben, auch wenn ihnen durch die Bereitstellung ihrer vorrangig touristisch genutzten Angebote erhebliche Kosten entstehen.
Derzeit hängen 32 sächsische Gemeinden aufgrund des OVG-Urteils buchstäblich in der Luft. Deshalb haben wir als Staatsregierung Handlungsbedarf gesehen. Das Ergebnis ist der vorliegende Gesetzentwurf. Damit werden wir entsprechende Rechtssicherheit herstellen und nicht zuletzt für eine bessere Finanzierung touristischer Angebote in den betroffenen Gemeinden sorgen. Deswegen passen wir Begriffe an. Zukünftig wird es möglich sein, Gästetaxe und Tourismusabgabe in den Gemeinden zu erheben, welche dadurch finanziellen Mehraufwand haben, dass sie vorrangig touristisch genutzte Infrastruktur bereitstellen.
Herr Lippmann, ich möchte es an dieser Stelle eher als Chance denn als Risiko begreifen, dass der Gesetzentwurf so formuliert ist, wie er formuliert ist. Falls es bei der Auslegung Klärungsbedarf gibt, kann man das vielleicht durch einen Erlass oder auf anderem Wege klarstellen.
Für mich heißt das – im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage – Folgendes: Es entscheidet nicht mehr das Touris
musprofil der Gemeinde, sondern die tatsächlich touristische Nutzung der jeweiligen Angebote. Unter solchen Angeboten können Touristeninformationen in der Innenstadt oder auch Internetseiten verstanden werden, welche hauptsächlich touristischen Zwecken dienen.