Protocol of the Session on December 17, 2014

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Sie werden sich erinnern, Marwa Ali El-Sherbini wurde hier in Dresden ermordet, weil sie eine Muslima war. Fremdenfeindliche Stimmungsmache ist eben immer dann besonders gefährlich, wenn sie im bürgerlichen Gewand daherkommt. Dann wird sie nämlich salonfähig, und Vollstrecker des vermeintlich gesunden Volkswillens finden sich immer.

Deswegen ist es wichtig, dass wir deutlich machen: Es geht nicht nur darum, von echter Willkommenskultur zu sprechen. Echte Willkommenskultur bedeutet eben auch, dass wir uns dem Rassismus stellen. Auch wenn Frau Petry meint, der Begriff solle heute nicht genannt werden – ich tue es trotzdem. Alltagsrassismus konnte sich in Sachsen gut ausbreiten und salonfähig werden.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Das ist das Thema, und dem müssen wir uns stellen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wir gehen jetzt in eine neue Runde. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Köditz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Herr Hartmann, wir wollen miteinander in Dialog kommen. Vor vielen Jahren habe ich die Zusammenarbeit mit einem Vertreter der evangelischen Kirche gesucht und die Gesprächseröffnung seinerseits war einfach: Frau Köditz, ich werfe Ihnen die Stasi nicht vor, werfen Sie mir bitte die Hexenverbrennung nicht vor.

(Beifall bei den LINKEN – Vereinzelt Heiterkeit)

Das war eine Grundlage für einen Dialog, und wir haben hervorragend zusammengearbeitet.

Vor einigen Wochen begannen die Pegida-Demonstrationen. Ein Ausgangspunkt war das berechtigte Entsetzen angesichts des Terrors des IS im Nahen Osten. Daraus ist sehr schnell eine allgemeine Kritik an der Religion Islam geworden. Das ist aus meiner Sicht nicht zulässig.

Es ist auch nicht gerechtfertigt, aus einer Islamkritik eine Fremdenfeindlichkeit zu machen, die im Endeffekt auf dem Rücken der Schwächsten, der Flüchtlinge ausgetragen wird. Genau diese Argumentationskette wurde verfolgt.

Ich habe mich mit einer zweiten Darstellung öffentlich geäußert. Ich hatte formuliert: Bei den Pegida-Demonstrationen sind viele besorgte Bürger, aber auch Hooligans, Rocker, NPDler, AfDler und Neonazis.

(André Barth, AfD: In einem Satz!)

Aufgrund dieser beiden Aussagen erhalte ich seit einigen Wochen merkwürdige E-Mails, in denen ich beschimpft werde. Aber ich stehe zu meinen Aussagen, auch wenn die Beschimpfungen jetzt weitergehen. Mittlerweile werden diese Mails immer unverschämter, ekliger und stellenweise sogar pervers. Viele Mails versuche ich aber zu beantworten. Ich nehme mir die Zeit, die Zusammenhänge, die von den Bürgern angesprochen werden, zu

erklären, denn die Probleme, um die es hier geht, sind extrem vielschichtig.

Es sind komplexe Zusammenhänge, die oftmals nicht mehr verstanden werden. Wer kann denn noch die Eurokrise erklären? Wer kann die Probleme Griechenlands erklären? Wer kann die gesamte Geschichte der diversen Konflikte erklären? Dafür muss man sich Zeit nehmen, muss die Probleme einzeln abschichten, Zusammenhänge erklären und zuhören.

Über die Grenzen des Dialogs hat mein Vorredner, Herr Zschocke, schon gesprochen; das kann ich jetzt weglassen. Mir fallen in der Debatte aber immer wieder manche auf, die sich darin gefallen, nicht erst zuhören zu wollen, sie schnattern lieber permanent dazwischen. Frau Petry, Ihr Verhalten in Talksendungen finde ich dialogfeindlich.

(Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Wenn es gerade um das Thema A geht, schnattern Sie dazwischen und bringen wie Schnatterinchen plötzlich Thema B in die Debatte und dann noch Thema C. Damit können wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht helfen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das nennt man Diskussion, Frau Köditz!)

Aus meiner Sicht wollen Sie keine Lösung der Probleme.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Ach so?)

Sie wollen einfache Antworten und Parolen. Dabei unterscheiden Sie sich aus unserer Sicht nicht von den PegidaOrganisatoren.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Die kennen Sie doch gar nicht, Frau Köditz!)

Sie passen zusammen. – Ich kenne diese Leute.

Nehmen Sie doch nur einmal die erste Forderung von Pegida auf dem Positionspapier, das Sie in diesen Sendungen vehement verteidigt haben: „Pegida ist für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten.“ Das klingt gut.

(Zuruf von der AfD: Eben!)

Aber genau dort beginnen die Probleme. Was ist mit der jungen Frau aus Somalia, die vor einer Zwangsheirat flieht? Was ist mit dem Iraner, dem im Iran aufgrund seiner Homosexualität die Todesstrafe droht? Wir, DIE LINKE, fordern, dass auch diese Menschen nicht in den Tod abgeschoben werden, nur weil sie zum Beispiel homosexuell sind. In Deutschland ist Homosexualität kein anerkannter Flüchtlingsgrund.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Ganz genau! Dann halten Sie doch einfach nur die Gesetze ein, dann sind Sie ganz weit vorn!)

Sie schieben den Schwulen in den Iran ab, wo er an einem Kran aufgehängt wird bis zum Tode? Dafür sind Sie. Sie haben es eben klipp und klar geäußert.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Schauen Sie sich die Bilder aus dem Iran an, dann wissen Sie vielleicht, worum es hier geht. Diese Forderungen sind nicht nur Forderungen der LINKEN, das sind auch Forderungen von Pro Asyl. Wenn mich nicht alles täuscht, dann war oder ist der AfD-Abgeordnete im Europaparlament, Herr Henkel, ebenfalls Mitglied bei Pro Asyl.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Hören Sie ihm doch einmal zu.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Hartmann, bitte.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das gibt heute bestimmt eine Zulage, Herr Hartmann!)

Frau Präsidentin! Sie gestatten, dass ich mich jetzt kurz sortiere. So viel Schnatterinchen macht mich jetzt doch etwas verlegen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ich freue mich demnächst dann auf Schlapperplapper. – Jetzt zurück zu unserem wirklich ernsten Thema. Es sind wieder einige Punkte vorgebracht worden, die man nicht unkommentiert stehen lassen kann.

Zum einen sind wir von der These der Flutwelle sicher weit entfernt, das muss man deutlich sagen. Es geht hier darum, eine Entwicklung und die entsprechende Herausforderung miteinander zu besprechen. Auch bei allem gebotenen Respekt können wir, wenn wir ernsthaft sein wollen, im Hinblick auf 220 000 Zuwanderer und Asylbewerber wahrlich nicht das Klischee einer Flutwelle bedienen. Das wird dem Thema nicht gerecht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Einige Positionen sind formuliert worden, die man nicht so stehen lassen kann. Das hat etwas mit der Trennschärfe und der Ernsthaftigkeit der Diskussion zu tun

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Hört, hört!)

und vielleicht auch damit, dass Menschen in diesem Land uns als politischen Vertretern das Thema nicht mehr abnehmen. Auch die GRÜNEN haben sich gerade wieder im Pauschalen ausgelassen. Unbestritten ist, dass von den syrischen Flüchtlingen, die hierherkommen, im Grunde fast alle einen Anerkennungsgrund haben. Es ist völlig unbestritten, dass auch aus Afghanistan viele Menschen mit einem Anerkennungsgrund hierherkommen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Aber?)

Aber zur Wahrheit gehört das einfach dazu. Sie können sich bei Ihrer Argumentation nicht einfach immer nur die Rosinen herauspicken, sondern müssen das Thema in der gebotenen Breite und Ernsthaftigkeit behandeln. Wenn im Hinblick auf Bürger aus der Russischen Föderation 833 Entscheidungen im Freistaat zu treffen sind, von denen im Ergebnis nur fünf zu einer Anerkennung führen, wenn bei 409 Antragstellern aus Tunesien im Grunde keine Anerkennung erfolgt, wenn von 325 Antragstellern aus Serbien niemand anerkannt wird, dann ist das doch, bitte schön, auch ein Teil der Diskussion und der Frage, wie wir damit umgehen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Dann erwartet die Bevölkerung von uns doch eine ernsthafte Entscheidung. Ich kann jeden verstehen – – Das muss man jetzt nicht wiederholen. Manchmal hat man schon das Gefühl, in Rechtfertigungsnot zu kommen. Diesbezüglich geht es überhaupt nicht um Menschen, die berechtigt eine Zuflucht suchen, die verfolgt werden und auf die die Todesstrafe wartet. Insofern ist das Beispiel des Iran jetzt etwas relativierend, denn dorthin, wo staatlicherseits die Todesstrafe droht, ist nicht abzuschieben. Das ist ein subsidiärer Entscheidungsgrund und entzieht sich auch der politischen Diskussion.