Da sind wir wirklich gespannt. Ich sage es einmal so: Die 100 Tage sind fast vorbei. Wir werden demnächst die Haushaltsdebatte haben und schauen, was dort dann tatsächlich steht, auch bezogen darauf, was Sie zur sozialen Betreuung angesprochen haben.
Ich glaube nicht, dass wir im Rahmen der Haushaltsverhandlung flächendeckend einen Betreuungsschlüssel von 1 : 150 durchsetzen werden. Ich gehe davon aus, Frau Kollegin Friedel, dass wir uns hier im Rahmen der Haushaltsdebatte wieder sprechen werden.
Wir werden diesem Antrag der LINKEN zustimmen. Wir denken, es ist wirklich an der Tagesordnung, den vielen warmen Worten, die wir hier alle gefunden haben, Taten folgen zu lassen, damit den wohlmeinenden Ankündigungen tatsächlich entsprochen wird, vor allem auch im Rahmen der Haushaltsbeschlussfassung.
Vielen Dank, Frau Zais. – Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. – Ich sehe eine Meldung an Mikrofon 7. Herr Dr. Dreher, Sie wünschen?
Frau Zais, Sie haben es als einen traurigen Rekord bezeichnet, dass Sachsen höhere Abschiebewerte hat als andere Länder. Ich frage mich, warum es ein trauriger Rekord ist, wenn sich Sachsen an das geltende Recht und Gesetz hält. – Danke schön.
Traurig deshalb, weil es in Bezug auf die Abschiebung – das haben wir gehört – durchaus Ermessensspielräume gibt. Es gibt humanitäre Gründe, die Sie geltend machen können. Ich kenne zum Beispiel zwei tunesische Frauen – heute wurde ja viel über Tunesien als „sicheres“ Herkunftsland geredet – hochschwanger. Ich würde diese Frauen nicht abschieben, sondern im Zuge einer Duldung hier lassen.
Ich bin nicht die Einzige, sondern auch andere Abgeordnete haben diesen Brief bekommen. Polizisten des Freistaates Sachsen beklagen darin eine inhumane Abschiebepraxis: Nachtabschiebung unter der Beteiligung von Kindern, von Kleinstkindern, ohne Dolmetscher. Das, muss ich sagen, würde in anderen Ländern so nicht vorkommen, und ich wünschte mir, dass das auch in Sachsen nicht passieren würde.
Meine Damen und Herren! Ich frage in die Runde: Gibt es weiteren Redebedarf für eine zweite Runde? – Aus den Reihen der Fraktionen sehe ich keine Wortmeldung. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Köpping, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Danke schön. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte den Antrag ablehnen, aber aus einem einzigen Grund: Weil ich glaube, dass es ein Schnellschuss wäre, wenn wir das bis zum Jahresende, also sehr kurzfristig, tun. Sie haben ja angemahnt, dass wir eine ganze Reihe gesellschaftlicher Gruppen und Abgeordneter in den Prozess einbeziehen sollen, und genau das möchte ich. Wenn ich das jetzt am grünen Schreibtisch, wie man so schön sagt, alleine durchführen würde, dann hielte ich den demokratischen Prozess, der dafür notwendig ist, einfach für nicht gegeben. Genau aus diesem Grund möchte ich das ablehnen.
Vielleicht noch zu einigen Inhalten: Wir hatten vorhin gesagt – und ich glaube, das wird auch kein strittiger Punkt bleiben –, wichtig ist nicht nur, wie man Gremien nennt und wie man sie im Einzelnen aufstellt, sondern auch, dass sie funktionieren und dass ihre Ergebnisse umsetzbar sind. Deswegen haben wir die Struktur, die wir aufgerufen haben, vorgestellt. Das ist einmal der Koordinierungsstab und zum anderen das Verbändegespräch. Dabei sollen aus allen Ausschüssen des Landtags Abgeordnete vertreten sein, das heißt, es gibt nicht nur die ministerielle Ebene, auch Abgeordnete aus allen Bereichen sind beteiligt. Wir stellen den Ausschüssen frei, wen sie dafür bereitstellen oder wer sich bereit erklärt, dort mitzuarbeiten. Das halte ich für eine wichtige Sache. Die übrigen Beteiligten im Verbändegespräch – Gremien, Organisationen, Flüchtlingsräte – hatte ich bereits genannt.
Heute noch angesprochen wurde das Thema Geld. Das spreche ich in dieser Runde sehr gerne an, weil man dazu natürlich die Abgeordneten braucht. Ich kann wirklich sagen, der Herr Finanzminister – ich sehe ihn gerade nicht – hat in der Vorberatung, die wir selbstverständlich durchgeführt haben, aus meiner Sicht eigentlich sehr gute Zugeständnisse gemacht. Natürlich müssen wir das hier im Parlament beschließen. 33 Millionen Euro Investitionsmittel für die Kommunen sind heute schon erwähnt worden.
Gleichzeitig – und dazu habe ich eine enge Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt – haben wir festgestellt, dass wir eine Grundausstattung für die Betreuung brauchen. Wir haben sie momentan mit 3 Millionen Euro pro Jahr angesetzt. Diese Mittel bekommen die Kommunen sofort in ihre Haushalte, wenn wir das hier im Landtag beschließen.
Zweitens haben wir erreicht, dass wir eine Förderrichtlinie aufsetzen möchten, die durch das Innenministerium ursprünglich schon vorbereitet war. Damit öffnen wir die Betreuungsarbeit nicht nur für Hauptamtliche, sondern zusätzlich – und nicht nur als Ersatz – auch für Ehrenamtliche und auch für regional bedingte Notwendigkeiten. Dafür haben wir für den Haushalt meines Ministeriums zusätzliche Mittel beantragt: 4 Millionen Euro für das Jahr 2015 und 7 Millionen Euro für das Jahr 2016.
Das heißt, in dem Paket, das angemahnt wurde – Betreuungsschlüssel und Ähnliches –, haben wir doch eine ganz schöne Masse beisammen, mit der wir tatsächlich Integration vor Ort betreuen können: Erstsprachenausbildung, Einrichtung von Beratungsstellen, wie es im Koalitionsvertrag beschrieben ist, und anderes soll damit erfolgen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.
Ein Anliegen ist mir die politische Bildung in Schulen. Ich bin jetzt seit genau einem Monat Ministerin und habe bereits Schulbesuche durchgeführt, gerade weil das Thema Pegida etc. auch den Schülerinnen und Schülern auf den Nägeln brennt und sie gerne Informationen zu unserer Einwanderungspolitik in Sachsen haben möchten. An dieser Stelle müssen wir ebenfalls nacharbeiten. Dort gibt es Bedarf; Schülerinnen und Schüler wollen mit uns ins Gespräch kommen, aber auch Lehrerinnen und Lehrer. Zuwanderung und Einwanderung sind auch Themen an Schulen. Auch das soll Bestandteil der Arbeit sein, die wir hier durchführen.
Insofern sind wir, denke ich, auf einem guten Weg. Lassen Sie mir einfach noch ein wenig mehr Zeit für die konzeptionelle Arbeit; denn sie sollte wirklich eine Grundlage sein, die wir gemeinsam erarbeiten, um die Willkommenskultur, die wir in Sachsen alle anmahnen, tatsächlich durchführen zu können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz zum Abschluss: Ja, Frau Köpping, wir wertschätzen Ihre Ansagen. Das sind ja auch andere Summen, die jetzt auf einmal im Spiel sind. Das ist erfreulich. Nichtsdestotrotz werden wir den Antrag natürlich nicht zurückziehen, denn wir wollen Nägel mit Köpfen machen. Wir sind gebrandmarkt, auch ich persönlich als Kommunalabgeordnete aus Leipzig. In den vergangenen Jahren ist einfach zu spüren gewesen, dass aus diesem Hohen Hause, dass aus Dresden wenig gekommen ist: wenig Aufmerksamkeit, wenig Sensibilität und wenig Unterstützung der kommunalen Ebene. Darum ist es uns wichtig, mit diesem Antrag eine Bresche zu schlagen und vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wirklich Beschlüsse zu fassen, die für uns kontrollierbar sind.
Ein kleiner Eindruck: Erst am Montag war ich im Landkreis Mittelsachsen, in Freiberg. Wie ist die Situation dort? Es gibt eine Sozialarbeiterin, die bei der Ausländerbehörde angesiedelt ist. Das geht gar nicht, weil verschiedene Ebenen miteinander verquickt werden. Die richtige Ebene, an der das angesiedelt werden muss, ist das Sozialamt. Das ist eine ganz andere Aufgabe.
In Mittelsachsen gibt es 8 % dezentrale Unterbringung; das ist nichts, das ist verschwindend gering. Es gibt zumindest in Freiberg keine finanzielle Unterstützung für Deutschkurse. Es gab dort einen jungen Studierenden, der studieren wollte und Deutsch lernen musste; die Gelder mussten durch Spenden gesammelt werden. Das ist ein Missstand, der über Jahre angewachsen ist.
Jetzt haben wir noch die Situation, dass sich der CDULandrat nicht traut, ein Asylkonzept im Kreistag zu diskutieren, weil er Angst vor der AfD hat – berechtigterweise sicherlich.
Angst vor menschenfeindlichen Aussagen im Kreistag. Genau diese Landräte, diese Bürgermeister brauchen bei diesen Prozessen eine Stärkung durch die Landesebene. Sie brauchen aber auch Sicherheit, dass sie auf finanzielle Mittel zurückgreifen können. Das will unser Antrag.
Noch zwei kleine Punkte. Von Herrn Hartmann wurde angesprochen, den fachlichen Austausch habe es schon immer gegeben. Wenn es bei der Erarbeitung des Unterbringungs- und Kommunikationskonzepts wirklich einen fachlichen Austausch gegeben hätte, dann wäre nicht ein Schlüssel von 1 : 150 festgeschrieben worden. Ein Schlüssel von 1 : 150 für Flüchtlinge, für Menschen, die zu großen Teilen traumatisiert hier ankommen, ist einfach nicht gängig. Das ist nicht machbar. Das ist Quatsch.
Eine zweite Anmerkung: Das Gutachten von Prof. Lenk habe natürlich auch ich aufmerksam gelesen. Dort stehen die 1 900 Euro pro Quartal ganz klar als Untergrenze. Darum haben wir 2 000 Euro gefordert, um eine größere Auskömmlichkeit herzustellen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/422 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen, zahlreichen Stimmen dafür hat die Drucksache nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: AfD, CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, sofern sie das Wort wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Barth. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Fraktion hat diesen Antrag eingebracht, um die personelle Ausstattung der Außenstelle Chemnitz des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie der Verwaltungsgerichte durch Schaffung von zusätzlichen Richterstellen zu stärken und so das Asylverfahren im Freistaat Sachsen zu beschleunigen.
Die Zahl der Asylbewerber, die Deutschland erreichen, ist im Jahr 2014, wie heute schon mehrfach berichtet wurde,
erneut deutlich gestiegen. Im Zeitraum von Januar bis November 2014 sind bereits 181 453 Erst- und Folgeanträge in Deutschland gestellt worden. Insgesamt werden 2014 wohl mehr als 220 000 Anträge erwartet.
Meine Damen und Herren! Die Ursachen für die steigenden Asylbewerberzahlen liegen auf der Hand. Sie sind maßgeblich in zwei Kategorien einzuteilen. Die erste Kategorie: die Ausbreitung der Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten; die zweite: eine falsche Anreizsetzung für Armutsflüchtlinge durch die Gesetzgebung und Rechtsprechung in der Europäischen Union und in Deutschland.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen, die in die erste Kategorie fallen, die wichtige und berech
tigte Hilfe von uns erwarten, waren und sind nicht Gegenstand unserer Kritik und auch nicht unseres Antrags. Der sprunghafte Anstieg von Asylbewerbern aus Syrien, dem Irak oder Eritrea, die im Jahr 2014 etwa ein Viertel aller Asylanträge in Deutschland gestellt haben, muss von uns gemeistert werden. Diese Menschen, das betonen wir in aller Deutlichkeit, sind hier in Deutschland willkommen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Asylbewerber aus Ländern, bei denen von vornherein klar ist, dass keine originären Asylgründe vorliegen, wie sie in der Genfer Flüchtlingskonvention definiert werden. Hier geht es vornehmlich um wirtschaftliche Gründe und die aus menschlicher Sicht absolut nachvollziehbare Hoffnung, in Europa, in Deutschland, in Sachsen ein besseres Leben führen zu können.